Urteil des FG Hamburg vom 13.12.2012

FG Hamburg: freizone, freihafen, entstehung, überführung, hamburger, beförderung, steuerbefreiung, rechtsgrundlage, kontrolle, lieferung

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Verbrauchsteuerrecht: Verbrauchsteuerentstehung bei Entnahme einer Ware aus dem
Steuerlager innerhalb der Freizone gemäß Art. 166 Zollkodex
Werden verbrauchsteuerpflichtige Waren aus einem in der Freizone des Hamburger Hafens (Art. 166, 167
Zollkodex) befindlichen Steuerlager entnommen, ohne dass sich ein Verfahren der Steueraussetzung
angeschlossen hätte, gelten sie mit der Folge der Entstehung der Verbrauchsteuern als in den freien
Verkehr überführt. Daran ändern auch die Ausstellung eines Lieferzettels gemäß § 27 ZollV oder die sich
aus dem Status als Freizone des Kontrolltyps I ergebenden Besonderheiten nichts.
Rev., Az.: VII R 7/13
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 13.12.2012, 4 K 8/12
§ 15 Abs 1 TabStG, § 15 Abs 2 Nr 1 TabStG, § 14 Abs 1 BierStG, § 14 Abs 2 Nr 1 BierStG, § 143 Abs 1
BranntwMonG, § 143 Abs 2 Nr 1 BranntwMonG, § 1 Abs 1 TabStG, § 1 Abs 1 BierStG, § 130 Abs 1 BranntwMonG,
§ 4 Nr 4 TabStG, § 3 Nr 3 BierStG, § 132 Nr 3 BranntwMonG, § 4 Nr 2 TabStG, § 3 Nr 2 BierStG, § 132 Nr 2
BranntwMonG, § 10 Abs 1 TabStG, § 9 Abs 1 BierStG, § 138 Abs 1 BranntwMonG, § 19 Abs 2 TabStG, § 16 Abs 2
BierStG, § 145 Abs 2 BranntwMonG, Art 166 ZK, Art 7 EGRL 118/2008, Art 21 EGRL 118/2008, § 27 ZollV
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Verbrauchsteuerbescheid.
Die Klägerin hat ihren Firmensitz im Freihafen Hamburg und betreibt dort ein Steuerlager. Sie handelt mit
Schiffsbedarf. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 15.02.2011 bis 25.05.2011 beförderte sie unversteuert
Schiffsbedarf - u. a. tabak-, bier- und branntweinsteuerpflichtige Waren - mit Lieferzetteln nach § 27 ZollV an
bezugsberechtigte Schiffe, ohne dass ein (elektronisches) begleitendes Verwaltungsdokument ausgestellt
worden wäre.
Mit Steuerbescheid vom 30.09.2011 forderte der Beklagte von der Klägerin Tabaksteuer, Biersteuer und
Branntweinsteuer in Höhe von insgesamt 11.035 €. Die Steuern seien entstanden, weil
verbrauchsteuerpflichtige Waren durch Entnahme aus dem Steuerlager der Klägerin in den steuerrechtlich
freien Verkehr überführt worden seien, ohne dass sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung
angeschlossen habe.
Am 10.10.2011 legte die Klägerin gegen den Steuerbescheid Einspruch ein. Sie meint, die Ware sei nach der
Entnahme aus dem Steuerlager nicht in den freien Verkehr überführt worden, sondern habe sich bis zur Abgabe
an den jeweils Bezugsberechtigten im Sinne des § 27 ZollV im Hamburger Freihafen, einer Freizone des
Kontrolltyps I, also steuerrechtlich im Drittland (Art. 166 Zollkodex, § 1 Abs. 2 UStG) befunden.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2011 zurück. Zur Begründung trug er
vor, der Freihafen Hamburg gehöre zum Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland. Auf den
Freizonenstatus komme es nicht an. Auch umsatzsteuerrechtliche und zollrechtliche Regelungen fänden im
Streitfall keine Anwendung. Die Klägerin habe aus ihrem Steuerlager Waren entnommen und ohne Ausstellung
weiterer Zollpapiere an bezugsberechtigte Seeschiffe geliefert. Die von ihr ausgestellten Lieferzettel für
Schiffsbedarf nach § 27 ZollV stellten keine Zollpapiere dar und rechtfertigten keine Steueraussetzung.
Verbrauchsteuern entstünden immer dann, wenn die Waren in den freien Verkehr überführt würden, es sei
denn, es schließe sich eine Steuerbefreiung an. Die Steuer entstehe, sofern sich kein Verfahren der
Steueraussetzung anschließe, bei der Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus einem Steuerlager. Die
subjektive Vorstellung des Handelnden sei unerheblich.
Mit ihrer am 11.01.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur
Begründung führt sie aus, die Auffassung des Beklagten ignoriere den Sonderstatus des Freihafens als
Freizone des Kontrolltyps I gem. Art. 166 ff. Zollkodex. Der Umstand, dass der Freihafen zum
Verbrauchsteuergebiet gehöre, sage nichts darüber, ob sich die Waren im freien oder in einem steuerlich
gebundenen Verkehr befänden. Wie sich auch aus Art. 546 ZK-DVO ergebe, befänden sich nur Waren im freien
Verkehr, die in den freien Wirtschaftskreislauf des Verbrauchsteuergebiets eingegangen seien. Im Streitfall
hätten sich die Waren aber nicht im freien Wirtschaftskreislauf befunden, sondern hätten den sich aus dem
Status des Freihafens als Freizone des Kontrolltyps I ergebenden Beschränkungen unterlegen.
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Jahrzehntelang hätten Schiffsausrüster Schiffsbedarf mittels Lieferzettel steuerfrei liefern können. Dies hätte
man beibehalten können, stattdessen habe man lediglich ein elektronisches Verwaltungsdokument zugelassen.
Die heutige Regelung in § 27 ZollV schreibe ein Übermaß an steuerrechtlicher Kontrolle vor und sei
unverhältnismäßig. Bis zum 01.04.2010 habe nach der alten Fassung von § 27 ZollV nicht das
unionsrechtliche Steueraussetzungsverfahren, sondern das deutsche Institut der bedingten Steuer gem. § 50
AO gegolten. Dem könne entnommen werden, dass das System "Lieferzettel" als Überwachungsinstrument für
Freizonen des Kontrolltyps I geeignet und die zusätzliche Anwendung verbrauchsteuerlicher IT-
Überwachungsverfahren unangemessen und nicht erforderlich sei.
Im Streitfall seien die Verbrauchsteuern nicht entstanden, weil sich an die Entnahme aus dem Steuerlager eine
Steuerbefreiung angeschlossen habe. Eine solche (verwendungsorientierte) Steuerbefreiung enthalte § 27
ZollV, da die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangten. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 EnergieStG
enthielten die im BierStG, TabStG und im BranntwMonG enthaltenen Steuervergünstigungen keine
abschließende Aufzählung. Auch ein möglicher Verstoß gegen Formerfordernisse dürfe nicht zum Verlust der
Steuerfreiheit führen, wenn - wie hier - die materiellen Steuerbefreiungsvoraussetzungen erfüllt seien.
Art. 7 RL 2008/118/EG bestimme in Abs. 1, dass die Verbrauchsteuern bei der Überführung in den freien
Verkehr entstünden, definiere aber nicht, was unter freiem Verkehr zu verstehen sei, sondern stelle in Abs. 2
Regeltatbestände auf. Die Auslegung von Abs. 1 ergebe indes, dass die Überführung in den freien Verkehr mit
Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union erfolge. Ein derartiger Eingang in den Wirtschaftskreislauf finde
in einer Freizone des Kontrolltyps I nicht statt. Die Waren befänden sich dort unter zollamtlicher Überwachung
und könnten sich nur in dem räumlich umzäunten Bereich des Freihafens bewegen. Dies entspreche nicht der
Vorstellung eines freien Verkehrs. Auch die Regeltatbestände des Art. 7 Abs. 2 lit. a) RL 2008/118/EG führten
nicht zu einer Entstehung der Verbrauchsteuer, wenn es mangels freier Verwendbarkeit im Steuergebiet an
einem tragenden Grund für die Besteuerung des Verbrauchs fehle. Die Regeltatbestände des Abs. 2 seien also
stets im Lichte des Grundtatbestandes nach Abs. 1 auszulegen. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei
ein Eingang in den Wirtschaftskreislauf eines Mitgliedstaates erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
den Steuerbescheid vom 30.09.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2011
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründungen der im Streitfall ergangenen Bescheide und trägt ergänzend vor, Waren
in der Freizone des Kontrolltyps I stünden zwar unter zollamtlicher Kontrolle, dies spiele jedoch für die Frage,
ob sie sich im verbrauchsteuerrechtlich freien Verkehr befänden, keine Rolle. § 27 ZollV sei keine
Steuerbefreiungsvorschrift. Der Lieferzettel entfalte nach § 27 Abs. 12 ZollV auch erst nach der Lieferung der
Waren Rechtswirkungen, decke die Beförderung vom Steuerlager bis zum Seeschiff also nicht ab. Entgegen
der Auffassung der Klägerin seien die in den entsprechenden Verbrauchsteuergesetzen geregelten
Entstehungs- und Befreiungstatbestände abschließend. Im Streitfall seien die Waren nicht wirksam in ein
Steueraussetzungsverfahren überführt worden. § 27 ZollV verstoße auch nicht gegen das Übermaßverbot.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
I.
Der Verbrauchsteuerbescheid vom 30.09.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2011 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Rechtsgrundlage für die Entstehung der Tabaksteuer ist § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabStG, Rechtsgrundlage
für die Entstehung der Biersteuer ist § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BierStG und Rechtsgrundlage für die Entstehung
der Branntweinsteuer ist § 143 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG. Nach Abs. 1 der genannten Bestimmungen
entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine
Steuerbefreiung an. Abs. 2 der genannten Bestimmungen regelt, wie die Waren in den steuerrechtlich freien
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Verkehr überführt werden. Dies erfolgt nach Abs. 2 Nr. 1 der genannten Bestimmungen durch die Entnahme
aus dem Steuerlager, es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung an. Im
Streitfall wurden die verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus dem Steuerlager der Klägerin entnommen und zu
einem bezugsberechtigten Schiff befördert, ohne dass sich nach der Entnahme ein Verfahren der
Steueraussetzung angeschlossen hätte. Durch die Entnahme aus dem Steuerlager wurden die Waren
demzufolge mit der Folge der Entstehung der Verbrauchsteuer in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt.
Dieses Verständnis entspricht auch Art. 7 RL 2008/118/EG, der, wie sich aus Art. 5 RL 2008/118/EG ergibt,
auch im Hamburger Freihafen und dessen Freizone gilt. Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2008/118/EG entsteht der
Verbrauchsteueranspruch zum Zeitpunkt der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, wobei Art. 7
Abs. 2 lit. a) RL 2008/118/EG die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr für den Fall fingiert, dass
die verbrauchsteuerpflichtige Ware aus einem Verfahren der Steueraussetzung entnommen wird. Das
Steuerlagerverfahren ist ein Verfahren der Steueraussetzung im Sinne von Art. 4 Nr. 4 RL 2008/118/EG. Bei
der Regelung des Art. 7 Abs. 2 lit. a) RL 2008/118/EG handelt es sich - anders als die Klägerin meint -
angesichts des eindeutigen Wortlauts ("gilt") nicht um ein Regelbeispiel (Vermutung), sondern um eine
gesetzliche Fiktion.
Die Überlegung der Klägerin, die Waren hätten sich nicht im steuerrechtlich freien Verkehr befunden, weil sie
nicht in den freien Wirtschaftskreislauf des Verbrauchsteuergebiets eingegangen seien, sondern den sich aus
dem Status des Freihafens als Freizone des Kontrolltyps I ergebenden Beschränkungen unterlegen hätten,
überzeugt nicht. Sie findet weder in der RL 2008/118/EG noch in den hier anzuwendenden nationalen
Verbrauchsteuergesetzen eine Stütze. Der Freihafen Hamburg gehört als Teil der Bundesrepublik Deutschland
zum Verbrauchsteuergebiet (§ 1 Abs. 1 TabStG, § 1 Abs. 1 BierStG, § 130 Abs. 1 BranntwMonG). Vom
Verbrauchsteuergebiet ausgenommen sind lediglich das Gebiet von Büsingen und die Insel Helgoland, nicht
jedoch die Freizone des Hamburger Hafens. Dies hat zwingend zur Folge, dass sich die Waren in der Freizone
- unbeschadet der sich aus den Art. 166 ff. Zollkodex für Freizone des Kontrolltyps I ergebenden
Beschränkungen - im steuerrechtlich freien Verkehr befinden, sofern kein Steueraussetzungsverfahren eröffnet
worden ist. Anders ausgedrückt: Die Waren können sich (nur) entweder in einem Steueraussetzungsverfahren,
oder im steuerrechtlich freien Verkehr befinden - ist kein Steueraussetzungsverfahren eröffnet, befinden sich
die Waren im steuerrechtlich freien Verkehr. Den Status eines - wie auch immer begründeten - steuerlich
gebundenen Verkehrs im Verbrauchsteuergebiet außerhalb der in den hier einschlägigen
Verbrauchsteuergesetzen geregelten Verfahren, zu denen insbesondere das Steuerlagerverfahren gehört, kennt
die Rechtsordnung nicht. Ausdrücklich heißt es in § 4 Nr. 4 TabStG, § 3 Nr. 3 BierStG, § 132 Nr. 3
BranntwMonG, dass unter steuerrechtlich freiem Verkehr "weder ein Verfahren der Steueraussetzung noch ein
zollrechtliches Nichterhebungsverfahren" zu verstehen ist. Zollrechtliche Nichterhebungsverfahren sind gemäß
§ 19 Abs. 2 TabStG, § 16 Abs. 2 BierStG und § 145 Abs. 2 BranntwMonG bei Eingang von
verbrauchsteuerpflichtigen Waren im zollrechtlichen Status als Nichtgemeinschaftswaren aus Drittländern oder
Drittgebieten u. a. die Verfahren in Freizonen nach Titel IV Kapitel 3 Abschnitt 1 des Zollkodex bzw. alle in Art.
84 Abs. 1 lit. a) Zollkodex genannten Verfahren. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich im Streitfall
um den Eingang von Tabakwaren, Bier oder Branntwein im zollrechtlichen Status als Nichtgemeinschaftswaren
aus Drittländern handeln würde, wären diese Waren jedenfalls keinem der in den Artikeln 171-176 Zollkodex
(Verfahren in Freizonen oder Freilagern) bzw. in Art. 84 Abs. 1 lit. a) Zollkodex genannten Verfahren unterzogen
worden. Schließlich wird weder in der RL 2008/118/EG noch in den nationalen Verbrauchsteuergesetzen für die
Annahme eines steuerrechtlich freien Verkehrs die Voraussetzung aufgestellt, dass die Zirkulation der
betreffende Waren im gesamten Steuergebiet unbeschränkt möglich sein muss und der Warenverkehr keinen
außerhalb der verbrauchsteuerrechtlichen Bestimmungen liegenden - z. B. zollrechtlichen - Beschränkungen
unterworfen sein darf.
Im Streitfall hat sich kein Steueraussetzungsverfahren angeschlossen. Insbesondere lässt sich dies nicht mit
den Regelungen des § 27 ZollV in der im Streitfall geltenden Fassung begründen. Durch die Verwendung eines
Lieferzettels gemäß § 27 ZollV für die Beförderung wird kein Verfahren der Steueraussetzung i. S. v. § 4 Nr. 2
TabStG, § 3 Nr. 2 BierStG bzw. § 132 Nr. 2 BranntwMonG eröffnet bzw. fingiert. Als unter Steueraussetzung
durchgeführt gelten Beförderungen nach § 10 Abs. 1 TabStG, § 9 Abs. 1 BierStG bzw. § 138 Abs. 1
BranntwMonG nur dann, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument nach Art. 21 RL
2008/118/EG erfolgen, wobei - wie der Beklagte im parallelen Verfahren 4 V 249/11 dargestellt hat - aufgrund
der Geltung von Übergangsvorschriften auch die Verwendung eines begleitenden Verwaltungsdokument
zulässig sein dürfte. Der Lieferzettel nach § 27 ZollV kann jedoch nicht als Dokument im Sinne von § 10 Abs.
1 TabStG, § 9 Abs. 1 BierStG bzw. § 138 Abs. 1 BranntwMonG angesehen werden. Aus § 27 Abs. 12 ZollV
ergibt sich, dass der Lieferzettel nicht zollbehördlich für die Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens
ausgestellt wird, sondern vom Lieferanten des Schiffsbedarfs. Der Lieferzettel ermöglicht zwar auch insoweit
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eine zollamtliche Überwachung, als eine Ausfertigung nach Abschluss der Belieferung dem Hauptzollamt
vorgelegt wird, er ist jedoch kein vor der Lieferung ausgestelltes Zollpapier, das die Ware "begleitet", wie dies §
10 TabStG, § 9 BierStG, § 138 BranntwMonG und Art. 21 RL 2008/118/EG vorsehen. Dass der Freihafen
umsatzsteuerrechtlich als Ausland angesehen wird (§ 1 Abs. 2 UStG) ist unerheblich, weil es sich dabei um
eine spezielle umsatzsteuerrechtliche Regelung handelt, die weder in das nationalen Verbrauchsteuerrecht
noch in die Richtlinie 2008/118/EG Eingang gefunden hat. Unerheblich ist schließlich, dass es sich beim
Freihafen um eine Freizone gem. Art. 166, 167 Zollkodex handelt. Dies führt zwar dazu, dass für die Freizone
gleichsam ein Drittlandsstatus fingiert wird (Witte, Zollkodex, Art. 166 Rn. 9), vorliegend geht es jedoch nicht
um die Erhebung von Drittlandszoll, sondern um die Erhebung von Verbrauchsteuern, für die der zollrechtliche
Status - ebenso wie der umsatzsteuerrechtliche Status - nicht erheblich ist.
Mithin erfolgte die Beförderung nicht unter Steueraussetzung, so dass die Waren mit der Entnahme aus dem
Steuerlager als in den freien Verkehr überführt anzusehen sind mit der Folge, dass die Verbrauchsteuer gemäß
§ 15 Abs. 1, Abs. 2 TabStG, § 14 Abs. 1, Abs. 2 BierStG bzw. § 143 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG
entstanden ist.
Da vorliegend die materiellen Steuerentstehungsvoraussetzungen erfüllt sind, greifen auch die Überlegungen
der Klägerin zur Verhältnismäßigkeit, die darauf hinauslaufen, dass sie lediglich gegen Formerfordernisse
verstoßen habe, und dass kein Schaden eingetreten sei, nicht. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte
auch zu Recht darauf hingewiesen, dass Art. 30 RL 2008/118/EG lediglich die Möglichkeit, nicht jedoch die
Verpflichtung enthält, vereinfachte Verfahren unter Verzicht auf eine elektronische Kontrolle der Beförderung
(Art. 21 RL 2008/118/EG) festzulegen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.