Urteil des FG Hamburg vom 11.07.2014

FG Hamburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, faires verfahren, einzelrichter, fristbeginn, kontradiktorisches verfahren, vergütung, bach, verschulden, akte, rechtskraft

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Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG): Wiedereinsetzung in die
Ausschlussfrist für den Sachverständigen-Vergütungsantrag
Dem Sachverständigen wird Wiedereinsetzung in die Vergütungsantrags-Ausschlussfrist mangels Verschulden gewährt,
wenn er über den im konkreten Fall (u. a. bei mehrfacher Heranziehung) maßgeblichen Fristbeginn unzureichend belehrt
worden ist.
FG Hamburg 3. Senat, Beschluss vom 11.07.2014, 3 K 207/11
§ 2 JVEG
Verfahrensgang
Tatbestand
A. I. 1.Der Antrag des Sachverständigen auf Festsetzung seiner Vergütung im
Einheitswert-Klageverfahren betrifft den ihm im Telefonkonferenz-Erörterungstermin vom
7. Juni 2012 erteilten Auftrag zur mündlichen Begutachtung.
a) Es handelte sich um einen für die parallelen Klagen 3 K 205/11 (V-Straße) und 3 K
206/11(W-Straße) und 3 K 207/11 (X-Straße) verbundenen Termin und einen Auftrag zur
mündlichen Begutachtung von insgesamt ... Wohn- und Geschäftshaus-Grundstücken,
von denen ... Gegenstand einer der drei Klagen war.
b) Anders als bei einem Objekt wurde nicht sogleich ein Ortstermin anberaumt. Sondern
wegen der Mehrzahl der Objekte und der voraussichtlich auch streitigen Rechtsfragen
wurde zunächst ein gemeinsamer Termin zur Verhandlung und mündlichen Begutachtung
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im Gericht auf den 23. August 2012 bestimmt, und zwar mit vorbehaltenen Ortsterminen
für den Fall streitig bleibender Fragen (FG-A 3 K 205/11 Bl. 52; FG-A 3 K 206/11 Bd. I Bl.
46, FG-A 3 K 207/11 Bl. 48).
Zugrunde lagen dieser Verfahrensweise u. a. die Erfahrungen des Gerichts und des
Sachverständigen aus den vorangegangenen - z. T. wiederholt eingetragenen und z. T.
objektidentischen - Klageverfahren der geschäftlich verbundenen Kläger und Vermieter
(jeweils FG-A Vorblatt), nämlich gemäß den beigezogenen Akten
- des 3. Senats
3 K 657, 658, 659, 660, 661, 662, 663, 664, 665, 666, 667, 668, 669, 670, 671, 672, 673,
674, 675/99,
3 K 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99/01,
3 K 29/02,
3 K 4, 5, 6, 7, 101, 102, 113, 132/05,
3 K 52, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186,
187, 188/06,
3 K 206/07,
3 K 46/10 und
- des 2. Senats
2 K 28/05.
c) Das gemeinsame Protokoll in allen drei Sachen über den Telefonkonferenz-
Erörterungstermin vom 7. Juni 2012 mit der gemeinsamen Auftragserteilung wurde dem
Sachverständigen unter dem 13. Juni 2012 übersandt (FG-A 3 K 205/11 Bl. 52, 54, FG-A
3 K 206/11 Bd. I Bl. 46, FG-A 3 K 207/11 Bl. 48).
d) Mit einem Anschreiben vom 4. Juli 2007 erhielt der Sachverständige zu allen drei
Verfahren zur Begutachtung gemäß Protokoll vom 7. Juni 2012 die Akten (FG-A 3
K 205/11 Bl. 59a, FG-A 3 K 206/11 Bd. I Bl. 49c, FG-A 3 K 207/11 Bl. 51c).
e) Im Gericht existieren - den Senatsmitgliedern erst im jetzigen
Vergütungsfestsetzungsverfahren bekannt gewordene - formularmäßige Hinweise für
Sachverständige; diese Hinweise werden bei schriftlicher Ladung von Sachverständigen
mittels digital gespeichertem Formular automatisch als Anlage zu letzterem ausgedruckt
und nicht zur Akte genommen. Es handelt sich um 58 zeilige Textbaustein-Hinweise in
Schriftgröße 9, davon 20 Zeilen fett. Darin heißt es ungefähr in der Mitte (vgl.
nachträgliche Ausdrucke vom 10. Januar 2014, FG-A 3 K 205/11 Bl. 211 f., FG-A 3 K
206/11 Bd. II Bl. 258 f., FG-A 3 K 207/11 Bl. 121 f.):
"Der Antrag auf Vergütung muss innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Beendigung
der Vernehmung als Sachverständiger bzw. nach Eingang des schriftlichen Gutachtens
bei Gericht gestellt werden, da der Anspruch sonst verjährt ist."
f) Anlässlich der vorliegenden Auftragserteilung im Telefonkonferenz-Erörterungstermin
vom 7. Juni 2012 wurden diese Hinweise nicht übersandt, insbesondere weder bei der
Absendung des Protokolls (oben b) noch bei der Übersendung der Akten (oben c).
Dies zeigt die Durchsicht aller im elektronischen Laufwerk ... ("... FG") beim 3. Senat als
Bewertungssenat des Gerichts am 5. Juni 2014 noch gespeicherten und mittels
Volltextsuche nach dem Namen des Sachverständigen gefundenen ... Dateien seit 20...
Bei diesen handelt es sich in erster Linie um Auftragserteilungs- und
Begutachtungsprotokolle und deren Übersendung.
g) Danach wurde der Sachverständige auf die Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß
§ 2 JVEG in der Vergangenheit bei keiner Auftragsbeendigung hingewiesen und
grundsätzlich bei keiner Auftragserteilung. Sondern nur bei vereinzelten formularmäßigen
Ladungen bzw. Umladungen sind die Textbaustein-Hinweise gespeichert, nämlich in der
Anlage zu den Ladungen vom 27. Juli (gespeichert 3. August) 2009 auf den 7. Oktober
2009 3 K 218/08, vom 2. (gespeichert 3.) Dezember 2009 auf den 16. Dezember 2009 3 K
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120/09, vom 4. (gespeichert 8.) Dezember 2009 auf den 22. Februar 2010 3 K 159/09 (vgl.
Urteil, EFG 2010, 1294, DStRE 2010, 1453, Juris Rz. 30 f., 50, 53, 54, 58 f., 62, 65) und
vom 27. (gespeichert 28.) August 2012 auf den 9. Oktober 2012 3 K 110/12. Mangels
Dokumentation in den Akten lässt sich dort nicht feststellen, ob die Hinweise tatsächlich -
z. B. auch bei Umladungen - jeweils mit abgesandt wurden.
2. Der Verhandlungs- und Beweisaufnahme-Termin am 23. August 2012 in allen drei
Parallelklagen endete
- nach Unterbrechung und telefonischer Rücksprache des neuen Kläger-
Prozessbevollmächtigten mit seiner Mandantschaft und
- ohne Verzicht auf Fortsetzung der mündlichen Begutachtung in Verbindung mit
richterlicher Augenscheinseinnahme,
mit der Ladung der Beteiligten und des Sachverständigen zur Fortsetzung der mündlichen
Begutachtungen in jeweils einem Ortstermin am 5. Dezember 2012 für die im selben
Bezirk liegenden Objekte, und zwar beginnend mit dem Klageverfahren 3 K 205/11 (V-
Straße) in dessen Bewertungsobjekt (FG-A 3 K 205/11 Bl. 60 ff., FG-A 3 K 206/11 Bl. 50
ff., FG-A 3 K 207/11 Bl. 53 ff.).
3. Nach am 30. November 2012 eingegangenen Terminsaufhebungsanträgen der
Klägerseite und während wiederholter Auswechselungen der Kläger-
Prozessbevollmächtigten (FG-A 3 K 205/11Bl. 90 ff., 113, 132, FG-A 3 K 206/11 Bl. 72 ff.,
78, 92, FG-A 3 K 207/11 Bl. 75 ff., 86, 96 ff.) wurden am 3. Dezember 2012 die Termine
verlegt; und zwar im Klageverfahren 3 K 205/11 V-Straße auf den 23. April 2013 sowie in
den Klageverfahren 3 K 206/11 W-Straße auf den 30. April 2013 und 3 K 207/11 X-Straße
auf den 30. Mai 2013; nunmehr jeweils im Finanzgericht beginnend mit vorbehaltener
Fortsetzung als Ortstermin im jeweiligen Bewertungsobjekt (FG-A 3 K 205/11 Bl. 109 ff.,
FG-A 3 K 206/11 Bl. 79 ff., FG-A 3 K 207/11 Bl. 82 ff.).
Der Termin 23. April 2012 3 K 205/11 (V-Straße) wurde nochmals verlegt vom 23. April
2013, 14.00 Uhr im Gericht auf 8.30 Uhr als Ortstermin (FG-A 3 K 205/11 Bl. 122 ff., 157
ff.).
4. Im Ortstermin 23. April 2013 in der Klagesache 3 K 205/11 (V-Straße) mit wiederum
neuer Vertretung der Klägerin wurde nach mündlicher Begutachtung durch den
Sachverständigen in Verbindung mit richterlicher Augenscheinseinnahme unter
Widerrufsvorbehalt eine tatsächliche Verständigung getroffen und nach entsprechender
Abhilfezusage der Rechtsstreit für erledigt erklärt (FG-A 3 K 205/11 Bl. 177-203). Das vom
Tondiktat in Schriftform übertragene Protokoll wurde am 25. April 2013 an den
Sachverständigen zur Durchsicht abgesandt und bedurfte danach keiner Korrektur (FG-A
3 K 205/11 Bl. 203).
5. Nach Ablauf der Widerrufsfrist wurde dem Sachverständigen wie den Beteiligten
verfügungsgemäß mit Schreiben vom 2. Mai 2013 mitgeteilt, dass die Einigung in der
Sache 3 K 205/11 nicht widerrufen und damit wirksam geworden ist (FG-A 3 K 205/11Bl.
203 R).
6. Nach Wiedervorlageverfügung des Einzelrichters ebenfalls vom 2. Mai 2013 (FG-A 3 K
205/11 Bl. 203 R)
"1 Mon. (Abrechnung Sachverst.?)"
und nach Rücksendung der beigezogenen Steuer-, Grund- und Bauakten sowie nach
Gerichtskosten-Abrechnung am 11. Juni 2013 durch die Geschäftsstelle wurde die
Klageakte ohne nochmalige Vorlage oder Rückfrage beim Einzelrichter weggelegt (3 K
205/11 Bl. 206 R).
Weder wurde beim Sachverständigen wegen seiner Rechnung nachgefragt, noch wurde
er auf die dreimonatige Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß § 2 JVEG hingewiesen
(vgl. oben 1 e-f).
7. Die Klage 3 K 207/11 (X-Straße) wurde vor der am 7. Mai 2013 im Ortstermin 14.00 Uhr
vorgesehenen Fortsetzung der mündlichen Begutachtung in Verbindung mit richterlicher
Augenscheinseinnahme für erledigt erklärt, und zwar in einem am selben Tag vorher
durchgeführten Telefonkonferenz-Erörterungstermin (FG-A 3 K 207/11 Bl. 114-115). Der
Sachverständige wurde telefonisch abgeladen.
8. Unter dem Protokoll in der Akte 3 K 207/11 (X-Straße) verfügte der Einzelrichter am 7.
Mai 2013 (FG-A 3 K 207/11 Bl. 115):
"Prot. abs., austr., abrechnen".
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Am 8. Mai 2013 wurde dementsprechend dieses Protokoll an die Beteiligten und an den
Sachverständigen abgesandt; zugleich wurden die beigezogenen Akten zurückgeschickt
(FG-A 3 K 207/11 Bl. 115 ff.).
Nach Gerichtskosten-Abrechnung vom 10. Mai 2013 wurde die Akte am selben Tag
weggelegt (FG-A 3 K 207/11 Vorblätter, Bl. 116 R).
Wiederum wurde - ohne Rückfrage oder Vorlage beim Einzelrichter - weder beim
Sachverständigen wegen seiner Rechnung nachgefragt, noch wurde er auf die
Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß § 2 JVEG hingewiesen (vgl. oben 1 e-f)
9. Im Klageverfahren 3 K 206/11 (W-Straße) wurde im Ortstermin 3. Juni 2013 die
mündliche Begutachtung durch den Sachverständigen in Verbindung mit richterlicher
Augenscheinseinnahme fortgesetzt.
Eine dort protokollierte tatsächliche Verständigung mit Abhilfezusage und beiderseitiger
Erledigungserklärung wurde fristgerecht am 13. Juni 2013 widerrufen (FG-A 3 K 206/11
Bl. 167 ff., 183, 190 f.).
10. Zum neuen Verhandlungstermin 30. August 2013 in dem Klageverfahren 3 K 206/11
(W-Straße) wurde der Sachverständige geladen, und zwar diesmal mit formularmäßiger
Ladung (FG-A 3 K 206/11 Bl. 197, 205), als deren Anlage die vorerwähnten Hinweise
gespeichert sind (oben 1 e-g).
In Anbetracht seiner Urlaubsabwesenheit wurde der Sachverständige von der Teilnahme
jedoch telefonisch entbunden und verzichteten die Beteiligten im Termin auf weitere
Beweisaufnahme (FG-A 3 K 206/11 Bl. 220 ff.)
Das Protokoll vom 30. August 2013 einschließlich des Beschlusses, dass eine
Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt werden soll, wurde am 2. September 2013
an den Sachverständigen wie an die Beteiligten abgesandt (FG-A 3 K 206/11 Bl. 222).
11. Als Entscheidung in der Klagesache 3 K 206/11 (W-Straße) erging unter
Berücksichtigung der vorherigen Beweisergebnisse ein Urteil, dessen Tenor noch am
Sitzungstag 30. August 2013 der Geschäftsstelle übergeben wurde (FG-A 3 K 206/11 Bl.
223). Nach dem Urteil fallen die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 4/5 und dem
beklagten Finanzamt zu 1/5 zur Last. Das vollständig abgefasste Urteil wurde an den
Sachverständigen am 18. September 2013 abgesandt, den Beteiligten an Verkündungs
Statt am 23. und 24. September 2013 zugestellt (FG-A 3 K 206/11 Bl. 223 ff., 251 ff.) und
nach Rechtskraft auszugsweise veröffentlicht (vgl. EFG 2014, 113, Juris Rz. 11, 16, 19,
22, 26, 34, 53, 54, 58, 67, 70, 74, 81, 83).
12. Am 15. November 2013 verfügte der Einzelrichter (FG-A 3 K 206/11 Bd. II Bl. 254R):
"Abrechnen einschl. Sachverst.".
Am 25. November 2013 wurde über die Gerichtskosten ohne die Sachverständigen-
Kosten gegenüber dem zu 4/5 kostenpflichtigen Kläger abgerechnet und die Akte
weggelegt (FG A 3 K 206/11 Bd. I Vorblatt III, Bd. II Bl. 255 R).
Wiederum wurde - ohne Rückfrage oder Vorlage beim Einzelrichter - weder beim
Sachverständigen wegen seiner Rechnung nachgefragt, noch wurde er anlässlich der
Auftragsbeendigung auf die Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß § 2 JVEG
hingewiesen (ebenso wenig wie der Kläger auf die ihm gegenüber zu 4/5 noch
abzurechnenden Sachverständigen-Kosten.
13. In zeitlicher Überschneidung mit dem vorbeschriebenen Klageverfahren 3 K 206/11
wurde der Sachverständige wiederum im Wege eines Telefonkonferenz-
Erörterungstermins am 4. Juni 2013 im Klageverfahren 3 K 36/13 (Y-Straße, Z-Straße u.
a.) mit mündlichen Grundbesitzwert-Begutachtungen mehrerer Immobilien beauftragt.
Jenes Verfahren wurde nach mündlichen Begutachtungen im Ortstermin vom 27. August
2013 und im Fortsetzungstermin 6. November 2013 zugleich in letzterem Termin erledigt.
Zuletzt wurde dessen Protokoll an den Sachverständigen am 7. November 2013
abgesandt. Ein Hinweis auf die Vergütungsantrags-Ausschlussfrist wurde dem
Sachverständigen nicht übersandt (oben 1 e-f, 10).
14. Nach Erledigung der Klage 3 K 205/11 (oben 5) und spätestens bis Erledigung der
letztgenannten Klage 3 K 36/13 hat der Sachverständige den Einzelrichter am Rande
eines Termins, sei es frühestens am 3. Juni oder spätestens am 6. November oder
beispielsweise am 27. August, darauf angesprochen, dass er - der Sachverständige -
noch verschiedene Vergütungs-Rechnungen zu schreiben habe.
Der Einzelrichter hat den Sachverständigen in dieser Absicht bestärkt, ohne ihn auf die
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ihm - dem Einzelrichter und Vorsitzenden des Bewertungs- und Kostensenats - selbst
nicht geläufige Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß § 2 JVEG hinzuweisen (vgl.
Fax-Schreiben des Vorsitzenden vom 10.01.2014, FG-A 3 K 205/11 Bl. 211).
II. 1. Am 8. Januar 2014 gingen die Vergütungsanträge des Sachverständigen für die am
7. Juni 2012 in den drei Parallelverfahren 3 K 205/11 (V-Straße), 3 K 206/11 (W-Straße)
und 3 K 207/11 (X-Straße) in Auftrag gegebenen mündlichen Gutachten ein (FG-A 3 K
205/11 Bl. 207 f., FG-A 3 K 206/11 Bd. II Bl. 256 f., FG-A 3 K 207/11 Bl. 117).
2. Nach mündlicher Information der Kostenbeamtin an den Einzelrichter und Vorsitzenden
am 10. Januar 2014 über den Eingang von Vergütungsanträgen des Sachverständigen
und über die zu prüfende Versäumung der dreimonatigen Vergütungsantrags-
Ausschlussfrist nach § 2 JVEG wies der Einzelrichter und Vorsitzende den
Sachverständigen mit Anruf und Faxschreiben vom selben Tage auf diese Frist und auf
die Wiedereinsetzungs-Antragsfrist hin (FG-A 3 K 205/11 Bl. 209, FG-A 3 K 206/11 Bd. II
Bl. 258, FG-A 3 K 207/11 Bl. 119).
3. Mit Schreiben vom 13. (eingeg. 14.) Januar 2014 beantragte der Sachverständige in
allen drei Parallelsachen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Rechtsänderung
gemäß § 2 JVEG sei ihm erst durch den Anruf des Vorsitzenden vom 10. Januar 2014
bekannt geworden. Erst am 6. November 2011 (anlässlich der Verhandlung in der Sache
3 K 36/13) sei er - der Sachverständige - über die Rechtskraft des Urteils 3 K 206/11
informiert worden; erst seitdem habe er davon ausgehen können, dass weitere Aktivitäten
seinerseits in den gemeinschaftlich in Auftrag gegebenen Gutachtensachen nicht mehr
erforderlich seien (FG-A 3 K 205/11 Bl. 213; FG-A 3 K 206/11 Bd. II Bl. 262, FG-A 3 K
207/11 Bl. 123).
4. Die Urkunds- und Kostenbeamtin antwortete mit Hinweisschreiben vom 17. bzw. 20.
Januar 2014, dass die Dreimonatsfrist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 JVEG mit Abschluss der
mündlichen Begutachtung am jeweiligen Terminstag begonnen habe und dass nach
Hinweis auf die Ausschlussfrist im Auftragsschreiben keine Wiedereinsetzung zu
gewähren sei (FG-A 3 K 205/11 Bl. 215; FG-A 3 K 206/11 Bd. II Bl. 264, FG-A 3 K 207/11
Bl. 125).
5. Der Sachverständige hält mit Schreiben vom 27. (eingeg. 29.) Januar 2014 seine
Anträge aufrecht. Mit Auftragsschreiben vom 4. Juli 2012 (vgl. oben 1 d) habe er keinen
Hinweis auf die seit 1. Juli 2004 geänderten Kostenrechts-Vorschriften erhalten (FG-A 3 K
205/11 Bl. 217; FG-A 3 K 206/11 Bd. II Bl. 266, FG-A 3 K 207/11 Bl. 127).
B.
I. 1. Die Anträge des Sachverständigen auf Festsetzung seiner Vergütung durch
gerichtlichen Beschluss in den Klagesachen 3 K 205/11, 3 K 206/11 und 3 K 207/11 sind
jeweils statthaft, sei es zumindest nach § 4 Abs. 1 JVEG oder sei es zugleich nach § 133
FGO (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., JVEG § 4 Rz. 1; Schneider, JVEG, § 4 Rz. 8;
vgl. i. V. m. § 16 ZSEG i. d. F. bis 2004 FG Baden-Württemberg vom 26.09.1974 V 48/74,
EFG 1975, 35).
Abgesehen davon entscheidet über die Festsetzung der Vergütung das Gericht durch
Beschluss, soweit es nach § 4 Abs. 1 JVEG die Festsetzung durch gerichtlichen
Beschluss für angemessen hält, unabhängig davon, ob eine Entscheidung des
Urkundsbeamten vorliegt, was hier nicht der Fall ist (vgl. insoweit SG Detmold, Beschluss
vom 05.03.2014 S 2 SF 52/14 E, Juris).
2. Das Verfahren der gerichtlichen Vergütungs-Festsetzung nach § 4 JVEG stellt kein
Erinnerungs- oder kontradiktorisches Verfahren mit den bisherigen Beteiligten i. S. v. § 57
FGO dar (vgl. zu § 16 ZSEG Beschlüsse OLG Koblenz vom 14.01.1985 14 W 1/85,
Rpfleger 1985, 333; OLG Stuttgart vom 03.12.1982 4 Ws 377/82, WM 1983, 462;
Schneider, JVEG, § 4 Rz. 12).
a) Der Vertreter der Staatskasse ist beteiligt, soweit er gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG den
Antrag auf gerichtliche Festsetzung gestellt hat, anders als hier, oder soweit er gemäß § 4
Abs. 3 JVEG beschwerdeberechtigt ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 03.07.1984 1
Ws 464/84, MDR 1985, 257; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 4 Rz. 6 f.),
anders als hier gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 JVEG. Ansonsten gibt es im finanzgerichtlichen
Vergütungs-Festsetzungsverfahren neben dem Antragsteller keinen weiteren Beteiligten
(vgl. FG Köln, Beschluss vom 26.06.2002 15 S 5806/00, EFG 2002, 1327 zu § 16 ZSEG;
allg. a. A. Schneider, JVEG, § 4 Rz. 14).
b) Unabhängig davon, ob eine Entscheidung des Urkunds- und Kostenbeamten ergangen
ist, und ohne deren Anfechtung, Änderung oder Aufhebung und ohne Erinnerung
entscheidet das Gericht selbst im vollen Umfang über den Vergütungsanspruch und wird
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damit ggf. eine - hier nicht ergangene - Entscheidung des Urkunds- und Kostenbeamten
ohne weiteres hinfällig (vgl. zum ZSEG Beschlüsse FG Köln vom 26.06.2002 15 S
5806/00, EFG 2002, 1327 m. w. N.; FG Baden-Württemberg vom 26.09.1974 V 48/74,
EFG 1995, 38, 39; LSG Hamburg vom 10.12.1963 I SV 20/62, NJW 1964, 1243, 1245;
Beermann in Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen Rz.
10859/28). Bei einer - hier nicht getroffenen - Entscheidung des Urkunds- und
Kostenbeamten sowie bei dem internen Informationsaustausch zwischen dem
Spruchkörper des Gerichts einerseits sowie dem Urkunds- und Kostenbeamten
andererseits handelt es sich nur um ein Verwaltungsverfahren (BGH-Beschluss vom
05.11.1968 RiZ {R} 4/68, BGHZ 51, 148, Juris Rz. 2 7 f.; Schneider, JVEG, § 4 Rz. 32 f.).
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Vergütungs-Festsetzung ist auch begründet.
Die - abweichend von § 15 ZSEG - inzwischen durch das JVEG in dessen § 2 für den
Vergütungsantrag außerordentlich streng mit der Rechtsfolge des vollständigen
Anspruchsverlusts innerhalb von nur drei Monaten "kürzest" oder im Hinblick auf die
Fürsorgepflicht gegenüber den als Gehilfen des Gerichts herangezogenen
Sachverständigen "bedenklich" "rigide" geregelte Frist (vgl. Beschlüsse Hans. OLG
Bremen vom 21.03.2013 5 W 4/13, JurBüro 2013, 486; OLG Hamm vom 18.10.2005 21 U
12/05, BauR 2006, 415, OLGR Hamm 2006, 97) ist hier zwar abgelaufen (unten 1); sie
schließt jedoch den Vergütungsanspruch des Sachverständigen nicht aus, da ihm
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (unten 2), ohne dass es noch auf
einen früheren mündlichen Antrag auf Vergütung oder Fristverlängerung ankommt (unten
3). Die beantragte Vergütung ist auch der Höhe nach zuzusprechen (unten 4).
1. Abgelaufen ist die Vergütungsantragsfrist bei Rechnungseingang nach mehr als drei
Monaten seit Fristbeginn.
a) Der Beginn der Vergütungsantrags-Ausschlussfrist bestimmt sich bei mündlicher
Begutachtung grundsätzlich und vorrangig gemäß der Spezialregelung § 2 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 JVEG nach der Beendigung der mündlichen Begutachtung.
Im Fall mehrfacher Heranziehung in demselben Verfahren in demselben Rechtszug ist
die letzte Heranziehung maßgeblich, wie § 2 Abs. 1 Satz 3 in der ab August 2013
geltenden Fassung zur Vermeidung vorher beklagter Missverständnisse klarstellt (vgl. BT-
Drs. 517/12, 398 f.; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 2 Rz. 3 Seite 37 f.).
Soweit der in seinem Umfang gemäß § 82 FGO i. V. m. § 404a ZPO bestimmte Auftrag zur
mündlichen Begutachtung nicht durch eine solche im Termin beendet wird, ist die
Spezialregelung § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG nicht abschließend einschlägig, sondern
gilt die allgemeine Drei-Monats-Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG i. V. m. der
Klarstellung in § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG und beginnt diese Frist nach Beendigung des
Auftrags nach der letzten Heranziehung. Der Fristbeginn setzt stets voraus, dass die
Leistung des Sachverständigen abgeschlossen ist und dies dem Sachverständigen
deutlich ist oder durch das Gericht deutlich gemacht oder mitgeteilt worden ist
(Beschlüsse Hans. OLG Bremen vom 21.03.2013 5 W 4/13, JurBüro 2013, 486;
Brandenburgisches OLG vom 23.01.2007 10 WF 21/07, Juris).
Wegen der Einzelheiten des hier üblichen und vorliegenden Auftragsumfangs und des
sich nach dessen Erledigung bestimmenden Fristbeginns wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen auf den hiesigen Beschluss vom 5. Juni 2014 3 KO
35/14 betreffend die Vergütung des Sachverständigen im Klageverfahren 3 K 108/12.
b) Dementsprechend begann die Frist trotz der gleichzeitigen oder äußerlich einheitlichen
Auftragserteilung für jedes Verfahren desselben Rechtszugs gesondert; und zwar
- im Klageverfahren 3 K 205/11 (V-Straße) im Mai 2013 nach Eingang und pflichtgemäßer
Durchsicht des am 25. April abgesandten Protokolls vom 23. April 2013 sowie nach Erhalt
der Mitteilung vom 2. Mai 2013 über den Abschluss der Begutachtung und
Beweisaufnahme durch Wirksamwerden der tatsächlichen Verständigung und Klage-
Erledigung infolge Ablaufs der Widerrufsfrist (oben A I 4-6);
- im Klageverfahren 3 K 207/11 (X-Straße) im Mai 2013 frühestens nach telefonischer
Abladung und Mitteilung von der Erledigung am 7. Mai 2013 oder spätestens mit Eingang
des am 8. Mai 2013 abgesandten Erledigungs-Protokolls (oben A I 7-8);
- im Klageverfahren 3 K 206/11 (W-Straße) im September 2013 frühestens nach Eingang
des am 2. September 2013 abgesandten Protokolls vom 30. August 2013 mit dem
Verzicht der Beteiligten auf weitere Beweisaufnahme oder spätestens mit Eingang des
danach die Beweisaufnahme und Begutachtung abschließenden Urteils vom 30. August
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2013, das am 18. September 2013 an den Sachverständigen abgesandt wurde (oben A I
10-11);
mithin nicht insgesamt erst im Zeitpunkt der Mitteilung des Gerichts über die Rechtskraft
des Urteils 3 K 206/11 (W-Straße) an den Sachverständigen (vgl. oben A II 3).
c) Nach dem vorbezeichneten Fristbeginn (oben b) im Mai 2013 bzw. im September 2013
war für alle drei Begutachtungsaufträge jeweils zum Zeitpunkt des Rechnungseingangs
im Januar 2014 (oben A II 1) die dreimonatige Vergütungsantrags-Ausschlussfrist gemäß
§ 2 Abs. 1 JVEG bereits abgelaufen.
2. Dem Sachverständigen wird jedoch wegen der Fristversäumung gemäß § 2 Abs. 2
JVEG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, und zwar durch die Entscheidung
im Vergütungs-Festsetzungsverfahren (vgl. insoweit SG Detmold, Beschluss vom
05.03.2014 S 2 SF 52/14 E, Juris).
a) Der Sachverständige hat den Wiedereinsetzungsantrag nach Rechnungseinreichung
(oben A II 1) gemäß § 2 Abs. 2 JVEG jeweils fristgerecht binnen zwei Wochen nach
Kenntnis von der Fristversäumnis (oben A II 2) und binnen eines Jahres nach Ende der
versäumten Dreimonatsfrist (oben 1 b-c) gestellt und begründet. Er hat unter
Tatsachenangabe erklärt und glaubhaft gemacht, dass er von der durch § 2 JVEG
eingeführten kurzen Ausschlussfrist erst durch den Anruf des Vorsitzenden (oben A II 2)
Kenntnis erlangt habe (oben A II 3) bzw. nicht bereits bei Auftragserteilung, wie er
ergänzend nach Schreiben der Kostenbeamtin (oben A II 4) klargestellt hat (oben A II 5).
aa) Zumindest letzteres trifft zu (oben AI c ff).
bb) Die gespeicherten Hinweise bei Ladungen oder Umladungen in früheren Verfahren
(oben A I 1 e, g) und für den 30. August 2013 im Verfahren 3 K 206/11 (W-Straße, oben A I
10) ermöglichen keine die Glaubhaftigkeit der Erklärung des Sachverständigen
beeinträchtigenden Feststellungen. Die selbst den Senatsmitgliedern bislang
unbekannten Hinweise wurden nicht aktenmäßig dokumentiert und nicht systematisch mit
den - z. B. protokollierten - Auftragserteilungen verknüpft (oben A I 1 g).
cc) Insbesondere war die letztere Ladung für den Sachverständigen nach seiner
telefonischen Entbindung wegen seiner Urlaubsabwesenheit nicht mehr von Bedeutung
(oben A I 10), unabhängig davon, in welcher Form er nach Eingang der Ladung an seiner
Büroanschrift im Immobilienmaklerbüro von dieser Kenntnis erlangt hat.
dd) Im Übrigen dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung bei
verfassungskonformer Auslegung des § 2 Abs. 2 JVEG vor der weiteren Sachprüfung
nicht überspannt werden (Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.08.2013 L 15 SF 253/12,
NZS 2013, 960 m. w. N.).
b) Auch die für die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 JVEG materiell erforderliche
Voraussetzung, dass der Sachverständige an der Einhaltung der Frist ohne sein
Verschulden gehindert war, liegt vor.
aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Abs. 2 Satz 2 JVEG i. d. F. vom
23.07.2013 ist der Sachverständige über die dreimonatige Ausschlussfrist und ihren
Beginn zu belehren und wird bei unterbliebener oder fehlerhafter Belehrung das Fehlen
seines Verschuldens vermutet.
Diese Neuregelung ist mit Wirkung ab 1. August 2013 in Kraft getreten, das heißt hier z. T.
vor Auftragsbeendigung oder Fristbeginn (oben 1 b).
Die Neuregelung dient im Übrigen der Korrektur oder Klarstellung des Gesetzes (vgl. BT-
Drs. 517/12 Seite 3); sie richtet sich gegen die immer wieder beklagten Fristversäumnisse
infolge Unkenntnis über die Ausschlussfrist oder Missverständnis über den Fristbeginn
(BT-Drs. 517/12 Seite 398 f.).
bb) Mit der Verschuldensregelung entspricht die Neuregelung im Wesentlichen zugleich
der bisherigen Rechtsprechung. Danach hat das Gericht davon auszugehen, dass ein
Sachverständiger grundsätzlich nicht unentgeltlich tätig wird, und verstößt es gegen seine
Fürsorge- und Treuepflicht ihm gegenüber, wenn es ihn nach der Begutachtung nicht zur
Bezifferung seines Vergütungsanspruchs auffordert und ihn nicht spätestens dann auf die
Frist hinweist (Beschlüsse OLG Hamm vom 18.10.2005 21 U 12/05, OLGR Hamm 2006,
97; LSG Berlin vom 23.08.1982 L 16/11 Z-F 1/82, Breithaupt 1983, 940; vgl. bei
rechtskundig vertretenen Sachverständigen anders Thüringer LSG, Beschluss vom
26.08.2011 L 6 SF 84/11, Juris).
cc) Dieser Verstoß gegen die Fürsorge- und Treuepflicht wird erst recht evident, wenn das
Gericht bereits nach Aktenlage - wie hier in nicht ausgeführter Verfügung (oben A I 6 ff) -
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von der Entgeltlichkeit ausgegangen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.1989, Juris
m. w. N.).
dd) Bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung darf das Versagen organisatorischer
Vorkehrungen im Gericht einem Betroffenen - hier dem Sachverständigen als
Antragsteller - nicht zur Last gelegt werden; und zwar gemäß dem aus Art. 2 GG und dem
Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Art. 6 EMRK, Art. 47 Abs. 2 EUGrCH),
folgenden Grundrecht auf ein faires Verfahren (BVerfG-Beschlüsse vom 21.03.2005 2
BvR 975/03, NStZ 2005, 238; vom 04.05.2004 1 BvR 1892/03, BVerfGE 110, 339; vom
06.04.1998 1 BvR 2194/97, NJW 1998, 2044; ständ. Rspr.), einschließlich der sich daraus
auch ergebenden nachwirkenden Fürsorgepflicht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 20.06.1995
1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99).
ee) Selbst wenn dem Sachverständigen gespeicherte Textbaustein-Hinweise bei anderer
oder früherer Gelegenheit zugegangen sind und er diese seinerzeit nur inhaltlich nicht im
Einzelnen zur Kenntnis genommen hat (oben a bb, A I 1 e, g, 10), fällt ihm dies bei den
vorliegenden Vergütungsanträgen und der für sie jeweils geltenden Ausschlussfrist nicht
als Verschulden zur Last.
Es handelt sich nämlich - wie gesagt - nicht um anlässlich der Auftragserteilung oder der
Auftragsbeendigung speziell für die vorliegenden Vergütungsanträge übermittelte
eindeutige und unmissverständliche Hinweise oder Antragsformulare, deren
Nichtbeachtung als Verschulden die Wiedereinsetzung ausschließen würde (vgl. SG
Köln, Beschluss vom 02.02.2007 S 6 RA 328/04, Juris).
Die - inzwischen auch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz JVEG vorgeschriebene -
Belehrung über den Fristbeginn reicht nämlich nur dann aus, wenn sie den für den
konkreten Auftrag zutreffenden Fristbeginn deutlich macht. Das gilt auch für die
vorliegenden Fälle der nicht bereits mit Durchführung eines Begutachtungstermins
abgeschlossenen Heranziehung, wie aus der Klarstellung in § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG folgt
(vgl. oben 1 a-b m. w. N.).
Danach kann mangels Fallbezugs dahingestellt bleiben, inwieweit der 58-teilige
Textbaustein betreffend den Fristbeginn (oben 1) missverständlich ist (vgl. OLG Hamm,
Beschluss vom 18.08.2009 34 U 152/05 u. a., BauR 2010, 1273) oder infolge
Ungenauigkeit ("verjährt") bei der zwischen Ausschlussfrist und Verjährung
unterscheidenden Regelung dazu führt, dass diese schwer nachvollziehbar wird (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 04.05.2004 1 BvR 1892/03, BVerfGE 110, 339, Juris Rz. 18).
Ebenso ist hier nicht mehr zu prüfen, inwieweit zur Vermeidung einer Überraschung und
zur Verbesserung der Transparenz in Aufmachung und Umfang eine Aufteilung möglich
ist in Hinweise zur Auftragserteilung einerseits und zur Auftragsbeendigung andererseits
(vgl. entsprechend § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
ff) Soweit der Sachverständige den Einzelrichter und Vorsitzenden des Bewertungs- und
Kostensenats vor Fristablauf (oben 1 b-c) auf die noch einzureichenden Rechnungen
angesprochen und dabei der Vorsitzende nicht auf die ihm selbst nicht geläufige
Ausschlussfrist hingewiesen hat (oben A I 14), wird zusätzlich hierdurch die
Fristversäumnis entschuldigt.
Aufgrund der hier gegenüber dem Sachverständigen nachwirkend bestehenden
gerichtlichen Fürsorgepflicht (oben b bb ff) genügte nämlich selbst eine zutreffende
Antwort des Vorsitzenden ohne einen Hinweis auf die Ausschlussfrist nicht, wenn danach
dem Sachverständigen die Ausschlussfrist nicht bewusst wurde (OLG Hamm, Beschluss
vom 18.10.2005 21 U 12/05, BauR 2006, 414). Ein unterlassener oder unzureichender
Hinweis des Vorsitzenden darf sich gemäß dem Grundrecht auf faires Verfahren nicht
zum Nachteil des Betroffenen auswirken (Beschlüsse Brandenburgisches OLG vom
07.10.2010 12 U 96/09, Juris Rz. 25; BVerfG vom 22.08.1980 2 BvR 653/79, StRK FGO §
115 R 203; BFH-Urteil vom 06.07.2005 XI R 15/04, BFHE 210, 4, BStBl II 2005, 644; vgl.
Greger in Zöller, ZPO, 30. A., § 233 Rz. 22a; oben b dd m. w. N.).
gg) Im Übrigen werden den Anforderungen an die Rechtskenntnisse und das Verhalten
eines juristischen Laien bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung durch das
Grundrecht auf ein faires Verfahren Grenzen gesetzt (BVerfG-Beschluss vom 21.03.2005
2 BvR 975/03, NStZ-RR 2005, 238) und müssen die Gerichte es vermeiden, durch
eigenes Verhalten zusätzliche Verwirrung zu stiften (vgl. BVerfG-Beschluss vom
04.05.2004 1 BvR 1892/03, BVerfGE 110, 339, Juris Rz. 18).
Das gilt insbesondere bei einem in erster Linie anderweitig geschäftlich und ... tätigen
Sachverständigen, der als solcher, nach zeitweiliger ..., in ... nur noch wenige
Begutachtungsaufträge annimmt, insbesondere in Bezug auf seine Sachkunde und
eigenen Erfahrungen aus der Einheitsbewertung für den Hauptfeststellungszeitpunkt 19...
(vgl. Urteil vom 30. August 2013 3 K 206/11, EFG 2014, 113, Juris Rz. 52-55 m. w. N.)
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hh) Erst recht können von einem Sachverständigen nicht ohne weiteres bessere
Rechtskenntnisse erwartet werden als von dem seit Jahrzehnten richterlich tätigen
Vorsitzenden und von den weiteren Mitgliedern des Bewertungs- und Kostensenats (vgl.
oben ff, a bb, A I 14).
3. Aufgrund der danach zu gewährenden Wiedereinsetzung kommt es nicht mehr an auf
die Auslegung der Rechnungsankündigung als formlos oder mündlich fristwahrender
Vergütungsantrag (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.10.1989, Juris Rz. 7 m. w. N.;
Meyer/Höfer/Bach/Oberlack JVEG, 26. A, § 2 Rz. 2) oder zumindest sinngemäß als Antrag
auf Fristverlängerung (vgl. Schneider, JVEG, § 2 Rz. 3; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack,
JVEG, 26. A., § 2 Rz. 2).
4. Der Vergütungsantrag ist auch der Höhe nach begründet, das heißt hinsichtlich des
Zeitaufwands, der Honorargruppe und der nur angesetzten niedrigeren Beträge nach § 9
i. V. m. Anlage 1 JVEG i. d. F. vor August 2013.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Die Entscheidung über die gerichtliche Festsetzung der Sachverständigen-
Vergütungsfestsetzung trifft als Gericht der Beweisaufnahme der Einzelrichter nach § 6
FGO (FG Bremen, Beschluss vom 14.08.1995 2 95 151 E 2, EFG 1995, 1079); hier
zugleich als originärer Einzelrichter nach § 4 Abs. 7 JVEG (vgl. Beschlüsse OLG Dresden
vom 08.10.2009 3 W 1016/09, Juris; OLG Rostock vom 08.04.2008 1 U 32/08, OLGR
Rostock 2009, 226; Meyer/Höfer/Bach/Oberlack, JVEG, 26. A., § 4 Rz. 10 c).
Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG und § 128 Abs. 4 FGO.