Urteil des FG Hamburg vom 03.06.2014

FG Hamburg: einreihung, annahme des antrages, stand der technik, hauptsache, erlass, zollrechtliche tarifierung, produkt, kommission, rechtsschutz, pos

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Zolltarifrecht: einstweiliger Rechtsschutz bei Antrag auf Erteilung einer vZTA
Unzulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung des Erlasses einer verbindlichen Zolltarifauskunft.
FG Hamburg 4. Senat, Beschluss vom 03.06.2014, 4 V 93/14
Art 12 ZK
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Änderung
von drei verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) für Kameras.
1. Die Antragstellerin stellte beim Antragsgegner unter dem ... 2012 fünf Anträge auf
Erteilung von vZTA für verschiedene Modelle der Kamera "Produkt-X" des Fabrikats ZZ
und schlug die Einreihung in die TARIC-Nr. 8525 8091 90
("Videokameraaufnahmegeräte, nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera
aufgenommenen Tons und Bildes, andere als Fernsehkamera für geschlossene
Fernsehsysteme (sog. closed circuit TV/CCTV)", Drittlandszollsatz 4,9%) vor.
Der Antragsgegner reihte mit vZTA vom ... 2013 die Waren jeweils in die Code-Nr. 8525
8099 00 ("Videokameraaufnahmegeräte, andere als nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit
des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes", Drittlandszollsatz 14%) ein.
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2. Die Antragstellerin legte am 22.02.2013 Einsprüche gegen die Bescheide ein, nunmehr
mit dem Begehren einer Einreihung in die Code-Nr. 8525 8030 00 ("digitale
Fotoapparate", Drittlandszollsatz 0%). Zur Begründung nahm sie u. a. Bezug auf ihre
Stellungnahmen, die sie nebst einem Gutachten zur Einreihung der Ware (durch Prof. Dr.-
Ing. A vom 10.04.2013, Anlage A 28- Gutachten A -) in Verfahren über
Einfuhrabgabenbescheide beim ... Finanzgericht und beim Hauptzollamt B eingereicht
hatte.
Für zwei der Kameras - die Modelle Produkt-X Version C und Produkt-X Version D - half
der Antragsgegner den Einsprüchen ab. Mit Schreiben vom 16.10.2013 hob er die beiden
insoweit erteilten vZTA auf und erließ mit Bescheiden vom 21.11.2013 zwei neue vZTA
(DE ...-1 und DE ...-2), mit denen er diese Kameras in die begehrte Code-Nr. 8525 8030
00 einreihte.
3. Hinsichtlich der drei anderen Einspruchsverfahren, die die Modelle Produkt-X Version
E, Produkt-X Version E (V) und Produkt-X Version E (W) betreffen, fragte der
Antragsgegner mit Schreiben vom 22.01.2014 bei der Antragstellerin an, ob sie dem
Ruhen der Verfahren zustimme bis zum Ergehen einer Entscheidung des Ausschusses
für den Zollkodex der Europäischen Kommission, mit der die auf Unionsebene ungeklärte
Einreihung der Kameras entschieden werden solle. Die Antragstellerin lehnte dies ab,
weil es für sie nicht erkennbar sei, welche konkreten Fragen der Einreihung einer Klärung
durch die EU-Kommission bedürften, und setzte dem Antragsgegner eine Frist bis zum
28.03.2014.
In seinem Schreiben vom 07.02.2014 stellte der Antragsgegner der Antragstellerin noch
Nachfragen zum Gutachten A und erbat die Vorlage eines - bis dahin noch nicht
vorgelegten - Warenmusters; außerdem wiederholte er seine Ruhensanfrage.
Die Antragstellerin antwortete mit Schreiben vom 25.02.2014, die Vorlage eines
Warenmusters sei zur Erteilung der vZTA nicht erforderlich, weil sich die objektiven
Merkmale und Eigenschaften der Ware aus den bereits mitgeteilten technischen Daten
und dem vorgelegten Gutachten A ergeben würden.
Mit Schreiben vom 26.03.2014 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, er
beabsichtige, die Entscheidung über die Einsprüche bis zu einer endgültigen
Entscheidung der EU-Kommission zurückzustellen. Denn er halte es nicht für zielführend,
einer Entscheidung der Kommission durch eine isolierte nationale Entscheidung
vorzugreifen, die sich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als nicht haltbar
herausstellen könnte. Die Antragstellerin wurde abermals um Mitteilung - bis zum
25.04.2014 - gebeten, ob sie mit dem Ruhen der Einspruchsverfahren einverstanden sei.
Die Antragstellerin stimmte nicht zu, sondern erhob am 17.04.2013 Untätigkeitsklage
beim Finanzgericht Hamburg (4 K 92/14), über die noch nicht entschieden worden ist.
4. Zugleich hat sich die Antragstellerin wegen einstweiligen Rechtsschutzes an das
Gericht gewandt.
Die Antragstellerin macht geltend, einen Anspruch auf Einreihung der Ware in die Code-
Nr. 8525 8030 00, hilfsweise die Code-Nr. 8525 8090 00 zu haben. Bei den Kameras
handele es sich um multifunktionale Geräte mit den Funktionen eines digitalen
Fotoapparats und eines Videoaufzeichnungsgeräts. Unter Bezugnahme auf das
Gutachten A trägt die Antragstellerin vor, Hauptfunktion der Kameras sei es, hochwertige
Einzelbilder in verschiedenen Geschwindigkeiten aufzunehmen und in einzelnen Dateien
abzulegen. Dass die Wiedergabe der Einzelbilder auch in einem "Video" möglich sei,
habe eine bloß untergeordnete Bedeutung. Die Funktion "Video-Aufzeichnen" entspreche
zudem, anders als die Funktion der Einzelbilder-Aufnahme, nicht dem gegenwärtigen
Stand der Technik. Die Modelle der Serie "Version E" glichen insoweit den Modellen
"Version C" und "Version D", die der Antragsgegner zutreffend in die Code-Nr. 8525 8030
00 eingereiht habe.
Die Antragstellerin meint, ihr Antrag auf Erlass von einstweiligen Anordnungen, mit denen
der Antragsgegner zur Änderung der vZTA in ihrem Sinne verpflichtet werden solle, sei
zulässig, auch wenn durch sie die Entscheidungen des Hauptsacheverfahrens
vorweggenommen würden, denn auf anderem Wege könne kein wirksamer Rechtsschutz
erreicht werden: Sobald eine Einreihungsverordnung erlassen worden sei, könnten vZTA
nur noch auf Basis dieser Einreihungsverordnung erteilt werden. Da zu erwarten sei, dass
eine Einreihungsverordnung erlassen werde, die eine Einreihung der Kameras unter die
Code-Nr. 8525 8099 vorgebe, werde dann die nach gegenwärtiger Rechtslage
zutreffende Einreihung unter die Code-Nr. 8525 8030 nicht mehr möglich sein. Durch sein
unzulässiges Abwarten bis zum Erlass einer Einreihungsverordnung unterlaufe der
Antragsgegner den nach gegenwärtigem Recht bestehenden Anspruch der
Antragstellerin auf Erteilung der begehrten vZTA zur Code-Nr. 8525 8030, die nach Art.
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12 Abs. 6 Zollkodex über den Zeitpunkt des Erlasses der Einreihungsverordnung hinaus
eine Bindungswirkung zugunsten der Antragstellerin entfalten würden.
Die Antragstellerin weist darauf hin, dass die begehrten vZTA auch von Bedeutung seien
für den Ausgang ihrer Rechtsmittelverfahren, die sie gegen die Festsetzung von
Einfuhrzoll für bereits erfolgte Einfuhren der streitgegenständlichen Kameras führe und
die bis zum Abschluss des Verfahrens wegen der Erteilung der beantragten vZTA-
Bescheide ruhten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die drei
Bescheide über die Erteilung jeweils einer verbindlichen Zolltarifauskunft vom ... 2013
(vZTA-Nr. DE ...-3, DE ...-4 und DE ...-5) gegen Sicherheitsleistung dahingehend zu
ändern, dass eine Einreihung der jeweiligen Ware in die TARIC-Nr. 8525 8030 00 erfolgt,
bzw. hilfsweise,
dass eine Einreihung der jeweiligen Ware in die TARIC-Nr. 8525 8090 00 erfolgt.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Der Antragsgegner meint, die Anträge seien unzulässig, weil mit ihnen das Ziel des
Hauptsacheverfahrens vorweggenommen werde. Die für die ausnahmsweise Zulässigkeit
solcher Anträge vorausgesetzte besondere Intensität des Anordnungsgrundes liege nicht
vor. Weder sei die wirtschaftliche oder persönliche Existenz der Antragstellerin in Frage
gestellt noch drohe bei einer Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine
erhebliche Verletzung von Grundrechten.
5. Dem Gericht lag außer den Schriftsätzen nebst Anlagen die Verfahrensakte des
Antragsgegners vor (Gz.: ... lfd. Nr. .../...).
Entscheidungsgründe
II. Die Anträge der Antragstellerin sind unzulässig
1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht zur vorläufigen Sicherung einer
Rechtsposition des Antragstellers eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustandes die Rechtsverwirklichung vereitelt oder wesentlich erschwert
wird (sogenannte Sicherungsanordnung). Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind
einstweilige Anordnungen auch zur vorläufigen Regelung eines streitigen
Rechtsverhältnisses zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu
verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (so genannte
Regelungsanordnung).
Da eine einstweilige Anordnung nur dem vorläufigen Rechtsschutz dient, muss sich die
Anordnung auf eine vorläufige Regelung beschränken. Sie ist grundsätzlich unzulässig,
soweit sie das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnehmen
und damit dieser endgültig vorgreifen würde (vergleiche bereits BFH, Beschluss vom
09.12.1969, VII B 127/69; weitere Nachweise bei Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung
Finanzgerichtsordnung, § 114 FGO Rdnr. 41 m. w. N.).
Allerdings kann eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven
Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zulässig sein, denn das
grundsätzliche Verbot einer eventuellen Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt es
nicht, die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes hintanzustellen. Es ist zulässig
und geboten, dem effektiven Rechtsschutz den Vorzug zu geben, wenn eine
Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät kommt und ein
irreparabler Rechtsverlust droht (BVerfG, Beschluss vom 15.08.2002, 1 BvR 1790/00;
Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR). So ist eine dem Ergebnis des Hauptsacheverfahrens
endgültig vorgreifende Regelungsanordnung dann ausnahmsweise zulässig, wenn sie
zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist, der Erfolg des Antragstellers
im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere
Intensität aufweist (BFH, Beschluss vom 23.09.1998, I B 82/98). Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass das Vorwegnahmeverbot nur verhindern soll, dass es zu
Eilentscheidungen kommt, die sich in einem später geführten Hauptsacheverfahren als
fehlerhaft erweisen und deren Wirkung dann nicht mehr effektiv rückgängig gemacht
werden kann. Einstweilige Anordnungen, die nicht zu einem in diesem Sinne irreparablen
Zustand führen, werden von dem Verbot deshalb nicht erfasst (BFH, Beschluss vom
21.02.1984, VII B 78/83). Aus demselben Grund kann es einer Eilentscheidung nicht
entgegenstehen, wenn die Rechtslage klar und eindeutig ist und daher die Gefahr einer
Fehlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht (BFH, Beschluss vom
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13.11.2002, I B 147/02).
2. Die Anträge der Antragstellerin - sowohl die Hauptanträge als auch die Hilfsanträge -
sind schon deswegen unzulässig, weil sie darauf zielen, im Wege einer
Regelungsanordnung die Hauptsache vorwegzunehmen, denn die Antragstellerin
begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass geänderter vZTA und damit
den Zustand, der im Erfolgsfalle im Hauptsacheverfahren erreicht werden könnte. Eine
Situation, in der ausnahmsweise die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen
werden darf, liegt nicht vor.
Die Antragstellerin macht insoweit zwar geltend, ohne die einstweilige Anordnung drohe
ihr ein endgültiger Rechtsverlust: Nach gegenwärtiger Rechtslage habe sie einen
Anspruch auf Erteilung von geänderten vZTA, die gemäß Art. 12 Abs. 6 ZK über den
Zeitpunkt des Erlasses der zu erwartenden, abweichenden Einreihungsverordnung
hinaus Rechtswirkungen haben würden. Diese Rechtsposition drohe sie ohne Erlass der
einstweiligen Anordnung (und der vZTA) unwiederbringlich zu verlieren, denn der
Antragsgegner habe deutlich gemacht, vor Erlass der Einreihungsverordnung über die
Einsprüche der Antragstellerin nicht zu entscheiden, und es sei damit zu rechnen, dass
vor der Entscheidung in der Hauptsache eine die Rechtslage zu Ungunsten der
Antragstellerin abweichende Einreihungsverordnung erlassen werde, die dann für die
Entscheidung der Hauptsache maßgeblich sein werde.
Der beschließende Senat hält die Anträge hingegen für unzulässig, denn er vermag im
summarischen Verfahren nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen, unter denen im
Eilverfahren ausnahmsweise das Hauptsacheverfahren vorweggenommen werden darf,
vorliegend gegeben sind, insbesondere
- dass der Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist, also die
Antragstellerin einen Anspruch darauf hat, dass die streitgegenständlichen Kameras in
die von der Antragstellerin benannten Positionen einzuordnen sind;
- dass mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass eine
Einreihungsverordnung ergeht, die zu Lasten der Antragstellerin dazu führen wird, dass
die Kameras in eine ungünstigere Tarifposition eingereiht werden als ohne diese
Einreihungsverordnung;
- dass diese Einreihungsverordnung vor Entscheidung der Hauptsache ergehen wird.
a) Schon die Einreihung der streitgegenständlichen Waren ist zweifelhaft.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des
Bundesfinanzhofs (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C-121/95; BFH, Urteil vom
18.11.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom
05.10.1999, VII R 42/98, und vom 23.07.1998, VII R 36/97) ist das entscheidende
Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven
Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und
Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des
Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die
Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen
nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen
Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es
nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und
Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die
von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht
verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen
(vgl. EuGH, Urteil vom 09.12.1997, C-143/96, und vom 19.05.1994, C-11/93). Auf den
Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der
Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug
genommen wird (vgl. BFH, Urteil vom 14.11.2000, VII R 83/99, Urteil vom 05.10.1999, VII
R 42/98; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02).
bb) Zwischen den Beteiligten ist die Frage im Streit, ob die streitgegenständlichen
Kameras in die Position 8525 8099 (so der Antragsgegner) oder in die Position 8525
8030, hilfsweise Pos. 8525 8091 (so die Antragstellerin) einzureihen sind.
(1) Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Antragsgegner die beiden
anderen Modelle - Version D und Version C - in die Code-Nr. 8525 8030 eingereiht hat,
für die Einreihung der streitgegenständlichen Modelle nicht maßgeblich ist. Die insoweit
erteilten vZTA haben eine Rechtswirkung nur für die Festsetzung von Abgaben für die
Einfuhr dieser Modelle, nicht aber für die Erteilung von vZTA für andere Modelle,
insbesondere präjudizieren sie nicht das Gericht bei seiner Einreihungsentscheidung. Im
Übrigen hat die Antragstellerin auch nicht hinreichend substantiiert und im Rahmen eines
summarischen Verfahrens ohne weiteres leicht nachvollziehbar dargetan, dass die
Modelle Version D und Version C mit den streitgegenständlichen Modellen der Version E
in allen Aspekten, die für die Einreihung maßgeblich sein könnten, identisch sind.
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(2) Über die zutreffende Einreihung kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
nicht entschieden werden. Die Einreihungssituation ist nicht klar und eindeutig (vgl. zu
diesem Erfordernis im einstweiligen Rechtsschutz BFH, Beschluss vom 13.11.2002, I B
147/02).
Zweifelsfrei ist derzeit nur - wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig -, dass die
Waren in die Unterpos. 8525 80 "Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und
Videokameraaufnahmegeräte" einzureihen sind und dort nicht in die Unterposition 8525
8011 "Fernsehkameras". Die zwischen den Beteiligten streitige weitere Einreihung ist
jedoch zweifelhaft:
Digitale Fotoapparate (Unterpos. 8525 8030) sind von einer Einreihung in die
Unterpositionen 8525 8091 und - 8099 ausgeschlossen, wenn sie nicht in der Lage sind,
bei Ausnutzung der maximalen Speicherkapazität in einer Auflösung von 800 × 600 Pixel
(oder höher) bei 23 Bildern pro Sekunde (oder mehr) mindestens 30 Minuten einer
einzelnen Videosequenz aufzuzeichnen (Erl KN Pos. 8525 Rdnr. 12.5). Zur Abgrenzung
der Unterpositionen 8525 8091 und 8525 8099 voneinander ist sodann von Bedeutung
(Erl. KN Pos. 8525 Rdnr. 12.7-13.1), ob nicht nur die von der Kamera aufgenommenen
Töne und Bilder, sondern auch Signale externer Quellen (z. B. von DVD-Playern,
automatischen Datenverarbeitungsmaschinen oder Fernsehempfangsgeräten)
aufgezeichnet werden können, wobei unerheblich ist, ob der Videoeingang durch eine
Abdeckung (Blende) oder auf andere Weise verschlossen ist, oder der Videoanschluss
erst nachträglich mit Hilfe von Software als Videoeingang aktiviert werden kann.
Bereits bei kursorischer Durchsicht des Gutachtens A finden sich Feststellungen des
Gutachters (Hervorhebungen in den folgenden Zitaten erfolgen nur hier), aufgrund derer
es im Rahmen der summarischen Prüfung jedenfalls nicht als von vornherein
ausgeschlossen angesehen werden kann, dass die vom Antragsgegner vorgenommene
Einreihung in die Pos. 8525 8099 zutreffend sein kann.
- Zur Funktion heißt es dort: "alle drei Varianten der ZZ-Produkt-X-Kameras können als
Fotokamera oder Videokamera eingesetzt werden" (S. 3).
- Zur Möglichkeit der Aufzeichnung einer Videosequenz findet sich die Feststellung: "Die
längste in allen Tests der "E"-Version auftretende Abspielzeit einer MPEG-4-Videodatei
beträgt maximal 26 Minuten und 3 Sekunden ... Dauert eine Videoaufnahme länger als
diese Zeitspanne, so wird mindestens eine zweite MPEG-4- Videodatei bzw. ggfs. weitere
Dateien auf der Speicherkarte gespeichert. Der Verwandtschaftsgrad dieser Dateien, die
die Daten einer für den Betrachter scheinbar ununterbrochenen Videosequenz enthalten,
..." (S. 5.)
- Zum Bestehen einer Aufzeichnungsmöglichkeit ist zu lesen: "Somit ist die erste Frage in
3a (Übertragung von Daten/Videos von einem PC auf ein in der Speicherkamera
befindliches Speichermedium) zu bejahen." (S. 8).
Unabhängig davon, wie die Kameras letztlich zutreffend einzureihen sind, wird unter
Berücksichtigung dieser Feststellungen des Gutachters deutlich, dass die
Einreihungsfrage jedenfalls nicht, wie es für die Zulässigkeit der gestellten Anträge
erforderlich wäre, klar und eindeutig im Sinne der Antragstellerin beantwortet werden
kann. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der
Aufzeichnungsmöglichkeiten auch Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchen des
Finanzgerichts Düsseldorf an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 02.04.2014
(4 K 1455/13 Z, Frage 2) ist.
b) Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin, selbst wenn ihr
Einreihungsbegehren nach gegenwärtigem Recht berechtigt wäre, keinen Anspruch auf
eine sofortige Entscheidung über ihre Einsprüche hätte. Nach Art. 7 Abs. 1 ZK-DVO ist die
zuständige Behörde zwar dazu verpflichtet, eine beantragte vZTA unverzüglich zu
erteilen. Hat sie drei Monate nach Annahme des Antrages die vZTA noch nicht erteilt,
muss sie allerdings lediglich den Antragsteller über den Grund der Verzögerung
unterrichten und den Zeitraum angeben, innerhalb dessen sie voraussichtlich die
Auskunft erteilen kann (vgl. Schulmeister in Witte, Zollkodex, Art. 12 Rdnr. 8; Lux in
Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 12 Rdnr. 18). Hier hat der Antragsgegner bereits vZTA erteilt.
Die Antragstellerin hat diese vZTA zwar angefochten. Eine Regelung zur Entscheidung
im Einspruchsverfahren findet sich indes im ZK-DVO nicht. Eine Pflicht zur
Beschleunigung im Einspruchsverfahren, die über die für das Antragsverfahren geregelte
Pflicht hinausgeht, kann nicht erkannt werden.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner der Antragstellerin auch den Grund für die
Verzögerung mitgeteilt, nämlich dass zurzeit ein Verfahren der Kommission zur Klärung
der (auch zwischen den Beteiligten) streitigen Einreihungsfrage durchgeführt wird. In
diesem Umstand liegt ein sachgerechter Grund, über die Einsprüche noch nicht zu
entscheiden. Denn der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und damit auch des
Tarifrechts kommt eine besondere Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarkts zu
(vgl. z. B. Art. 26 ff. AEUV), bei dem es sich um eines der grundlegenden Ziele des
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Unionsrechts handelt.
c) Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der beschließende Senat nach der im
Eilverfahren maßgeblichen Aktenlage nicht die erforderlichen Feststellungen dazu treffen
kann, ob, wie die Antragstellerin behauptet, tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit
damit zu rechnen ist, dass eine Einreihungsverordnung erlassen und diese
gegebenenfalls zu Lasten der Antragstellerin dazu führen wird, dass die Kameras in eine
andere Tarifposition einzureihen sein werden als ohne diese Einreihungsverordnung, und
wann mit dem Erlass der Verordnung gegebenenfalls zu rechnen ist. Weitere
Ermittlungen sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch insoweit nicht
durchzuführen.
d) Im Übrigen stellt die von der Antragstellerin erwartete Veränderung ihrer Rechtsposition
nach Ansicht des beschließenden Senats keinen irreparablen Rechtsverlust dar, der
ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnte.
Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt würde, dass die bereits erteilten
vZTA nach gegenwärtigem Recht in ihrem Sinne geändert werden müssten - was, wie
dargelegt, jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht festgestellt werden kann - wäre
Folgendes zu bedenken: Gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a) Nr. i) ZK wird eine vZTA
ungültig, wenn sie aufgrund des Erlasses einer Verordnung dem damit gesetzten Recht
nicht mehr entspricht. Würden der Antragstellerin die begehrten vZTA erteilt, so wären sie
mit Erlass der von der Antragstellerin erwarteten Einreihungsverordnung ungültig, so dass
der Nichterlass der begehrten vZTA grundsätzlich nicht mit einem Rechtsverlust
verbunden wäre. Die Antragstellerin bezieht sich zur Begründung ihres
Rechtsschutzbedürfnisses auf die Regelung in Art. 12 Abs. 6 ZK, nach der eine vZTA, die
ungültig wird, weil sie aufgrund des Erlasses einer Einreihungsverordnung nicht mehr
dem gesetzten Recht entspricht, von dem Berechtigten nach den näher bestimmten
Modalitäten noch sechs Monate verwendet werden kann. Nach Ansicht des
beschließenden Senats kann eine Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht mit der
Fortwirkung einer ungültig gewordenen vZTA begründet werden. Denn es kann nicht
unbeachtet bleiben, dass diese Regelung dem Vertrauensschutz (vgl. Schulmeister in
Witte, Zollkodex, Art. 12 Rdnr. 93 ff.) in die Fortgeltung des geltenden Rechts dient, das
durch die Erteilung einer vZTA festgestellt worden ist. Die Einräumung einer solchen
vertrauensgeschützten Rechtsposition ist jedoch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die
Rechtslage bereits in dem Zeitpunkt, in dem (eigentlich) über den Antrag auf Erteilung
einer vZTA (oder über den Einspruch gegen eine vZTA) entschieden werden könnte,
deswegen bereits unsicher (geworden) ist, weil zwischen den Mitgliedsstaaten
Uneinigkeit über die zutreffende Einreihung herrscht und ein Verfahren eingeleitet worden
ist, in dem diese Uneinigkeit zeitnah durch Erlass einer Einreihungsverordnung beseitigt
werden soll.
e) Auch hinsichtlich der von der Antragstellerin angesprochenen Verfahren, in denen über
Einfuhrabgabenscheide für bereits eingeführte Kameras gestritten wird und die bis zum
Abschluss des vZTA-Verfahrens ruhen, ist eine Gefährdung der Rechtsposition der
Antragstellerin nicht zu befürchten. Bereits eingeführte Kameras dürften unabhängig von
einer gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erlassenen Einreihungsverordnung auf
der Grundlage des bei der Einfuhr geltenden Rechts einzureihen sein.
4. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung
der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.