Urteil des FG Hamburg vom 13.12.2013

FG Hamburg: verjährungsfrist, verordnung, verkehr, kaution, abfertigung, rückzahlung, rückforderung, überführung, gewalt, drittland

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Ausfuhrerstattung: Vorabentscheidungsersuchen
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Setzt die für den Beginn der Verjährungsfrist nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG,
Euratom) Nr. 2988/95 erforderliche und in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95
definierte Unregelmäßigkeit in einem Fall, in dem der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung erst
nach Eintritt eines Schadens aufgedeckt wurde, neben einer Handlung oder Unterlassung des
Wirtschaftsteilnehmers kumulativ voraus, dass ein Schaden für den Gesamthaushalt der Union oder die
Haushalte, die von der Union verwaltet werden, bewirkt worden ist, so dass die Verjährungsfrist erst ab
Schadenseintritt zu laufen beginnt, oder beginnt die Verjährungsfrist unabhängig vom Zeitpunkt des
Schadenseintritts bereits mit der Handlung oder Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers, die sich als
Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung darstellt?
2. Sofern auf Frage 1. geantwortet wird, dass die Verjährungsfrist erst mit Eintritt des Schadens beginnt:
Liegt - im Zusammenhang mit der Rückforderung endgültig gewährter Ausfuhrerstattung - ein Schaden i.
S. v. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 bereits vor, wenn einem Ausführer ein der
Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag i. S. v. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 gezahlt
worden ist, ohne dass die Sicherheit nach Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 bereits freigegeben
worden wäre, oder liegt ein Schaden erst im Zeitpunkt der Freigabe der Sicherheit bzw. endgültigen
Gewährung der Ausfuhrerstattung vor?
FG Hamburg 4. Senat, Beschluss vom 13.12.2013, 4 K 28/12
Art 1 Abs 2 EGV 2988/95, Art 3 Abs 1 UAbs 1 EGV 2988/95
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung.
In den Jahren 1992 und 1993 lagerte die Klägerin verschiedene Sendungen Rindfleisch in ihr Erstattungslager
ein. Antragsgemäß gewährte ihr das beklagte Hauptzollamt im Wege der Vorfinanzierung mit mehreren
Bescheiden aus den Jahren 1992 bzw. 1993 einen der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrag gegen
Sicherheitsleistung.
Mit Schreiben vom 10.08.1993 übersandte die Klägerin u. a. die jordanische Zollerklärung Nr. 79/... vom
09.03.1993 zwecks Abfertigung der Waren zum freien Verkehr. Diese jordanische Zollerklärung bescheinigte
die Abfertigung der Ausfuhrsendung am 09.03.1993. Der Beklagte erkannte die Unterlagen als Nachweis für
die Überführung der Ausfuhrerzeugnisse in den freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes an und gab in der
Folge die Sicherheiten aus Gründen, die für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant sind, erst am
30.04.1996 bzw. 04.03.1998 frei.
Anlässlich einer Missionsreise des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 28.02. bis zum
14.03.1998 wurde festgestellt, dass jordanische Zollpapiere in vielen Fällen nicht die Entrichtung der
Eingangsabgaben und die Überführung des Fleisches in den freien Verkehr Jordaniens nachwiesen.
Stattdessen wurden die Papiere vor Erhebung der Abgaben storniert und die entsprechenden Waren
tatsächlich im Transit bzw. Re-Export-Verfahren in den Irak befördert. In Bezug auf den Streitfall ergaben die
Ermittlungen, dass die Zollerklärung Nr. 79/... vom 09.03.1993 storniert und durch die Zollerklärung Nr. 670/...
vom 11.03.1993, die eine Abfertigung der Ware aus der Freizone A (Jordanien) in den Irak auswies, ersetzt
worden war.
Mit Bescheid vom 23.09.1999 forderte das beklagte Hauptzollamt daraufhin die der Klägerin gewährte
Ausfuhrerstattung in Höhe von 202.017,46 DM (= 103.289,89 €) zurück.
Ihrem gegen den Rückforderungsbescheid eingelegten Einspruch half das beklagte Hauptzollamt aus
vorliegend zu vernachlässigenden Gründen mit Bescheid vom 26.09.2011 teilweise ab, wodurch sich der
Rückforderungsbetrag auf 59.545,70 € verringerte. Im Übrigen wies das beklagte Hauptzollamt den Einspruch
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mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2012 zurück.
Mit ihrer am 15.02.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur
Begründung trägt sie - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen relevant - vor, der
Rückforderungsanspruch sei verjährt. Die Frist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 laufe ab Begehung der
Unregelmäßigkeit und nicht erst ab Freigabe der Sicherheit. Ausdrücklich knüpfe Art. 1 Abs. 2 VO Nr.
2988/95 den Tatbestand einer Unregelmäßigkeit an eine Handlung oder Unterlassung eines
Wirtschaftsteilnehmers. Im Streitfall könne daher nur auf die Vorlage der jordanischen
Verzollungsbescheinigung abgestellt werden. Die Vorlage der jordanischen Verzollungsbescheinigung hätte
für den Gemeinschaftshaushalt insofern einen Schaden bewirkt, als sie - die Klägerin - mit der
Vorfinanzierung einen ihrem Erstattungsanspruch entsprechenden Betrag tatsächlich erhalten habe und der
Unionshaushalt mit diesem Betrag belastet worden sei. Damit wäre ein Schaden entstanden, sofern der
Erstattungsanspruch zu Unrecht geltend gemacht worden sei. Dieser Schaden wäre sogar endgültig, wenn
der Erstattungsempfänger vor einem Rückforderungsanspruch in die Insolvenz geraten wäre. Der Beginn der
Verjährungsfrist dürfe nicht von einer Handlung der Verwaltung - hier der Freigabe der Sicherheit - abhängen,
da der Wirtschaftsbeteiligte auf diesen Zeitpunkt keinen Einfluss habe.
Die Klägerin beantragt,
den Rückforderungsbescheid vom 23.09.1999 in der Fassung des Abhilfebescheides vom
26.09.2011 und der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2012 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen relevant -, Verjährung nach Art. 3 VO Nr. 2988/95 sei
nicht eingetreten. Allein der Zeitpunkt der Freigabe der Sicherheiten sei für den Beginn der Verjährung
maßgeblich. Auf diesen Zeitpunkt müsse abgestellt werden, weil erst dann endgültig über die Gewährung der
Ausfuhrerstattung entschieden worden und mithin ein Schaden i. S. v. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95
entstanden sei. Die Verjährungsfrist sei daher erst ab Freigabe der Sicherheit (hier also frühestens ab 1996)
zu berechnen. Die Vorfinanzierung sei durch eine Kaution abgesichert, mit ihrer Zahlung sei dem
Unionshaushalt noch kein Schaden entstanden. Seitens des Hauptzollamtes bestehe bis zur Freigabe der
Sicherheit die Möglichkeit, die Kaution verfallen zu lassen oder einzubehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt
dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 S. 1 lit. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die rechtliche
Würdigung des Falles ist unionsrechtlich zweifelhaft.
1. Rechtlicher Rahmen
Nach Ansicht des Senats sind folgende unionsrechtliche Vorschriften für die Lösung des Rechtsstreits von
Bedeutung:
a. Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen
Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. Nr. L 312/1 (im Folgenden: VO Nr. 2988/95):
Art. 1:
(1) ...
(2) Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als
Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den
Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet
werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von
Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine
ungerechtfertigte Ausgabe.
Art. 3:
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(1) Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel
1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die
nicht weniger als drei Jahre betragen darf.
Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die
Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis
zum endgültigen Abschluss des Programms.
...
(2) - (3) ...
b. Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates vom 04.03.1980 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen
für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. Nr. L 62/5 (im Folgenden: VO Nr. 565/80):
Art. 4
(1) Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Grunderzeugnisse
der Zollkontrolle unterworfen wurden und damit sichergestellt ist, dass die Verarbeitungserzeugnisse oder die
Waren innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt werden.
(2) - (7) ...
Art. 5:
(1) Auf Antrag wird ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Erzeugnisse oder
Waren im Hinblick auf ihre Ausfuhr innerhalb einer bestimmten Frist einem Zolllagerverfahren oder
Freizonenverfahren unterworfen worden sind.
(2) - (3) ...
Art. 6:
Für die Anwendung der in dieser Verordnung vorgesehenen Regelung ist die Stellung einer Kaution
erforderlich, durch die die Rückzahlung eines Betrages in Höhe des gezahlten Betrags, zuzüglich eines
Zusatzbetrags, sichergestellt wird.
Unbeschadet von Fällen höherer Gewalt verfällt diese Kaution ganz oder teilweise,
- wenn die Rückzahlung bei innerhalb der Frist nach Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 nicht
erfolgter Ausfuhr nicht vorgenommen worden ist oder
- wenn kein Erstattungsanspruch besteht oder Anspruch auf eine niedrigere Erstattung bestand.
c. Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27.11.1987 über gemeinsame
Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. Nr. L 351/1
(im Folgenden: VO Nr. 3665/87):
Art. 17
(1) Das Erzeugnis muss in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer, für welche
die Erstattung vorgesehen ist, innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung,
die gemäß den Bedingungen von Artikel 47 verlängert werden kann, eingeführt worden sein.
(2) ...
(3) Das Erzeugnis gilt als eingeführt, wenn die Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in
dem betreffenden Drittland erfüllt sind.
Art. 18
(1) Der Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr erfolgt durch die
Vorlage a)des jeweiligen Zollpapiers, einer Kopie oder Fotokopie dieses Papiers; diese Kopie oder Fotokopie
muß entweder von der Stelle, die das Original abgezeichnet hat, einer Behörde des betreffenden Drittlandes
oder von einer Behörde eines Mitgliedstaats beglaubigt sein oder b)der Verzollungsbescheinigung, die nach
dem Muster im Anhang II in einer oder mehreren Amtssprachen der Gemeinschaft und in einer im
betreffenden Drittland verwendeten Sprache ausgestellt ist, oder c)eines jeglichen anderen, vom Zoll des
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betreffenden Drittlandes abgezeichneten Dokuments, in dem die Erzeugnisse identifiziert sind und aus dem
hervorgeht, daß die Erzeugnisse in diesem Drittland zum freien Verkehr abgefertigt wurden.
(2) - (4) ...
Art. 25:
(1) Bekundet der Ausführer seinen Willen, die Erzeugnisse oder Waren nach Verarbeitung oder Lagerung
auszuführen und eine Erstattung aufgrund von Artikel 4 oder 5 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 in Anspruch
zu nehmen, so finden die Verfahren nur Anwendung, wenn bei den Zollbehörden eine Willenserklärung -
nachstehend Zahlungserklärung genannt - des Ausführers vorliegt.
Die Mitgliedstaaten können für die Zahlungserklärung eine andere Bezeichnung vorsehen.
(2) - (5) ...
Art. 31:
(1) Vor Annahme der Zahlungserklärung ist eine Sicherheit zu leisten, die dem nach Artikel 29 Absatz 3
berechneten Betrag zuzüglich etwaiger positiver Währungsausgleichsbeträge sowie eines Zuschlags von 20
% der Summe aus diesen Beträgen entspricht. Der Zuschlag beträgt mindestens 3 ECU je 100 kg
Eigenmasse.
(2) - (3) ...
Art. 33:
(1) Ist der Anspruch auf eine Erstattung und/oder einen Währungsausgleichsbetrag für die Erzeugnisse oder
Waren, auf welche die Vorschriften dieses Kapitels Anwendung finden, nachgewiesen worden, so wird der
betreffende Betrag gegen den vorfinanzierten Betrag aufgerechnet. Besteht Anspruch auf einen höheren als
den vorfinanzierten Betrag, ist dem Beteiligten der Unterschiedsbetrag zu zahlen.
(2) Zur Freigabe der Sicherheit in voller Höhe ist nachzuweisen, dass
a) die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1 gesetzten Fristen eingehalten
wurden,
b) bei den betreffenden Erzeugnissen oder Waren ein Anspruch auf eine Erstattung in Höhe des gemäß
Artikel 29 Absatz 3 festgesetzten oder eines höheren Betrages besteht.
(3) Außer in Fällen höherer Gewalt gelten folgende Regeln:
a) Bei Nichteinhaltung einer der in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1
festgelegten Fristen iii) wird die Erstattung zuerst um 15 % herabgesetzt. Die restliche Erstattung,
nachstehend herabgesetzte Erstattung genannt, wird wie folgt zusätzlich herabgesetzt:
iii) 2 % der herabgesetzten Erstattung entfallen für jeden Tag, um den die Frist gemäß Artikel 27 Absatz
5 und Artikel 28 Absatz 5 überschritten wurde, und iii) 5 % der herabgesetzten Erstattung entfallen für
jeden Tag, um den die Frist gemäß Artikel 32 Absatz 1 überschritten wurde.
Der verfallene Sicherheitsbetrag ist gleich:
-der um 20 % erhöhten Erstattungsverminderung nach vorstehendem Unterabsatz.
Der restliche Sicherheitsbetrag wird freigegeben.
b) Werden die in Artikel 47 Absatz 2 bezeichneten Unterlagen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der
Vorlagefrist vorgelegt und alle sonstigen Bedingungen eingehalten, so wird ein Betrag in Höhe von 85 % der
Sicherheit zurückgezahlt.
c) Werden die in Artikel 47 Absatz 2 bezeichneten Unterlagen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der
Vorlagefrist eingereicht und wurde außerdem eine Frist nach Artikel 27 Absatz 5 und Artikel 28 Absatz 5 und
Artikel 32 Absatz 1 nicht eingehalten, so wird ein Betrag wie bei alleiniger Anwendung von Buchstabe b)
zurückgezahlt. Dieser Betrag wird um den Sicherheitsbetrag vermindert, der bei alleiniger Anwendung von
Buchstabe a) verfallen würde.
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d) Falls
-die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1 gesetzten Fristen eingehalten
wurden, und
-der Erstattungsbetrag niedriger ist als die vorfinanzierte Erstattung,
ist die verfallene Sicherheit gleich dem um 20 % erhöhten Unterschied zwischen dem vorfinanzierten Betrag
und der tatsächlichen Erstattung.
e) Falls
-die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1 gesetzten Fristen nicht
eingehalten worden sind und
-der Erstattungsbetrag niedriger ist als die vorfinanzierte Erstattung,
ist die verfallene Sicherheit gleich dem um 20 % erhöhten Unterschied zwischen der vorfinanzierten
Erstattung und der tatsächlichen Erstattung, wobei dieser Betrag um die Sicherheit erhöht wird, die bei
alleiniger Anwendung von Buchstabe a) auf die tatsächliche Erstattung verfallen wäre.
f) Falls
-die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1 gesetzten Fristen eingehalten
wurden,
-der Erstattungsbetrag niedriger ist als die vorfinanzierte Erstattung und -die in Artikel 47 Absatz 2
bezeichneten Unterlagen, innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlagefrist eingereicht werden,
ist der zurückzuzahlende Betrag gleich einem Betrag in Höhe der sich bei alleiniger Anwendung von
Buchstabe b) ergebenden Rückzahlung. Dieser Betrag wird um den um 20 % erhöhten Unterschied zwischen
dem vorfinanzierten Betrag und der tatsächlichen Erstattung vermindert.
g) Falls
-die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1 gesetzten Fristen nicht
eingehalten wurden,
-der Erstattungsbetrag niedriger ist als die vorfinanzierte Erstattung und
-die in Artikel 47 Absatz 2 bezeichneten Unterlagen innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlagefrist
eingereicht werden,
ist der zurückzuzahlende Betrag gleich einem Betrag in Höhe der sich bei alleiniger Anwendung von
Buchstabe b) ergebenden Rückzahlung.
Dieser Betrag wird um den um 20 % erhöhten Unterschied zwischen dem vorfinanzierten Betrag und der
tatsächlichen Erstattung sowie um die Sicherheit vermindert, die bei alleiniger Anwendung von Buchstabe a)
auf die tatsächliche Erstattung verfallen würde.
(4) Bei Anwendung des Mindestzuschlags nach Artikel 31 Absatz 1 zweiter Satz wird bei jeder Verweisung
auf den Prozentsatz nach Artikel 31 Absatz 3 anstelle des Prozentsatzes von 20 % der Prozentsatz
zugrunde gelegt, der dem Verhältnis des Mindestzuschlags zum vorfinanzierten Betrag entspricht.
(5) Ist als Folge eines Falles höherer Gewalt der Erstattungsbetrag niedriger als die vorfinanzierte Erstattung,
so ist die verfallene Sicherheit gleich dem Unterschied zwischen:
-der vorfinanzierten Erstattung und
-der tatsächlich fälligen Erstattung.
Dies gilt ebenfalls für die Fälle, in denen ein Anspruch auf eine Erstattung besteht, die niedriger ist als die
vorfinanzierte Erstattung, und in denen die in Artikel 27 Absatz 5, Artikel 28 Absatz 5 und Artikel 32 Absatz 1
gesetzten Fristen als Folge höherer Gewalt nicht eingehalten worden sind.
(6) Wird der Nachweis erbracht, dass die Erzeugnisse oder Waren
-nicht das Gebiet des Mitgliedstaats verlassen haben, in dem die Zahlungserklärung angenommen wurde,
so wird die verfallene Sicherheit um den negativen und um 20 % erhöhten Währungsausgleichsbetrag
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vermindert, wenn der Mitgliedstaat Artikel 31 Absatz 2 nicht anwendet,
-das Gebiet des Mitgliedstaats verlassen haben, in dem die Zahlungserklärung angenommen wurde, so
wird die verfallene Sicherheit um den um 20 % erhöhten positiven Währungsausgleichsbetrag vermindert.
2. Entscheidungserheblichkeit
Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Rückforderung der der Klägerin zunächst im
Wege der Vorfinanzierung, sodann nach Freigabe der Sicherheiten endgültig gewährten Ausfuhrerstattung
gegeben sind, weil die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass das Erzeugnis in unverändertem Zustand
innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung in das Bestimmungsdrittland
Jordanien eingeführt worden ist (vgl. Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 3665/87). Das von der Klägerin mit Schreiben vom
10.08.1993 vorgelegte jordanische Verzollungsdokument Nr. 79/... kann als Nachweis der Erfüllung der
Zollförmlichkeiten für die Abfertigung zum freien Verkehr in Jordanien (vgl. Art. 17 Abs. 3 i. V. m. Art. 18
Abs. 1 VO Nr. 3665/87), nachdem die jordanische Zollverwaltung diese Zollerklärung storniert und durch die
Erklärung Nr. 670/... ersetzt hatte, nicht anerkannt werden. Weitere Dokumente betreffend die Abfertigung der
ausgeführten Erzeugnisse zum freien Verkehr in Jordanien hat die Klägerin nicht beigebracht.
Da das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung erst mit Bescheid vom 23.09.1999
zurückgefordert hat, die Klägerin indes die jordanische Zollerklärung Nr. 79/... bereits im August 1993 und
damit vor über sechs Jahren vorgelegt hatte, hat der Senat die Rechtsfrage zu entscheiden, ob dem vom
beklagten Hauptzollamt geltend gemachten Rückforderungsanspruch die Einrede der Verjährung gemäß Art.
3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 entgegensteht. Diese Verjährungsvorschrift ist nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch auf die Rückforderung zu Unrecht gewährter
Ausfuhrerstattung anzuwenden, wenn die Unregelmäßigkeit vor Inkrafttreten der VO Nr. 2988/95 begangen
worden ist (EuGH, Urteil vom 24.06.2004, C-278/02; Urteil vom 25.09.2008, C-278/07).
Die Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 beträgt vier Jahre ab "Begehung der
Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1". Sofern für die Annahme einer "Unregelmäßigkeit" und damit für den
Beginn des Laufs der Verjährungsfrist allein auf die zu einem Schaden führende Handlung oder Unterlassung
eines Wirtschaftsbeteiligten, in der ein Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung liegt, abzustellen
wäre, liefe die vierjährige Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 bereits ab August 1993. Die Vorlage einer
unrichtigen Verzollungsbescheinigung zum Nachweis der Überführung einer Ausfuhrsendung in den freien
Verkehr des Bestimmungsdrittlandes durch die Klägerin stellt einen Verstoß gegen eine
Gemeinschaftsbestimmung (im Streitfall: Art. 18 VO Nr. 3665/87) dar mit der Folge, dass bei diesem
Normverständnis die Verjährungsfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides im
September 1999 ersichtlich abgelaufen wäre; die Klage hätte Erfolg.
Geht man indes davon aus, dass Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 dahin zu verstehen ist, dass -
jedenfalls in Fällen, in denen der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung erst nach Eintritt des
Schadens aufgedeckt wurde - eine Unregelmäßigkeit erst dann vorliegt, wenn auch ein Schaden entstanden
ist, kommt es darauf an, ob der Schaden bereits in der Zahlung des Vorfinanzierungsbetrags gem. Art. 5
Abs. 1 VO Nr. 565/80 - der nach Art. 25 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 im Streitfall anwendbar ist - im Jahre 1992
bzw. 1993 oder erst in der Freigabe der Sicherheiten gem. Art. 33 VO Nr. 3665/87 im April 1996 bzw. März
1998 zu sehen ist, was sich aus der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage ergeben wird. Läge der Schaden
erst in der endgültigen Gewährung der Ausfuhrerstattung durch Freigabe der Sicherheit in den Jahren 1996
bzw. 1998, wäre die Verjährungsfrist im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides im
September 1999 ersichtlich noch nicht abgelaufen; der Klage wäre der Erfolg zu versagen.
3. Rechtliche Überlegungen des Senats
a. Erste Vorlagefrage
In Bezug auf die erste Vorlagefrage neigt der Senat der Auffassung zu, dass der Lauf der Verjährungsfrist
unabhängig vom Zeitpunkt des Schadenseintritts bereits mit der Handlung oder Unterlassung des
Wirtschaftsteilnehmers, die einen Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung darstellt, beginnt. Art. 1
Abs. 2 VO Nr. 2988/95 setzt voraus, dass ein Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer
Handlung oder Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers einen Schaden bewirkt hat bzw. haben würde. Diese
Normierung verdeutlicht zum einen, dass sich der Begriff der "Unregelmäßigkeit" im Sinne der Verordnung Nr.
2988/95 auf den Verstoß gegen eine Unionsbestimmung in Form einer Handlung oder Unterlassung eines
Wirtschaftsteilnehmers bezieht (vgl. hierzu bereits EuGH, Urteil vom 21.12.2011, C-465/10, Rn. 44). Der
Normierung des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 ist zum anderen zu entnehmen, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber den Tatbestand der Unregelmäßigkeit nicht an den Eintritt eines Schadens
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knüpft, was sich daraus ableiten lässt, dass ein Verhalten eines Wirtschaftsteilnehmers auch dann eine
Unregelmäßigkeit darstellen kann, wenn es einen Schaden nicht "bewirkt hat", sondern nur "bewirkt haben
würde". Wird der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung
des Wirtschaftsteilnehmers vor Eintritt eines Schadens aufgedeckt, kann im Hinblick auf den Beginn der
Verjährungsfrist gem. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 zwangsläufig nur auf die Handlung bzw.
Unterlassung selbst abgestellt werden. Aus systematischen Gründen spricht viel dafür, in dem Fall, in dem
der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung erst nach Schadenseintritt aufgedeckt wird, ebenfalls auf
die Handlung bzw. Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers abzustellen und so die Frage des Beginns der
Verjährungsfrist unabhängig vom Schadenseintritt einheitlich zu beantworten. Eine unterschiedliche
Behandlung der in Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2088/95 geregelten Fallgruppen - Aufdeckung des Verstoßes gegen
eine Gemeinschaftsbestimmung vor bzw. nach Schadenseintritt - scheint durch den Wortlaut nicht geboten
und würde dazu führen, dass die Verjährungsfrist in den beiden genannten Fällen zu unterschiedlichen
Zeitpunkten zu laufen beginnt. Es dürfte nicht gerechtfertigt sein, einen Wirtschaftsteilnehmer, dessen
Verhalten zu einem Schaden geführt hat, durch den späten Beginn der Verjährungsfrist schlechter zu stellen,
als den Wirtschaftsteilnehmer, dessen Verhalten - nur weil es - aus welchen Gründen auch immer - vor
Schadenseintritt aufgedeckt wurde - nicht zu einem Schaden geführt hat.
Für die vom Senat präferierte Sichtweise spricht auch die Formulierung in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr.
2988/95, in der von der "Begehung der Unregelmäßigkeit" die Rede ist. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber
hat den Beginn der Verjährungsfrist nicht an den "Eintritt der Unregelmäßigkeit", sondern an die "Begehung
der Unregelmäßigkeit" und damit an ein Verhalten des Wirtschaftsteilnehmers, das in einem Verstoß gegen
eine Gemeinschaftsbestimmung bestehen muss, geknüpft. Auch die englische Sprachfassung ("... when the
irregularity ... was commited") bestätigt die Auslegung des beschließenden Senats, dass nicht der Eintritt
eines Ereignis - scil. der Eintritt eines Schadens -, sondern ein bestimmtes Verhalten des
Wirtschaftsteilnehmers - scil. der Verstoß gegen die Gemeinschaftsbestimmung - den Lauf der
Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95 in Gang setzt.
In seiner Einschätzung bestärkt, dass die Verjährungsfrist nicht erst mit dem Eintritt des Schadens beginnt,
wird der Senat durch die Regelung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 2988/95. Dort ist bestimmt, dass die
Verjährungsfrist bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten an dem Tag beginnt, an dem die
Unregelmäßigkeit beendet wird. Im Sinne dieser Vorschrift beendet dürfte eine Unregelmäßigkeit sein, wenn
der Verstoß gegen die Gemeinschaftsbestimmung abgeschlossen und der durch diesen Verstoß verursachte
Schaden eingetreten ist. Wenn indes - in Fällen der Aufdeckung des Verstoßes gegen eine
Gemeinschaftsbestimmung nach Schadenseintritt - immer auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts
abzustellen wäre, liefe diese Bestimmung weitgehend leer. Denn es müsste, wenn andauernde bzw.
wiederholte Unregelmäßigkeiten zu einem Schaden führen und auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts
abzustellen wäre, nicht geregelt werden, auf welche Phase der andauernden bzw. wiederholten
Unregelmäßigkeit für den Beginn der Verjährungsfrist abzustellen ist. So hat auch der Gerichtshof der
Europäischen Union mit Urteil vom 21.12.2011 (C-465/10) in einem Fall, in dem ein öffentlicher Auftraggeber,
der einen Zuschuss empfangen und bei der Auftragsvergabe unionsrechtliche Vorschriften missachtet hatte,
erkannt, dass eine andauernde Unregelmäßigkeit i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 2988/95 vorliegt,
so dass die vierjährige Verjährungsfrist am Tag der Beendigung der Ausführung des rechtswidrig vergebenen
öffentlichen Auftrags beginnt. Auf den - mutmaßlich in der Zahlung des Zuschusses liegenden -
Schadenseintritt hat der Gerichtshof der Europäischen Union in dieser Entscheidung nicht abgestellt. Er hat
vielmehr ausgeführt, der Unionsgesetzgeber habe mit Erlass von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2988/95
eine allgemeine Verjährungsregelung einführen wollen, mit der die Rückforderung von zu Unrecht aus dem
Unionshaushalt erlangten Beträgen nach Ablauf von vier Jahren seit Begehung der die streitigen Zahlungen
betreffenden Unregelmäßigkeit ausgeschlossen werden solle (Urteil vom 21.12.2011, C 465/10, juris Rn. 52).
Dies könnte bezogen auf den Ausgangsfall so verstanden werden, dass das Begehen der Unregelmäßigkeit,
also die Handlung oder Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers, und nicht die streitige Zahlung, die
typischerweise den Schaden für den Haushalt herbeiführt, für den Verjährungsbeginn maßgeblich ist.
Der Senat übersieht nicht, dass die Frage des Verjährungsbeginns in Fällen, in denen der Verstoß gegen
Gemeinschaftsbestimmungen erst nach Schadenseintritt aufgedeckt wurde, auch anders beurteilt werden
kann. So ließe sich argumentieren, dass der Tatbestand der Unregelmäßigkeit in Art. 1 Abs. 2 VO Nr.
2988/95 definiert werde durch einen Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung, der bei einer Handlung
oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers vorliege, die einen Schaden bewirkt habe, so dass in diesen
Fällen als kumulative Voraussetzungen für die Annahme einer Unregelmäßigkeit sowohl ein Verhalten des
Wirtschaftsteilnehmers als auch ein daraus resultierender Schaden vorliegen müssen. In diesem Sinne dürfte
wohl auch der Unabhängige Finanzsenat in Österreich den Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 verstehen. Der
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Unabhängige Finanzsenat hat in seiner Berufungsentscheidung vom 06.02.2007 (GZ. ZVR/0047-Z3K/05)
nämlich erkannt, dass im Bereich der Ausfuhrerstattung eine Unregelmäßigkeit begangen werde, wenn
Zahlungen unrechtmäßig erfolgt seien, also ein für den Ausführer positiver Erstattungsbescheid ergangen sei
(argumentum: bewirkt hat), oder die Handlung oder Unterlassung des Ausführers im Falle der
Nichtaufdeckung zu einer unrechtmäßigen Zahlung geführt hätte (argumentum: bewirkt haben würde). Für die
vierjährige Verjährungsfrist gem. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 bedeute dies, dass in Fällen der Aufdeckung
der Unregelmäßigkeit nach erfolgter Zahlung die Frist in Normalfällen mit der bescheidmäßigen Zuerkennung,
also mit der Zustellung des Erstattungsbescheides zu laufen beginne. Abweichend davon sei in
Vorschussverfahren der Tag der Freigabe der Sicherheit der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebende
Tag. Diese Überlegungen des Unabhängigen Finanzsenats dürften für den Fall, dass die Ausfuhrerstattung
vorfinanziert wurde, entsprechend gelten.
b. Zweite Vorlagefrage
Sofern die Verjährungsfrist nach Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO Nr. 2988/95 erst mit Eintritt des Schadens
zu laufen beginnt, stellt sich die weitere Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden bereits die Zahlung des der
Ausfuhrerstattung entsprechenden Vorfinanzierungsbetrages oder erst die endgültige Gewährung der
Ausfuhrerstattung durch Freigabe der Sicherheit als Schaden i. S. v. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95
anzusehen ist.
In Bezug auf diese Frage neigt der Senat der Auffassung zu, dass ein Schaden noch nicht durch die Zahlung
der Vorfinanzierung, sondern erst durch die Freigabe der Sicherheiten eingetreten ist.
Die Vorfinanzierung stellt noch keine endgültige Gewährung einer Ausfuhrerstattung dar. Bereits aus Art. 6
Unterabs. 1 VO Nr. 565/80 ergibt sich, dass für den Erhalt der Vorfinanzierung die Stellung einer Kaution
erforderlich ist, durch die die Rückzahlung eines Betrages in Höhe des gezahlten Betrages, zuzüglich eines
Zusatzbetrags, sichergestellt wird. Die Kaution verfällt gemäß Art. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 565/80, wenn kein
Erstattungsanspruch oder nur ein Anspruch auf eine geringere als die beantragte Erstattung besteht. Auch in
Absatz 5 der Begründungserwägungen zur VO Nr. 565/80 wird deutlich darauf hingewiesen, dass es sich bei
der Vorfinanzierung lediglich um einen der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrag handele. Weiter heißt es
in Absatz 5 der Begründungserwägungen, die Zahlung eines der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrages
berühre keineswegs den Anspruch auf eine Ausfuhrerstattung. Durch Stellung einer Kaution solle
gewährleistet werden, dass ein Betrag, der zumindest gleich dem gezahlten Betrag sei, zurückerstattet
werde, falls später kein Anspruch auf die Ausfuhrerstattung festgestellt werde oder die Erzeugnisse oder
Waren, für die die Vergünstigungen gewährt worden seien, nicht tatsächlich innerhalb der vorgeschriebenen
Frist aus der Gemeinschaft ausgeführt würden. Einzelheiten zur Sicherheitsleistung und zur Freigabe bzw.
zum vollständigen oder teilweisen Verfall der Sicherheit finden sich in den Art. 31 und 33 VO Nr. 3665/87.
Ein Ausfall des Rückzahlungsanspruchs dürfte, sollte dem Ausführer kein oder nur ein geringerer
Ausfuhrerstattungsanspruch zustehen, durch die zu leistende Sicherheit regelmäßig ausgeschlossen sein.
Die Sicherheit deckt dabei nicht nur den als Vorfinanzierung gezahlten Betrag ab, sondern übersteigt diesen
um einen Zusatzbetrag gem. Art. 6 VO Nr. 565/80 bzw. einen Zuschlag von 20 % gem. Art. 31 Abs. 1 VO Nr.
3665/87. Ein Schaden im Sinne eines endgültigen Verlustes der Mittel ist, sofern sie denn zu Unrecht gezahlt
worden sind, infolge der Sicherheiten bis zu deren Freigabe regelmäßig nicht zu befürchten, da die
Zollverwaltung auf die Sicherheiten zurückgreifen kann. Die Sicherheit verfällt, soweit der
Ausfuhrerstattungsanspruch nicht besteht. Erst nach Freigabe der Sicherheit muss sich die Zollverwaltung
auf eine - allerdings möglicherweise erfolglose - Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs verweisen
lassen; sie läuft praktisch erst dann Gefahr, den Rückzahlungsanspruch nicht realisieren zu können. Erst ab
Freigabe der Sicherheit und damit endgültiger Gewährung der Ausfuhrerstattung besteht das Risiko des
endgültigen Verlustes des gezahlten Betrages.
Auch der Unabhängige Finanzsenat dürfte in seiner Berufungsentscheidung vom 06.02.2007 (GZ. ZVR/0047-
Z3K/05) so zu verstehen sein, dass in einem Vorschussverfahren erst ab Freigabe der Sicherheit ein
Schaden vorliegt, da er - im Falle des Aufdeckens des Verstoßes gegen Gemeinschaftsbestimmungen nach
Schadenseintritt - einerseits den Eintritt des Schadens und andererseits den Tag der Freigabe der Sicherheit
als für den Beginn der Verjährungsfrist gem. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 maßgeblich ansieht.
Das Argument der Klägerin, es könne nicht auf die Freigabe der Sicherheiten abgestellt werden, weil der
Verjährungsbeginn - so es dafür auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts ankommt - nicht von einer Handlung
der Behörde abhängen dürfe, überzeugt nicht. Ist der Zeitpunkt des Schadenseintritts maßgeblich und tritt der
Schaden durch die Begünstigung eines Wirtschaftsteilnehmers ein, hängt dieser Zeitpunkt immer von einem
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behördlichen Handeln ab - sei es nun die Freigabe der Sicherheit oder die Gewährung der Ausfuhrerstattung.
In jedem Fall erfolgt die Leistung nicht zu einem gesetzlich bestimmten Zeitpunkt, sondern hängt von einer
Entscheidung der Behörde ab, die diese freilich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu treffen hat.
Die Zahlung der Vorfinanzierung als Schaden i. S. v. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 anzusehen, erscheint - in
Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens - auch deshalb als problematisch, weil sie bereits vor der Handlung
des Wirtschaftsteilnehmers erfolgt ist. Die Zahlung der Vorfinanzierung erfolgte im Streitfall vor der Vorlage
des jordanischen Verzollungsdokuments im August 2003. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 setzt indes voraus,
dass ein Verhalten des Wirtschaftsteilnehmers einen Schaden bewirkt hat, der Schadenseintritt muss dem
Verhalten also zeitlich nachfolgen. Die Klägerin dürfte die Vorfinanzierung auch nicht zu Unrecht erhalten
haben. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 565/80 setzt insoweit nur voraus, dass die Grunderzeugnisse der Zollkontrolle
unterworfen worden sind und damit sichergestellt ist, dass die Waren innerhalb einer bestimmten Frist
ausgeführt werden. Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 565/80 bestimmt weiter, dass die Vorfinanzierung gezahlt wird,
sobald die Erzeugnisse oder Waren im Hinblick auf ihre Ausfuhr innerhalb einer bestimmten Frist einem
Zolllagerverfahren oder einem Freizonenverfahren unterworfen worden sind. Mit Aufnahme der Waren in ihr
Erstattungslager dürfte die Klägerin die Voraussetzungen für die Vorfinanzierung erfüllt haben, unabhängig
von der Frage, inwieweit ihr später der Nachweis der Überführung der Waren in den freien Verkehr des
Bestimmungsdrittlandes gelingt. Die Klägerin hat die Zahlung der Vorfinanzierung insofern nicht durch einen
Verstoß gegen Gemeinschaftsbestimmungen erwirkt.
Der Senat übersieht dabei nicht, dass die Zahlung der Vorfinanzierung zwangsläufig einen Abfluss von
Mitteln aus dem Unionshaushalt und insoweit eine Belastung des Unionshaushalts bedeutet. Dass die
Vorfinanzierung eine Belastung des Haushalts darstellt, gilt erst recht, soweit dafür eine Zinsbelastung
entsteht. Insofern könnte man unter Hintanstellung der zuvor geäußerten Bedenken bei entsprechend weitem
Verständnis des Schadensbegriffs einen Schaden annehmen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in
seinem Urteil vom 21.12.2011 (C-465/10, juris Rn. 46 und 47) erkannt, dass eine ungerechtfertigte Ausgabe
einen Schaden darstelle und dass auch Unregelmäßigkeiten, die keine konkreten finanziellen Auswirkungen
hätten, die finanziellen Belange der Union ernsthaft beeinträchtigen könnten. Dies könnte für einen weiten
Schadensbegriff sprechen, der möglicherweise auch die Zahlung einer Vorfinanzierung erfasst. Freilich
musste der Gerichtshof der Europäischen Union in der genannten Entscheidung nicht zwischen einer durch
eine Kaution gesicherten Vorfinanzierung und der endgültigen Gewährung einer Erstattung differenzieren, so
dass das Urteil die zweite Vorlagefrage noch nicht beantwortet.