Urteil des FG Hamburg vom 31.07.2013
FG Hamburg: treu und glauben, versetzung, verfall, eugh, erlass, urlaub, form, schadenersatz, offenkundig, hauptsache
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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Zum Verfall des Anspruches auf Erholungsurlaub nach Aufhebung der Versetzung in den Ruhestand.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 1. Senat, Beschluss vom 31.07.2013, 1 Bs 187/13
§ 13 UrlV HA, § 68 BG HA
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. Juni
2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur
Gewährung von Erholungsurlaub für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in einem Umfang von insgesamt 90
Arbeitstagen. Der Antragsteller wurde durch Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 5. Februar 2009 wegen
Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Mai 2009 in den Ruhestand versetzt. Das Verwaltungsgericht Hamburg
hob im Urteil vom 17. April 2012 (20 K 3329/10) den Senatsbeschluss auf. Den hiergegen von der Beklagten
erhobenen Antrag auf Zulassung der Berufung wies das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss
vom 10. September 2012 (1 Bf 106/12.Z) zurück. Am 1. November 2012 trat der Antragsteller seinen Dienst
an. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 machte er gegenüber der Antragsgegnerin Urlaubsansprüche für die
Jahre 2009, 2010 und 2011 geltend. Um einem möglichen Verfall der Urlaubsansprüche zu vermeiden,
beantragte er zudem am 17. Juni 2013 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg, ihm ab dem 24. Juni 2013 Urlaub
für die Jahre 2009, 2010 und 2011 zu gewähren. Der Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom
20. Juni 2013 (21 E 2379/13) abgelehnt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe
erschüttern im Hinblick auf die Darlegungen zu einem weitergehenden unionsrechtlichen Anspruch den
verwaltungsgerichtlichen Beschluss. Die Beschwerde hat jedoch auch bei einer nicht auf die dargelegten
Gründe beschränkten Prüfung des geltend gemachten einstweiligen Rechtsschutzes keinen Erfolg.
Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Es ist nicht mit der für den Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Antragsteller
Erholungsurlaub über die Jahre 2009, 2010 und 2011 aus § 68 Abs. 1 HmbBG i.V.m. § 2 HmbEUrlVO (1.), im
Wege der Folgenbeseitigung (2.) oder aus einem unionsrechtlichen Schadenersatzanspruch (3.) beanspruchen
kann. Hinsichtlich der geltend gemachten Folgenbeseitigungs- und Schadenersatzansprüche ist nicht
ersichtlich, dass der Antragsteller auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen ist; insoweit fehlt
es an einem Anordnungsgrund (4.).
1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Gewährung von
Erholungsurlaub für die Jahre 2009, 2010 und 2011 aus § 68 Abs. 1 HmbBG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2
HmbEUrlVO nach § 13 Abs. 2 HmbEUrlVO verfallen ist.
1.1. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 HmbErUrlVO verfällt Erholungsurlaub, der nicht innerhalb von neun Monaten
nach dem Ende des Urlaubsjahres (sog. Übertragungszeitraum) genommen worden ist. Allerdings ist der
Erholungsurlaub, der aufgrund des Eintritts einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit nicht spätestens zum
Ende des Übertragungszeitraumes erhalten wurde, zum Zeitpunkt des bei Rückkehr in den Dienst laufenden
Jahres oder des nächsten Urlaubsjahres zu gewähren. Genügt im Einzelfall diese Regelung nicht den
unionsrechtlichen Anforderungen, die Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG für den Mindesturlaub aufstellt,
dann verfällt der unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubsanspruch, wenn er nicht binnen 18 Monaten
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nach dem Ende des Urlaubsjahres gewährt und genommen worden ist (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, 2 C 10/12,
juris 22; EuGH, Urt. v. 22.11.2011, 2 C-214/10, KHS, NJW 2012, 290, juris Rn. 22, 41, 42; OVG Hamburg, Urt.
v. 19.4.2013, 1 Bf 155/11, juris). Die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes
(BAG, Urt. v. 7.8.2012, DB 2012, 2462) greift bereits deshalb nicht ein, weil sie sich nicht auf Ansprüche auf
Erholungsurlaub nach § 44 Beamtenstatusgesetz i.V.m. § 68 HmbBG bezieht.
1.2. Der Antragsteller hat seinen Erholungsurlaub für die Jahre 2009 bis 2011 nicht innerhalb von neun Monaten
nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres genommen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 HmbEUrlVO). Das
Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in § 13 Abs. 2 Satz 3 und 4 HmbEUrlVO
geregelte Ausnahme von dieser allgemeinen Verfallregelung keine Anwendung findet, da der Antragsteller
seinen Erholungsurlaub der Jahre 2009 bis 2011 nicht „aufgrund des Eintritts einer vorübergehenden
Dienstunfähigkeit nicht erhalten hat“. Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus,
dass der Antragsteller den Erholungsurlaub nicht aufgrund einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit, sondern
aufgrund seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht erhalten hat. Dass die Versetzung in den
Ruhestand und nicht die Dienstunfähigkeit kausal für die fehlende Gewährung von Erholungsurlaub war, wird
insbesondere in den Zeiten deutlich, in denen der Antragsteller ausweislich der im Rechtsstreit über die
Versetzung in den Ruhestand vorgelegten privatärztlichen Stellungnahme (Gutachten vom 4.12.2008) bzw.
dem Gutachten des Personalärztlichen Dienstes vom 12.Juli 2011 eingeschränkt dienstfähig war. Trotz der
Dienstfähigkeit konnte der Antragsteller aufgrund der damals noch rechtswirksamen Versetzung in den
Ruhestand keinen Erholungsurlaub beantragen, da dieser nach deutschem Recht nur den aktiven Beamten,
nicht aber den Ruhestandsbeamten zusteht. Denn für Ruhestandsbeamte fehlt es an einer
Dienstleistungspflicht, von deren Erfüllung der Beamte zum Zwecke des Urlaubs befreit werden könnte.
1.3. Deshalb verbietet sich auch eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass eine vorübergehende
Dienstunfähigkeit i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 3 und 4 HmbEUrlVO auch dann gegeben ist, wenn der Beamte wegen
Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden ist, die Versetzung in den Ruhestand jedoch
später rückwirkend aufgehoben wird. Sofern der Antragsteller hiergegen einwendet, dass diese Auslegung die
Rechte der zu Unrecht in den Ruhestand versetzten dienstunfähigen Beamten verkürze, führt dies zu keinem
anderen Ergebnis. Denn ein Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub ist nur nach Maßgabe der Gesetze
eingeräumt. Zudem kann der Senat eine Verkürzung der Rechte des Antragstellers nicht erkennen: Dieser war
in dem hier streitigen Zeitraum vom 31. Mai 2009 bis zum 31. Dezember 2011 aufgrund der Versetzung in den
Ruhestand ohne Einschränkungen und unabhängig von dem Nachweis der Dienstunfähigkeit von seiner
Dienstpflicht befreit und nach seinem Vortrag im Zurruhesetzungsverfahren (eingeschränkt) dienstfähig. Einer
Befreiung von seinen Dienstpflichten zum Zwecke des Erholungsurlaubs bedurfte es daher nicht.
Soweit der Antragsteller geltend macht, im Lichte der Wesentlichkeitstheorie bedürfe es einer expliziten
gesetzlichen Regelung, verkennt er, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs in § 13 HmbEUrlVO ausdrücklich
aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 68 HmbBG geregelt ist.
1.4. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Antragsteller für die Jahre 2009 bis 2011 unionsrechtlich ein
Anspruch auf Gewährung von Mindesturlaub zusteht. Denn ein solcher Anspruch wäre ebenfalls verfallen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 31.1.2013, a.a.O.; dem folgend
OVG Hamburg, Urt. v. 19.4.2013, 1 Bf 155/11, juris), die sich auf die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes (EuGH, Urt. v. 22.11.2011, a.a.O.) stützt, verfällt der unionsrechtliche Anspruch auf Gewährung
von Mindesturlaub, wenn dieser nicht 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres gewährt und genommen
worden ist. Der Mindesturlaub für das Jahr 2009 wäre demnach am 1. Juli 2011, für 2010 am 1. Juli 2012 und
der für 2011 am 1. Juli 2013 verfallen. Nach der zitierten Rechtsprechung tritt der Verfall immer dann ein, wenn
dieser vor Ablauf des Übertragungszeitraumes von 18 Monaten nicht genommen worden ist. Die vorherige
Beantragung und auch die Geltendmachung eines hierauf bezogenen einstweiligen Rechtsschutzes reichen
demnach nicht aus, den Verfall zu verhindern (vgl. so auch im nationalen Recht: BVerwG, Urt. v. 25.2.1988, 2
C 3/86, juris; VGH Kassel, Urt. v. 6.9.1989, DÖD 1990, 191).
2. Der Antragsteller kann nicht im Wege der Folgenbeseitigung verlangen, ihm den geltend gemachten
Urlaubsanspruch zu gewähren. Auch wenn dem Antragsteller im Wege der Folgenbeseitigung ein Anspruch
zustünde, ihn so zu stellen, als ob er nicht rechtswidrig in den Ruhestand versetzt worden wäre, wäre der
Verfall der Urlaubsansprüche keine unmittelbare und andauernde Folge seiner rechtswidrigen Versetzung in den
Ruhestand. Vielmehr beruht der Verfall seiner Urlaubsansprüche auf dem Zeitablauf.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller nach Treu und Glauben im Hinblick
auf die rechtswidrige Versetzung in den Ruhestand so zu stellen wäre, als sei er dienstunfähig gewesen.
Insbesondere ist nicht ersichtlich, welchen treuwidrigen Verlust der Antragsteller während des hier streitigen
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Zeitraums erlitten hat.
3. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm aus Unionsrecht ein Anspruch auf Gewährung von
Schadenersatz in Form der Naturalrestitution zusteht. Ein derartiger Schadenersatzanspruch setzt voraus,
dass die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Freie und Hansestadt Hamburg in qualifizierter Weise gegen
unionsrechtliche Vorgaben verstoßen haben. Ein qualifizierter Verstoß ist insbesondere dann gegeben, wenn
die nationale Rechtslage offenkundig in Widerspruch zur unionsrechtlichen Rechtslage bzw. zur
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes steht (vgl. EuGH, Urt. v. 25.11.2010, C-429/09, Fuß, Slg
2010, I- 12167). Ein offenkundiger Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes besteht
nicht. Denn der Europäische Gerichtshof hat bisher nur entschieden, dass der Anspruch auf Inanspruchnahme
eines bezahlten Jahresurlaubs bei Arbeits- oder Dienstunfähigkeit des Angestellten bzw. Beamten während des
Übertragungszeitraumes nicht verfällt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.6.2012, C-78/11, juris; Urt. v. 3.5.2012, C-337/10,
NVwZ, 2012, 688; Urt. v. 24.1.2012, C-282/10, Dominguez; Urt. v. 22.11.2011, C-214/10, KHS, a.a.O; Urt. v.
7.4.2011, C-519/09, May, juris; Urt. v. 10.9.2009, C-277/08, Vicente Pereda, Slg 2009, I-08405; Urt. v.
20.1.2009, C-350/06, Schultz-Hoff, Slg 2009, I-179). Bisher nicht entschieden ist die Frage, ob der
Urlaubsanspruch auch dann besteht und während eines Übertragungszeitraumes zu gewähren ist, wenn der
Beamte wegen einer später aufgehobenen Zurruhesetzung von seinen Dienstpflichten befreit war. Es ist auch
nicht ersichtlich, dass dieser Fall ohne weiteres jenen gleichzustellen ist, in denen der Beamte den Urlaub
krankheitsbedingt nicht nehmen konnte. Denn der Europäische Gerichtshof hat in den aufgeführten
Entscheidungen u.a. ausgeführt (vgl. Urt. v. 22.11.2011, KHS, a.a.O., Rn. 31; Urt. v. 20.1.2009, Schultz-Hoff,
a.a.O., Rn. 25), dass mit der Gewährung des Mindesturlaubs der Zweck verfolgt wird, dem Arbeitnehmer zu
ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu
erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dass dies dem nach
seinen eigenen Angaben im Zurruhesetzungsverfahren während des hier streitigen Zeitraumes arbeitsfähigen
Antragsteller nicht möglich war, ist nicht ersichtlich.
4. Darüber hinaus hat der Antragsteller bezogen auf einen Urlaubsanspruch aus einem Folgenbeseitigungs-
bzw. Schadenersatzanspruch nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsgrund besteht. Die Gefahr, dass
diese Ansprüche ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor einer Entscheidung in der Hauptsache
verfallen, besteht bei den genannten (Sekundär-)Ansprüchen nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.