Urteil des FG Hamburg vom 15.07.2014

FG Hamburg: marke, besitzer, verkehr, wohnung, zollgebiet, durchsuchung, einspruch, drittland, mitgliedstaat, unternehmen

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Verbrauchsteuerrecht: Steuerschuldnerschaft nach dem TabStG
1. Die Frage, ob Zigaretten direkt aus einem Drittland eingeschmuggelt wurden, oder ob der Transport über einen anderen
Mitgliedstaat erfolgt ist, kann nur dann offen bleiben, wenn die Tabaksteuer in beiden Fällen entstanden ist und der Adressat
des Steuerbescheides in beiden Fällen Steuerschuldner geworden ist.
2. Ein Tabaksteuerbescheid gemäß § 23 TabStG kann nicht in einen Haftungsbescheid nach §§ 71, 191 Abs. 1 AO umgedeutet
werden.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 15.07.2014, 4 K 183/13
§ 23 Abs 1 S 1 TabStG, § 21 Abs 1 TabStG, § 23 Abs 1 S 2 TabStG, § 21 Abs 2 TabStG, § 71
AO, § 191 Abs 1 AO
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Tabaksteuer.
Am 15.07.2011 wurden anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers wegen
des Verdachts des illegalen Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen
gemäß § 29a BtMG Zigaretten mit ukrainischen Steuerbanderolen gefunden. Dabei
handelte es sich ausweislich des Sicherstellungsprotokolls (Sachakte Bl. 14) um 311
Schachteln der Marke A (6.220 Stück Zigaretten), 53 Schachteln der Marke B (1.060
Stück Zigaretten), 20 Schachteln der Marke C (400 Stück Zigaretten), 8 Schachteln der
Marke D (160 Stück Zigaretten) und 1 Schachtel der Marke E (20 Stück Zigaretten). In
einer Schachtel waren jeweils 20 Zigaretten. Insgesamt ergibt sich aus dem
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einer Schachtel waren jeweils 20 Zigaretten. Insgesamt ergibt sich aus dem
Sicherstellungsprotokoll die Sicherstellung von 7.860 Zigaretten.
Mit Bescheid vom 19.01.2012 erhob der Beklagte Tabaksteuer i. H. v. 1.171,92 € und
Zinsen i. H. v. 34 €, mithin insgesamt 1.205,92 €. Dabei ging er von insgesamt 8.060
Stück Zigaretten aus, davon 6.420 Stück Zigaretten der Marke A. Diese Zahl findet sich
auch auf dem Übergabeprotokoll vom 26.10.2011 (Sachakte Bl. 15).
Am 20.02.2012 erhob der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2012, ohne
diesen zu begründen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 zurück.
Zur Begründung führte er aus, die Tabaksteuer sei gemäß § 23 TabStG entstanden. Die
Zigaretten seien ohne gültige deutsche Steuerzeichen durch den Kläger selbst oder mit
Hilfe von Dritten in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Der Kläger sei Besitzer
der Zigaretten gewesen und damit Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG. Der
Zinsanspruch ergebe sich aus § 235 Abs. 1 AO. Weitere Steuerschuldner, die in
Anspruch hätten genommen werden könnten, seien nicht bekannt.
Mit seiner am 16.12.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, er habe die Zigaretten weder ins Zollgebiet
der Union verbracht, noch Besitz an ihnen gehabt. Von der Existenz der Zigaretten habe
er keinerlei Kenntnis gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Tabaksteuer- und Zinsbescheid vom 19.01.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, der Kläger habe die Zigaretten zum Zeitpunkt der
Durchsuchung seiner Wohnung in Besitz gehabt. Die Herkunft der Zigaretten habe er
nicht nachgewiesen. Die Tabaksteuer sei durch das Verbringen ohne die Verwendung
gültiger deutscher Steuerzeichen in das Steuergebiet nach §§ 1 S. 2, 17 und 23 TabStG
entstanden. Als Besitzer sei der Kläger Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG.
Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 235 AO.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Sachakte des Beklagten
und die Strafakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung kann ergehen, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung am
15.07.2014 nicht vertreten war. Die Ladung erfolgte fristgerecht unter Hinweis darauf,
dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden
werden kann, § 91 Abs. 2 FGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
I. Der Tabaksteuer- und Zinsbescheid vom 19.01.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Im Streitfall kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Tabaksteuer für
die in der Wohnung des Klägers aufgefundenen Zigaretten entstanden ist. Auf welchem
Weg die Zigaretten in das Steuergebiet gelangt sind, ist unklar. Den Nachweis für einen
bestimmten Transportweg hat der Beklagte nicht erbracht. Für die Frage des Entstehens
der Tabaksteuer kann der Transportweg offen bleiben, da die Tabaksteuer in jedem Fall
entstanden ist.
Sofern die Zigaretten - wofür eine gewisse Lebenswahrscheinlichkeit spricht -
ursprünglich aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates stammten, wäre die
Tabaksteuer gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 TabStG entstanden. Danach entsteht die
Tabaksteuer, wenn Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten
Fällen - also zu gewerblichen Zwecken - entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem
steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Zollgebiet verbracht
werden, wenn die Tabakwaren erstmals zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten
werden. Die Zigaretten wurden - dies ergibt sich bereits aus der Menge von ca. 8.000
Stück, vgl. Art. 32 Abs. 3 lit. a) Beistrich 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom
16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der
Richtlinie 92/12/EWG (RL 2008/118/EG) und § 39 TabStV - zu gewerblichen Zwecken
außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens in das Steuergebiet der Bundesrepublik
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Deutschland verbracht. Die Tabaksteuer wurde entgegen der Vorgabe gemäß § 17 Abs. 1
TabStG nicht durch Verwendung der vorgeschriebenen Steuerzeichen entrichtet.
Sofern die Zigaretten nicht aus einem anderen Mitgliedstaat, sondern - was weniger
wahrscheinlich aber nicht auszuschließen ist - unmittelbar aus einem Drittland in das
Steuergebiet verbracht wurden, wäre die Steuer gemäß § 21 Abs. 1 TabStG entstanden,
wonach die Steuer im Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich
freien Verkehr durch die Einfuhr, an die sich keine Steuerbefreiung und kein Verfahren
der Steueraussetzung angeschlossen hätte, entsteht.
Der Beklagte hat indes nicht nachgewiesen, dass der Kläger Steuerschuldner geworden
ist. Für die Steuerschuldnerschaft stellen § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG und § 21 Abs. 2
TabStG unterschiedliche Voraussetzungen auf, so dass nur dann von einer
Steuerschuldnerschaft des Klägers ausgegangen werden kann, wenn er nach beiden
Vorschriften Steuerschuldner wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Selbst wenn man davon
ausginge, dass der Kläger Besitzer der Zigaretten im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 2. Alt.
TabSt gewesen ist, steht eine Steuerschuldnerschaft jedenfalls nach § 21 Abs. 2 TabStG
nicht fest. Dafür, dass der Kläger im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 TabStG an der Einfuhr
beteiligt gewesen ist, gibt es keinerlei Hinweise. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass
der Kläger, der möglicherweise nur ein weiteres Glied in einer Lieferkette im Steuergebiet
gewesen ist, im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabStG nach den Zollvorschriften verpflichtet
gewesen wäre, die Tabakwaren anzumelden.
Inwieweit der Kläger möglicherweise als Haftender gemäß §§ 71, 191 Abs. 1 AO in
Anspruch genommen werden kann, muss nicht weiter erörtert werden. Weder hat der
Beklagte einen Haftungsbescheid erlassen, noch kann der Bescheid vom 19.01.2012 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 in einen Haftungsbescheid
umgedeutet werden. Steuerbescheide und Haftungsbescheide stellen völlig
unterschiedliche Maßnahmen dar, die gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen
unterliegen. Selbst wenn man eine solche Umdeutung annehmen wollte, wäre der
Bescheid wegen Ermessensausfalls rechtswidrig, weil der Beklagte das ihm gemäß §
191 Abs. 1 AO eröffnete Ermessen nicht ausgeübt hätte.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2
FGO nicht vorliegen.