Urteil des FG Hamburg vom 07.01.2013

FG Hamburg: ausnahme, vorbescheid, grundstück, allgemeiner rechtsgrundsatz, bestehende anlage, aufschiebende wirkung, genehmigung, bauherr, aktivlegitimation, verwaltungsakt

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1. Die Entscheidung über eine Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB kann auch im Rahmen eines
Vorbescheids nach § 63 HBauO regelmäßig nicht gleichsam abstrakt und insbesondere ohne
Berücksichtigung nachbarlicher Belange in Form des Rücksichtnahmegebots getroffen werden.
2. Eine einem mit dem Grundstückseigentümer nicht identischen Bauherrn erteilte Baugenehmigung
berechtigt den Grundstückseigentümer nach den Regelungen der Hamburgischen Bauordnung nicht kraft
Gesetzes selbst zur Ausführung des Bauvorhabens oder zu Anträgen auf Änderung dieser
Baugenehmigung.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 2. Senat, Beschluss vom 07.01.2013, 2 Bf 98/12.Z
§ 31 Abs 1 BauGB, § 58 Abs 2 BauO HA, § 63 BauO HA, § 72 BauO HA
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom
27. März 2012 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 40.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg, mit dem
dieses ihre Anfechtungsklage auf Aufhebung von sieben Widerspruchsbescheiden über die Aufhebung zweier
Vorbescheide und einer Baugenehmigung sowie ihre Verpflichtungsklage auf Erteilung eines
Änderungsbescheids zur Baugenehmigung abgewiesen hat.
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, ist Eigentümerin des Grundstücks O…. Straße 12 (Flurstücke und
). Auf diesem wurde in den Jahren 1962 bis 2003 eine Tankstelle betrieben. Die Beigeladenen sind als
Erbengemeinschaft Eigentümer des unmittelbar südwestlich anschließenden Grundstücks O. Straße 2-6, das
mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des
Bebauungsplans Winterhude 9 vom 19. Dezember 1995 (HmbGVBl. S. 431 f.). Dieser weist sie als allgemeines
Wohngebiet mit geschlossener Bauweise aus. Der Bebauungsplan setzt für die Bebauung ferner Baugrenzen
fest, die auf dem Grundstück der Beigeladenen dem Bestand folgen und sich auf dem Grundstück der Klägerin
ohne Berücksichtigung vorhandener baulicher Anlagen fortsetzen und dort einen Abschluss der geschlossenen
Bauweise vorsehen. In der Begründung zum Bebauungsplan wird hierzu ausgeführt (Ziff. 5.2, Seite 7), die auf
dem Grundstück der Beigeladenen vorhandene Tankstelle werde aus verkehrstechnischer und städtebaulicher
Sicht nicht mehr als sinnvoll und somit als Übergangslösung angesehen. Deshalb erfolge für diese Flurstücke
eine planungsrechtliche Ausweisung für eine zwei- bzw. viergeschossige Bebauung.
Mit Vorbescheid vom 26. April 2004 erteilte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag eine Ausnahme von der
Art der zulässigen Nutzung für die Errichtung einer neuen Tankstellenanlage unter Auflagen zum Lärmschutz
für die östlich angrenzenden Nachbargrundstücke, zum Schutz der Nachbarschaft vor Auswirkungen der
Beleuchtung der Tankstellenanlage sowie zur Art und Weise des Betriebs lärmerzeugender
Serviceeinrichtungen.
Mit Vorbescheid vom 13. Dezember 2004 erteilte die Beklagte der Klägerin eine planungsrechtliche Befreiung
für eine Hallenerweiterung der auf der nicht überbaubaren Grundstücksfläche seinerzeit vorhandenen
Waschhalle, soweit diese innerhalb der Baugrenzen erfolge. In einem Änderungsbescheid 1 zu diesem
Vorbescheid vom 21. April 2005 äußerte die Beklagte ferner keine Bedenken, die Waschhalle um 6 m auf der
nicht überbaubaren Grundstücksfläche zu verlegen; ein entsprechender Befreiungsantrag solle im
Baugenehmigungsverfahren bearbeitet werden.
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Die Bescheide wurden den Beigeladenen nicht bekannt gegeben.
Im Mai/Juni 2006 schlossen Herr A.H. und die T. GmbH – im folgenden Pächterin genannt - einen
Grundstückspachtvertrag über das Baugrundstück. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung,
dass der Verpächter Eigentum am Pachtgegenstand erlange; es war nach der Präambel des Pachtvertrags
beabsichtigt, dass die Klägerin das Baugrundstück an Herrn A. H. übertragen sollte. Darüber hinaus hieß es in
§ 2 Nr. 2 Satz 1 des Vertrags, dass sich die Pächterin verpflichte, innerhalb von zwei Monaten nach
Vertragsunterzeichnung einen Bauantrag einzureichen. Nach § 7 Nr. 2 Satz 1 und 3 des Vertrags war sie
berechtigt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, wenn die beantragten Genehmigungen zur
Errichtung und/oder zum Betrieb der Tankstelle nicht erteilt, mit für die Pächterin nicht tragbar erscheinenden
wesentlichen Auflagen verbunden oder aufgehoben oder eingeschränkt werden. Die Pächterin war in diesen
Fällen nicht verpflichtet, die dagegen gegebenen Rechtsmittel auszuschöpfen.
Im Juli 2006 beantragte die Pächterin als Bauherrin/Antragstellerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur
Errichtung einer Tankstelle auf dem Baugrundstück. Die Klägerin unterzeichnete den Bauantrag als
Grundeigentümerin.
Die Beklagte erteilte die Baugenehmigung mit Bescheid vom 27. Oktober 2006. Bestandteil der
Baugenehmigung war als genehmigte Bauvorlage u.a. eine Schallimmissionsprognose vom 21. August 2006.
Unter dem 4. Januar 2007 ergingen hierzu ein Änderungsbescheid Nr. 1 bezüglich wegerechtlicher Fragen und
ein Ergänzungsbescheid Nr. 1 über die Prüfung eines Nachtrags zur Schallimmissionsprognose. Auch diese
Bescheide wurden den Beigeladenen nicht bekanntgegeben.
Die Beigeladenen legten im Juli 2007 gegen die Baugenehmigung und die Vorbescheide Widerspruch ein,
nachdem sie beginnende Bauarbeiten bemerkt und auf ein Begehren auf Akteneinsicht Kenntnis von den
Bescheiden erlangt hatten. Auf ihren Antrag stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. November
2007 (Az. 11 E 3532/07) die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung her. Die
Beschwerden der Beklagten, der Pächterin und der Klägerin, die im Verfahren beigeladen worden waren, wies
das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Februar 2008 (Az. 2 Bs 262/07) zurück.
Mit einem Änderungsbescheid Nr. 2 zur Baugenehmigung vom 23. September 2008 schränkte die Beklagte auf
der Basis einer neuen von ihr geprüften Schallimmissionsprognose vom 25. Juli 2008 die Öffnungszeiten der
Tankstelle auf tägliche Betriebszeiten von 6.00 bis 22.00 Uhr ein und erklärte die Schallimmissionsprognose
vom 21. August 2006 für ungültig.
Im Oktober 2008 beantragten die Pächterin und die Klägerin in einem Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO,
den Beschluss vom 6. November 2007 zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
nunmehr abzulehnen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 9. Januar 2009 (Az. 11 E
2737/08) ab. Die dagegen gerichteten Beschwerden der Pächterin und der Klägerin wies das Hamburgische
Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. April 2009 (Az. 2 Bs 12/09) zurück.
Im Juni 2010 zog die Beklagte die Klägerin und die Pächterin als Beteiligte zu den Widerspruchsverfahren
hinzu. Mit Schreiben vom 19. Juli 2010 kündigte die Pächterin gegenüber Herrn A. H. den Pachtvertrag fristlos.
Mit sieben inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 5. August 2010 hob die Beklagte die beiden
Vorbescheide nebst Änderungsbescheid sowie die Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids
Nr. 1 und des Ergänzungsbescheids Nr. 1 auf.
Am 6. September 2010 hat die Klägerin Klage gegen die Widerspruchsbescheide vom 5. August 2010 erhoben
(Az. 11 K 2635/10).
Bereits im Februar 2010 begehrte die Klägerin von der Beklagten einen Nachtrag zur Baugenehmigung vom 27.
Oktober 2006, in dem im Wege der Nutzungsänderung eine weitere Reduzierung der Betriebszeiten sowie ein
Ausschluss von im Freien stattfindenden Wasch- und Pflegemaßnahmen und entsprechenden technischen
Vorrichtungen festgeschrieben werden sollte. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. Mai 2011
ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, Begünstigte der Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006
sei (nur) die vormalige Pächterin des Grundstücks gewesen. Diese habe gegen die Aufhebung der
Baugenehmigung in den Widerspruchsbescheiden keine Rechtsmittel eingelegt, so dass die
Widerspruchsbescheide insoweit bestandskräftig geworden seien.
Im dagegen geführten Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie sei Inhaberin der
Baugenehmigung, da die vormalige Pächterin die Genehmigung auch für sie beantragt habe und die dingliche
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Wirkung der Baugenehmigung zur Folge habe, dass sie als Eigentümerin des Grundstücks nach Wegfall der
Bauherrin in deren Rechtsposition eingetreten sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2011 wies die
Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit einer am 28. Juli 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Erteilung einer
Nachtragsgenehmigung unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide weiter verfolgt (Az. 11 K 1767/11).
In der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2012 hat das Verwaltungsgericht den Geschäftsführer der
Pächterin zu Behauptungen der Klägerin als Zeugen vernommen, die Pächterin habe nach Anerkennung der
Kündigung die Rechte aus der Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 und den darauf ergangenen
Änderungsbescheiden an die Klägerin abgetreten.
Aufgrund eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags der Klägerin auf Verbindung beider Verfahren
zur gemeinsamen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. März 2012 über beide
Klagen gemeinsam entschieden und die Klagen als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das
Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne die Aufhebung der Widerspruchsentscheidungen bezüglich der Vorbescheide nicht
verlangen. Diese seien mit den Widerspruchsbescheiden zu Recht aufgehoben worden, weil sie die
Beigeladenen in nachbarschützenden Rechten verletzt hätten. Der Antrag auf Erlass des Vorbescheides vom
24. April 2004 sei bereits nicht bescheidungsfähig gewesen, weil mit ihm keine Unterlagen eingereicht worden
seien, die eine Prüfung des in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerten Rücksichtnahmegebots in Bezug auf die
Beigeladenen zugelassen hätten. Eine Beurteilung der im Rahmen einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB
zu prüfenden Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Belästigungen oder
Störungen der Nachbarschaft habe ohne – fehlende – Aussagen zum Betriebsumfang der Tankstelle und zu
den Immissionsauswirkungen auf die Nachbarschaft nicht erfolgen können. Der auf einen nicht
bescheidungsfähigen Antrag erlassene Vorbescheid vom 24. April 2004 sei rechtswidrig und verletze die
Rechte der Beigeladenen. Er sei im Rahmen seiner Entscheidung ein vorweg genommener Teil der
Baugenehmigung und insoweit im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr zu prüfen. Die Zulassung der Art der
baulichen Nutzung sei unter dem Gesichtspunkt der nachbarlichen Rücksichtnahme endgültig vorgenommen
worden. Auch die Nebenbestimmungen des Vorbescheids seien nicht geeignet gewesen, die nachbarlichen
Rechte zu wahren. Die den Schallschutz betreffende Nebenbestimmung sei auf die östlich angrenzenden
Grundstücke beschränkt. Die Vorbehalte bezüglich der Beleuchtung und lärmerzeugender Serviceeinrichtungen
(Staubsaugeranlage pp.) reichten für die Sicherung der nachbarlichen Rücksichtnahme nicht aus. Ein weiterer
Vorbehalt über die Prüfung der äußeren Gestaltung und weitergehender Anforderungen an die Baumaßnahmen
im Bauantragsverfahren erfasse die nachbarlichen Interessen ebenfalls nicht, weil er sich nicht auf die Art der
zulässigen Nutzung beziehe. Der Vorbescheid vom 13. Dezember 2004 sei von der Verletzung nachbarlicher
Rechte ebenfalls erfasst, da er in untrennbarem Zusammenhang mit der durch den Vorbescheid vom April 2004
erteilten Ausnahme von der Art der zulässigen Nutzung stehe und von der Klägerin auch so verstanden worden
sei.
Die Klägerin habe ferner keinen Anspruch auf Erteilung des mit ihrem Verpflichtungsantrag begehrten
Nutzungsänderungsbescheids. Hierzu fehle es bereits an der erforderlichen Aktivlegitimation, da sie aus der zu
ändernden, bereits aufgehobenen Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 keine Berechtigung erlangt habe.
Antragstellerin und Berechtigte sei allein die (frühere) Pächterin des Grundstücks gewesen. Diese habe die
Baugenehmigung auch nicht im Namen der Klägerin beantragt. Der Bauantrag sei vom Bauvorlageberechtigten
ausschließlich für die Pächterin gestellt worden. Die Unterzeichnung des Antragsformblatts seitens der
Klägerin sei allein in der Rubrik „Grundeigentümer“ erfolgt, was auf Verlangen der Beklagten zu erfolgen habe,
wenn der Grundeigentümer nicht zugleich Bauherrin oder Bauherr sei. Die Baugenehmigung gelte für sie
zugleich nicht bereits von Gesetzes wegen, weil sie die Grundstückseigentümerin sei. Nach § 58 Abs. 2
HBauO gelte eine Baugenehmigung zwar auch für und gegen Rechtsnachfolger des Genehmigungsadressaten,
hieraus folge aber nicht, dass die Baugenehmigung ein dinglicher Verwaltungsakt nach § 35 Satz 2 Alt. 2
HmbVwVfG sei, der die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache betreffe. Die Baugenehmigung werde
nicht dem Grundstück, sondern dem Träger eines Vorhabens für eine bestimmte Anlage an einem bestimmten
Standort erteilt. Die früher geltende Regelung des § 69 Abs. 2 Satz 2 HBauO 1986 sei nicht in die am 1. April
2006 in Kraft getretene Hamburgische Bauordnung übernommen worden, die auf das Vorhaben anzuwenden
sei. Auch aus der Rechtsprechung des Berufungsgerichts ergebe sich nichts anderes. Schließlich sei die
Klägerin nicht Rechtsnachfolgerin kraft Rechtsgeschäfts geworden. Die Beweisaufnahme vor der Kammer habe
eine entsprechende Behauptung der Klägerin nicht bestätigt, die Pächterin habe nach Anerkennung der
fristlosen Kündigung die Rechte aus der Baugenehmigung an sie abgetreten. Einer stillschweigenden Abtretung
der Rechte stehe die seinerzeitige Interessenlage der Beteiligten entgegen.
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Hinsichtlich der hilfsweise begehrten Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 5. August 2010, soweit darin
die Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 aufgehoben worden sei, fehle es ebenfalls an der Aktivlegitimation
der Klägerin.
Mit ihrem Zulassungsantrag begehrt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Die in seiner Begründung
geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung das Berufungsgericht durch § 124a Abs. 4 Satz 4
und Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.
1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unterliegt keinen ernstlichen rechtlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO).
a) Die gegen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtsverletzung der Beigeladenen durch den
Vorbescheid vom 26. April 2004 gerichteten Rügen sind im Ergebnis nicht geeignet, ernstliche Zweifel am Kern
der verwaltungsgerichtlichen Rechtsauffassung zu begründen, dieser Vorbescheid habe die bei der
Ausnahmeerteilung nach § 31 Abs. 1 BauGB erforderliche Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots in
Bezug auf die Beigeladenen außer Acht gelassen.
Zwar mag die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Vorbescheidsantrag sei für eine Entscheidung über die
Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO mangels erforderlicher
Angaben zum Betriebsumfang der Tankstelle so unbestimmt gehalten, dass er bereits nicht bescheidungsfähig
gewesen sei, Bedenken unterliegen können. Denn die Beklagte hat sich selbst in der Lage gesehen, über die
Ausnahme zu entscheiden, hat dabei nachbarrechtliche Problematiken erkannt und zu deren Lösung
einschränkende Nebenbestimmungen in die Beantwortung der gestellten Vorbescheidsfrage aufgenommen.
Manches spricht dafür, dass derartige einschränkende Nebenbestimmungen zur Ausnahmeerteilung im
Einzelfall geeignet sein können, um einen hinreichend konkreten Rahmen zu bestimmen, den eine Anlage
erfüllen muss, damit sie ihrer Art nach im Vorbescheid endgültig zugelassen werden kann. Selbst wenn
allerdings diesem Ausgangspunkt der Kritik der Klägerin zu folgen wäre, sind ihre weiteren Folgerungen
ungeeignet, um die weiteren Erwägungen und das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage
zu stellen.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann eine Entscheidung nach § 31 Abs. 1 BauGB über die Erteilung
einer Ausnahme regelmäßig nicht gleichsam abstrakt und insbesondere ohne Berücksichtigung nachbarlicher
Belange in Form der Wahrung des Rücksichtnahmegebots des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO getroffen werden,
wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urt. v. 25.1.2007,
BVerwGE 128, 118, 120; Urt. v. 6.10.1989, BVerwGE 82, 343, 345; Roeser in : Berliner Kommentar zum
BauGB, 3. Aufl. Stand 11.2012, § 31 Rn. 6; Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand 2012, § 31 Rn. 19; Rieger in
Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 31, Rn. 15). Denn das Gebot der Rücksichtnahme kann dazu führen, dass
ein Vorhaben, das nach den Bestimmungen der Baunutzungsverordnung im Baugebiet im Wege der Ausnahme
zugelassen werden kann, aufgrund seiner zu erwartenden nachbarlichen Auswirkungen auf das Baugebiet als
Ganzes – also bereits hinsichtlich seines „ob“ - nicht zulassungsfähig ist und nicht nur hinsichtlich einzelner
baulicher Gestaltungsmerkmale oder seines Betriebsumfangs inhaltlichen oder zeitlichen Beschränkungen
unterliegt. Zugleich erfordert die rechtliche Wirkung eines Vorbescheids für das weitere
Baugenehmigungsverfahren, die eine verbindliche Vorwegnahme jenes Teils der bauaufsichtlichen Prüfung
darstellt (BVerwG, Urt. v. 17.3.1989, DVBl. 1989, 673 ff.), eine – auf ein konkretes Bauvorhaben bezogene –
Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über eine beantwortungsfähige Vorbescheidsfrage. Gegenstand kann
deshalb nur eine Frage sein, die in dieser Weise auch Gegenstand des feststellenden Teils der
Baugenehmigung sein kann; bloße Rechtsauskünfte können nicht Gegenstand eines Vorbescheids sein (OVG
Hamburg, Beschl. v. 31.10.2010, 2 Bf 237/07.Z).
Die im Antrag zum Vorbescheid von der Klägerin formulierte Frage, „ob die planungsrechtliche Ausnahme nach
§ 4 Abs. 3 BauNVO für die Errichtung der Tankstelle erteilt werden kann“, welche im vorgelegten Lageplan
hinsichtlich der baulichen Anlagen näher gekennzeichnet war, konnte daher zum einen bereits nicht – wie die
Klägerin meint – unabhängig von allen Fragen des Nachbarrechts gänzlich abstrakt gestellt und geklärt werden.
Für eine dieser Vorstellung entsprechende Auslegung, die nach § 133 BGB für die Beklagte geboten gewesen
sei, bestand deshalb schon aus Rechtsgründen kein Anlass. Hätte mit der Beantwortung der
Vorbescheidsfrage nicht verbindlich geklärt werden können, ob eine Tankstelle auf dem Baugrundstück auch
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unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange im Wege der Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4
Abs. 3 BauNVO grundsätzlich, ihrer Art nach, zugelassen wird, hätte der Vorbescheid keinen
feststellungsfähigen Inhalt gehabt, weil eine (gänzliche) Versagung der Ausnahme in der Baugenehmigung
wegen eines Verstoßes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO weiterhin möglich gewesen wäre, und hätte das
Sachbescheidungsinteresse der Klägerin tatsächlich in Frage gestanden. Überdies bestand für eine derartige
einschränkende Auslegung angesichts der uneingeschränkten Fragestellung im Vorbescheidsantrag keinerlei
Anlass, weil diesem bereits mehrere andere Anträge der Klägerin vorangegangen waren, die ebenfalls u.a. die
Einbeziehung einer Tankstelle in die Bebauung vorgesehen hatten und teilweise bereits formell negativ
beschieden und sogar Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens geworden waren. Auch hätte die in
Bausachen erfahrene Klägerin Gelegenheit gehabt, eine etwaige Beschränkung ihrer schriftlich formulierten
Frage im Verlauf des Vorbescheidsverfahrens zum Ausdruck zu bringen, da in den dem Berufungsgericht
vorliegenden Sachakten z.B. die Teilnehmerlisten zweier Gespräche über den Vorbescheidsantrag enthalten
sind, an denen jeweils ein bzw. zwei Vertreter der Klägerin teilgenommen haben und in denen das Bauvorhaben
und der Vorbescheid nach Gesprächsnotizen von Teilnehmern der Beklagten Gegenstand ausführlicher
Erörterungen waren. Solches ist ersichtlich nicht geschehen.
Zum anderen und vor allem kommt es für die Rechtswirkungen eines Vorbescheids, der ein Verwaltungsakt
i.S.v. § 35 HmbVwVfG ist, maßgeblich auf den Regelungsgehalt der Antwort(en) an. Dieser bestimmt die
Bindungswirkung des Vorbescheids für eine nachfolgende Baugenehmigung. Zutreffend hat bereits der
Widerspruchsausschuss der Beklagten im Widerspruchsbescheid seinen Regelungsgehalt hier dahin
verstanden, dass im Vorbescheid vom 26. April 2004 über das „ob“ der Zulassung der Tankstelle im
Ausnahmewege auch unter Berücksichtigung aller nachbarlichen Interessen umfassend und abschließend
entschieden worden ist. Dies kommt deutlich in den der Ausnahme beigefügten Nebenbestimmungen zum
Ausdruck. Denn die Beklagte hat zur Sicherung der immissionsschutzrechtlichen Belange der östlich
angrenzenden Grundstücke der Klägerin die Errichtung einer aktiven Schall- und Blendschutzvorrichtung an der
Grundstücksgrenze vorgeschrieben. Zugleich hat sie eine derartige Entscheidung zu Gunsten des südwestlich
angrenzenden Grundstücks der Beigeladenen nicht getroffen und auch im Übrigen keinen Vorbehalt für eine
entsprechende Entscheidung über solche Maßnahmen in der Baugenehmigung erklärt. Damit hat sie
konkludent zum Ausdruck gebracht, dass vergleichbare Schutzeinrichtungen zur Sicherung von Belangen der
Beigeladenen keine Voraussetzung für die Erteilung der Ausnahme sein sollten. Einem anderen Verständnis
des Schweigens zur Erforderlichkeit von Schutzeinrichtungen zu Gunsten der Beigeladenen – etwa im Sinne
einer bewusst unvollständigen Aussage - steht nicht nur der Umstand entgegen, dass die Beklagte bei der
Erteilung der Ausnahme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO hinsichtlich aller Nachbarn zu wahren hatte. Die Beklagte
hat mit den beigefügten weiteren Nebenbestimmungen zugleich weitere umfassend formulierte Bedingungen
und Vorbehalte für die städtebauliche und nachbarliche Verträglichkeit des Vorhabens formuliert, die einer
derartigen Auslegung zwingend entgegenstehen. Die dem zu Grunde liegende Beurteilung wurde, wie im
Widerspruchsbescheid rechtsfehlerfrei ausgeführt worden ist, der Wahrung der nachbarlichen Belange der
Beigeladenen durch eine ausreichende Beachtung des Rücksichtnahmegebots des § 15 Abs. 1 Satz 2
BauNVO nicht gerecht und verletzt diese in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten.
Die von der Klägerin zum Beleg ihrer Rechtsauffassung angeführte Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 3.4.1987, DVBl. 1987, 903 f.) betraf bereits nicht die Entscheidung über
eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, sondern § 34 Abs. 1 BBauG.
bb) Wenn die Klägerin demgegenüber geltend macht, einer Berücksichtigung nachbarlicher Interessen im
Vorbescheid habe der Umstand entgegengestanden, dass ein Betreiber der Tankstelle zu jenem Zeitpunkt
noch nicht festgestanden habe, und deshalb über den Umfang des Tankstellenbetriebs und die von ihm
ausgehenden Emissionen gar keine abschätzbaren Beurteilungsgrundlagen vorgelegen hätten, vermag dies die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die Beurteilung der Beklagten im Widerspruchsbescheid erst recht
nicht in Frage zu stellen. Denn wäre dieser Auffassung zu folgen, würde sich vielmehr die Bewertung des
Verwaltungsgerichts ohne weiteres als zutreffend erweisen, dass die Vorbescheidsfrage mangels zureichender
Angaben der Klägerin bereits nicht bescheidungsfähig war.
Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei gar nicht berechtigt gewesen, die
Ausnahmeerteilung an die Einhaltung von Nebenbestimmungen zu knüpfen. Wie sich aus den Ausführungen zu
aa) ergibt, war eine positive Entscheidung über die gestellte Frage wegen der Wirkungen des Vorbescheids nur
möglich, wenn zugleich die Einhaltung bei der Ausnahme zu berücksichtigender Belange gesichert wurde.
Sofern die Klägerin schließlich meint, die Belange der Nachbarn bedürften auch deshalb keiner besonderen
Berücksichtigung im Rahmen der Ausnahmeerteilung, weil diese bereits im Rahmen der Abwägung nach § 1
Abs. 7 BauGB bei der Planaufstellung Berücksichtigung gefunden hätten, geht dies im vorliegenden Fall schon
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deshalb fehl, weil der Plangeber mit der Festsetzung der Baugrenzen und der Geschosszahl auf dem
Grundstück der Klägerin sowie ausdrücklich in der Begründung zum Bebauungsplan (Ziff. 5.2 der Begründung)
zum Ausdruck gebracht hat, dass er auf dem Grundstück der Klägerin zukünftig keine Tankstelle mehr
wünsche. Diese eindeutige planerische Zielsetzung steht einer abschließenden Berücksichtigung der Belange
der Beigeladenen im Planaufstellungsverfahren hinsichtlich der Neuerrichtung einer Tankstelle auf dem
Grundstück offensichtlich entgegen.
cc) Dahinstehen kann im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen, ob die dem Klage- und
Zulassungsbegehren der Klägerin unausgesprochen zu Grunde liegende Rechtsauffassung zutreffend ist, dass
die erteilten Vorbescheide im Falle einer Aufhebung der Widerspruchsbescheide Bestand hätten und noch
heute (jedenfalls) zu ihren Gunsten Bindungswirkung für eine erneut begehrte Baugenehmigung aufwiesen oder
ob ihre Erledigung einem Erfolg der Anfechtungsklage zwingend entgegenstände.
b) Keinen ernstlichen Zweifeln unterliegt die Würdigung des Verwaltungsgerichts, für den Verpflichtungsantrag
auf Änderung des zulässigen Nutzungsumfangs fehle es der Klägerin bereits an der erforderlichen
Aktivlegitimation, weil sie zu keinem Zeitpunkt Inhaberin der Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 geworden
sei und deshalb auch deren Änderung bzw. Ergänzung nicht beantragen könne.
aa) Mit ihren Ausführungen stellt die Klägerin die Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, die
Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 sei ausschließlich von der Pächterin als (alleiniger) Bauherrin
beantragt worden.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin im Antragsformular vom Juli 2006
ausschließlich in der Rubrik eines mit dem Bauherrn nicht identischen Grundeigentümers genannt ist und ihre
Zustimmung zum Vorhaben der Pächterin erklärt hat. Dass sie selbst begehrte, Adressat der Baugenehmigung
zu werden, kommt weder hierin zum Ausdruck noch geht dies aus den anderen dem Bauantrag beigefügten
Bauvorlagen hervor. Vielmehr hat der Dipl.-Ing. N. als Verfasser des Entwurfs und Bauvorlageberechtigter in
den zahlreichen Bauvorlagen und erforderlichen Anträgen stets allein die Pächterin als Bauherrin genannt und
sich als deren Bevollmächtigter bezeichnet. Dass die Firma I. für ihre Schallprognose von der Klägerin
beauftragt worden ist und diese Prognose vom August 2006 im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens
von der Pächterin als weitere Genehmigungsunterlage eingereicht worden ist, reichte nicht aus, um angesichts
der sonstigen Umstände einem objektiven Betrachter den Eindruck zu vermitteln, die Klägerin wolle ebenfalls
Antragstellerin im Baugenehmigungsverfahren sein und der Baugenehmigungsbescheid sei auch ihr gegenüber
zu erteilen.
Soweit die Klägerin die für eine Auslegung zu berücksichtigenden Gesamtumstände noch weiter ziehen will und
aus dem Adressaten der Vorbescheide aus dem Jahr 2004 sowie unter Auslegung des Pachtvertrags die
Bauherreneigenschaft der Klägerin herleiten will, sind diese Umstände hierfür gänzlich ungeeignet. Denn es ist
weithin üblich und allgemein bekannt, dass Vorbescheide zur Klärung einer grundsätzlichen Bebaubarkeit eines
Grundstücks von Antragstellern beantragt werden, die noch nicht Grundstückseigentümer sind oder wegen
eines Eigentümerwechsels am Grundstück selbst nicht (mehr) Bauherr eines Vorhabens sein werden. Der
Verweis der Klägerin auf den Pachtvertrag geht schon deshalb fehl, weil dieser gar nicht die Klägerin
berechtigte. Vielmehr sah er vor und stellte seine zivilrechtliche Wirksamkeit sogar unter den Vorbehalt, dass
die Klägerin das Grundstück an Herrn A. H. übereigne und dieser persönlich das Grundstück an die Pächterin
verpachte.
Vor allem ist für die Frage des Inhabers einer Baugenehmigung entscheidend, gegenüber welchem Adressaten
als Bauherrn die Beklagte die Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 (sowie ihre nachfolgenden Ergänzungen
und Änderungen) mit dem erforderlichen Bekanntgabewillen erteilt hat (§§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 HmbVwVfG).
Dies ist ausschließlich die T. GmbH als Grundstückspächterin gewesen. Allein sie ist im
Baugenehmigungsbescheid als Begünstigte aufgeführt und allein ihr gegenüber ist der Bescheid mit dem
entsprechenden Bekanntgabewillen von der Beklagten übermittelt worden. Dass die Baugenehmigung
gesondert auch der Klägerin formell bekanntgegeben worden ist, ist weder aus den Akten ersichtlich noch von
ihr selbst je behauptet worden.
bb) Zu Unrecht geht die Klägerin davon aus, sie sei nach dem geltenden hamburgischen Bauordnungsrecht als
Grundstückseigentümerin von Gesetzes wegen (Mit-)Inhaberin der Baugenehmigung der Pächterin geworden,
weil der Baugenehmigung „als auf die bauliche Anlage und das Grundstück bezogenen Verwaltungsakt (ein)
dinglicher Charakter“ zukomme, und sie könne deshalb auch aus eigenem Recht ihre Änderung begehren. Sie
meint, dieser Umstand habe in § 69 Abs. 2 Satz 2 HBauO 1986 seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden,
wonach eine Baugenehmigung nicht nur für und gegen den Rechtsnachfolger des Bauherrn, sondern auch für
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den „über die bauliche Anlage Verfügungsberechtigten“ gelte. Obwohl der letztgenannte Teil der Regelung in die
Normierung der HBauO 2006 nicht ausdrücklich aufgenommen worden sei, gelte er als Folge der
Vorhabenbezogenheit der Baugenehmigung als allgemeiner Rechtsgrundsatz weiterhin fort.
Bereits § 69 Abs. 2 Satz 2 HBauO 1986 hatte nicht den ihm seitens der Klägerin beigemessenen Inhalt. Die
Regelung zum Verfügungsberechtigten betraf, wie im Gesetzestext niedergelegt, (lediglich) die „über die
bauliche Anlage Verfügungsberechtigten“. Sie erfasste damit allein die Situation nach der Errichtung der
genehmigten baulichen Anlage. Nach Ausnutzung einer Genehmigung sollten sich alle über diese (bestehende)
Anlage Verfügungsberechtigten auf die Legalisierungswirkung der bestandskräftigen Baugenehmigung berufen
dürfen, aber auch deren beschränkende Regelungen zu beachten haben. Diese (begrenzte) Zielsetzung kam in
der Gesetzesbegründung zur regelungsidentischen Vorgängervorschrift des § 99 Abs. 4 HBauO 1969 zum
Ausdruck (Bürgerschafts-Drs. 6/1258, S. 70), indem dort ausgeführt wurde, dass als Verfügungsberechtigte
spätere Eigentümer, Erbbauberechtigte, Pächter usw. anzusehen seien, die mit der Vorschrift (auch)
verpflichtet werden sollten, die Beschränkungen und Auflagen der Baugenehmigung zu beachten. Der
Gesetzestext legte keine andere, darüber hinausgehende Auslegung nahe. Anderes ergibt sich auch nicht etwa
aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Berufungsgerichts aus dem Jahre 1990 (Urt. v. 26.4.1990,
Bf II 51/89, DVBl. 1991, 220). Die Ausführungen zur „gewissen Dinglichkeit“ der Wirkungen der
Baugenehmigung in Bezug auf die Verfügungsberechtigten i.S.v. § 99 Abs. 4 HBauO 1969 betreffen nur den
Zeitraum nach Errichtung der mit der Baugenehmigung zugelassenen baulichen Anlage. Ausschließlich für
diese Situation wurde ausgeführt „wird die Baugenehmigung ausgenutzt, bleibt ihr feststellender Teil wirksam
und schützt das Bauwerk“ und wurde die Auffassung vertreten, dass die Regelung einer Baugenehmigung
„wegen ihrer starken Sachbezogenheit eine „gewisse“ Dinglichkeit verleiht“, weil durch die Wirkung für andere
Verfügungsberechtigte vermieden werde, dass allen, die „die aufgrund ihrer Rechts- oder Sachherrschaft auf
das Bauvorhaben (Bauwerk) einwirken können“, gesondert eine Genehmigung zu erteilen sei. Diese
Konstellation besteht vorliegend nicht. Das genehmigte Bauwerk ist nicht errichtet worden. Auf die Frage der
Fortgeltung dieser Wirkungen trotz Entfall der entsprechenden gesetzlichen Regelung in der geltenden HBauO
2006 kommt es schon deshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
Dass eine einem mit dem Grundstückseigentümer nicht identischen Bauherrn erteilte Baugenehmigung von
Gesetzes wegen automatisch – ohne getroffene Rechtsnachfolgeregelungen – parallel den
Grundstückseigentümer zur Ausführung des Bauvorhabens und zu Anträgen auf Änderung der
Baugenehmigung berechtigt, lässt sich den Regelungen der Hamburgischen Bauordnung auch im Übrigen nicht
offensichtlich entnehmen. Insoweit ist das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung
anderer Oberverwaltungsgerichte (VGH München, Urt. v. 15.2.2006, NVwZ 2006, 1201; OVG Greifswald,
Beschl. v. 4.11.2009, BRS 74 (2009) Nr. 161) davon ausgegangen, dass zur Errichtung der Anlage (und zu
Änderungsanträgen bezüglich der erteilten Baugenehmigung) allein der in der Genehmigung benannte Bauherr
oder ein Rechtsnachfolger berechtigt ist. Weitergehende Erwägungen, die dies in Frage stellen könnten, enthält
die Begründung des Zulassungsantrags nicht.
2. Die Rechtssache weist nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.
Die von ihr als klärungsbedürftig und klärungsfähig bezeichnete Rechtsfrage „Erstreckt sich die begünstigende
Wirkung einer Baugenehmigung nach § 72 HBauO 2005 auf alle über die Bauanlage Verfügungsberechtigten?“
würde sich im Berufungsverfahren nicht stellen. Denn sie setzt, wie bereits ausgeführt, voraus, dass bereits
eine bauliche Anlage existiert. Hieran fehlt es.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungszulassungsverfahren folgt aus §§ 52 Abs. 1, 39 Abs. 1, 47
Abs. 2 und 3 GKG. Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, dass für die Anfechtungsanträge der Klägerin
eine Streitwertbemessung nach seinen Grundsätzen für den Streitwert einer baurechtlichen Nachbarklage
zugrunde zu legen ist. Denn nur in Bezug auf eine Verletzung subjektiver Rechte der Beigeladenen stand im
Widerspruchsverfahren überhaupt die Berechtigung der Beklagten zur Aufhebung der erteilten Bescheide im
Raum; hierauf ist auch der Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens beschränkt. Hätte die
Beklagte den Widersprüchen der Beigeladenen nicht entsprochen, wäre der Rechtsstreit der Anfechtungsklage
mit demselben Streitgegenstand und lediglich anderen Beteiligtenrollen geführt worden. Allein für den
Verpflichtungsantrag der Klägerin auf Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung kommt eine
Berücksichtigung eines Streitwertanteils nach den Maßstäben für die Erteilung einer Baugenehmigung an einen
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Bauherrn in Betracht.
Bei einer Nachbarklage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung ist der Streitwert nach der ständigen
Rechtsprechung des Berufungsgerichts einem Rahmen von 7.500 bis 30.000 Euro zu entnehmen (Beschl. v.
29.11.2006, NordÖR 2007, 137). Im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die
Baugenehmigung hat das Beschwerdegericht den Streitwert unter Berücksichtigung dieses Rahmens und unter
Halbierung des für die Bewertung des Streits in der Hauptsache anzunehmenden Streitwerts auf 15.000 Euro
festgesetzt (Beschl. v. 29.2.2008, 2 Bs 262/07). Dementsprechend bemisst das Berufungsgericht diesen
Streitwertanteil für das Zulassungsverfahren nunmehr auf 30.000 Euro. Dieser Streitwert schöpft den
regelmäßigen Streitwertrahmen für eine Baunachbarklage vollständig aus. Art und Umfang der
Beeinträchtigungen der Beigeladenen als Grundstückseigentümer bieten keinen Anlass, insoweit aufgrund
außergewöhnlicher Besonderheiten hierüber hinauszugehen. Gleichermaßen entspricht es der ständigen
Rechtsprechung des Berufungsgerichts den Streitwert in einem Nachbarrechtsstreit nicht deshalb zu erhöhen,
weil Eigentümer des Nachbargrundstücks keine Einzelperson, sondern eine Erbengemeinschaft ist (Beschl. v.
12.8.2011, 2 Bs 69/11); Gegenstand der nachbarlichen Beeinträchtigung ist hier allein das Grundstück
unabhängig von der Zahl der Miteigentümer.
Eine Berücksichtigung der Vorbescheide mit einem gesonderten Streitwertanteil ist nicht veranlasst. Denn
unabhängig von der Frage der prozessualen Selbständigkeit ist eine Zusammenrechnung mehrerer
Streitgegenstände nur dann vorzunehmen, wenn die Streitgegenstände jeweils einen selbständigen
wirtschaftlichen Wert oder, im Falle nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten, einen selbständigen materiellen
Gehalt besitzen (OVG Hamburg, Beschl. v. 4. Juni 2012, 2 So 31/12). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn
im Rahmen des Nachbarrechtsstreits mit den Beigeladenen hatten die Vorbescheide keinen materiellen
Regelungsgehalt. Sie sind den Beigeladenen bis zum Erlass der Baugenehmigung vom 27. Oktober 2006 nicht
bekannt gegeben worden und konnten ihnen gegenüber deshalb die dem Vorbescheid eigenen rechtlichen
Wirkungen nicht entfalten. Die konstitutive Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1
BauGB bildete im Verhältnis zu den Beigeladenen insofern allein diese Baugenehmigung (vgl. BVerwG, Urt. v.
17.3.1989, DVBl. 1989, 673, 674).
Anderes gilt für den Verpflichtungsantrag der Klägerin auf Änderung der Baugenehmigung vom 27. Oktober
2006. Dieser stellt einen mit dem Nachbarrechtsstreit nicht identischen Streitgegenstand dar, der einen
selbständigen Wert aufweist und zu der zugleich begehrten – unbedingten – Aufhebung des
Widerspruchsbescheids bezüglich der Baugenehmigung hinzutritt (Antrag zu 2. im erstinstanzlichen Verfahren).
Das Berufungsgericht bemisst diesen Anteil am Gesamtstreitwert gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000 Euro.
Da dieser Streitgegenstand ausschließlich die Nutzungsbedingungen der baulichen Anlage betrifft und deshalb
einer Wertbemessung auf der Basis eines festen Anteils an den Rohbaukosten der Tankstelle oder des
Bodenwerts nicht zugänglich ist, kommt lediglich eine am Gesamtgefüge der Streitwertfestsetzung in
baurechtlichen Streitigkeiten orientierte Bemessung in Betracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das
Begehren lediglich auf eine einschränkende Modifikation der der Pächterin erteilten (Errichtungs- und Nutzungs-
) Genehmigung für die Tankstelle gerichtet ist und deshalb deutlich hinter dem Streitwert einer Klage des
Bauherrn auf Erteilung einer (umfassenden) Baugenehmigung zurückbleiben muss. Ein Streitwertanteil, der
über das Doppelte des Wertes nach § 52 Abs. 2 GKG hinausgeht, wäre in dieser Situation unangemessen.
Die Erwägungen der Beigeladenen zu einer deutlich höheren Streitwertbemessung lassen die besonderen
Konstellation der Streitgegenstände dieses Rechtsstreits und des Streitwertgefüges des Streitwertkatalogs für
die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bausachen außer Acht, die unabhängig vom jeweiligen Ausgang des
Verfahrens Berücksichtigung zu finden haben.