Urteil des FG Hamburg vom 02.06.2014

FG Hamburg: erstellung, beförderung, erlass, sicherheit, zusammenarbeit, werturteil, personalakte, ausschuss, gleichstellung, bekanntgabe

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1. Eine Beurteilung, in der auf alte Beurteilungsbeiträge Bezug genommen wird, die nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der
Beurteilungsrichtlinien (zwei Jahre nach der Eröffnung) hätten vernichtet werden müssen, ist fehlerhaft.
2. Es widerspricht der Regelung des § 6 der Beurteilungsrichtlinien, die explizit auf schriftliche Beurteilungsbeiträge von
bestimmten Dritten abstellt, in einer dienstlichen Beurteilung auf mündliche Werturteile von sonstigen, nicht namentlich
benannten Dritten abzustellen. Durch die Einbeziehung solcher mittelbaren und anonymen Erkenntnisquellen würden die
Nachprüfbarkeit der Erkenntnisgrundlage und damit letztlich auch die Zurechenbarkeit der Beurteilung zum Beurteiler in
Frage gestellt.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 3. Senat, Beschluss vom 02.06.2014, 3 Bs 36/14
Art 33 Abs 2 GG, Beurteilungsrichtlinien für hamburgische Richterinnen und Richter
Verfahrensgang
vorgehend VG Hamburg, 23. Januar 2014, Az: 8 E 4108/13, Beschluss
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts
Hamburg vom 23. Januar 2014 geändert. Der Antragsgegnerin wird im Wege der
einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer
erneuten Auswahlentscheidung bzw. vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens, die unter
Kennziffer ……….. ausgeschriebene Stelle einer Vorsitzenden Richterin bzw. eines
Vorsitzenden Richters am Landgericht mit der Beigeladenen zu besetzen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und – unter Abänderung der
Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 28. Januar 2014 – für
das erstinstanzliche Verfahren auf 18.977,13 Euro festgesetzt.
Gründe
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I.
Der Antragsteller, ein Richter am Landgericht Hamburg, wendet sich gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 23. Januar 2014, mit dem dieses
seinen Antrag abgelehnt hat, der Antragsgegnerin vorläufig die Besetzung der
ausgeschriebenen Stelle einer Vorsitzenden Richterin bzw. eines Vorsitzenden Richters
am Landgericht mit der Beigeladenen zu untersagen.
Anfang 2013 schrieb die Antragsgegnerin unter der Kennziffer ... die umstrittene Stelle
aus, wobei es in der Ausschreibung u.a. hieß, die Arbeitszeit betrage die Hälfte des
richterlichen Pensums. Auf die Stelle bewarben sich u.a. die Beigeladene und der
Antragsteller.
Aus diesem Anlass fertigte die Präsidentin des Landgerichts Hamburg am 15. April 2013
eine „Stellungnahme“ betreffend den Antragsteller, in der sie u.a. auf von ihr gefertigte
frühere Stellungnahmen und die dienstliche Äußerung der Vorsitzenden der Kammer,
deren Mitglied der Antragsteller ist, verwies und den Antragsteller als sehr gut geeignet
beurteilte, das Amt eines Vorsitzenden Richters am Landgericht zu übernehmen.
Für die Beigeladene, die Richterin am Landgericht ist, erstellte die Präsident des
Landgerichts Hamburg ebenfalls am 15. April 2013 eine „Stellungnahme“, wonach sie die
Beigeladene ebenfalls für sehr gut geeignet halte, das Amt einer Vorsitzenden Richterin
am Landgericht zu übernehmen.
In einer „Stellungnahme“ vom 22. April 2013 äußerte die Präsidentin des Hanseatischen
Oberlandesgerichts u.a. unter Bezugnahme auf ihre Stellungnahmen vom 28. Juni 2012
und vom 18. Februar 2013 zu gleichen Bewerbungen des Antragstellers, sie gebe der
Beigeladenen den Vorzug, weil diese sich sowohl in fachlicher als auch in persönlicher
Hinsicht in noch höherem Maße für das in Aussicht genommene Amt qualifiziert habe. In
ihrem „Vorschlag gemäß § 24a HmbAGGVG“ vom 22. April 2013 beurteilte sie die
Beigeladene als „sehr gut geeignet“ und schlug vor, die Beigeladene zur Vorsitzenden
Richterin am Landgericht zu ernennen und in die dafür vorgesehene Stelle einzuweisen.
Am 18. September 2013 wählte der Richterwahlausschuss die Beigeladene für die in
Rede stehende Stelle aus, was die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom
27. September 2013 mitteilte. Seinen am 8. Oktober 2013 eingereichten gerichtlichen
Eilantrag, mit dem er begehrte, die Stelle vor Durchführung eines erneuten
Auswahlverfahrens bzw. einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nicht zu
besetzen, lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 23. Januar 2014
ab, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe.
Insbesondere seien die dienstlichen Beurteilungen, auf die der Richterwahlausschuss
seine Auswahlentscheidung gestützt habe, rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die
Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Der Antragsteller hat die grundlegende Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich den
aus Anlass seiner Bewerbung auf die umstrittene Stelle erstellten Beurteilungen jeweils
ein Beurteilungszeitraum entnehmen lasse und die Beurteilungen mit den für die
Beigeladene erstellten Beurteilungen auf dieser Grundlage vergleichbar seien, mit
gewichtigen Argumenten in Zweifel gezogen. Damit ist das Beschwerdegericht berechtigt
und verpflichtet, über die Beschwerde ohne die Beschränkungen des § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO zu entscheiden.
Der Antragsteller hat zur Sicherung seines durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten
Bewerbungsverfahrensanspruchs einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung. Ebenso wie ein Beamter hat ein Richter im Fall einer Bewerbung um ein Amt
mit einem höheren Endgrundgehalt grundsätzlich keinen Anspruch auf Beförderung,
sondern nur darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei in
einem den rechtlichen Anforderungen genügenden Auswahlverfahren entschieden wird
(OVG Hamburg, Beschl. v. 11.1.2012, 5 Bs 213/11, juris Rn. 12; Beschl. v. 16.11.2011, 1
Bs 160/11, juris Rn. 5 m.w.N.). Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers
ist im vorliegenden Fall verletzt worden, so dass zur Sicherung dieses Anspruchs die
Besetzung der Stelle mit der Beigeladenen vorläufig zu untersagen ist.
1. Allerdings kommt es, anders als der Antragsteller meint, nicht entscheidungserheblich
darauf an, ob ihm die Beurteilungen im persönlichen Gespräch hätten eröffnet werden
müssen. Selbst wenn dies aus § 9 der Allgemeinen Verfügung der Behörde für Justiz und
Gleichstellung Hamburg zur Durchführung von § 3a HmbRiG vom 17. August 2012
(nachfolgend: Beurteilungsrichtlinien) folgen würde, wonach eine Beurteilung zu
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„eröffnen“ ist, würde dies allein die Beurteilungen des Antragstellers nicht rechtswidrig
machen und ihm nicht zu einem Anordnungsanspruch bezüglich der Stellenbesetzung mit
einem anderen Bewerber verhelfen. Zum einen würde eine solche Vorgabe vornehmlich
dem öffentlichen Interesse an einer möglichst schnellen Klärung etwaiger
Unstimmigkeiten dienen (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 8.10.2012, 2 A 381/12, juris Rn. 6).
Zum anderen hatte der Antragsteller aufgrund der ihm zugesandten Abschriften jeweils
Gelegenheit sich zu äußern, so dass seinem subjektiven Interesse, zur Beurteilung
Stellung nehmen zu können, Genüge getan ist.
Auch führen die vom Antragsteller erhobenen Bedenken, dass die umstrittene Stelle als
Teilzeitstelle ausgeschrieben worden sei, nicht weiter. Denn es ist nichts dafür dargetan
oder sonst ersichtlich, dass er deshalb einen Nachteil im Auswahlverfahren gehabt hat.
Insbesondere ist der Antragsteller nicht, wie in dem der von ihm zitierten Entscheidung
des OVG Lüneburg vom 19. September 2013 (5 ME 153/13, DVBl 2013, 1473) zugrunde
liegenden Fall, aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden worden, weil er bisher in
Vollzeit beschäftigt ist.
2. Es bestehen jedoch durchgreifende Bedenken gegen die Beurteilungen selbst. Die
Entscheidung über eine Beförderung eines Richters obliegt nach Maßgabe des
Personalbedarfs und des Vorhandenseins freier besetzbarer Planstellen dem
zuständigen Organ, in Hamburg dem Senat der Antragsgegnerin auf Vorschlag des
Richterwahlausschusses (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 HV). Ihm kommt hinsichtlich der
Beurteilung der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Auswahlkriterien ein eigener
Beurteilungs- und Prognosespielraum zu, wobei die Gerichte ggf. zu überprüfen haben,
ob der Ausschuss von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob die getroffenen
Feststellungen unter Berücksichtigung der originären Entscheidungsspielräume den
Ernennungsvorschlag rechtfertigen können und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
unsachgemäße oder willkürliche Erwägungen angestellt worden sind. Demzufolge ist in
einem Konkurrentenstreitverfahren insbesondere zu prüfen, ob dem
Richterwahlausschuss aktuelle und im Hinblick auf das konkrete Auswahlverfahren
aussagekräftige dienstliche Beurteilungen über die im Streitverfahren beteiligten Richter
vorgelegen haben, ob die Beurteilungen auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen, ob
ferner gegen die Beurteilungen inhaltliche Bedenken bestehen und ob dem Ausschuss
alle (etwaigen) weiteren tatsächlichen Informationen vorgelegen haben, die er für seine
Entscheidung benötigt hat (OVG Hamburg, Beschl. v. 14.9.2012, 5 Bs 176/12, juris Rn. 12
u. 19 m.w.N.). Diesen – überprüfbaren – Anforderungen werden die vorliegenden
„Stellungnahmen“, die als dienstliche Beurteilungen anzusehen sind (vgl. hierzu OVG
Hamburg, Beschl. v. 14.9.2012, 5 Bs 176/12, juris Rn. 28 m.w.N.), nicht gerecht.
a) Den Beurteilungen des Antragstellers lässt sich ein Beurteilungszeitraum nicht
entnehmen, was aber für die erforderliche Vergleichbarkeit von Beurteilungen
unerlässlich ist. Dienstlichen Beurteilungen kommt entscheidende Bedeutung bei der
Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung der
Wettbewerbssituation“ zu, was größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten
verlangt (BVerwG, Urt. v. 18.7.2001, NVwZ-RR 2002, 201, 202). Dies hat das
Bundesverwaltungsgericht bezüglich Regelbeurteilungen dahingehend präzisiert, dass
höchstmögliche Vergleichbarkeit grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den
gleichen Beurteilungszeitraum erreicht werde (Urt. v. 18.7.2001, a.a.O.). Dies gilt erst
Recht für Beurteilungen, die gerade aus Anlass der Bewerbung um ein anderes Amt, also
typischerweise gerade in einer Wettbewerbssituation erstellt werden. Beurteilungen, die
Grundlage einer Auswahlentscheidung sein sollen, müssen demnach einen erkennbaren
bestimmten Beurteilungszeitraum abdecken und die Beurteilungszeiträume der Bewerber
müssen im Wesentlichen übereinstimmen (vgl. VGH München, Beschl. v. 28.2.2014, 3 CE
14.32, juris Rn. 35).
aa) In der Beurteilung der Präsidentin des Landgerichts Hamburg vom 15. April 2013 ist
kein Beurteilungszeitraum angegeben. Zwar genügt es, wenn sich der
Beurteilungszeitraum auch ohne ausdrückliche Benennung hinreichend sicher ermitteln
lässt (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 22.1.2014, 6 B 1336/13, juris Rn. 20), dies ist
vorliegend jedoch nicht der Fall.
In der Beurteilung benennt die Präsidentin diverse weitere Stellungnahmen von ihr und
eine ihres Amtsvorgängers, auf die sie sämtlich ausdrücklich verweist („Hierauf verweise
ich“), was vordergründig den Schluss zulassen könnte, dass der in diesen
Stellungnahmen abgedeckte Zeitraum auch Gegenstand der aktuellen Beurteilung sein
soll. Die älteste in Bezug genommene Beurteilung, nämlich die ihres Amtsvorgängers
vom 12. August 2008 verweist allerdings ihrerseits wieder auf eine frühere Beurteilung,
die ebenfalls auf eine frühere Beurteilung verweist usw. Durch diese fortlaufenden
Verweisungen bleibt letztlich unklar, ob tatsächlich die von früheren Beurteilungen
abgedeckten Zeiträume hier mit beurteilt werden sollten. Das Verwaltungsgericht hat
angenommen, der Beurteilungszeitraum habe ab dem 1. Februar 2008 beginnen sollen,
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weil die Landgerichtspräsidentin auf die dienstliche Äußerung der Kammervorsitzenden
vom 6. Februar 2013 abstelle und diese den Kammervorsitz erst zum 1. Februar 2008
übernommen habe. Ob dies nach dem Willen der Präsidentin des Landgerichts Hamburg
tatsächlich der Beginn des Beurteilungszeitraums sein sollte, ist im Hinblick auf den
ausdrücklichen Verweis auf die Beurteilung ihres Amtsvorgängers vom 12. August 2008
zweifelhaft. Denn zum einen greift die Beurteilung vom 12. August 2008 auf einen vor
dem 1. Februar 2008 zurückliegenden Beurteilungszeitraum zurück, indem dort die
dienstliche Stellungnahme des damaligen Kammervorsitzenden vom 30. Januar 2008
zitiert wird. Zum anderen wird in der Beurteilung vom 12. August 2008 bereits eine
Stellungnahme der jetzigen Kammervorsitzenden vom 6. August 2008 ausführlich zitiert.
Wenn Beginn des Beurteilungszeitraums der 1. Februar 2008 sein sollte, hätte die
Präsidentin des Landgerichts, die ihr Amt 2009 übernommen hat, somit (teilweise) einen
Zeitraum beurteilen wollen, in dem sie erstens noch gar nicht im Amt war und der
zweitens von ihrem Amtsvorgänger bereits beurteilt worden war. Spricht somit
Überwiegendes gegen den gewollten Beginn des Beurteilungszeitraums am 1. Februar
2008, wäre schließlich denkbar, dass der für die Beurteilung vom 15. April 2013 zugrunde
liegende Zeitraum an die letzte Beurteilung anschließen sollte. Dies wäre hier der 8.
Februar 2013, wogegen aber zum einen der dann sehr kurze Beurteilungszeitraum von 2
Monaten und zum anderen der ausdrückliche Verweis auf die vor diesem Zeitpunkt
liegenden Beurteilungen und dienstlichen Äußerungen spricht. Letztlich lässt sich somit
der Beurteilungszeitraum nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen.
bb) In der Beurteilung der Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.
April 2013 wird ebenfalls weder ein Beurteilungszeitraum genannt noch lässt sich ein
solcher mit hinreichender Sicherheit bestimmen. Im Wesentlichen bezieht sich die
Oberlandesgerichtspräsidentin auf die Stellungnahme der Landgerichtspräsidentin vom
15. April 2013, ohne selbst den Beurteilungszeitraum näher zu bestimmen, so dass die
dortigen Unsicherheiten bezüglich der Bestimmung des Beurteilungszeitraums auch hier
zum Tragen kommen. Die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts beschränkt
den Beurteilungszeitraum offenbar nicht auf die Zeit seit ihrer letzten Beurteilung des
Antragstellers am 18. Februar 2013, was sich insbesondere aus der ausdrücklichen
(inhaltlichen) Bezugnahme auf diese Beurteilung sowie auf ihre Beurteilung vom 28. Juni
2012 ergibt, in der sie sich u.a. Bewertungen der Leistungen des Antragstellers aus
Beurteilungen vom 11. November 1996, 2. Mai 1994 und 2. März 1989 zu Eigen macht,
ohne dass erkennbar ist, wann genau der Anfangszeitpunkt des Beurteilungszeitraums
liegen soll.
cc) Fehlt den maßgeblichen Beurteilungen für den Antragsteller somit ein erkennbarer
Beurteilungszeitraum, war dem Richterwahlausschuss die erforderliche vergleichende
Bewertung der Bewerber nicht möglich. Es kommt daher nicht darauf an, ob den
Beurteilungen der Beigeladenen ebenfalls kein erkennbarer Beurteilungszeitraum
zugrunde liegt. Jedenfalls werden auch dort keine Beurteilungszeiträume angegeben und
diese ergeben sich auch nicht unmittelbar aus dem Umstand, dass die Beigeladene erst
seit dem 1. März 2008 im richterlichen Dienst der Antragsgegnerin tätig ist, weil sowohl
die Präsidentin des Landgerichts Hamburg in ihrer Beurteilung vom 15. April 2013 als
auch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Hamburg in ihrer Beurteilung vom 22. April
2013 wertend auf vorherige Tätigkeiten der Beigeladenen Bezug nehmen.
b) Die für den Antragsteller erstellten Beurteilungen sind darüber hinaus deshalb
rechtswidrig, weil sie inhaltlich auf rechtswidrige Beurteilungen Bezug nehmen, nämlich
die Beurteilung der Landgerichtspräsidentin vom 15. April 2013 auf ihre Beurteilung vom
23. Mai 2012 und die Beurteilung der Oberlandesgerichtspräsidentin vom 22. April 2013
auf ihre Beurteilung vom 28. Juni 2012. Diese in Bezug genommenen Beurteilungen hat
das Verwaltungsgericht Hamburg mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 5. Juni 2013
aufgehoben. Diese Beurteilungen werden in den hier in Rede stehenden Beurteilungen
nicht bloß informatorisch erwähnt, sondern sie werden inhaltlich in Bezug genommen,
was sich aus den Formulierungen „Hierauf verweise ich“ bzw. „darauf nehme ich Bezug“
ergibt. Zudem hat der Antragsteller bezüglich der Stellungnahme vom 28. Juni 2012
glaubhaft gemacht, dass er mit an das Hanseatische Oberlandesgericht gerichtetem
Schreiben vom 9. Juli 2012 verlangt hat, diese Beurteilung nicht zur Personalakte zu
nehmen. Da Anlassbeurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a), wie
diejenige vom 28. Juni 2012, gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 der Beurteilungsrichtlinien nur auf
Wunsch des Richters zur Personalakte genommen werden, hätte hierauf nicht Bezug
genommen werden dürfen. Die Beurteilungsrichtlinien sind als Verwaltungsvorschriften
zwar nicht unmittelbar außenverbindliches Recht, mangels anderer Anhaltspunkte geht
der Senat aber davon aus, dass die Antragsgegnerin generell ihre Praxis an diesen am 1.
Januar 2013 in Kraft getretenen Richtlinien ausrichtet. Mithin kann sich der Antragsteller
aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) auf die Einhaltung der
Beurteilungsrichtlinien berufen.
c) Ferner ist die Beurteilung der Präsidentin des Landgerichts Hamburg vom 15. April
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2013 fehlerhaft, weil darin auf alte Beurteilungsbeiträge Bezug genommen wird, die nach
§ 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien hätten vernichtet werden müssen. Nach
dieser Regelung sind schriftliche Beurteilungsbeiträge zwei Jahre nach Eröffnung der
dienstlichen Beurteilung zu vernichten.
In der Beurteilung der Präsidentin des Landgerichts vom 15. April 2013 wird die
„dienstliche Äußerung“ der Kammervorsitzenden des Antragstellers vom 6. Februar 2013
umfänglich wiedergegeben. Darin verweist die Kammervorsitzende wiederum u.a. auf ihre
„dienstlichen Äußerungen“ vom 6. August 2008 und vom 20. Februar 2009. Es handelt
sich hierbei um eine inhaltliche Bezugnahme, was aus der Formulierung deutlich wird:
„Meine damalige Beurteilung hat sich auch in der weiteren Zusammenarbeit umfassend
bestätigt, so dass ich mich zur Vermeidung von Wiederholungen auf meine letzten
Äußerungen beziehe.“ Die Landgerichtspräsidentin wiederum hat sich die dienstliche
Äußerung der Kammervorsitzenden zu Eigen gemacht. Dies folgt schon daraus, dass die
Wiedergabe der dienstlichen Äußerung den wesentlichen Inhalt der Beurteilung
ausmacht und sich die Präsidentin hierauf ausdrücklich bezieht, indem sie ausführt:
„Diese dienstliche Äußerung zeigt erneut…“.
Die genannten „dienstlichen Äußerungen“ der Kammervorsitzenden vom 6. August 2008
und vom 20. Februar 2009 sind schriftliche Beurteilungsbeiträge im Sinne von § 6 der
Beurteilungsrichtlinien, nämlich vom Beurteiler bei Dritten eingeholte schriftliche
Äußerungen über den zu Beurteilenden zwecks Erstellung einer Beurteilung. Diese
waren nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien zwei Jahre nach Eröffnung der
Beurteilung zu vernichten. Unerheblich ist insoweit, ob die Eröffnung im Sinne des § 9
Abs. 1 Satz 3 der Beurteilungsrichtlinien eine mündliche Bekanntgabe voraussetzt, weil
es nach Sinn und Zweck des Satzes 5 für die erforderliche Vernichtung nicht darauf
ankommen kann, ob die Beurteilung mündlich oder in anderer Form bekannt gegeben
wurde. Die Beurteilungsbeiträge der Kammervorsitzenden vom 6. August 2008 und 20.
Februar 2009 dienten zur Erstellung der Beurteilung seitens des damaligen Präsidenten
des Landgerichts Hamburg vom 12. August 2008 bzw. zur Erstellung der Beurteilung
seitens der jetzigen Präsidentin vom 24. Februar 2009. Da diese Beurteilungen bei
Erstellung der hier streitigen Beurteilung vom 15. April 2013 erheblich älter als zwei Jahre
waren, hätten die Beurteilungsbeiträge nach § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien
vernichtet sein müssen und dementsprechend auch nicht verwendet werden dürfen. Für
die Beurteilung vom 15. April 2013 waren die Beurteilungsrichtlinien auch bereits zu
berücksichtigen, da diese gemäß ihrem § 10 Abs. 1 am 1. Januar 2013 in Kraft getreten
sind. Eine Altfallregelung o.Ä. nach der § 9 Abs. 1 Satz 5 nicht auf zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens bereits erstellte Beurteilungsbeiträge Anwendung finden soll, enthalten die
Beurteilungsrichtlinien nicht.
d) Auch die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen durch die Präsidentin des
Landgerichts Hamburg vom 15. April 2013 ist rechtswidrig.
aa) In ihrer Beurteilung der Beigeladenen nimmt die Präsidentin auf einen
Beurteilungsbeitrag Bezug, der nach der § 9 Abs. 1 Satz 5 der Beurteilungsrichtlinien
bereits hätte vernichtet sein müssen und daher nicht mehr hätte verwendet werden dürfen,
nämlich auf die Beurteilungsbeitrag des ehemaligen Kammervorsitzenden, VRiOLG K.,
vom 20. Februar 2009.
bb) Fehlerhaft ist ferner, dass zur Grundlage der Beurteilung auch die Einschätzung der
beisitzenden Mitglieder der Kammer, deren stellvertretende Vorsitzende die Beigeladene
ist, gemacht wurde, indem in der Beurteilung ausgeführt, wird: „Von ihren Beisitzern ist mir
auch bekannt, dass Frau K. für ein sehr motivierendes und produktives Arbeitsklima in der
Kammer sorgt.“
Dienstliche Beurteilungen eines Beamten oder Richters sind dem Dienstherrn bzw. dem
für ihn handelnden jeweiligen Dienstvorgesetzten vorbehaltene Akte wertender
Erkenntnis (BVerwG, Urt. v. 2.4.1981, 2 C 34/79, BVerwGE 62, 135 = juris Rn. 17). Nur
dieser soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung
eines Beamten oder eines Richters ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil abgeben
(BVerwG, a.a.O.). Zwar muss eine dienstliche Beurteilung nicht notwendigerweise auf
eigenen persönlichen Eindrücken des beurteilenden Beamten oder Richters aus einer
unmittelbaren Zusammenarbeit beruhen. Dieser kann sich vielmehr die erforderlichen
Kenntnisse auf andere Weise verschaffen (BVerwG, a.a.O. Rn. 19). Die Beurteilung muss
aber ein dem zuständigen Beurteiler zurechenbares Urteil über den Beamten bzw. Richter
bleiben, weil anderenfalls von einem höchstpersönlichen Werturteil des zuständigen
Beurteilers, dem allein die nach Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilung
erforderliche Beurteilungsermächtigung eingeräumt ist, nicht mehr die Rede sein könnte
(BVerwG, Urt. v. 17.4.1986, 2 C 13/85, juris Rn. 14). Daher darf in einer Beurteilung nicht
beliebig auf Erkenntnisse und Werturteile von Dritten zurückgegriffen werden, sondern
grundsätzlich nur soweit der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage ist, sich ein
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eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Bewerbers zu machen (vgl. BVerwG,
Urt. v. 4.11.2010, 2 C 16/09, BVerwGE 138, 102 = juris Rn. 47). Ferner ist zu beachten,
dass solche Beiträge Dritter, gerade weil sie eigene fehlende Erkenntnisse des
Beurteilers ersetzen oder ergänzen sollen, eine partiell beurteilungsgleiche Funktion
haben können. Dementsprechend sind an Beurteilungsbeiträge im Grundsatz dieselben
Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung selbst, u.a. muss der Beurteilungsbeitrag
nachprüfbare Feststellungen enthalten (BVerwG, Beschl. v. 26.2.2004, 2 B 41/03, juris
Rn. 3).
Vor diesem Hintergrund ist die Regelung in § 6 der Beurteilungsrichtlinien zu sehen. Dort
wird zunächst in Satz 1 vorgegeben, dass die Beurteilung auf einer möglichst breiten
Erkenntnisgrundlage zu erfolgen hat. Die nachfolgend genannten Beispiele, wie die
Erkenntnisse gewonnen werden können, sind nicht abschließend, bezüglich von
Beurteilungsbeiträgen Dritter wird aber ausdrücklich erstens auf schriftliche
Beurteilungsbeiträge (§ 6 Satz 2) und zweitens darauf abgestellt, dass Dritte (nur)
Senatsvorsitzende, Kammervorsitzende, Direktorinnen und Direktoren,
Dezernatsleiterinnen und Dezernatsleiter sowie bei einem Einsatz in
Verwaltungsbereichen die dortigen unmittelbar Vorgesetzten sind (§ 6 Satz 3). Dem ist zu
entnehmen, dass die erforderliche breite Erkenntnisgrundlage bezüglich der Beiträge von
dritter Seite grundsätzlich auf bestimmte Personen beschränkt ist. Es widerspricht der
Regelung des § 6 der Beurteilungsrichtlinien, die explizit auf schriftliche
Beurteilungsbeiträge von bestimmten Dritten abstellt, in einer dienstlichen Beurteilung auf
mündliche Werturteile von sonstigen, nicht namentlich benannten Dritten abzustellen.
Durch die Einbeziehung solcher mittelbaren und anonymen Erkenntnisquellen würde die
Nachprüfbarkeit der Erkenntnisgrundlage und damit letztlich auch die Zurechenbarkeit der
Beurteilung zum Beurteiler in Frage gestellt.
e) Lagen der Entscheidung des Richterwahlausschusses somit fehlerhafte Beurteilungen
zugrunde, ist der verletzte Bewerbungsverfahrensanspruch durch Erlass einer
einstweiligen Anordnung zu sichern. Eine Ausnahme wäre nur dann zu machen, wenn mit
Sicherheit davon auszugehen wäre, dass der Antragsteller bei einer rechtsfehlerfreien
Durchführung des Auswahlverfahrens keine Chance auf eine Beförderung besäße.
Davon kann hier angesichts der vorliegenden Beurteilungen jedoch nicht ausgegangen
werden. Nach Lage der Dinge erscheint es jedenfalls möglich, dass der Antragsteller, der
im Gesamturteil ebenso wie die Beigeladene mit „sehr gut geeignet“ beurteilt wurde, bei
rechtsfehlerfreier Auswahl zum Zuge kommt. Diese ernsthafte Chance ist ausreichend,
um den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zur Sicherung des
Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers erforderlich erscheinen zu lassen
(vgl. für viele BVerwG, Urt. v. 4.11.2010, BVerwGE 138, 102, 111, Rn. 32 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die
Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko
ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre
außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 1
Nr. 1, Satz 4 GKG. Hieraus ergibt sich, dass die Hälfte des Endgrundgehalts bezogen auf
das angestrebte Amt und auf ein Jahr berechnet zugrunde zu legen ist. Dieser Betrag ist
wegen des im Eilverfahren lediglich verfolgten Sicherungszwecks um die Hälfte zu
reduzieren. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts (z.B. Beschl. v. 25.4.2007, 1 So 41/07, juris, m.w.N.). Der Senat
folgt nicht dem OVG Koblenz, das in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2013 (2 B
11209/13, juris Rn. 29) u.a. unter Berufung auf die Beschlüsse des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2012 (2 VR 5.12, juris) und vom 20. Juni
2013 (2 VR 1.13, vollständig abrufbar unter
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidungen.php), die insoweit allerdings nicht
näher begründet sind, eine Halbierung des Streitwerts in Eilverfahren nicht vorgenommen
hat, weil in derartigen Verfahren regelmäßig die Hauptsache vorweggenommen werde.
Der Senat hält eine Reduzierung des Streitwerts in Eilverfahren nach wie vor für
gerechtfertigt, weil allein mit dem Eilantrag das letztliche Ziel des unterlegenen
Bewerbers, nämlich die Durchführung eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens nicht
erreicht werden kann. Ausgehend vom monatlichen Endgrundgehalt für die
Besoldungsgruppe R 2 in Höhe von 6.325,71 Euro (Anlage VI Nr. 3 der Anlage 1
HmbBesG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung – § 40 GKG –
geltenden Fassung v. 3.9.2013, HmbGVBl. 2013, S. 373) ergibt sich daraus der Streitwert
von 18.977,13 Euro (6.325,71 x 12 / 2 / 2).
Dementsprechend ist dieser Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG auch für das
erstinstanzliche Verfahren festzusetzen.
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