Urteil des FG Hamburg vom 14.04.2014

FG Hamburg: treu und glauben, qualifikation, eugh, prävention, sammlung, steuerbefreiung, krankheit, anbieter, satzung, form

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Umsatzsteuer: Zu "Burn-Out-Kursen" im Bereich der Primärprävention
"Burn-Out-Kurse", die im Bereich der Primärprävention (§ 20 SGB V) ohne ärztliche Verordnung von Sozialpädagogen
durchgeführt werden, sind nicht umsatzsteuerfrei.
NZB, Az.: V B 60/14
FG Hamburg 1. Senat, Urteil vom 14.04.2014, 1 K 51/13
§ 4 Nr 14 S 1 UStG
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob "Burnout-Präventionskurse" als Leistungen im
Rahmen der Primärprävention steuerfreie Heilbehandlungen sind.
Die Klägerin studierte Sozialpädagogik und absolvierte eine fünfjährige
psychotherapeutische Zusatzausbildung. Ihre Ausbildung schloss sie vor ca. 33 Jahren
ab. Sie war dann im Bereich der Therapie bzw. des Coachings tätig.
Die A Krankenkasse (im Folgenden: A) bat die Klägerin, einen Kurs für den Bereich
"Prävention von Burnout" zu entwickeln. Aufgrund von Verträgen zwischen der A und der
Klägerin erbrachte die Klägerin derartige Kurse im Bereich der Primärprävention gemäß §
20 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V). Die A übernahm des
Weiteren die Reise- und Übernachtungskosten sowie die Raummiete der angemieteten
Kursräume gegen Vorlage der Belege. Die Klägerin stellte der A für die in den jeweiligen
Jahren erbrachten Kurse im Streitjahr 2006 insgesamt ... Euro zuzüglich Nebenkosten in
Höhe von ... Euro (= ... Euro; Anteil an Gesamtumsätzen: 28,31 %) und im Streitjahr 2007
insgesamt ... Euro zuzüglich Nebenkosten in Höhe von ... Euro (= ... Euro; Anteil an
Gesamtumsätzen: 91,62 %) ohne Umsatzsteuerausweis in Rechnung.
Die Klägerin gab für die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab. Nach einer
Betriebsprüfung gelangte der Beklagte u. a. zu der Auffassung, die vorgenannten
Einnahmen seien wie die anderen Umsätze der Klägerin umsatzsteuerpflichtig. Zugleich
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berücksichtigte der Beklagte Vorsteuerbeträge für 2006 in Höhe von insgesamt ... Euro
sowie für 2007 in Höhe von insgesamt ... Euro. Am 07.12.2012 erließ der Beklagte
Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007, in denen er die Umsatzsteuer für 2006 auf ...
Euro und für 2007 auf ... Euro festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin am 27.12.2012
Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2013
zurückwies.
Am 22.02.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Leistungen im
Rahmen der Primärprävention seien umsatzsteuerfrei, da es sich um Umsätze aus einer
arztähnlichen heilberuflichen Tätigkeit handele. Sie erfülle die Qualitätsanforderungen,
die nach dem "Leitfaden Prävention" der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der
Krankenkassen unter Beteiligung des GKV-Spitzenverbands (ab 01.07.2008:
Spitzenverband Bund der Krankenkassen [GKV-Spitzenverband]) an die Qualifikation der
Anbieter für diese Maßnahmen gestellt werden. Die von ihr angebotenen Kurse seien
nach den Streitjahren in inhaltlich gleicher Form auch als Patientenschulungsmaßnahme
von den Krankenkassen gemäß § 43 Abs. 1 SGB V finanziert worden. Es sei lediglich in
der Anfangszeit ein "niedrigschwelliges" Angebot verlangt worden, da den Betroffenen in
der Regel erst spät die Einsicht komme, krank zu sein, allerdings bereits frühzeitig
geholfen werden solle. Die an "Burnout" erkrankten Personen erhielten wegen der
schwierigen Diagnostik keine passenden Therapiemaßnahmen und fielen in eine
Versorgungslücke, was durch die von ihr, der Klägerin, angebotenen Kurse habe
abgedeckt werden sollen. Ärztliche Verordnungen zur Teilnahme an den Kursen seien
nicht erforderlich gewesen und lägen für die Kurse der Streitjahre auch nicht vor. Die
Kurse basierten auf einem psychotherapeutischen Ansatz und seien - wie Evaluationen
zeigten - sehr erfolgreich. Im Übrigen sei ihr von einem Bearbeiter des Finanzamtes, dem
sie die Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis vorgelegt habe, die Richtigkeit der
Rechnungen bestätigt worden. Die von der Betriebsprüfung ermittelten Vorsteuerbeträge
seien anteilig zu berichtigen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007, jeweils vom 07.12.2012, in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.01.2013 in der Weise zu ändern, dass die
Umsatzsteuer für 2006 auf ... Euro und für 2007 auf ... Euro festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der Klägerin erbrachten Leistungen im Bereich der
Primärprävention seien nicht umsatzsteuerfrei. Es fehle an dem erforderlichen
unmittelbaren Krankheitsbezug. Im Übrigen sei die Qualifikation der Klägerin nicht mit den
Qualifikationen derjenigen Heilberufe vergleichbar, die umsatzsteuerfreie Leistungen
erbringen könnten.
Dem Gericht haben vorgelegen Einkommensteuerakte Bände IV und V,
Betriebsprüfungsakte, Umsatzsteuerakte Band I, Bp-Arbeitsakte sowie Rechtsbehelfsakte
"USt 2006 + 2007" des Finanzamtes Hamburg-..., zu den Steuernummern .../.../... bzw.
.../.../..., vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Protokolle
des Erörterungstermins vom 21.11.2013 und der mündlichen Verhandlung vom
14.04.2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 vom 07.12.2012 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2013 sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die von der Klägerin gegenüber der A im Inland erbrachten Leistungen in Form der
Durchführung der "Burnout"-Kurse im Bereich der Primärprävention sind keine Umsätze
aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast),
Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG a. F.). Andere
Vorschriften zur Steuerfreiheit der Umsätze sind im Streitfall nicht einschlägig.
1. Die Klägerin erbrachte keine Leistungen aus einer ärztlichen oder aus einer ähnlichen
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heilberuflichen Tätigkeit. Die von der Klägerin in den Streitjahren erbrachten Burnout-
Kurse, die von der A als Leistungen der Primärprävention nach § 20 Abs. 1 SGB V
entgolten wurden, sind keine steuerfreien Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Satz
1 UStG a. F.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen
Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG a. F. einen therapeutischen Zweck
haben. Dazu gehören zwar auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht
werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die
an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz
einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen
Gesundheit erbracht werden. Jedoch fehlt es bei Leistungen zur Prävention und
Selbsthilfe im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB V an einem solcherart verstandenen
therapeutischen Zweck. Leistungen zur Primärprävention haben keinen unmittelbaren
Krankheitsbezug, weil sie den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und
insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von
Gesundheitschancen erbringen sollen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vergleiche - vgl. - BFH-
Beschluss vom 04.10.2012 XI B 46/12, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2013, 273 mit weiteren Nachweisen - m. w. N. -
;Sterzinger, in: Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Stand: Oktober 2013, § 98
Randziffer - Rz. - 93, 101 m. w. N.).
b) Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) zur Steuerfreiheit für Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat
definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden (Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, 77/388/EWG, Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften - ABl. - L 145 vom 13.6.1977, S. 1 ff.; ab 01.01.2007:
Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1 ff., MwStSystRL;
jeweils in den in den Streitjahren geltenden Fassungen).
Auch danach fallen Leistungen der Primärprävention nach § 20 SGB V nicht unter die
Steuerbefreiung. Die Regelungen bezwecken eine Steuerbefreiung für Leistungen der
Heilbehandlung im engeren Sinne. Dies sind Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung
und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen.
Die Leistungen müssen einem therapeutischen Zweck dienen. Auch wenn die
therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung nicht in einem besonders engen Sinn
zu verstehen ist, müssen es dennoch Leistungen medizinischer Art sein. Die Leistung
muss auf medizinischen Feststellungen beruhen, die von dem entsprechenden
Fachpersonal getroffen worden sind. Dies bedeutet, dass die Dienstleistungen von einer
Person erbracht werden müssen, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist, oder
dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird (vgl. EuGH-Urteil
vom 21.03.2013, Rechtssache - Rs. - C-91/12, PFC Clinic AB, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung - HFR - 2013, 458, Celex-Nr. 62012CJ0091, Rz. 24 ff. m. w. N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Denn es ist nicht erkennbar, dass es
sich um derartige medizinische Leistungen handelt. Es bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Kursteilnehmer aufgrund ärztlicher Verordnung oder sonst auf ärztlicher
oder ähnlicher Veranlassung an den Kursen teilnahmen, um Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen von der Klägerin behandeln zu lassen. Die A erstattete die Kosten
für das "niedrigschwellige" Angebot der Klägerin in den Streitjahren nicht aufgrund der
medizinischen Feststellung einer Krankheit. Vielmehr handelte es sich um Leistungen an
die Mitglieder der A aufgrund anderer Voraussetzungen.
c) Auf die Behauptung der Klägerin, es habe sich bei den Kursteilnehmern schon um
kranke Personen gehandelt, kommt es nicht an. Derartige Feststellungen kann der Senat
nicht treffen, da es hierfür an objektiven Feststellungen, wie beispielsweise ärztlichen
Verordnungen zur Teilnahme an den Kursen, fehlt. Subjektive Vorstellungen sind hierbei
nicht erheblich (vgl. auch EuGH-Urteil vom 21.03.2013, Rs. C-91/12, PFC Clinic AB, HFR
2013, 458, Rz. 34 f.).
d) Dies gilt auch in Bezug auf das möglicherweise schwierig als Krankheit zu
diagnostizierende Erscheinungsbild eines "Burnouts". Gerade wegen der
Vielschichtigkeit des Erscheinungsbilds ist es zur Abgrenzung steuerpflichtiger von
steuerfreien Leistungen notwendig, geeignete objektive Kriterien aufzustellen, die auf
medizinische Leistungen zurückführen. Dies ist bei Leistungen zur Primärprävention nicht
der Fall. Derartige Leistungen sollen durch Hilfestellung zur gesunden Lebensweise die
Entstehung und Verschlimmerung von Krankheiten verhindern oder verzögern, u. a. in
dem Handlungsfeld Stressreduktion/Entspannung (vgl. z. B. § 18 Abs. 1 der Satzung der
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A). Die Präventionsangebote sollen nach dem hier in Rede stehenden individuellen
Ansatz den einzelnen Versicherten versuchen zu befähigen und zu motivieren,
Möglichkeiten einer gesunden, Störungen und Erkrankungen vorbeugenden
Lebensführung auszuschöpfen (vgl. Leitfaden Prävention, S. 13, Ziff. 3.1.2). Sollten
Präventionsleistungen ohne Berücksichtigung medizinischer Feststellungen steuerfrei
sein, wäre zudem - auch unter Berücksichtigung des Neutralitätsgebots - der allgemeine
Grundsatz, Steuerbefreiungen eng auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 21.03.2013, Rs. C-
91/12, PFC Clinic AB, HFR 2013, 458, Rz. 23), für den Bereich der Heilbehandlungen
obsolet.
e) Aus den vorgenannten Gründen ist ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267
des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, konsolidierte
Fassung, Abl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47 ff.) nicht erforderlich.
2. Des Weiteren erfolgten die Leistungen durch die Klägerin nicht als Ärztin oder aus
einer ähnlichen heilberuflichen bzw. heilhilfsberuflichen Tätigkeit. Die Qualifikation der
Klägerin als Anbieterin einer Maßnahme der Primärprävention nach § 20 Abs. 1 SGB V
entspricht im Streitfall nicht der für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG
erforderlichen Qualifikation.
a) Die Steuerfreiheit ist auf die Umsätze aus der Tätigkeit der im Einzelnen bezeichneten
Berufe beschränkt. Dies entspricht dem Unionsrecht (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
77/388/EWG; ab 01.01.2007: Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL; jeweils in der in den
Streitjahren geltenden Fassung).
Ob die Steuerpflichtigen die entsprechende Qualifikation erfüllen, bestimmt sich nach dem
Recht des jeweiligen Mitgliedstaates (vgl. EuGH-Urteil vom 27.04.2006, Rs. C-443/04,
Solleveld, und C-444/04, van den Hout-van Eijnsbergen, Sammlung der Rechtsprechung
des EuGH - Slg. - 2006, I-3617 Rz. 29). Dabei ist im Rahmen der Auslegung der
nationalen Vorschriften das Ziel der Befreiungsvorschrift zu berücksichtigen, wonach die
Befreiung nur für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gilt, die von Personen
erbracht werden, die die erforderlichen beruflichen Qualifikationen besitzen (EuGH-Urteil
vom 27.04.2006, Rs. C-443/04, C-444/04, Slg. 2006, I-3617, Rz. 37). Zudem ist wegen
des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu prüfen, ob die Personen für die
Durchführung solcher Heilbehandlungen über berufliche Qualifikationen verfügen, die
gewährleisten können, dass diese Behandlungen denjenigen qualitativ gleichwertig sind,
die von Personen erbracht werden, die nach den betreffenden nationalen
Rechtsvorschriften in den Genuss der Befreiung gelangen (EuGH-Urteil vom 27.04.2006,
Rs. C-443/04, C-444/04, Slg. 2006, I-3617, Rz. 41). Für die Steuerfreiheit ist danach von
Bedeutung, ob die Dienstleistungen von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung
eines Heilberufs zugelassen ist, oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen
Person bestimmt wird (EuGH-Urteil vom 21.03.2013, Rs. C-91/12, PCF Clinic AB, HFR
2013, 458, Rz. 36).
b) Die Klägerin erbrachte die Leistungen nicht als Angehörige eines in § 4 Nr. 14 Satz 1
UStG a. F. genannten Katalogberufes.
c) Sie erbrachte die Leistungen nicht als Angehörige eines Heil- bzw. Heilhilfsberufs, der
den in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a. F. genannten Katalogberufen ähnlich ist.
Voraussetzung für die Ähnlichkeit des Berufes mit einem Katalogberuf ist, dass das
typische Bild des Katalogberufes mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild
des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der jeweils
ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit
der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die
Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom
29.01.1998 V R 3/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 185, 287,
Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 1998, 453 mit weiteren Nachweisen - m. w. N. -).
Der Nachweis der entsprechenden Qualifikation der Klägerin ergibt sich nicht aus
berufsrechtlichen Regelungen. Insbesondere ist die Klägerin keine Psychotherapeutin im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 4 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG). Das Studium
der Sozialpädagogik mit einer psychotherapeutischen Zusatzausbildung genügt danach
nicht (vgl. auch Wagner, in: Plückebaum/Widmann, UStG, § 4 Nr. 14 Rz. 174a zu [Diplom-
]Psychologen).
Auch aus anderen Indizien ergibt sich keine zur Steuerfreiheit führende berufliche
Qualifikation der Klägerin. Aus der Kostentragung durch die A kann im Streitfall nicht auf
das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation geschlossen werden.
Zwar kann die Kostentragung durch Sozialversicherungsträger im Einzelfall ein Indiz für
eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit mit vergleichbarer Qualifikation sein. Dies kann sich
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beispielsweise aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern
nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben.
Derartiges ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Leistungen der Klägerin fehlen in
dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V. Sie hat keinen
Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen oder ist nach § 124 SGB V
zugelassen. Ebenso wenig hat die Klägerin in den Streitjahren einen Versorgungsvertrag
gemäß § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen
Rehabilitation geschlossen oder wurden die Leistungen gemäß § 43 SGB V in
Verbindung mit einer "Gesamtvereinbarung" von den Sozialversicherungsträgern
getragen (vgl. im Einzelnen zu diesen Indizien BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09,
BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623 m. w. N.).
Ein Indiz für die vergleichbare berufliche Qualifikation der Klägerin ergibt sich im Übrigen
nicht aus der Regelung in § 18 Abs. 1 der Satzung der A, wonach Leistungen der
Primärprävention von der A übernommen werden. Ebenso wenig kann von den
Qualitätsanforderungen an die Anbieter nach dem Leitfaden Prävention auf die nach § 4
Nr. 14 Satz 1 UStG a. F. erforderliche Qualifikation geschlossen werden. Die genannten
Regelungen führen nicht dazu, die nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a. F. erforderliche
Qualifikation nachzuweisen. Dem steht der damit verbundene unterschiedliche Zweck
entgegen. Die genannten Regelungen beziehen sich gerade nicht auf medizinische
Leistungen, sondern auf hiervon zu unterscheidende Leistungen zur Primärprävention
(siehe I. 1.).
Dass - wie die Klägerin vorträgt - in den Folgejahren eine Kostenerstattung der
Leistungen durch die Krankenkassen nach § 43 SGB V erfolgte, hat wegen des auch im
Umsatzsteuerrecht geltenden Abschnittsprinzips für die Streitjahre keine Bedeutung (vgl.
hierzu BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623 m. w.
N.).
d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sonst die Leistungen der Klägerin von
einer Person bestimmt wurden, die die berufsrechtlichen Qualifikationen im Sinne des § 4
Nr. 14 Satz 1 UStG a. F. erfüllt.
3. Der Beklagte war nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert,
Umsatzsteuerbescheide zu erlassen, in denen die Leistungen der Klägerin als
steuerpflichtig behandelt wurden, selbst wenn die Klägerin einem Bearbeiter des
Finanzamtes die Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis ohne Beanstandung vorgelegt
hat. Aus der bloßen Vorlage der Rechnungen konnte kein berechtigtes Vertrauen der
Klägerin dahingehend entstehen, dass die Leistungen umsatzsteuerfrei seien. Denn für
diese Beurteilung sind - wie oben dargelegt - andere Kriterien entscheidend.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht
vorliegen.
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