Urteil des FG Hessen vom 21.02.2008

FG Frankfurt: werkvertrag, projekt, verfügung, abgrenzung, eingliederung, einkünfte, beratungsvertrag, ausführung, erfüllung, niederlassung

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 13.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1999, 2000
Aktenzeichen:
13 K 2392/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 34c Abs 5 EStG 1997, § 645
Abs 1 S 1 BGB, § 631 BGB,
AÜG
(Abgrenzung zwischen Werkvertrag und
Arbeitnehmerüberlassung - Anwendungsbereich des
Auslandstätigkeitserlasses - Ausübung einer beratenden
Tätigkeit durch eine inländische Gesellschaft auch bei
Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft -
Erlass gemäß § 34c Abs. 5 EStG aus volkswirtschaftlichen
Gründen)
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Die Beteiligten streiten darum, ob die vom Kläger im Rahmen seiner
nichtselbstständigen Arbeit für eine Tätigkeit in Saudi-Arabien in den Jahren 1999
bis 2000 erzielte Vergütung gemäß § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem
Auslandstätigkeitserlass (ATE) des BMF vom 31. Oktober 1983 (BStBl I, 470)
steuerfrei zu belassen ist.
Der Kläger ist Mitglied der Geschäftsleitung der ABC-GmbH. In den Streitjahren
1999 und 2000 war er als verantwortlicher Projektleiter in Saudi-Arabien tätig. Die
ABC-Gruppe ist weltweit im Bereich der Unternehmensberatung tätig. Sie besteht
aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Niederlassungen und Büros in aller
Welt. Die ABC-GmbH schloss mit der Niederlassung in Saudi-Arabien, der ABC-Inc.
... einen Unterberatungsvertrag ab, da diese für ihren Beratungsvertrag mit der
DEF Company (DEF) nicht genügend erfahrenes Personal zur Verfügung hatte.
Aufgrund einer Freistellungsbescheinigung des Betriebsstätten-Finanzamtes D
nach dem ATE wurde der Arbeitslohn des Klägers, den er für diese Tätigkeit erhielt,
von der Lohnsteuer freigestellt. Die Veranlagung zur Einkommensteuer für die
Jahre 1999 und 2000 erfolgte antragsgemäß unter Berücksichtigung der
entsprechenden Steuerfreiheit.
Mit Schreiben vom 08.12.2003 teilte das Finanzamt D mit, dass bei der
Entsendung des Klägers nach Saudi-Arabien ein konzerninterner
Arbeitnehmerverleih vorliege, da es sich bei dem Vertrag zwischen der ABC GmbH
und der ABC Inc. nicht um einen Werkvertrag handele. Die
Arbeitnehmerüberlassung sei jedoch nach dem ATE nicht begünstigt. Daraufhin
hat
das beklagte Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 geändert
und die Einkünfte aus der Tätigkeit in Saudi-Arabien der Einkommensteuer
unterworfen.
Hiergegen hat der Kläger Einspruch eingelegt, der mit Einspruchsentscheidung
vom 14.07.2005 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass keine nach dem ATE begünstigte
Beratungstätigkeit aufgrund eines Werkvertrages vorgelegen habe, sondern eine -
nicht begünstigte - konzerninterne Überlassung von Arbeitnehmern.
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Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Ziel weiterverfolgt.
Er trägt im Wesentlichen vor:
Unternehmenszweck der ABC GmbH sei die Unternehmensberatung, was auch
aus dem Gesellschaftsvertrag ersichtlich sei. Die Zwischenschaltung der ABC Inc.
sei erforderlich gewesen, weil die DEF einen arabischen Ansprech- und
Vertragspartner gewünscht habe. Ferner sei der zwischen der ABC GmbH und der
ABC Inc. geschlossene Vertrag ein Werkvertrag mit Dienstleistungscharakter und
kein Vertrag über Arbeitnehmerüberlassung. Die Organisationsgewalt und das
Weisungsrecht hätten bei der GmbH gelegen. Seitens der ABC Inc. sei kein
eigenverantwortliches und in der ...-Branche erfahrenes Personal vorhanden
gewesen. Für die Arbeitnehmer der ABC GmbH habe keine Berichtspflicht
gegenüber der ABC Inc. bestanden, sondern gegenüber der GmbH. Diese habe
ihre Kontroll-, Direktions- und Weisungsrechte gegenüber ihren Mitarbeitern
ausgeübt. Eine Eingliederung der Mitarbeiter der GmbH in die Organisation der
ABC Inc. habe nicht stattgefunden. Die Höhe der Arbeitnehmervergütung habe der
für externe Kunden entsprochen. Die GmbH habe die finanzielle Verantwortung für
das Projekt getragen. Die vertraglich geregelte Gewährleistung habe der typischen
Regelung bei einem Werkvertrag entsprochen, bei dem der Erfolg durch
Dienstleistungen herbeigeführt werde. Die Mitarbeiter der GmbH würden von der
GmbH entlohnt und in ihrem Erfolg beurteilt.
Der Vertrag zwischen ABC GmbH und ABC Inc. sei ein Werkvertrag und keine
Arbeitnehmerüberlassung. So werde nach Art. 1 des Vertrages als geschuldete
Leistung die Erbringung von Beratungsdienstleistungen genannt. Wie sich aus der
zwischen der ABC Inc. und der arabischen Gesellschaft DEF getroffenen
Vereinbarung, auf die in dem Vertrag ausdrücklich Bezug genommen werde,
ergebe, sei es um die Planung, Errichtung und Inbetriebnahme eines ... in Saudi-
Arabien gegangen. Da die ABC Inc. zum damaligen Zeitpunkt nicht über
ausreichend erfahrene Mitarbeiter in diesem Bereich verfügt habe, sei vereinbart
worden, dass die ABC GmbH eine branchenspezifische Beratung liefert. Ziel sei
auch gewesen, eine breitere Basis für internationale Geschäftsbeziehungen mit
dem Königreich Saudi-Arabien sowie für den Austausch von Know-how zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und Saudi-Arabien zu schaffen.
Eine Arbeitnehmerüberlassung liege nicht vor. Es sei nämlich nicht die bloße
Arbeitskraft der ABC Inc. zur Verfügung gestellt worden, sondern das
fachspezifische Wissen der Mitarbeiter der GmbH. Diese habe aufgrund der
vertraglichen Vereinbarung einen Beratungserfolg geschuldet.
Die Organisationsgewalt habe bei der ABC GmbH gelegen. Die GmbH habe das
Beratungsteam zusammengestellt, eine Eingliederung in die ABC Inc. habe nicht
vorgelegen. Die Einbindung der ABC Inc. habe nur deshalb erfolgen müssen, weil
sich Saudi-Arabien einen arabischen Ansprechpartner gewünscht habe. Dies sei in
den dortigen Raum absolut üblich.
Der Kläger sei in diesem Rahmen verantwortlicher Projektleiter gewesen. Er sei
Entscheidungsträger in Zusammenarbeit mit der ABC GmbH in Deutschland
gewesen. Auch die vorliegend geregelte Vergütungsstruktur spreche für einen
Werkvertrag und gegen eine Arbeitnehmerüberlassung; denn es sei eine
Vergütungsstruktur auf Stundenbasis im Sinne eines Honorars getroffen worden.
Schließlich habe auch das Weisungsrecht über Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung
bei der GmbH gelegen. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes sei auch die
Arbeitnehmerüberlassung kein Unternehmenszweck der ABC GmbH gewesen.
Sowohl aufgrund der Verträge als auch aufgrund der tatsächlichen Durchführung
sei somit von einem Werkvertrag auszugeben.
Wegen Einzelheiten dieses Vorbringens wird auf die Schriftsätze des klägerischen
Bevollmächtigten Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1. das Finanzamt zu verpflichten, die auf die Einkünfte des Klägers auf seine
Tätigkeit in Saudi Arabien entfallende deutsche Einkommensteuer in voller Höhe
gemäß § 34c Abs. 5 1. Alt. EStG zu erlassen und die Einkommensteuerbescheide
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gemäß § 34c Abs. 5 1. Alt. EStG zu erlassen und die Einkommensteuerbescheide
1999 und 2000 unter Berücksichtigung des Steuererlasses zu ändern,
2. dem Finanzamt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären,
4. das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
5. höchst hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält auch im gerichtlichen Verfahren an seiner außergerichtlich
geäußerten Rechtsauffassung fest.
Für die Beurteilung, ob es sich um einen Werkvertrag handele, so das Finanzamt,
sei das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Zu prüfen sei:
- Weisungsrecht und Eingliederung in das Unternehmen der ABC Inc.
- Leistung des Klägers entspricht dem Betriebszweck der ABC Inc.
- Ausschluss bzw. Beschränkung der Haftung
- Vergütung auf Grundlage von Zeiteinheiten
Der Kläger unterliege einem Weisungsrecht der ABC Inc. und sei auch in das
dortige Unternehmen eingegliedert. Aufgrund des Beratungsvertrages würden die
Mitarbeiter nach Saudi-Arabien abgestellt. Vertragspartner der DEF sei
ausschließlich die ABC Inc., welche auch Inhalt und Umfang der Dienstleistungen
festlege. Eine besondere Verantwortung der Mitarbeiter der ABC GmbH sei nicht
erkennbar.
Die ABC Inc. bestimme somit den Betriebszweck und den Einsatz entsprechend
qualifizierten Personals. Auch die Tatsache, dass die Vergütungsregelung sich
nach geleisteten Arbeitsstunden bemesse, spreche für eine
Arbeitnehmerüberlassung. Schließlich spreche auch die Haftungsregelung für eine
Arbeitnehmerüberlassung: bei einem Werkvertrag könne der Leistende
grundsätzlich auch in Haftung genommen werden, wenn die Leistung mangelhaft
ausgeführt worden sei. Eine Haftung für mangelnde Leistung sei jedoch vorliegend
nicht vereinbart worden.
Im Übrigen beruhe die Tätigkeit der ABC-Gruppe darauf, Fachleute, die in den
weltweit jeweils rechtlich selbständigen Gesellschaften tätig seien, an
Gesellschaften der ABC-Gruppe für bestimmte Aufträge zu überlassen, wenn die
örtlichen Gesellschaften zur Erfüllung des Auftrages nicht in der Lage seien.
Arbeitnehmerüberlassung sei somit Grundprinzip der ABC-Gruppe.
Schließlich gehe die von dem Kläger geleistete Tätigkeit - bei Unterstellung eines
Werkvertrages - weit über eine "Beratung" im Sinn des ATE hinaus, so dass dieser
auch insoweit auch nicht zur Anwendung kommen könne.
Wegen Einzelheiten dieses Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 27.02.2006
Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn Y als Zeugen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom
21.02.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der Steuer auf die für die Tätigkeit in Saudi-
Arabien erzielten Einkünfte gemäß § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem ATE liegen vor.
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Bei der vom Kläger in Saudi-Arabien ausgeübten Tätigkeit handelt es sich um eine
begünstigte Auslandstätigkeit i.S.v. I Nr. 1. ATE. Danach ist die Auslandstätigkeit
für einen inländischen Auftragnehmer im Zusammenhang mit der Planung und
Errichtung von Bauwerken (und ähnlichen Vorhaben) begünstigt. Nicht begünstigt
ist die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern, für deren Arbeitgeber die
Arbeitnehmerüberlassung Unternehmenszweck ist.
Im Gegensatz zur Auffassung des beklagten Finanzamtes hält der erkennende
Senat eine Arbeitnehmerüberlassung nach Auswertung der vorliegenden Verträge
und durchgeführter Beweisaufnahme nicht für gegeben. Der Kläger ist vielmehr
aufgrund eines Werkvertrages mit Dienstleistungscharakter zwischen der ABC
GmbH und ABC Inc. tätig geworden.
Zur Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werkvertrag hat das
Bundesarbeitsgericht Folgendes ausgeführt: "Bei der Arbeitnehmerüberlassung
werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der Entleiher setzt
sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene
Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind voll in den Betrieb des Entleihers
eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen aus. Die
Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den
Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung
gestellt hat. Von der Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines
Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages zu
unterscheiden. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er
organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen
Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die
Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des
geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur
Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer
unterliegen der Weisung des Arbeitgebers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der
Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, dem
Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die
Ausführung des Werkes erteilen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst. Über die rechtliche Einordnung
eines Vertrags entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien
gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt
tatsächlich nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den
ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen
Ausführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die
tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der
praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse
darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien
ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche
Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den
Vertragstyp" (BAG Urteil vom 6. August 2003, 7 AZR 180/03, juris, mit zahlreichen
Nachweisen).
Nach Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Auflage 2005, § 120 Tz. 13, 14 sprechen
folgende Indizien für einen Werkvertrag und folgende Indizien für eine
Arbeitnehmerüberlassung:
Indizien für einen Werkvertrag:
Unternehmerische Eigenverantwortlichkeit und Dispositionsmöglichkeit des
Werkunternehmers gegenüber Besteller
Vereinbarung und Erstellung eines qualitativ individualisierbaren und dem
Werkunternehmer zurechenbaren Werksergebnisses
ausschließliches Weisungsrecht des Werkunternehmers gegenüber den
Arbeitnehmern im Betrieb des Bestellers und Erfüllung seiner Aufgaben aus dem
Werkvertrag
Tragung des Unternehmerrisikos, insbesondere der Gewährleistung
herstellungsbezogene Vergütungsregelung
Folgende Indizien sprechen für eine Arbeitnehmerüberlassung:
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Planung und Organisation der Arbeit durch den Besteller
Aufnahme der Arbeitnehmer in die Betriebsräume des Bestellers
fehlendes Weisungsrecht und Personalhoheit des Werkunternehmers, Pflicht zur
Vorlage von Personaleinsatz und Anwesenheitslisten
Ausstattung mit Werkzeugen des Bestellers
Benutzung der Sozialräume des Bestellers
Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41) sieht
als Arbeitgeber denjenigen an, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet,
unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu befolgen hat.
Nach keiner dieser dargestellten Abgrenzungskriterien ist vorliegend eine
Arbeitnehmerüberlassung gegeben.
Der Kläger selbst hat sich dahingehend eingelassen, dass er als Fachmann für ...
für das Projekt in Saudi-Arabien verantwortlich gewesen sei. Die ABC Inc. in ... sei
lediglich aus formaljuristischen Gründen auf Wunsch der DEF eingeschaltet worden.
Der Vertragsinhalt zwischen DEF und ABC Inc. sei jedoch von ihm, dem Kläger,
abgestimmt worden. Die DEF habe Wert darauf gelegt, dass er die Verantwortung
für das Projekt übernehme. Die ABC Inc. habe damals nur ein kleines Büro in ...,
nicht jedoch in Saudi-Arabien, unterhalten. Beim vorliegenden Projekt hätten die
Mitarbeiter der ABC Inc. nur eine untergeordnete Funktion gehabt. Wichtig sei
gewesen, dass man mit der ABC Inc. ein Verbindungsglied zur arabischen Kultur
gehabt habe. Die eigentliche Projektarbeit sei jedoch von ihm, dem Kläger, mit
seinem Team in Abstimmung mit der ABC GmbH geleistet wurden.
Dieser Einlassung wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen Y, dem damaligen
Geschäftsführer der GmbH. Auch nach dessen Aussage wurde das Projekt im Kern
von einem deutschen Team durchgeführt. Einheimische Kräfte habe man im
Wesentlichen wegen deren Sprachkenntnissen benötigt. Allein aus diesem Grunde
sei die ABC Inc. mit eingebunden worden. In Saudi Arabien habe damals keine
Niederlassung bestanden, die ABC Inc. habe ihren Sitz in ... gehabt. Von dort aus
sei der arabische Raum betreut worden. Bei der ABC Inc. habe sich kein Mitarbeiter
befunden, der dem Kläger Weisungen hätte erteilen können. Im Gegenteil: die ABC
Inc. habe lediglich Hilfsfunktionen wahrgenommen. Der Kläger sei zu keinem
Zeitpunkt in der ABC Inc. eingegliedert gewesen, sondern ständig Mitarbeiter der
GmbH gewesen, mit der er auch das Projekt abgestimmt habe.
Das Gericht hat keine Veranlassung, am Wahrheitsgehalt der klägerischen
Einlassung und der Aussage des Zeugen zu zweifeln, zumal die Richtigkeit dieser
Einlassungen auch durch die vorliegenden Verträge bestätigt wird.
Im Beratungsvertrag zwischen der ABC GmbH und der ABC Inc. ist ausdrücklich
vereinbart, dass die GmbH Beratungsdienste für die ABC Inc. erbringt, dass die
Mitarbeiter der GmbH auch während der Abordnungszeit weiterhin Angestellte der
GmbH bleiben und dass diese die Vergütungen und sonstigen Leistungen
weiterzahlt. Aufgrund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Zeugenaussage
geht der Senat auch davon aus, dass die vertraglichen Vereinbarungen auch
tatsächlich durchgeführt wurden. Auch der zwischen dem Kläger und der GmbH
abgeschlossene Entsendungsvertrag bestätigt das vorgenannte Ergebnis. Auch
nach diesem Vertrag bleibt der Kläger während der Dauer seines Aufenthaltes in
Saudi-Arabien bzw. ... Arbeitnehmer der GmbH. Der Senat geht auch bei diesem
Vertrag davon aus, dass die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich
durchgeführt wurden. Soweit die Finanzverwaltung außergerichtlich aus dem
Begriff "Entsendungsvertrag" auf eine Arbeitnehmerüberlassung schließen will,
vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dieser Begriff bringt aufgrund der
vertraglichen Vereinbarungen lediglich zum Ausdruck, dass Mitarbeiter der GmbH
für eine gewisse Zeit ins Ausland entsandt werden. Eine Arbeitnehmerüberlassung
kann hieraus nicht gefolgert werden.
Schließlich ergibt sich auch nicht aus dem Gesellschaftsvertrag der ABC GmbH,
dass der Geschäftszweck der GmbH Arbeitnehmerüberlassung ist. Gegenstand
des Unternehmens ist gemäß § 2 des Vertrages vom ... die
"Unternehmensberatung und Erbringung anderer Beratungsleistungen".
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Nach Überzeugung des Senats liegt bei einer Gesamtwürdigung der Verträge, der
Einlassung des Klägers und der Aussage des Zeugen Y keine
Arbeitnehmerüberlassung, sondern ein Beratungsvertrag in Form eines
Werkvertrages vor.
Die Anwendung des ATE scheitert daher entgegen der Rechtsansicht des
Beklagten nicht daran, dass eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.
Es liegt vielmehr eine begünstigte Tätigkeit nach Nummer I. 1. ATE vor: die GmbH
hat als inländische Auftragnehmerin eine Auslandstätigkeit im Zusammenhang
mit der Planung, Errichtung und Einrichtung ... erbracht. Der ATE ist insoweit
bewusst weit gefasst. Erfasst werden alle Personaleinsätze, soweit sie im weitesten
Sinne mit den angegebenen Oberbegriffen (z. B. Errichtung von Anlagen) im
Zusammenhang stehen (Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht,
Anhang zu § 34c Tz. 48). Die Planung und Errichtung ... fällt hierunter. Die
Beratungsleistung im Sinne von Nr. I. 3. ATE geht hierüber noch hinaus und
begünstigt Beratungsleistungen schon im Vorfeld, etwa Erstellung von
Durchführbarkeitsstudien, Marktanalysen, Regionalstudien etc. (vgl.
Flick/Wassermeyer/Baumhoff a.a.O. Tz. 63). Im Unterschied zu Nr. I. 1. ATE muss
hier allerdings ein ausländischer Auftraggeber auftreten. Im hier streitigen Fall liegt
eine begünstigte Tätigkeit nach Nr. I 1. ATE vor. Der Senat folgt nicht der
Rechtsauffassung des Beklagten, dass vorliegend - abgesehen von der Frage der
Arbeitnehmerüberlassung - eine nach dem ATE begünstigte Tätigkeit deshalb nicht
vorliege, weil die GmbH keine Beratung vorgenommen habe, sondern
eigenständige Leistungen gegenüber der DEF vorgenommen habe, die ABC Inc.
somit nur formalrechtlich zwischengeschaltet war. Dass vorliegend die ABC Inc. auf
Wunsch der DEF aus landestypischen Erwägungen "zwischengeschaltet" wurde,
ändert nach Auffassung des Senats nichts an der Tatsache, dass die GmbH im
Ergebnis eine beratende Tätigkeit gegenüber der DEF erbracht hat. In jedem Falle
liegt aber eine Auslandstätigkeit im Zusammenhang mit der Planung und
Errichtung von Anlagen im Sinne von Nr. I. 1. ATE vor.
Das Gericht kann vorliegend gemäß § 101 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - die
Verpflichtung des beklagten Finanzamtes aussprechen, den grundsätzlich gemäß
§ 34c Abs. 5 EStG in seinem Ermessen stehenden Steuererlass vorzunehmen.
Auch wenn Ermessensentscheidungen der Finanzbehörden seitens der
Finanzgerichte in der Regel gemäß § 102 FGO nur auf Ermessensfehler hin
überprüft werden können und bei Vorliegen eines solchen Ermessensfehlers in der
Regel ein Bescheidungsurteil gemäß § 101 S. 2 FGO zu ergehen hat, so gilt dies
dann nicht, wenn eine so genannte Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In
diesem Fall kann das Gericht die Finanzbehörde verpflichten, die allein
rechtmäßige Ermessensentscheidung vorzunehmen. Vorliegend ist insoweit zu
beachten, dass der ATE das in § 34c Abs. 5 EStG gewährte Ermessen konkretisiert
und bindet und insoweit eine Ermessensregelung der Verwaltungsvorschrift
darstellt. Das heißt, soweit die Voraussetzungen des ATE gegeben sind - wie hier -
zieht dies eine entsprechende Verpflichtung der Finanzverwaltung zum Erlass nach
sich (vgl. insoweit auch Finanzgericht Köln, Urteil vom 22. März 2001, 7 K 1709/99,
mit weiteren Nachweisen, Juris).
Schließlich scheitert die Anwendung des § 34c Abs. 5 i.V.m. dem ATE nicht daran,
dass der Kläger in Saudi-Arabien einer Besteuerung nicht unterlag. So hat der 1.
Senat des BFH im Beschluss vom 20. Mai 1992, I B 16/92, BFH/NV 1992, 740)
entschieden, dass ein Steuererlass gemäß § 34c Abs. 5 EStG dann in Betracht
komme, wenn dies entweder aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig sei
oder die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG besondere Schwierigkeiten bereite. Im
letzteren Fall müsse es im Ausland zu einer Besteuerung gekommen sein. Hieraus
kann geschlossen werden, dass ein Erlass aus volkswirtschaftlichen Gründen keine
drohende Doppelbesteuerung und damit keine Besteuerung der ausländischen
Tätigkeit voraussetzt. Diese Auslegung erscheint dem Senat nach Sinn und Zweck
des ATE naheliegend, da es aus volkswirtschaftlichen Gründen geboten sein kann,
von einer Besteuerung im Inland abzusehen, um damit eine entsprechende
Tätigkeit im Ausland attraktiver zu machen und hierdurch die Exportwirtschaft zu
fördern (so auch Finanzgericht Köln a.a.O. mit der zahlreichen Nachweisen).
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
71 Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
im Vorverfahren ergeht im Kostenfestsetzungsverfahren.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.