Urteil des FG Hamburg vom 05.02.2013

FG Hamburg: betriebsgesellschaft, einkünfte, verwaltung von grundstücken, zwischengesellschaft, vermietung, besitz, beendigung, gebäude, geschäftsführung, verpachtung

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Einkommen- und Gewerbesteuer: Betriebsaufspaltung bei Zwischenschaltung einer von der
beherrschenden Person ebenfalls beherrschten Gesellschaft
1. Die für eine Betriebsaufspaltung notwendige Beherrschung der Besitz-GbR durch den
Alleingesellschafter der Betriebs-GmbH liegt trotz Beteiligung eines Nur-Besitzgesellschafters vor, wenn
lediglich die Bestellung des Erbbaurechts an dem die wesentliche Betriebsgrundlage bildenden
Grundstück, nicht aber dessen Aufhebung, eines einstimmigen Beschlusses bedarf und der
Alleingesellschafter der Betriebsgesellschaft Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der
Besitz-GbR ist.
2. Bestellt die Besitz-GbR ein Erbbaurecht zugunsten einer Zwischengesellschaft, die auf dem Grundstück
ein Gebäude errichtet und dieses an eine Betriebsgesellschaft vermietet, besteht eine Betriebsaufspaltung
unmittelbar zwischen der Besitz-GbR und der Betriebsgesellschaft, wenn die beide Gesellschaften
beherrschende Person auch die Zwischengesellschaft beherrscht und das Grundstück eine wesentliche
Betriebsgrundlage für die Betriebsgesellschaft ist.
Rev., Az.: IV R 9/13
FG Hamburg 3. Senat, Urteil vom 05.02.2013, 3 K 190/11
§ 15 Abs 2 S 1 EStG, § 2 Abs 1 S 2 GewStG, § 9 Nr 1 S 2 GewStG
Tatbestand
A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in den Streitjahren 2005 bis 2009 die Voraussetzungen einer
Betriebsaufspaltung vorlagen mit der Folge, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte erzielte.
I.
1. Die klagende GbR wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2003 (Anlage K 4, Finanzgerichtsakten -
FGA- Anlagenband) gegründet. Gesellschafter waren Herr AA (im Folgenden: Herr A.), der zu 90 % am
Gesellschaftsvermögen beteiligt war, und seine Ehefrau BA (im Folgenden: Frau A.) mit einer Beteiligung von
10 %. Gesellschaftszweck war gemäß § 2 des Vertrages die Verwaltung eigener Grundstücke. Des Weiteren
enthält der Vertrag folgende Bestimmungen:
"§ 7 Geschäftsführung und Vertretung:
1. (...)
2. (...)
3. Für die erste Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft gilt folgendes:
Die Gesellschafter AA und BA sind jeweils alleinvertretungsberechtigt und von § 181 BGB befreit.
Im Innenverhältnis darf hierbei die Gesellschafterin BA handeln bei Verhinderung des Gesellschafters AA.
§ 12 Gesellschafterbeschlüsse:
1. Gesellschafterbeschlüsse über
- den Abschluß von Mietverträgen
- den Abschluß von Erbbaurechtsverträgen
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- den Verkauf von Grundstücken
- die Beleihung von Grundvermögen
bedürfen eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses, wobei Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen
gelten.
Ansonsten werden Gesellschafterbeschlüsse, sofern das Gesetz oder dieser Vertrag nicht etwas anderes
zwingend vorschreiben, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst und gelten
Stimmenenthaltungen als nicht abgegebene Stimmen.
2. Die Stimmen stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen
gemäß § 5 Abs. 2 zu. (...)
(...)
7. Der Beschlußfassung durch die Gesellschafterversammlung unterliegen neben den Gegenständen gem.
§ 12 Abs. 1 insbesondere:
a) die Genehmigung der von der Geschäftsführung aufgestellten Überschussrechnung;
b) die Entlastung der Geschäftsführung;
c) die Änderung des Gesellschaftsvertrages;
d) die Auflösung der Gesellschaft;
e) alle sonstigen Fragen, welche die Geschäftsführung der Gesellschafterversammlung zur
Beschlussfassung vorlegt."
§ 19 Schlussbestimmungen:
1. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig, anfechtbar oder unwirksam sein, so soll die
Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt werden, die angreifbare Bestimmung ist
vielmehr so auszulegen, dass der mit ihr erstrebte wirtschaftliche und/oder ideelle Zweck nach Möglichkeit
erreicht wird. Dasselbe gilt sinngemäß für die Ausfüllung von Vertragslücken."
Auf den weiteren Vertragsinhalt wird Bezug genommen.
2. Herr A war Eigentümer mehrerer in B belegener Grundstücke (sog. C), die er in die Klägerin einbrachte. Die
Einbringung wurde ebenfalls am ... 2003 in derselben notariellen Urkunde vereinbart wie der
Gesellschaftsvertrag.
3. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2005 (Anlage K 6, FGA Anlagenband) bestellte die Klägerin
zugunsten der C GmbH (im Folgenden: C-GmbH) ein Erbbaurecht an den eingebrachten Grundstücken für die
Dauer von 49 Jahren (... 2005 bis ... 2054). Das Erbbaurecht wurde für die Errichtung von
Einzelhandelshäusern und Gewerbebauten nebst den dazu erforderlichen Anlagen wie Parkplätze, Straßen etc.
bestellt (Abschnitt III § 1 Abs. 1). Der Erbbauzins betrug € 150.000,00 pro Jahr (Abschnitt IV Ziff. 1 des
Vertrages mit Anpassungsklausel gemäß Abschnitt V). Bei Beendigung des Erbbaurechtes durch Zeitablauf
oder durch Heimfall sollte das Erbbaurecht einschließlich etwaiger Bauwerke ohne Vergütung oder
Entschädigung an die Klägerin zurückfallen (Abschnitt III §§ 6 und 9 des Vertrages). Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages Bezug genommen.
4. Die C-GmbH war durch Vertrag vom ... 2002 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2012, FGA
Anlagenband) gegründet worden. Alleiniger Gesellschafter der C-GmbH war Herr A. Gegenstand der
Gesellschaft war "der Erwerb, die Bebauung, die Erschließung und die Verwaltung eigenen Grund- und
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Gesellschaft war "der Erwerb, die Bebauung, die Erschließung und die Verwaltung eigenen Grund- und
Anlagevermögens, insbesondere Erwerb, Bebauung, Erschließung und Verwaltung von Grundstücken, belegen
in B, ..." (§ 3 Abs. 1 des Vertrages).
5. Die C-GmbH errichtete auf den Grundstücken ein kombiniertes Verwaltungs-, Lager- und
Einzelhandelsverkaufsgebäude und vermietete die Grundstücke mit dem - nach den Vorgaben der Mieterin
geplanten - Gebäude mit Vertrag vom ... 2004 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2012, FGA
Anlagenband) an die D GmbH (im Folgenden: D-GmbH), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer
ebenfalls Herr A war, zur Nutzung als Verkaufsraum, Lager, Büro, Restauration und Parkfläche.
II.
1. In den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005
vom 01.06.2007 und für 2006 vom 18.04.2008 wurden zunächst erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung, Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung festgestellt (in Höhe von €
124.934,00 für 2005 und in Höhe von € 149.402,00 für 2006).
2. Die Groß- und Konzernprüfungsstelle des Finanzamts E-1 führte für die Jahre 2004 bis 2006 eine
Außenprüfung bei der D-GmbH durch sowie im Auftrag des Beklagten auch eine Außenprüfung bei der
Klägerin. Das Finanzamt E-1 und der Beklagte kamen dabei zu dem Ergebnis, dass zwischen der Klägerin und
der D-GmbH eine Betriebsaufspaltung bestehe (Betriebsprüfungsbericht vom 14.07.2009,
Betriebsprüfungsakten -BpA- Bl. 63 ff., Tz. 23 f.). Auf eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der
C-GmbH wurde hingegen nicht abgestellt. Eine Betriebsaufspaltung zwischen der C-GmbH und der D-GmbH
wurde nicht angenommen und der C-GmbH daher auf ihren Antrag hin die erweiterte Kürzung des
Gewerbeertrages bei Grundstücksunternehmen gewährt (s. Auszug aus dem Bericht über die Außenprüfung bei
der C-GmbH, Tz. 41, Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 31.01.2013, FGA Anlagenband).
3. Der Beklagte erließ daraufhin am 04.12.2009 geänderte Feststellungsbescheide für 2005 und 2006, in denen
er die als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten Einkünfte nunmehr als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb feststellte (2005: € 124.934,00; 2006: € 138.461,30), sowie Gewerbesteuermessbescheide für
2005 (Messbetrag: € 3.090,00) und 2006 (Messbetrag: € 4.495,00).
4. Ebenfalls am 04.12.2009 ergingen der Gewerbesteuermessbescheid für 2007 (Messbetrag: € 5.040,00) und
am 02.12.2010 die Bescheide für 2008 (Messbetrag: € 4.368,00) und 2009 (Messbetrag: € 4.368,00). In den
Feststellungsbescheiden vom selben Tag wurden die jeweils erklärten Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in der erklärten Höhe stattdessen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt (2007: €
149.403,00; 2008: € 149.388,00; 2009: € 149.387,00).
III.
1. Die Klägerin legte gegen die Bescheide für 2005 bis 2007 mit Schreiben vom 30.12.2009 Einspruch ein und
gegen die Bescheide für 2008 und 2009 mit Schreiben vom 23.12.2010. Zur Begründung führte sie aus, dass
zwischen ihr und der D-GmbH keine personelle Verflechtung bestehe, da Herr A seinen Willen bzgl. der
wesentlichen Betriebsgrundlage nicht durchsetzen könne, weil diesbezügliche Beschlüsse einstimmig zu
fassen seien. Eine sachliche Verflechtung bestehe ebenso wenig, denn sie, die Klägerin, verfüge lediglich über
ein unbebautes Grundstück, an dem die D-GmbH nicht interessiert sei.
2. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2011 als unbegründet zurück. Die
für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung zwischen der Klägerin und der D-GmbH liege
vor. Hierfür genüge es, dass Herr A, der die D-GmbH beherrsche, bei der Klägerin die alleinige Befugnis zur
Führung der laufenden Geschäfte des täglichen Lebens innehabe. Die notwendige sachliche Verflechtung
könne auch durch die Bestellung eines Erbbaurechtes an einem unbebauten Grundstück begründet werden. Ein
unbebautes Grundstück bilde jedenfalls dann eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es von der
Betriebsgesellschaft mit Gebäuden bebaut werden solle, die für das Betriebsunternehmen eine wesentliche
Betriebsgrundlage darstellten. Dass das Grundstück der D-GmbH nicht direkt, sondern über eine
Zwischengesellschaft, die C-GmbH, überlassen worden sei, sei unschädlich, da Herr A die C-GmbH ebenfalls
beherrsche.
IV.
Die Klägerin hat am 13.10.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass es bereits an der für eine
Betriebsaufspaltung zwischen ihr und der D-GmbH erforderlichen personellen Verflechtung fehle. Nach der
Rechtsprechung des BFH bestehe keine derartige Verflechtung, wenn an der Besitzpersonengesellschaft
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Personen beteiligt seien, die nicht auch hinter dem Betriebsunternehmen stünden, und in der
Besitzpersonengesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip gelte. An ihr, der Klägerin, sei neben Herrn A auch
Frau A beteiligt. U. a. der Abschluss von Erbbaurechtsverträgen bedürfe nach dem Gesellschaftsvertrag eines
einstimmigen Beschlusses. Da das Erbbaurecht für die Dauer von 49 Jahren zu einem festen Erbbauzins
bestellt worden sei, gebe es während dieser Zeit bzgl. des Erbbaurechts nichts zu bestimmen und zu regeln,
also keine "Geschäfte des täglichen Lebens". Nach Vertragsablauf falle das Erbbaurecht automatisch an sie,
die Klägerin, zurück. An einer anschließenden eventuellen Neubestellung habe Frau A wiederum mitzuwirken.
Wegen der fehlenden Vereinbarung einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit im Erbbaurechtsvertrag bestehe
für Herrn A weder in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Klägerin noch in seiner Eigenschaft als
Gesellschafter-Geschäftsführer der C-GmbH die Möglichkeit, den Erbbaurechtsvertrag vorzeitig aufzuheben
oder zu ändern; es könne allenfalls bei einem vertragswidrigen Verhalten der C-GmbH zu einem Heimfall
kommen. Dies wäre für die C-GmbH jedoch wirtschaftlich sehr nachteilig und werde von ihr daher vermieden
werden. Sähe man gleichwohl die Möglichkeit einer Änderung oder Aufhebung des Erbbaurechtsvertrages,
komme jedenfalls die salvatorische Klausel in § 19 des GbR-Vertrages zum Tragen, wonach das
Einstimmigkeitsprinzip auch hierfür gelte und es folglich der Zustimmung von Frau A bedürfe.
Darüber hinaus stehe sie, die Klägerin, in keinerlei Geschäftsverbindung zu der D-GmbH und überlasse ihr
insbesondere keine wesentliche Betriebsgrundlage, so dass es auch an einer sachlichen Verflechtung fehle.
Wesentliche Betriebsgrundlage der D-GmbH sei das von ihr genutzte Verwaltungs-, Lager- und
Einzelhandelsverkaufsgebäude, das aber von der C-GmbH auf eigenes wirtschaftliches Risiko errichtet und für
15 Jahre an die D-GmbH vermietet worden sei. An der unbebauten Grundstücksfläche habe die D-GmbH kein
Interesse. Es sei auf dem allgemeinen Grundstücksmarkt, insbesondere im Einzelhandel, üblich, dass ein
Eigentümer oder Erbbauberechtigter auf eigene Kosten und eigenes Risiko für einen fremden Dritten ein
Gebäude nach dessen Wünschen errichte und langfristig an ihn vermiete.
Wegen einer fehlenden personellen Verflechtung sei es ebenso wenig zu einer Betriebsaufspaltung zwischen
ihr, der Klägerin, und der C-GmbH gekommen.
Zwar habe die C-GmbH der D-GmbH eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen, doch bestehe zwischen
ihnen wegen der Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft ebenfalls keine personelle Verflechtung und damit
keine Betriebsaufspaltung.
Die von der Rechtsprechung zu einer Zwischenvermietung über eine Zwischengesellschaft entwickelten
Grundsätze seien auf den Streitfall nicht übertragbar. Die C-GmbH habe die Grundstücke nicht lediglich
gemietet und weitervermietet, sondern ein Erbbaurecht erworben, auf eigenes wirtschaftliches Risiko ein
Gebäude errichtet und dieses vermietet. Die geschlossenen Verträge seien allesamt zivilrechtlich wirksam und
entsprächen fremdüblichen Bedingungen. Weder lägen Scheingeschäfte vor noch ein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten; auch ein Gesamtplan habe nicht bestanden.
Vorsorglich und hilfsweise werde für den Fall, dass (nur) zwischen ihr, der Klägerin, und der C-GmbH eine
Betriebsaufspaltung angenommen werde, der Antrag auf erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 9
Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) gestellt. Eine derartige gewerbesteuerliche Begünstigung des
Betriebsunternehmens erstrecke sich nämlich auch auf das Besitzunternehmen. Der C-GmbH sei die erweiterte
Kürzung bereits gewährt worden. Die Ausschlussregelung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG sei nicht
einschlägig, weil die C-GmbH kein Gewerbebetrieb des Herrn A sei.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.01.2013 (FGA Bl. 63) zugesichert, die Feststellungsbescheide für
2005 bis 2007 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung einer
Gewerbesteuerrückstellung in folgender Höhe - niedriger - festgestellt werden: für 2005 in Höhe von €
110.384,00, für 2006 (versehentlich als 2007 bezeichnet) in Höhe von € 130.203,00 und für 2007 in Höhe von €
130.144,00.
Die Klägerin beantragt,
1. die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 2005 und 2006 vom 04.12.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
13.09.2011 und der Zusage vom 17.01.2013 aufzuheben;
2. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007
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vom 02.12.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2011 und der Zusage vom 17.01.2013
dahin zu ändern, dass anstelle der Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von € 149.403,00 festgestellt werden;
3. die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008
und 2009 vom 02.12.2010, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2011, dahin zu
ändern, dass anstelle der Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in
Höhe von € 149.388,00 für 2008 und in Höhe von € 149.387,00 für 2009 festgestellt werden;
4. die Gewerbesteuermessbescheide für 2005 bis 2007 vom 04.12.2009 und für 2008 und 2009 vom
02.12.2010, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2011, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass die
vom BFH entwickelten Grundsätze zur Begründung einer Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Verflechtung
durch Zwischenvermietung über eine Zwischengesellschaft erst recht gelten müssten, wenn, wie hier, der
alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der "Zwischengesellschaft" sowohl an der Betriebsgesellschaft als
auch an der Besitzgesellschaft beteiligt sei. Dem stehe nicht der Umstand entgegen, dass das Grundstück von
der Zwischengesellschaft nicht lediglich weitervermietet, sondern der C-GmbH zunächst ein Erbbaurecht
bestellt und das Gebäude durch die C-GmbH auf eigenes wirtschaftliches Risiko errichtet und vermietet worden
sei. Herr A habe das gesamte Geschehen von der Einbringung der Grundstücke in die Klägerin bis zur
Vermietung an die D-GmbH allein beherrscht und eine entgegenstehende Stimmrechtsausübung durch Frau A
offenbar nicht befürchten müssen.
Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins vom 15.10.2012 (FGA Bl. 38 ff.) und der mündlichen
Verhandlung vom 05.02.2013 (FGA Bl. 69 ff.) wird Bezug genommen.
Dem Gericht haben Band I der Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten
und Band I der Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
B. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Die Klägerin ist bzgl. der Gewerbesteuermessbescheide als Adressatin dieser Bescheide und Inhaberin des
etwaigen Gewerbebetriebes klagebefugt und bzgl. der Feststellungsbescheide gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1
Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt, als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter Klage zu erheben.
2. Die Klägerin kann geltend machen, dass die Gesellschafter bzgl. der angefochtenen Feststellungsbescheide
dadurch in ihren Rechten verletzt seien (§ 40 Abs. 2 FGO), dass die Einkünfte fälschlicherweise als Einkünfte
aus Gewerbebetrieb statt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden seien.
Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann mehrere einzelne Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen
umfassen, die, soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten und eines rechtlich selbständigen
Schicksals fähig sind, als eigenständiger Gegenstand eines Klagebegehrens i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO
in Betracht kommen. Da selbständiger Teil eines Gewinnfeststellungsbescheides in diesem Sinne auch die
Feststellung der Art der Einkünfte ist, stellt die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart eine
Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO dar, ohne dass es darauf ankäme, wie sich die Einkommensteuer
der Gesellschafter der GbR durch die begehrte Änderung der Einkunftsart gestalten würde (BFH-Urteil vom
04.07.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53; BFH-Beschluss vom 30.09.2004 IV B 42/03, BFH/NV 2005, 365).
II.
Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen
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die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zu
Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin als Besitz- und der D-GmbH als Betriebsgesellschaft
die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorlagen (1. bis 4.). Die Klägerin kann die erweiterte Kürzung
des Gewerbeertrages nicht in Anspruch nehmen (5. und 6.).
1. Einkünfte aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1
Einkommensteuergesetz (EStG) sind gemäß § 21 Abs. 3 EStG Einkünften aus anderen Einkunftsarten
zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören. Die streitgegenständlichen Erbbauzinseinnahmen der Klägerin sind
ihren gewerblichen Einkünften nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG (i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2
GewStG) zuzuordnen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Person oder Personengruppe, die ihr
Vermögen, insbesondere Gebäude und Maschinen, einer Kapitalgesellschaft (Betriebsgesellschaft) z. B. durch
Vermietung überlässt, nicht vermögensverwaltend, sondern gewerblich tätig, wenn sie durch die Vermietungs-
oder Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.
Das setzt voraus, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der
Betriebsgesellschaft gehören (sachliche Verflechtung) und die Person oder Personengruppe sowohl das Besitz-
als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen
einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (personelle Verflechtung; BFH-Urteile vom
08.09.2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl II 2012, 136; vom 23.03.2011 X R 45/09, BFHE 233, 416, BStBl
II 2011, 778; vom 30.11.2005 X R 56/04, BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415; vom 01.07.2003 VIII R 24/01,
BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757).
2. Zwischen der Klägerin und der D-GmbH besteht eine personelle Verflechtung.
a. aa. Eine personelle Verflechtung setzt voraus, dass entweder eine Person oder eine Personengruppe sowohl
das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden
Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Der Beherrschungswille
muss sich insbesondere auf das Nutzungsverhältnis hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlage beziehen.
Dieses soll vor allem nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe, die das Besitzunternehmen
beherrscht, aufgelöst werden können (BFH-Urteile vom 08.09.2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl II 2012,
136; vom 21.08.1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44).
bb. Keine personelle Verflechtung mit dem Betriebsunternehmen liegt vor, wenn an der Besitzgesellschaft
neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein
weiterer Gesellschafter beteiligt ist (sog. Nur-Besitzgesellschafter) und im Besitzunternehmen das
Einstimmigkeitsprinzip gilt. Der Nur-Besitzgesellschafter bildet mit dem anderen Gesellschafter der
Besitzgesellschaft auch dann keine Personengruppe im genannten Sinne, wenn es sich um Eheleute handelt
(BFH-Beschluss vom 15.06.2011 X B 255/10, BFH/NV 2011, 1859; BFH-Urteil vom 28.06.2006 XI R 31/05,
BFHE 214, 302, BStBl II 2007, 378; Urteil des FG München vom 24.11.2009 12 K 1094/09, DStRE 2011,
1053).
cc. Dass die Beteiligung eines Nur-Besitzgesellschafters bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips eine
personelle Verflechtung ausschließt, gilt jedenfalls dann, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende
Verwaltung der überlassenen Wirtschaftsgüter, die sogenannten Geschäfte des täglichen Lebens, einschließt
und der Nur-Besitzgesellschafter deshalb die rechtliche Möglichkeit hat zu verhindern, dass die beherrschende
Person oder Personengruppe ihren Willen in Bezug auf die laufende Verwaltung des an die Betriebsgesellschaft
überlassenen Wirtschaftsguts durchsetzt (BFH-Urteil vom 21.01.1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II
2002, 771).
dd. Gilt für diese Geschäfte dagegen das Mehrheitsprinzip, ist der Mehrheitsgesellschafter aufgrund seiner
Stimmrechtsmacht in der Lage, auch gegen den Willen des Nur-Besitzgesellschafters die seinem
Geschäftswillen entsprechenden Beschlüsse herbeizuführen, um den Abschluss der Miet- oder Pachtverträge
mit dem Betriebsunternehmen zu bewirken oder deren einseitige Beendigung gegen seinen Willen zu
verhindern (BFH-Urteil vom 08.09.2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl II 2012, 136).
ee. Gleiches gilt, wenn Beschlüsse zwar einstimmig zu fassen sind, dem Gesellschafter, der hinter dem
Betriebsunternehmen steht, in der Besitz-GbR aber die alleinige Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis
übertragen wurde (§ 710 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Denn zu den hiervon umfassten
Verwaltungsgeschäften, die keines Gesellschafterbeschlusses bedürfen, gehören bei einer GbR - anders als
bei Personenhandelsgesellschaften - nicht nur solche Geschäfte, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft
mit sich bringt, sondern alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen auch ungewöhnlicher Art und damit
auch die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung wesentlichen Maßnahmen im Rahmen der Vermietung und
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Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlage (BFH-Urteile vom 08.09.2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231,
BStBl II 2012, 136; vom 01.07.2003 VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757).
ff. Soweit (nur) die Begründung der Betriebsaufspaltung dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegt, hindert dies
die Annahme einer personellen Verflechtung schließlich nicht, da die Situation nach Begründung der
Betriebsaufspaltung zu beurteilen ist (BFH-Beschluss vom 24.11.2004 IV B 15/03, BFH/NV 2005, 545; BFH-
Urteil vom 21.08.1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom
11.05.2011 1 K 138/09, EFG 2011, 1433; Kempermann, GmbHR 2005, 317). Entscheidend ist, dass das
Nutzungsverhältnis nicht gegen den Willen der Person oder der Personengruppe, die das Besitzunternehmen
beherrscht, aufgelöst werden kann (BFH-Urteile vom 08.09.2011 IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl II 2012,
136; vom 21.08.1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44).
b. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass Herr A, der als Alleingesellschafter hinter
der D-GmbH steht, auch in der Klägerin seinen geschäftlichen Betätigungswillen in Bezug auf das Erbbaurecht
durchsetzen konnte, so dass eine Beherrschungsidentität vorlag. Zwar war an der Klägerin neben Herrn A auch
Frau A als "Nur-Besitzgesellschafterin" beteiligt. Dieser Umstand hindert die personelle Verflechtung jedoch
nicht, weil Herr A über die Verwaltung und die Beendigung des Erbbaurechtes allein bestimmen konnte,
während Frau A keine Möglichkeit hatte, das Erbbaurechtsverhältnis gegen den Willen ihres Ehemannes zu
beenden.
aa. Dass für die Bestellung des Erbbaurechtes an den der Klägerin gehörenden Grundstücken ein einstimmiger
Beschluss erforderlich war (§ 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, oben A.I.1.), steht der Annahme einer
personellen Verflechtung nicht entgegen. Wie dargelegt (oben a.ff.), ist die Situation nach Begründung der
Betriebsaufspaltung zu beurteilen.
bb. Gemäß § 12 Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin (oben A.I.1.) waren
Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen, wobei Herr A die
Stimmrechtsmehrheit (90 %) besaß. Darüber hinaus oblag ihm im Innenverhältnis allein die Geschäftsführung
und Vertretung der Klägerin (§ 7 Abs. 3 Satz 2 des Vertrages). Damit konnte Herr A die laufende Verwaltung
des Erbbaurechts allein bestimmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeutet die Laufzeit des
Erbbaurechtes von 49 Jahren nicht, dass während dieser Zeit keine Verwaltungsmaßnahmen erforderlich
wären. Die laufende Verwaltung umfasste u. a. die Vereinnahmung des Erbbauzinses, die Anpassung des
Erbbauzinses an die Lebenshaltungskosten (Abschnitt V des Erbbaurechtsvertrages, oben A.I.2.) und die
Überwachung der weiteren Vertragsbedingungen, z. B. bzgl. der Bebauung (Abschnitt III § 1 des Vertrages)
und der Einhaltung der Unterhaltungs- und Versicherungspflicht (Abschnitt III §§ 2 und 4 des Vertrages).
cc. Vor allem aber hatte Herr A als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Klägerin und
Alleingesellschafter der C-GmbH die Möglichkeit, den Erbbaurechtsvertrag jederzeit durch Abschluss eines
Aufhebungsvertrages oder Schaffung der Voraussetzungen für einen Heimfall und Ausübung des
Heimfallrechts zu beenden. Darauf, ob diese Maßnahmen wirtschaftlich sinnvoll gewesen wären oder nicht,
kommt es nicht an. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sah nur für den Abschluss, nicht aber für die
Beendigung des Erbbaurechtsvertrages einen einstimmigen Beschluss vor (§ 12 Abs. 1, oben A.I.1.). Diese
Regelung ist auch nicht in entsprechender Weise auf die Aufhebung der dort genannten Rechtsverhältnisse
anzuwenden. Sie ist vielmehr der gesetzlichen Beschränkung der Prokura gemäß § 49 Abs. 2
Handelsgesetzbuch (HGB) nachgebildet. Danach ist der Prokurist zur Veräußerung und Belastung von
Grundstücken nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist. Da die Veräußerung und
Belastung von Grundstücken wegen deren eingeschränkter Verkehrsfähigkeit und ihres regelmäßig hohen
Wertes für den Betrieb von wesentlicher Bedeutung sind, soll insoweit ein Zustimmungsvorbehalt gelten (Krebs
in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl., § 49 Rz. 37). Die Aufhebung von Grundstücksbelastungen ist
dagegen nicht zustimmungsbedürftig (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 49 Rz. 4). In vergleichbarer
Weise wurde im Gesellschaftsvertrag der Klägerin für die Veräußerung, die Beleihung und die Belastung des
Grundstücks mit einem Erbbaurecht sowie - erweiternd - auch für den Abschluss von Mietverträgen ein
Zustimmungsvorbehalt geregelt; die Aufhebung dieser Belastungen sollte hingegen nicht zustimmungsbedürftig
sein. Da die Aufzählung der Rechtsgeschäfte, die eines einstimmigen Beschlusses bedurften, in § 12 Ziff. 1
Satz 1 des Gesellschaftsvertrages somit abschließend sein sollte, kann die salvatorische Klausel in § 19 des
Gesellschaftsvertrages in Ermangelung einer Regelungslücke entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur
Anwendung kommen.
dd. Während der vereinbarten Vertragslaufzeit hatte Frau A als nicht zur Geschäftsführung befugte
Minderheitsgesellschafterin ihrerseits keine rechtliche Möglichkeit, die Beendigung des
Erbbaurechtsverhältnisses gegen den Willen ihres Ehemannes durchzusetzen. Hätte Frau A die Gesellschaft
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gekündigt oder wäre in ihrer Person ein Ereignis eingetreten, an das das Gesetz die Auflösung der Gesellschaft
knüpft, wäre sie, Frau A, aus der Klägerin ausgeschieden (§ 4 i. V. m. § 15 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages).
Im Falle einer Scheidung der Eheleute wäre Herr A berechtigt gewesen, die Übertragung des Anteils seiner
Ehefrau auf sich zu verlangen (§ 15 Ziff. 2 des Vertrages). Aber auch im Falle einer einvernehmlich
beschlossenen Auflösung der Klägerin ohne Übernahme des Gesellschaftsanteils von Frau A durch ihren
Ehemann hätte das Erbbaurecht fortbestanden (§ 730 Abs. 2 Satz 1 BGB).
ee. Der gesellschaftsrechtliche Einfluss von Frau A beschränkte sich, nachdem das Erbbaurecht einmal
bestellt war, darauf, dessen Verlängerung oder Neubestellung verhindern zu können. Da das Erbbaurecht aber
für die Dauer von 49 Jahren bestellt war, Frau A keine Möglichkeit hatte, gegen den Willen ihres Ehemannes
eine vorzeitige Beendigung herbeizuführen, und die Voraussetzungen für eine personelle Verflechtung nach 49
Jahren aus anderen Gründen voraussichtlich ohnehin nicht mehr vorliegen dürften, ist allein diese
gesellschaftsrechtliche Einflussnahmemöglichkeit nicht geeignet, die Annahme einer personellen Verflechtung
während der Streitjahre auszuschließen.
3. Die Voraussetzungen einer sachlichen Verflechtung durch Überlassung einer wesentlichen
Betriebsgrundlage an die D-GmbH als Betriebsgesellschaft sind im Streitfall ebenfalls erfüllt.
a. Ein Grundstück ist eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für die Betriebsführung der
Betriebsgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist. Das ist stets anzunehmen, wenn es der räumliche
und funktionale Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit des Betriebsunternehmens ist (BFH-Urteile vom 01.07.2003
VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757; vom 23.05.2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000,
621). Es kommt darauf an, ob das Betriebsunternehmen aus innerbetrieblichen Gründen ohne ein Grundstück
dieser Art den Betrieb nicht führen könnte (BFH-Beschluss vom 16.02.2012 X B 99/10, BFH/NV 2012, 1110).
b. Auch die Einräumung eines Erbbaurechts an einem unbebauten Grundstück kann eine sachliche
Verflechtung zwischen Eigentümer (Besitzunternehmen) und Erbbaurechtsberechtigtem (Betriebsgesellschaft)
begründen. Wird das Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück bestellt, ist es eine wesentliche
Betriebsgrundlage, wenn das Grundstück von der Betriebsgesellschaft mit Zustimmung des
Besitzunternehmens mit Gebäuden oder Vorrichtungen bebaut werden soll, die für das Betriebsunternehmen
eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen (BFH-Urteil vom 19.03.2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl
II 2002, 662).
c. Das der C-GmbH von der Klägerin in Erfüllung des Erbbaurechtsvertrages überlassene Grundstück ist für die
D-GmbH danach eine wesentliche Betriebsgrundlage. Das Grundstück sollte von der C-GmbH in Ausübung des
Erbbaurechtes mit Zustimmung der Klägerin und nach den Vorgaben der D-GmbH mit einem Gebäude bebaut
werden (oben A.I.3.), das anschließend als kombiniertes Verwaltungs-, Lager- und
Einzelhandelsverkaufsgebäude an die D-GmbH vermietet werden sollte. Das Grundstück bildete den
räumlichen und funktionalen Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit der D-GmbH.
4. Dass die Klägerin der D-GmbH das Grundstück nicht unmittelbar überlassen, sondern der C-GmbH ein
Erbbaurecht bestellt und diese das Grundstück bebaut und der D-GmbH vermietet hat, steht der Annahme
einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der D-GmbH nach Auffassung des erkennenden Senats
nicht entgegen.
a. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, liegt eine Beherrschungsidentität auch
dann vor, wenn die Personen, die das Besitzunternehmen beherrschen, ihren Willen im Betriebsunternehmen
über eine zwischengeschaltete Körperschaft durchsetzen können oder wenn sich ihre Herrschaft mittelbar über
einen Zwischenvermieter auswirkt, der vertraglich verpflichtet ist, seinerseits die wesentliche Betriebsgrundlage
an das Betriebsunternehmen weiterzuvermieten (BFH-Urteil vom 28.11.2001 X R 49/97, BFH/NV 2002, 631).
Denn dann kann die das Besitzunternehmen beherrschende Person oder Personengruppe im Falle einer -
vertragswidrigen - Beendigung des Nutzungsverhältnisses durch den Zwischenvermieter ihrerseits das
Nutzungsverhältnis mit dem Zwischenvermieter beenden und den Mietvertrag unmittelbar mit der
Betriebsgesellschaft abschließen. Diese subjektive Zurechnung der Nutzungsüberlassung an die
Betriebsgesellschaft folgt aus den allgemeinen Grundsätzen steuerrechtlicher Tatbestandsverwirklichung und
nicht aus einer Anwendung des § 42 Abgabenordnung (-AO-; BFH-Urteil vom 28.11.2001 X R 49/97, BFH/NV
2002, 631).
b. Nach Auffassung des erkennenden Senats muss dasselbe gelten, wenn, wie im Streitfall, die
Zwischengesellschaft vertraglich zwar nicht ausdrücklich zur Weitervermietung verpflichtet ist, die das
Besitzunternehmen beherrschende Person aber Alleingesellschafterin sowohl der Zwischenvermieterin als auch
der Betriebsgesellschaft ist. Denn zu einer Beendigung des Mietverhältnisses zwischen der
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Zwischengesellschaft und dem Betriebsunternehmen gegen den Willen der beherrschenden Person kann es
dann nicht kommen. Die beherrschende Person kann erst recht sicherstellen, dass, für welchen Zeitraum und
zu welchen Bedingungen die Betriebsgesellschaft die wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung erhält, und
verhindern, dass das Nutzungsverhältnis nach dem Willen des Nur-Besitzgesellschafters beendet wird.
c. Dass die C-GmbH eine eigene wirtschaftliche Funktion erfüllt, weil sie das Grundstück nicht lediglich mietet
und weitervermietet, sondern ein Erbbaurecht erhält, das Grundstück auf eigenes wirtschaftliches Risiko
bebaut und das bebaute Grundstück vermietet, führt entgegen der Auffassung der Klägerin zu keinem anderen
Ergebnis. Auch wenn in dem der o. g. Entscheidung des BFH (Urteil vom 28.11.2001 X R 49/97, BFH/NV
2002, 631) zugrunde liegenden Sachverhalt die Zwischenschaltung der Zwischenvermieterin keinen
wirtschaftlichen Hintergrund gehabt und allein der Steuerersparnis gedient haben mag, war dies, wie dargelegt,
nicht entscheidungserheblich, weil es auf das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs i. S. des § 42 AO nicht
ankam. Im Streitfall ist entscheidend, dass die C-GmbH aufgrund des Erbbaurechtsvertrages zur Nutzung des
Grundstücks berechtigt war und das Grundstück der D-GmbH ihrerseits zur Nutzung überlassen hat.
5. Die in den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheiden zugrunde gelegten Gewinne aus Gewerbebetrieb
waren schließlich nicht gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu kürzen, weil die Klägerin aufgrund der
Betriebsaufspaltung gewerbliche Einkünfte erzielte.
Nach dieser Vorschrift können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, auf Antrag den
Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Prozentsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des
Gewerbeertrages kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Zweck
dieser erweiterten Kürzung ist es, die von einem kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen
erzielten Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes von der Gewerbesteuer aus
Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die (gewerbesteuerfrei) nur
Grundstücksverwaltung betreiben. Daher ist § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grundsätzlich nicht anzuwenden, wenn
die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist
auch dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als
Besitzunternehmen gewerbliche Einkünfte erzielt. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer
Betriebsaufspaltung wird als gewerbliche Tätigkeit angesehen und schließt eine erweiterte Kürzung nach § 9
Nr. 1 Satz 2 GewStG aus (BFH-Beschluss 24.01.2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176; BFH-Urteil vom
22.01.2009 IV R 80/06, BFH/NV 2009, 1279).
6. Der Senat weist der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung
zwischen der Klägerin als Besitz- und der C-GmbH als Betriebsgesellschaft zwar auch vorliegen. Hinsichtlich
des Klageantrags zu 3. bzgl. der Gewerbesteuermessbescheide wäre die Klage, wenn man allein auf diese
Betriebsaufspaltung abstellte, allerdings begründet, weil die Klägerin dann auf ihren im hiesigen Verfahren
gestellten Antrag hin die erweiterte Kürzung ihres Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ebenso in
Anspruch nehmen könnte wie die C-GmbH.
Der C-GmbH ist die erweiterte Kürzung zu Recht gewährt worden (oben A.II.2.), weil im Verhältnis zwischen ihr
und der D-GmbH keine Betriebsaufspaltung vorlag und die C-GmbH daher keine originär gewerblichen, sondern
Vermietungseinkünfte erzielte. Eine sog. kapitalistische Betriebsaufspaltung zwischen zwei
Kapitalgesellschaften setzt voraus, dass die Besitzgesellschaft entweder selbst oder wenigstens mittelbar zu
mehr als 50 % an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Sie besteht nicht, wenn - wie hier - nur derselbe
Gesellschafter an beiden Gesellschaften beteiligt ist (BFH-Urteil vom 20.05.2010 III R 28/08, BFHE 229, 566,
BFH/NV 2010, 1946; BFH-Beschluss vom 09.08.2002 III B 34/02, BFH/NV 2002, 1616).
Da die Regelung über die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages den Charakter einer Steuerbefreiung hat
(Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz. 93) und eine Gewerbesteuerbefreiung der
Betriebsgesellschaft bei einer Betriebsaufspaltung auf die Besitzgesellschaft zu übertragen ist (BFH-Urteile
vom 19.10.2006 IV R 22/02, BFHE 215, 268, DStR 2006, 2207, für § 3 Nr. 6 GewStG; vom 29.03.2006 X R
59/00, BFHE 213, 50, BStbl II 2006, 661, für § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG), folgt der Senat der Klägerin darin,
dass sie diese der C-GmbH gewährte Steuerbefreiung ebenfalls in Anspruch nehmen könnte, wenn die
Betriebsaufspaltung nur im Verhältnis zur C-GmbH vorläge.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil
höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen, wenn die
Besitzgesellschaft die wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft nicht unmittelbar überlässt,
sondern über eine von der die Besitzgesellschaft beherrschenden Person ebenfalls beherrschten
Zwischengesellschaft, die das Grundstück in Ausübung eines Erbbaurechts bebaut und an die
Betriebsgesellschaft vermietet.