Urteil des FG Hamburg vom 28.01.2014

FG Hamburg: widerspruchsverfahren, erlass, vorverfahren, zahl, hochschulreife, universität, internet, vertretung, rechtsmittelbelehrung, anwaltskosten

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Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für einen Widerspruch gegen die Versagung einer Zulassung
zum Studium ist innerhalb der Widerspruchsfrist in der Regel nicht notwendig i.S. des § 80 Abs. 2
HmbVwVfG bzw. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil solche Widersprüche regelmäßig keiner qualifizierten
Begründung bedürfen und im Wesentlichen den Zweck haben, den Eintritt der Bestandkraft des
Ablehnungsbescheides zu vermeiden und dem Studienbewerber die Möglichkeit eines auf vorläufigen
Rechtsschutz gerichteten Verfahrens nach § 123 VwGO offen zu halten oder zu eröffnen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3. Senat, Urteil vom 28.01.2014, 3 Bf 60/13
§ 80 Abs 2 VwVfG HA, § 123 VwGO, § 162 Abs 2 S 2 VwGO
Verfahrensgang
vorgehend VG Hamburg, 7. Februar 2013, Az: 19 K 3426/10, Urteil
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2013
ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt der Kläger.
Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu
vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt, die Zuziehung eines Rechtsanwaltes für das Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung
der Zulassung zum Studium zum Sommersemester 2010 für notwendig zu erklären.
Der Kläger, der am 18. Juni 2008 die allgemeine Hochschulreife erlangt hatte, beantragte zum
Sommersemester 2010 bei der Beklagten die Zulassung zum Studium im Studiengang
Außenwirtschaft/Internationales Management. Mit Bescheid vom 26. Februar 2010 wurde der Antrag
abgelehnt, weil die Zahl der Bewerber die Zahl der Studienplätze übersteige und er nach seinem Rang in den
Auswahlranglisten nicht zugelassen werden könne. Sollte seine Bewerbung unvollständig oder anderweitig
fehlerhaft gewesen sein, ergehe die Ablehnung schon aus diesem Grunde.
Gegen den Bescheid legte der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, unter dem Datum des 9.
März 2010 Widerspruch ein und beantragte, vertreten durch denselben Bevollmächtigten, unter dem Datum
des 12. März 2010 beim Verwaltungsgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf
vorläufige Zulassung zum Studium. Nachdem die Beklagte mit Beschluss vom 28. April 2010 antragsgemäß
verpflichtet worden war, ließ sie den Kläger mit Bescheid vom 7. Mai 2010 vorläufig zu und verfügte darin
weiter: „Nach Erfüllung der folgenden Voraussetzungen erhalten Sie die Semesterunterlagen und sind damit
vollständig zugelassen und immatrikuliert: …“. Mit Bescheid vom 30. September 2010 teilte die Beklagte
dem Bevollmächtigten auf dessen Nachfrage mit, dass dem Widerspruch mit Bescheid vom 7. Mai 2010
abgeholfen und der Kläger inzwischen vollständig zugelassen worden sei. Die Beklagte trage die Kosten des
Verfahrens, die Zuziehung eines Rechtsanwaltes sei nicht notwendig gewesen.
Mit der am 4. November 2010 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, entgegen der Ansicht der
Beklagten sei die Zuziehung eines Rechtsanwaltes für das Widerspruchsverfahren erforderlich gewesen. Der
Widerspruch gegen die Ablehnung der Zulassung sei nicht nur mit der „Standardargumentation“ mangelnder
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Kapazitätserschöpfung begründet worden, außerdem habe sich die Beklagte auch im Widerspruchsverfahren
eines Rechtsanwaltes bedient, so dass es dem Gebot der Waffengleichheit widerspreche, dem Bürger die
anwaltliche Vertretung abzusprechen. Zumindest die Kosten einer Erstberatung seien erstattungsfähig, da der
Studienplatzbewerber nach der Ablehnung der Zulassung nicht wissen könne, dass ein Widerspruch nicht
ausreichend sei, den begehrten Studienplatz möglichst noch im Bewerbungssemester zu erhalten, sondern
daneben noch beim Verwaltungsgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt werden
müsse. Die Kosten für eine anwaltliche Erstberatung beliefen sich auf 226,10 €.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30. September 2010 zu verpflichten, die
Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.
Februar 2010 für notwendig zu erklären,
hilfsweise,
die Beklagte zur Zahlung von 226,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 4. November 2010 an den Kläger zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei bekanntlich unabdingbare Voraussetzung, Widerspruch gegen die
Versagung der Zulassung einzulegen, wenn mittels eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
beim Verwaltungsgericht der Versuch unternommen werden solle, doch noch den begehrten Studienplatz zu
erhalten. Damit solle nur die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides verhindert werden. Maßgeblich sei für
den Studienplatzbewerber das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Außerdem sei der
Prozessbevollmächtigte des Klägers, der ihn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vertreten habe,
verpflichtet gewesen, den Kläger auf die Erhebung eines Widerspruches gegen den Ablehnungsbescheid und
die Möglichkeit hinzuweisen, dies selbst und ohne Begründung vorzunehmen.
Mit Urteil vom 7. Februar 2013 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Notwendigkeit der
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren sei unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom
Standpunkt einer verständigen Partei zu beurteilen. Maßgeblich sei, ob sich ein vernünftiger Bürger mit
gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand eines Rechtsanwaltes bedient hätte. Kapazitätsrechtliche
Streitverfahren betreffend die Zulassung zu einem Studium seien in der Regel derart komplex und schwierig,
dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes grundsätzlich notwendig sei. Zwar liege der Schwerpunkt
derartiger Zulassungsverfahren im gerichtlichen Eilverfahren, auch trage in der überwiegenden Zahl der Fälle
das Widerspruchsverfahren zur Frage der Kapazitätserschöpfung nicht bei, so dass dem Widerspruch nur die
Funktion zukomme, die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides zu verhindern. Für einen nicht
Rechtskundigen sei allerdings nicht erkennbar, dass ein Widerspruch aufgrund der Besonderheiten des
Verfahrens keiner Begründung bedürfe. Ohne Belang sei, dass nach den Erfahrungen des Gerichts der
überwiegende Teil der Studenten seine Verfahren ordnungsgemäß ohne Hilfe eines Rechtsanwaltes betreibe.
Nicht eine solche Möglichkeit sei entscheidend, sondern die Notwendigkeit der Zuziehung eines
Rechtsanwaltes.
Mit der vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zugelassenen Berufung macht die Beklagte
geltend, es komme maßgeblich darauf an, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und
Erfahrungsstand, der sich einerseits um die bestmögliche Wahrung seiner Rechte bemühe, andererseits auch
unnötige Verfahrenskosten vermeiden wolle, bei der gegebenen Sachlage durch einen Rechtsanwalt hätte
vertreten lassen. Angesichts des Umstandes, dass im Internet und beim Allgemeinen Studentenausschuss
vielfache Hinweise über die Verfahrensabläufe und Anleitungen für das rechtliche Vorgehen bei Ablehnung
der Zulassung zum gewünschten Studium existierten, die teilweise ausdrücklich darauf hinwiesen, dass eine
anwaltliche Vertretung weder erforderlich sei, noch die Erfolgschancen erhöhe, müsse davon ausgegangen
werden, dass ein vernünftig handelnder, nicht rechtskundiger Studienbewerber in der Lage sei, einen
Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ohne anwaltliche Hilfe einzulegen. Der Umstand, dass eine
Vielzahl von Studienplatzbewerbern und -bewerberinnen Widerspruchs- und gerichtliche Eilverfahren form-
und fristgerecht ohne anwaltliche Hilfe führten, zeige, dass solches Vorgehen keineswegs lebensfremd sei.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2013 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Beklagte zur Zahlung von 226,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 4. November 2010 an den Kläger zu verurteilen.
Der Kläger führt aus, es sei regelmäßig von der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes auch für
das Widerspruchsverfahren auszugehen. Der Bildungsstand der Studienplatzbewerber, die mit Abitur oder
Fachhochschulreife über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügten, sei nicht so, dass diese regelmäßig
die formellen Schwierigkeiten des Kapazitätsrechtsstreites begriffen. Diese zeige sich beim Bevollmächtigten
in Fällen von PKH-Mandaten, in denen sich ein Studienplatzbewerber zur Vermeidung von Anwaltskosten
entschließe, das Widerspruchsverfahren selbst zu betreiben. Außerdem sei zu bedenken, dass der
Ablehnungsbescheid nicht nur aus Kapazitätsgründen sondern, für den Fall, dass die Bewerbung
unvollständig oder anderweitig fehlerhaft gewesen sei, aus diesem Grunde ergangen sei. Ein endgültiger und
damit sicherer Studienplatz sei nur über das Hauptsacheverfahren und damit über den Widerspruch zu
erlangen. Aufgrund der Rechtsmittelbelehrung gehe der Studienbewerber davon aus, dass er nur Widerspruch
einlegen müsse. Von der Notwendigkeit eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe der
Kläger erst bei der Beratung durch seinen Bevollmächtigten erfahren. Ihm auf Informationen aus dem Internet
und des AStA zu verweisen, sei wegen der Unverbindlichkeit dieser Informationen unzulässig und sage
nichts darüber aus, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts für das Widerspruchsverfahren notwendig
gewesen sei. Es gebe zwar keine Verpflichtung, einen Widerspruch überhaupt zu begründen. Eine solche
Begründung sei aber grundsätzlich sinnvoll, da die Behörde sonst nicht wisse, warum der Bürger sich gegen
die Entscheidung wende. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die parallele
Durchführung des gerichtlichen Eilverfahrens durch einen Rechtsanwalt und des Widerspruchsverfahrens
durch den Studienplatzbewerber grundsätzlich fehleranfällig und dem Betroffenen aus diesem Grunde nicht
zumutbar sei.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere rechtszeitig eingelegt und begründet worden. Sie hat
auch in der Sache vollen Umfangs Erfolg.
1. Zu Recht hat die Beklagte mit der Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens mit
Bescheid vom 30. September 2010 festgestellt, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts für das
Widerspruchsverfahren nicht notwendig gewesen ist.
Denn für die Einlegung des Widerspruches gegen die Ablehnung des Antrages des Klägers auf Zulassung
zum Studium der Außerwirtschaft/Internationales Management durch den Bescheid vom 26. Februar 2010
war die Zuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig i.S. des § 80 Abs. 2 HmbVwVfG vom 9.
November 1977 (HmbGVBl. S. 333).
a) Zum rechtlichen Maßstab für die Beurteilung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts im
Vorverfahren geht das Bundesverwaltungsgericht (z.B. B.v. 1.6.2010, 6 B 77/09, juris Rn 6) in ständiger
Rechtsprechung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, von folgendem aus:
„Danach ist gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Erstattungsfähigkeit von
Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren - anders als die von Anwaltskosten im gerichtlichen
Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) - nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur
unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Die Notwendigkeit der
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen
Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich
ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage
eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung
eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen
der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Abzustellen ist
regelmäßig auf den Zeitpunkt der Bevollmächtigung (Beschluss vom 14. Januar 1999 - BVerwG 6 B
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118.98 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 42 S. 1, Urteil vom 17. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 19.01 -
Buchholz 448.0 § 20b WPflG Nr. 3 S. 8, Beschlüsse vom 21. August 2003 - BVerwG 6 B 26.03 -
Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 51 S. 23 f., vom 25. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 39.06 - juris Rn. 4,
vom 1. Februar 2007 - BVerwG 6 B 85.06 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 52 S. 1 und vom 1.
Oktober 2009 - BVerwG 6 B 14.09 - juris Rn. 5).“
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes wird auch durch die Bedeutung der Streitsache für
den Beschwerdeführer bestimmt (BVerwG, B. v. 9.5.2012, 2 A 5/11, juris Rn 2).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Widerspruch keine
besonderen Schwierigkeiten aufwies (aa), es dem Kläger nach seinem Bildungs- und Erfahrungsstand sowie
seinen persönlichen Verhältnissen zuzumuten war, den Widerspruch ohne anwaltliche Hilfe einzulegen (bb)
und die Bedeutung des Widerspruchs für den Kläger anwaltliche Hilfe für die Einlegung des Widerspruches
nicht erforderlich machte (cc). Abzustellen ist dabei auf die Mandatierung für das Widerspruchsverfahren zum
Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruches, nicht aber auf das Mandat zur zeitnahen Durchsetzung des
behaupteten Anspruchs auf Zulassung zum Studium durch ein gerichtliches Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes.
aa) Die Einlegung eines Widerspruches gegen die Ablehnung der Zulassung zum Studium stellt sich weder in
formaler noch in inhaltlicher Hinsicht als schwierig dar, so dass der Kläger hierfür keiner anwaltlichen Hilfe
bedurfte
Auf der formalen Ebene ist festzustellen, dass die dem angefochtenen Bescheid beigefügte, korrekte
Rechtsbehelfsbelehrung die Anforderungen an einen Widerspruch hinreichend deutlich beschreibt, um die
Erhebung eines solchen als einfach einzuschätzen. Der Kläger ist nicht nur auf die Möglichkeit eines
schriftlichen Widerspruchs und alternativ eines solchen zur Niederschrift bei der Beklagten hingewiesen
worden, sondern auch darauf, dass für letzteren die Geschäftszeiten der hierfür als zuständig bezeichneten
Stelle der Beklagten zu beachten seien.
In inhaltlicher Hinsicht bedurfte der Widerspruch zum Zeitpunkt seiner Einlegung keines Aufwandes des
Klägers. Das beruht darauf, dass der Antrag auf Zulassung zum Studium auf den Beginn des Studiums im
Sommersemester gerichtet war und der Kläger ein dringendes rechtliches wie tatsächliches Interesse an der
Aufnahme des Studiums in diesem Semester hatte, das allein mit einem Widerspruch gegen die Versagung
der Zulassung nicht durchzusetzen war. Während der Frist für die Einlegung des Widerspruches und damit
zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters mit der Erhebung des Widerspruches diente ein solcher
mithin nur dazu, die Bestandskraft der Ablehnung zu vermeiden und dem Kläger so die Möglichkeit der
Durchführung eines gerichtlichen, auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens zu
eröffnen oder offen zu halten. Damit konnte sich der Kläger auf die rein formale Einlegung eines
Widerspruches beschränken. Einer inhaltlichen Darlegung der Gründe hierfür bedurfte es zu dem Zeitpunkt
nicht, auch wenn, worauf der Kläger und das Verwaltungsgericht mit Recht hinweisen, inhaltlich geführte
Rechtsstreitigkeiten um die Zulassung zum Studium in aller Regel nicht unerhebliche rechtliche und
tatsächliche Schwierigkeiten mit sich bringen.
bb) Der Bildungs- und Erfahrungsstand sowie die persönlichen Verhältnisse des Klägers haben ihm
ermöglicht, dies ohne unzumutbaren Aufwand zu erkennen.
Ob der Bevollmächtigte des Klägers, wie die Beklagte meint, ohnehin gehalten war, den Kläger im Rahmen
des ihm erteilten Mandates, beim Verwaltungsgericht Hamburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Ziel zu stellen, die Beklagte zur vorläufigen Zulassung des Klägers zum gewünschten
Studium zu verpflichten (19 ZE 352/10), dahingehend aufzuklären, dass die einfache, unbegründete Erhebung
des Widerspruches gegen den Ablehnungsbescheid durch den Kläger persönlich seine formalen Rechte in
hinreichendem Umfang zu sichern geeignet und erforderlich war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar
dürfte für die Richtigkeit der Ansicht der Beklagten sprechen, dass u.a. die in Bezug genommenen Hinweise
zur „Studienplatzbeschaffung“ des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Hamburg (AStA), die
der Klägervertreter, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, im Rahmen eines
Beratungsmandates des AStA rechtlich begleitet hat, darauf verweisen, dass eine anwaltliche Vertretung für
den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid weder erforderlich ist, noch die Erfolgschancen erhöht.
Aber unabhängig davon war es dem 1989 geborenen Kläger, der am 18. Juni 2008 die Hochschulreife an
einem Gymnasium in Hamburg mit der Durchschnittsnote 3,4 erlangt hat und der die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzt, nach seinem Bildungs- und Erfahrungsstand zuzumuten, den Widerspruch ohne
anwaltliche Hilfe einzulegen. Er konnte zwar nicht auf juristische Vorbildung zurückgreifen, er ist aber nicht
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nur der deutschen Sprache mächtig, sondern angesichts der ihm zuerkannten Hochschulreife imstande, die
Rechtsmittelbelehrung des Ablehnungsbescheides zu verstehen und sich über die daraus ergebenen
Konsequenzen zu informieren. Zu den Informationsmöglichkeiten zählen auch die Hinweise des AStA der
Universität Hamburg zur „Studienplatzbeschaffung“, die ihm über das Internet leicht zugänglich sind und die,
da es sich bei dem AStA um eine Interessenvertretung der Studenten handelt, nicht nur von dubioser Qualität
sind, wie die Mitwirkung des Klägervertreters daran deutlich zeigt. Dem Kläger war es auch zumutbar, die
Informationen in adäquate Handlungen umzusetzen; die Hinweise waren nicht nur an die
Studienplatzbewerber der Universität Hamburg, sondern auch an solche bei der Beklagten gerichtet und mit
dem Hinweis verbunden, das gerichtliche Verfahren gegen die Beklagte könne höhere Kosten verursachen,
da sich die Beklagte stets anwaltlich vertreten lasse. Stellt die Erkenntnis der Notwendigkeit der Einlegung
eines Widerspruchs und deren Umsetzung für den Kläger mithin keine besondere Herausforderung dar, ist
davon auszugehen, dass ein vernünftiger Bürger in gleichen persönlichen Verhältnissen bei der gegebenen
Sachlage keinen Rechtsanwalt mit der Einlegung des Widerspruchs bevollmächtigt hätte.
Dagegen spricht nicht das vom Kläger vorgetragene Argument, dass Widerspruch und Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung bei Mandatierung des Anwaltes auch für den Widerspruch in einer Hand lagen und
die Gefahr von Kommunikationsfehlern und Missverständnissen bei der Koordination beider Rechtsbehelfe
vermindert wurde. Denn ein Kommunikationsbedarf bestand nur insoweit, als klarzustellen war, wer von
beiden, der Bevollmächtigte des Klägers oder der Kläger persönlich, den Widerspruch einlegen sollte. Auch
wenn für den Kläger offensichtlich keine finanziellen Gründe gegen die Bevollmächtigung eines
Rechtsanwalts auch im Widerspruchsverfahren sprachen, hätte ein vernünftiger Bürger angesichts des
ungewissen Ausgangs des Verfahrens einerseits und des geringen Aufwandes eines selbst eingelegten
Widerspruchs anderseits die zusätzlichen, nicht nur geringfügigen Kosten eines Mandats für einen
Widerspruch vermieden. Dem entspricht es, dass nach der Erfahrung der entscheidenden Kammer des
Verwaltungsgerichts der überwiegende Teil der Studenten seine Verfahren, auch die Widerspruchsverfahren,
ordnungsgemäß ohne die Hilfe eines Rechtsanwalts betreibt. Damit wird nicht nur deutlich, dass dieses
möglich ist, sondern auch, dass eine Vielzahl vernünftiger Bürger in den gleichen persönlichen Verhältnissen
wie der Kläger die Hilfe eines Rechtsanwaltes zur Einlegung eines Widerspruches gegen die Versagung der
Zulassung zum Studium bei der Beklagten nicht in Anspruch genommen hat.
cc) Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes für die Einlegung des Widerspruches gegen die Ablehnung
der Zulassung zum Studium ist nicht wegen der Bedeutung des Widerspruchs für den Kläger notwendig
gewesen. Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger das, was er eigentlich habe erreichen
wollen, nämlich die alsbaldige Zulassung zum gewünschten Studium bei der Beklagten, mit dem Widerspruch
und einer eventuell daran anschließenden Klage kaum habe erreichen können, der Widerspruch vielmehr in
erster Linie dazu diene, die Bestandkraft des Ablehnungsbescheides zu verhindern, um so einem Verfahren
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf vorläufige Zulassung nicht von vornherein jede
Aussicht auf Erfolg zu nehmen. Von für den Kläger maßgeblicher Bedeutung war zum Zeitpunkt der
Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes mithin nicht das Widerspruchsverfahren, sondern der beabsichtigte
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht Hamburg. Dies kommt auch
dadurch zum Ausdruck, dass am Ende des Widerspruchsschreibens sein Bevollmächtigter darum gebeten
hat, „bis zum Abschluss des einzuleitenden parallelen Eilverfahrens die Entscheidung über den Widerspruch
auszusetzen, soweit Sie diesem nicht ohnehin abhelfen wollen“.
2. Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Da nach dem oben Ausgeführten die Zuziehung eines
Rechtsanwaltes für das Widerspruchsverfahren zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt vor Ablauf der
Widerspruchsfrist nicht notwendig war, sind die Kosten und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren
auch nicht gemäß § 80 Abs. 2 HmbVwVfG erstattungsfähig. Ein von dem Vorverfahren losgelöster Anspruch
auf Beratungshilfe gegen die Beklagte wegen der Versagung der Zulassung ist nicht erkennbar. Für einen
außergerichtlichen Streit wird Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten gemäß § 1 Abs. 1
Beratungshilfegesetz (BerHG) auf Antrag als Beratungshilfe gem. § 3 BerHG (gegebenenfalls durch
Rechtsanwälte und Rechtsbeistände) gewährt, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann. An Stelle dieser Beratungshilfe tritt in
Hamburg gemäß § 12 Abs. 1 BerHG die eingeführte öffentliche Rechtsberatung. Soweit der Kläger von
seinem Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Mandates für die Beantragung einer einstweiligen
Anordnung beim Verwaltungsgericht zu dem Vorgehen nach Ablehnung der Zulassung zum Studium beraten
worden ist, ist die Beratungsgebühr auf die in jenem Verfahren (19 ZE 352/10) angefallene Verfahrensgebühr
anzurechnen (§ 34 Abs. 2 RVG), die der der Bevollmächtigte des Klägers bereits bei der Beklagten liquidiert
hat. Daher wäre im vorliegenden Fall, unabhängig von dem Fehlen eines Anspruches gegen die Beklagte auf
Übernahme der Kosten einer anwaltlichen Beratung des Klägers, ein solcher Anspruch infolge der
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Anrechnung auf die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entstandenen Verfahrensgebühr
durch Erfüllung bereits erloschen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der
Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.