Urteil des FG Hamburg vom 08.05.2014

FG Hamburg: europäische union, costa rica, ware, verordnung, öl, verkehr, ursprungsland, erhaltung, behandlung, zustand

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Präferenzzoll: Vorabentscheidungsersuchen: Präferenzzoll bei Einfuhr von beim Transport
vermischten gleichen und austauschbaren Waren verschiedener Ursprungsländer mit
gleichem Präferenzstatus
Ist die tatbestandliche Voraussetzung des Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZK-DVO), wonach die zur
Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr in der Europäischen Union angemeldeten Erzeugnisse dieselben sein müssen
wie die, die aus dem begünstigten Land, als dessen Ursprungserzeugnisse sie gelten, ausgeführt wurden, in einem Fall wie
dem vorliegenden erfüllt, wenn mehrere Teilmengen Rohpalmkernöl aus verschiedenen APS-Ausfuhrländern, als deren
Ursprungserzeugnisse sie jeweils gelten, nicht physisch voneinander getrennt ausgeführt und in die Europäische Union
eingeführt, sondern bei der Ausfuhr jeweils in denselben Tank des Transportschiffes gefüllt und in diesem Tank miteinander
vermischt in die Europäische Union eingeführt werden, wobei ausgeschlossen werden kann, dass während des Transports
dieser Erzeugnisse bis zu deren Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr andere - insbesondere nicht
präferenzbegünstigte - Erzeugnisse in den Tank des Transportschiffes gelangt sind?
FG Hamburg 4. Senat, Beschluss vom 08.05.2014, 4 K 142/12
Art 74 Abs 1 ZKDV, Art 74 Abs 2 ZKDV
Verfahrensgang
Gründe
I.
Die Klägerin meldete am 11.08.2011 fünf Einfuhrsendungen von Rohpalmkernöl, die aus
Kolumbien, Panama, Costa Rica und Ecuador in verschiedenen Tanks des Schiffs MS
"XX" nach Deutschland verbracht worden waren, zur Überführung in den zollrechtlich
freien Verkehr an und legte Präferenznachweise (Ursprungszeugnisse Formblatt A) der
genannten Länder vor.
Nachdem der Beklagte am 11.08.2011 die Einfuhrabgaben bei Eingang der
Zollanmeldung zunächst noch nicht abschließend festgesetzt hatte, erließ er am
08.12.2011 einen Einfuhrabgabenbescheid, mit dem er die Einfuhrabgaben für eine
Teilmenge des Öls ohne Gewährung der beantragten Präferenzbehandlung mit einem
Drittlandszollsatz von 6,4% berechnete und Einfuhrabgaben in Höhe von EUR 75.067
ZollEU abschließend festsetzte. Der Grund hierfür war, dass in einem der Tanks des
Transportschiffs (Tank ...) Öl verschiedener Einfuhrsendungen aus verschiedenen
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Ursprungsländern miteinander vermischt worden war.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren fristgerecht erhobenen Klage macht die
Klägerin geltend: Zwar verlange Art. 74 Art. 1 Satz 1 Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZK-
DVO) für die Präferenzgewährung, dass die zur Überlassung zum zollrechtlich freien
Verkehr angemeldeten Erzeugnisse dieselben sein müssten wie die, die aus dem
begünstigten Land, als dessen Ursprungserzeugnisse sie gelten würden, ausgeführt
worden seien.
Im Sinne dieser Vorschrift sei flüssige, präferenzbegünstigte Einfuhrware wie
Rohpalmkernöl aus einem APS-Ursprungsland auch dann noch dieselbe, wenn sie mit
einer weiteren Menge präferenzbegünstigten Rohpalmkernöl aus einem anderen APS-
Ursprungsland in demselben Schiffstank gemeinsam befördert und mit dieser vermischt
worden sei. Die gemeinsame Lagerung der Öle und die damit einhergehende
Vermischung zu Transportzwecken seien ursprungsneutral, weil dadurch der Zustand der
Öle nicht verändert werde. Eine andere Auslegung verstoße gegen Wortlaut und Kontext
des Art. 74 ZK-DVO, missachte das Ziel des EU-Gesetzgebers, eine praxisnahe
Anwendung der Vorschriften zu gewährleisten, und stehe im Widerspruch zum
Wirtschaftszollprinzip des Europäischen Zollrechts, wie es in Art. 212a ZK niedergelegt
sei.
Es sei nicht zweifelhaft, sondern entspreche der allgemeinen und gängigen, von der
Finanzverwaltung anerkannten Praxis, dass Schütt- oder Flüssigware aus demselben
APS-Ursprungsland insgesamt präferenzbegünstigt bleibe, auch wenn der Ausführer für
sie mehrere Ursprungszeugnisse besitze und die Ware nicht, den Zeugnissen
entsprechend, physisch getrennt transportiert werde. Ursprungszeugnisse für diese Art
von Waren würden regelmäßig für bestimmte Zeitabschnitte ausgestellt und einem "bill of
lading" zugeordnet, ohne dass dieses Papier einen Einfluss auf die tatsächliche
Beladung des Transportschiffes habe. Die Beladung richte sich nach anderen Kriterien
und Notwendigkeiten. Es könne nahezu ausgeschlossen werden, dass in der Praxis die
Anzahl und die Größe der Tanks bzw. Laderäume eines Schiffes den "bill of ladings" bzw.
den Ursprungszeugnissen entsprächen. Auch aufgrund von Restmengen in den
Transportbehältnissen und den Förderanlagen komme es zwangsläufig zu gewissen
Vermengungen. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und der Praxis einerseits und
von Sinn und Zweck der präferenzrechtlichen Vorschriften andererseits sei
auszuschließen, dass Art. 74 ZK-DVO formalistisch eine "1-zu1-Nämlichkeit" verlange.
Hinreichend sei, dass die Ware einen APS-Ursprung habe und ausgeschlossen werden
könne, dass drittländische Produkte oder Produktionsschritte in den Genuss der
Präferenzbegünstigung gelangten. Die Auslegung folge bei Beachtung des "effet-utile"-
Grundsatzes zwingend, denn die gegenteilige Auslegung würde den Anspruch auf
Präferenzbegünstigung für Schütt- und Flüssigwaren praktisch immer ins Leere laufen
lassen. Nicht anderes könne gelten, wenn bei ansonsten gleichem Sachverhalt Ware aus
zwei verschiedenen APS-Ursprungsländern transportiert werde.
Die Klägerin meint, auch aus der Vorschrift des Art. 78 Abs. 1 Buchst. m) ZK-DVO, nach
der das Mischen von Waren nicht ursprungsbegründend sei, ergebe sich, dass die
Vermischung nicht dazu führe, dass der vor dem Mischen gegebene Ursprung nicht mehr
maßgeblich sei. Selbst wenn indes davon ausgegangen würde, dass die Vermengung
präferenzbegünstigter Einfuhrware zweier APS-Ursprungsländer die präferenzrechtliche
Identität der Einfuhrware verändere, handele es sich um eine
Zustandserhaltungsmaßnahme im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Satz 2 ZK-DVO, die der
Präferenzbegünstigung nicht entgegenstehe. Die gängige, wirksame und praktisch
sinnvolle Methode, um die Oxidation des Öls und damit einhergehend die Verranzung
und den Schwund des Öls zu verhindern, sei die vollständige Befüllung des jeweiligen
Transporttanks.
Die Klägerin trägt vor, die gegenteilige Ansicht des Beklagten stehe im Widerspruch mit
der Rechtspraxis in anderen Mitgliedstaaten, z. B. den Niederlanden. Dort gelte
Rohpalmkernöl aus verschiedenen APS-Ausfuhrländern auch dann unverändert als
dasselbe, wenn es in einem Tank transportiert werde.
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 08.12.2011 in der Form der
Einspruchsentscheidung vom 09.08.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, dass Präferenzbegünstigung nur für nachweislich unveränderte Ware
gewährt werde. Er trägt vor, dass die Kommission mit der VO (EU) Nr. 1063/2010 ihre
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Anforderungen an den Schutz vor Manipulationen auf dem Transportweg derart verändert
habe, dass nunmehr auf einen Nämlichkeitsnachweis, die Unverändertheit der Ware und -
bei Lagerung oder Aufteilung - auf deren zollamtliche Überwachung abgestellt werde.
Werde Öl aus verschiedenen Ursprungsländern in einem gemeinsamen Tank vermischt,
handele es sich nicht mehr um das nämliche Öl, für das das jeweilige Ursprungszeugnis
ausgestellt worden sei.
Art. 212a ZK sei auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar.
II.
Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung von § 74
Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union
(EuGH) gemäß Art. 267 Satz 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.
1. Rechtlicher Rahmen
a) Verordnung (EG) Nr. 732/2008 des Rates vom 22. Juli 2008 über ein Schema
allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum ab 1. Januar 2009 und zur Änderung der
Verordnungen (EG) Nr. 552/97 und (EG) Nr. 1933/2006 sowie der Verordnungen (EG) Nr.
1100/2006 und (EG) Nr. 964/2007 der Kommission (ABl. L 211 vom 06.08.2008, S. 1)
Artikel 5
(1) Die vorgesehenen Zollpräferenzen gelten für die Einfuhren von Waren, auf die die
Regelungen anwendbar sind, die das begünstigte Ursprungsland in Anspruch nehmen
kann.
(2) Für die Zwecke der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Regelungen gelten die Regeln
über die Bestimmung des Begriffs der Ursprungserzeugnisse und die damit verbundenen
Verfahren und Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen, die in der Verordnung
(EWG) Nr. 2454/93 vorgesehen sind.
(3) Die regionale Kumulierung im Sinne und innerhalb der Vorschriften der Verordnung
(EWG) Nr. 2454/93 gilt auch für Waren, die in einem Land, das zu einem
Regionalzusammenschluss gehört, weiter verarbeitet werden und ihren Ursprung in
einem anderen Land des Zusammenschlusses haben, das die für das Fertigerzeugnis
geltenden Regelungen nicht in Anspruch nehmen kann, sofern beide Länder unter die
Bestimmungen über die regionale Kumulierung fallen.
b) Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit
Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur
Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253 vom 11.10.1993, S. 1) in der
Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1063/2010 der Kommission vom 18. November 2010
(ABl. L 307 vom 23.11.2010, S. 1)
Artikel 72
Die folgenden Erzeugnisse gelten als Erzeugnisse mit Ursprung in einem begünstigten
Land:
a) Erzeugnisse, die im Sinne des Artikels 75 vollständig in diesem Land gewonnen oder
hergestellt wurden;
b) Erzeugnisse, die in diesem Land unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt
wurden, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, sofern diese
Vormaterialien im Sinne des Artikels 76 in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet
worden sind.
...
Artikel 74
(1) Die zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr in der Europäischen Union
angemeldeten Erzeugnisse müssen dieselben sein wie die, die aus dem begünstigten
Land, als dessen Ursprungserzeugnisse sie gelten, ausgeführt wurden. Vor der
Anmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr dürfen sie nicht verändert, in
irgend einer Weise umgewandelt oder Be- oder Verarbeitungen unterzogen worden sein,
die über das zur Erhaltung ihres Zustands erforderliche Maß hinausgehen. Erzeugnisse
oder Sendungen können gelagert und Sendungen können aufgeteilt werden, wenn dies
unter der Verantwortung des Ausführers oder eines anschließenden Halters der Waren
geschieht und die Erzeugnisse in dem Durchfuhrland/den Durchfuhrländern unter
zollamtlicher Überwachung verbleiben.
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(2) Die Bedingung des Absatzes 1 gilt als erfüllt, sofern die Zollbehörden nicht Grund zur
Annahme des Gegenteils haben; in diesem Fall können die Zollbehörden den Anmelder
auffordern, die Erfüllung nachzuweisen, was in jeder Art geschehen kann, einschließlich
durch Vorlage vertraglich festgelegter Frachtpapiere wie Konnossements oder faktischer
oder konkreter Nachweise ausgehend von der Kennung oder Anzahl von Packstücken
oder durch jeden Hinweis auf die Waren selbst.
...
Artikel 78
(1) Unbeschadet des Absatzes 3 gelten folgende Be- oder Verarbeitungen ohne
Rücksicht darauf, ob die Bedingungen des Artikels 76 erfüllt sind, als nicht ausreichend,
um die Ursprungseigenschaft zu verleihen:
a) Behandlungen, die dazu bestimmt sind, die Erzeugnisse während des Transports oder
der Lagerung in ihrem Zustand zu erhalten;
...
m) einfaches Mischen von Erzeugnissen, auch verschiedener Arten; Mischen von Zucker
mit jeglichen Vormaterialien;
...
2. Entscheidungserheblichkeit.
Die Beantwortung der vorgelegten Frage ist entscheidungserheblich.
a) Der beschließende Senat geht mit den Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass
die aus den verschiedenen APS-Ländern ausgeführten Rohpalmkernöle jeweils
präferenzbegünstigt sind und dass in Bezug auf diese präferenzbegünstigten
Ausfuhrwaren vor allem auch die jeweils erforderlichen Ursprungszeugnisse vorliegen.
Die von der Klägerin begehrte und zwischen den Beteiligten streitige
Präferenzgewährung ist mithin allein davon abhängig, ob im Streitfall das in Art. 74 Abs. 1
Satz 1 ZK-DVO normierte Erfordernis, dass die zur Überlassung zum zollrechtlich freien
Verkehr in der Europäischen Union angemeldeten Erzeugnisse dieselben sein müssen
wie die, die aus dem begünstigten Land, als dessen Ursprungserzeugnisse sie gelten,
ausgeführt wurden, vor dem Hintergrund erfüllt ist, dass diese aus verschiedenen APS-
Ausfuhrländern stammenden Erzeugnisse in einen gemeinsamen Tank des Schiffes
gefüllt und in diesem Tank miteinander vermischt in die Europäische Union eingeführt
wurden. Sollte eine Präferenzgewährung erfordern und die Vorschrift des Art. 74 Abs. 1
Satz 1 ZK-DVO in dem Sinne auszulegen sein, dass jeweils präferenzbegünstigte Waren
desselben Erzeugniscodes physisch voneinander getrennt transportiert und in die
Europäische Union eingeführt werden müssen, wäre die Klage abzuweisen. Stünde die
im Streitfall erfolgte Vermischung der jeweils präferenzbegünstigten Erzeugnisse der von
der Klägerin begehrten Präferenzbehandlung nicht entgegen, hätte die Klage Erfolg und
die von der Klägerin angefochtenen Bescheide wären aufzuheben.
b) Der beschließende Senat hat erwogen, ob sich die Klägerin auf die Vorschrift des Art.
74 Abs. 1 Satz 2 ZK-DVO berufen kann, wonach einer Präferenzgewährung
Veränderungen, Umwandlungen oder Be- oder Verarbeitungen der Erzeugnisse vor der
Anmeldung zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr nicht entgegenstehen,
sofern diese über das zur Erhaltung ihres Zustands erforderliche Maß nicht hinausgehen.
Nach dem Dafürhalten des Senats ist indes das Auffüllen des Tanks mit weiterem
Rohpalmkernöl und die dadurch bedingte Vermischung der aus verschiedenen APS-
Ausfuhrländern herrührenden Rohpalmkernöle keine im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Satz 2
ZK-DVO zur Erhaltung ihres Zustands erforderliche Maßnahme.
Der ersuchende Senat geht aufgrund des unbestritten gebliebenen Vortrags der Klägerin
davon aus, dass flüssiges Rohpalmkernöl, das in nur zum Teil mit Öl und ansonsten mit
Luft gefüllten Schifftanks transportiert wird, seinen Zustand nachteilig verändert, soweit es
sich infolge einer Oxidation mit dem Sauerstoff der im Tank befindlichen Luft zersetzt, also
"ranzig" wird und schwindet.
Der ersuchende Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass es zur Vermeidung dieser
Zustandsveränderung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Satz 2 ZK-DVO erforderlich ist, das Öl
zu mischen. Erforderlich ist eine Maßnahme nur, wenn der Zustand der Ware auf eine
andere, die Nämlichkeit der Ware weniger beeinträchtigende Weise nicht erhalten werden
kann. Das Mischen des Öls ist in diesem Sinne nicht erforderlich, denn Schwund und
Verranzung treten nicht zwangsläufig beim Transport des Öls ein, sondern (nur), wenn für
den Transport unpassende, nämlich zu große Tanks gewählt werden. Jedenfalls wenn es
in passenden Tanks transportiert wird - so wie der größere Teil des von der Klägerin zur
Einfuhr angemeldeten Öls -, bleibt das Öl ohne weiteres in seinem ursprünglichen
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Zustand erhalten. Sollte bei der Bereitstellung eines jeweils passenden
Transportbehältnisses ein Mehraufwand bzw. höhere Kosten entstehen, macht dies das
Mischen noch nicht "erforderlich" im Sinne der Vorschrift. Selbst wenn - entgegen der
Auffassung des Senats - die Übergröße des Tanks als vorgegebener Umstand betrachtet
wird, kann der Senat nicht feststellen, dass die Vermischung mit anderem Öl zum Erhalt
seines Zustands erforderlich gewesen ist. Dass es durchaus noch andere Methoden gibt,
legt der Vortrag der Klägerin nahe, die die vollständige Befüllung des Tanks - mit Öl aus
einer anderen Partie - als "gängige und praktisch sinnvolle" Methode bezeichnet, nicht
aber als einzige Methode, um die Oxidation des Öls zu verhindern.
c) Der beschließende Senat hat bedacht, dass der Europäische Gerichtshof in seinem
Urteil vom 25.02.2010 (C-386/08) in der Rechtsache "Brita" erkannt hat, dass das
Erfordernis eines gültigen Ursprungsnachweises, der von der zuständigen Behörde
stammt, nicht als bloße Formalität angesehen werden kann, die unbeachtet bleiben kann,
wenn der Ursprungsort durch andere Beweismittel festgestellt wird (Rz. 57). Vielmehr
stellt der gültige, von der zuständigen Behörde des Ausfuhrstaates stammende
Ursprungsnachweis eine materielle Voraussetzung dar, damit die Präferenzbehandlung
gewährt werden kann (vgl. Rz. 56).
Der vorliegende Rechtsstreit ist freilich dadurch gekennzeichnet, dass für jede Teilmenge
Rohpalmkernöl, die aus den APS-Ländern Ecuador, Kolumbien, Costa Rica bzw.
Panama herrührte, jeweils ein von der zuständigen Behörde des Ausfuhrstaates
stammender Ursprungsnachweis vorliegt, so dass diese materielle
Präferenzvoraussetzung - im Unterschied zum Fall "Brita" - als erfüllt anzusehen ist.
3. Rechtliche Überlegungen des Senats in Bezug auf die Vorlagefrage
Der Senat hält die Beantwortung der gestellten Frage für zweifelhaft.
a) Die in Art. 74 Abs. 1 Satz 1 ZK-DVO verwendete Formulierung "dieselben Erzeugnisse
wie die, die aus dem begünstigtem Land, als dessen Ursprungerzeugnisse sie gelten,
ausgeführt wurden", ist ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig.
Zum einen könnte sie so verstanden werden, dass es sich jeweils um die stofflich
vollkommen identische Ware handeln muss mit der Folge, dass bei Vermischung zweier -
zunächst getrennter - Partien gleicher Waren keine stoffliche Identität vorliegt. Für eine
solche Auslegung könnte Art. 74 Abs. 1 Satz 3 ZK-DVO sprechen. Dort hat es der
Verordnungsgeber für notwendig erachtet zu regeln, dass unter weiter genannten
Bedingungen die Aufteilung einer Sendung unschädlich sein soll. Aus dem Umstand,
dass schon die Teilmengen einer einzigen aufgeteilten Warenpartie nicht ohne Weiteres
"dieselben Erzeugnisse" sind, könnte geschlossen werden, dass dies erst recht für die
Zusammenführung zweier Warenpartien gelten muss.
Zu einem anderen Auslegungsergebnis könnte allerdings die Normierung des Art. 74
Abs. 1 Satz 2 ZK-DVO führen, in dem geregelt ist, dass die Waren nur insoweit nicht
verändert, in irgendeiner Weise umgewandelt oder Be- oder Verarbeitungen unterzogen
werden dürfen, als dies über das zu ihrer Erhaltung erforderliche Maß hinausgeht. Auch
wenn hier - wie ausgeführt - in der Vermischung keine zur Erhaltung erforderliche
Maßnahme zu sehen ist, ist diese Vorschrift doch ein Hinweis darauf, dass die
vollkommene stoffliche Identität keine zwingende Voraussetzung ist. Weiter ist zu
erwägen, ob aus dieser Regelung folgt, dass Behandlungen der Ware, die keine
Änderung, Umwandlung, Be- oder Verarbeitung darstellen, unschädlich sind. Werden
zwei stofflich vollständig gleiche und untereinander austauschbare Waren miteinander
vermischt, ist die Mischware grundsätzlich nicht "anders" als ihre Ausgangsware und
auch nicht umgewandelt. Würde etwa eine einheitliche Warenpartie zunächst aufgeteilt -
etwa Öl vorübergehend in zwei Tanks gefüllt - und sodann wieder zusammengeführt - in
einen gemeinsamen Tank umgefüllt und dort gemischt -, könnte die stoffliche Identität der
Ware der Ausgangspartie und der Schlusspartie nur schwerlich verneint werden. Die
Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Satz 2 ZK-DVO könnte mithin ein Hinweis darauf sein, dass
die absolute stoffliche Identität keine zwingende Voraussetzung für die
Präferenzgewährung ist.
b) Auch stellt sich die Frage, ob eine enge Auslegung noch im Rahmen des Normzwecks
wäre. Normzweck dürfte die leichte und sichere Nachprüfung des präferentiellen
Ursprungs von Waren sein, um zu gewährleisten, dass die generell gewollte
Begünstigung des Ausfuhrlandes durch Gewährung der Präferenz nicht zu Unrecht in
Anspruch genommen wird. Es ist fraglich, ob in Fällen der bloßen Vermischung von
stofflich gleichen und untereinander austauschbaren Waren eine Nachprüfung überhaupt
(wesentlich) erschwert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mittels der Anwendung
von Art. 74 ZK-DVO die Regelung des Art. 5 VO (EG) Nr. 732/2008 verwirklicht werden
soll. Nach Art. 5 VO (EG) Nr. 732/20008 gelten die - im vorliegenden Fall unstreitig -
vorgesehenen Zollpräferenzen für die Einfuhren von Waren, auf die die Regelungen
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anwendbar sind, die das begünstigte Ursprungsland in Anspruch nehmen kann. Diese
Voraussetzung ist in dem vorliegenden Fall unstreitig erfüllt.
Dieser Überlegung steht auch nicht entgegen, dass der Gerichtshof mit Urteil vom
14.05.1996 (C-153/94, "Faroe Seafood u. a.", Rz. 53 ff., 58) entschieden hat, dass die
Zollpräferenz nach der Verordnung (EWG) Nr. 2051/74 nur gewährt werden darf, wenn die
Rohstoffe mit färöischem Ursprung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3184/74 bei der
Verarbeitung in einer färöischen Fabrik von Rohstoffen aus anderen Drittländern physisch
getrennt worden sind. Auch wenn die Entscheidungsgründe dieses Urteils keine
Ausführungen dazu enthalten, um welche Drittländer es sich seinerzeit gehandelt hat und
welchen präferenzrechtlichen Status diese hatten, hält es der ersuchende Senat für
möglich und sogar für wahrscheinlich, dass diese Drittländer nicht allesamt den gleichen
präferenzrechtlichen Status wie die Färöer hatten, denn ansonsten wäre ein Hinweis auf
diesen bedenkenswerten Umstand, dass sie den gleichen präferenzrechtlichen Status
hatten, zu erwarten gewesen. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich die
Entscheidung nur hinsichtlich solcher Fälle verallgemeinern lässt, in denen die Drittländer
nicht denselben Präferenzstatus haben wie das Land, dessen Präferenz der Einführer in
Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall genießen indes sämtliche Ausfuhrstaaten dieselbe
Präferenz.
c) Schließlich sollte bei der Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Satz 1 ZK-DVO auch in den
Blick genommen werden, dass der Verordnungsgeber mit dieser Vorschrift ersichtlich
eine "neue, einfachere und flexiblere Bestimmung" einführen wollte, "die darauf abzielt,
dass es sich bei den Waren, die bei der Anmeldung zur Überführung zum zollrechtlich
freien Verkehr in die Europäische Union gestellt werden, um dieselben Waren handelt,
die das begünstigte Ausfuhrland verlassen haben" (vgl. 16. Erwägungsgrund der VO Nr.
1063/2010). Das vom beklagten Hauptzollamt präferierte Verständnis liefe diesem
Anliegen des Verordnungsgebers indes entgegen.
d) Der ersuchende Senat sieht die Auslegungsfrage entgegen der Ansicht der Klägerin
durch die Regelung in Art. 78 ZK-DVO nicht beantwortet. Art. 78 Abs. 1 ZK-DVO
bestimmt, welche Be- oder Verarbeitungen nicht ausreichen, um die
Ursprungseigenschaft zu verleihen und nennt unter Buchst. m) das einfache Mischen von
Erzeugnissen. Das einfache Mischen von Erzeugnissen ist indes - in den Worten der
Klägerin - lediglich in dem Sinne eine "ursprungsneutrale Behandlung", als durch diese
Bearbeitung keine (neue) Ursprungseigenschaft begründet wird. Die Regelung des Art.
78 Abs. 1 Buchst m) ZK-DVO verhält sich jedoch nicht zu der hier interessierenden Frage,
ob durch das Mischen von Erzeugnissen die Nämlichkeit der aus dem jeweils
begünstigten Land ausgeführten Erzeugnisse mit den in die Europäische Union
eingeführten Erzeugnissen verloren geht.
e) Der ersuchende Senat sieht sich auch deswegen zur Vorlage an den Gerichtshof
veranlasst, weil die Klägerin nachvollziehbar vorgetragen und belegt hat, dass die
Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Satz 1 ZK-DVO in der Europäischen Union nicht einheitlich
ausgelegt wird. Zur Erreichung der für die Verwirklichung des Binnenmarkts
erforderlichen unionseinheitlichen Anwendungspraxis hält der ersuchende Senat die
Entscheidung durch den Gerichtshof für angezeigt.
Die Klägerin hat vor allem dargetan, dass nach der Praxis der niederländischen Behörden
die Vermischung von Rohpalmkernöl aus verschiedenen APS-Ländern für die
Gewährung der Präferenz unschädlich sei.
Auch die Rechtsanwendung der deutschen Behörden ist in der Behandlung von
Einfuhren, bei denen Waren verschiedener Ursprungszeugnisse gemischt worden sind,
nicht einheitlich. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin wird von
deutschen Behörden die Nämlichkeit in solchen Fällen nicht verneint, in denen mehrere
Partien gleicher Ware mit mehreren Ursprungszeugnissen bei der Ausfuhr gemischt
wurden, sofern sie aus demselben Ursprungsland stammen. Dieser Fall unterscheidet
sich zwar von dem Streitfall, weil dort die Partien ihren Ursprung in verschiedenen
Ländern haben. Die Vorschrift des Art. 74 ZK-DVO gibt indes nach Ansicht des
ersuchenden Senats für eine unterschiedliche Behandlung dieser Fallgestaltungen keine
Grundlage, sofern es sich - wie hier - jeweils um Ursprungsländer handelt, für die gleiche
Präferenzregeln gelten.
Der ersuchende Senat verkennt nicht, dass die Gewährung der Präferenz im Fall von
Vermischungen nicht unbedingt auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen beruhen
muss, denn nach Art 74 Abs. 2 ZK-DVO gelten die Bedingungen des Absatzes 1 bereits
dann als erfüllt, wenn die Zollbehörden keinen Grund zur Annahme des Gegenteils
haben. Eine abweichende Behandlung kann also grundsätzlich auch im Fehlen von
Anhaltspunkten für eine Vermischung ihre Ursache haben. Die von der Klägerin
vorgetragenen und belegten Fallbeispiele unterfallen jedoch nicht dem Absatz 2 der
Vorschrift, denn in den für die zollamtliche Behandlung relevanten Unterlagen ist die
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Vermischung explizit und offensichtlich ausgewiesen.
4. Wegen der vorstehend erläuterten Zweifel hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof
der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV die im Tenor dieses Beschlusses
gestellte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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