Urteil des FG Hamburg vom 10.10.2012

FG Hamburg: gesellschaftsvertrag, saldo, auszahlung, treu und glauben, eintragung im handelsregister, darlehen, im bewusstsein, treugeber, emissionsprospekt, rechtsnatur

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Einkommensteuer: Rechtsnatur eines Gesellschafterkontos bei zulässiger Überentnahme
1. In einem zusammengefassten Bescheid, der sowohl die Gewinnverteilung auf die Gesellschafter einer
KG als auch in der zweiten Stufe die Gewinnverteilung des Gewinnanteils des Treuhänders auf die
Treugeber erfasst, ist nicht gesondert auszuweisen, in welchem Umfang der Treuhandkommanditist auf
Grund seines eigenen Kommanditanteils am Erfolg der Gesellschaft beteiligt ist und in welcher Höhe der
Gewinnanteil auf seine Beteiligung als Treuhänder entfällt. Eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3
AO bedarf es insoweit nicht.
2. Die Rechtsnatur eines Gesellschafterkontos bestimmt sich maßgeblich nach den Regelungen im
Gesellschaftsvertrag. Sieht der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Zulässigkeit einer Entnahmen vor,
ohne das ausschüttungsfähiges Kapital vorhanden ist, und bezeichnet es den so entstandenen Saldo als
Forderung der Gesellschaft, so liegt ein Darlehnskonto der Gesellschafter vor (im Anschluss an BFH-Urteil
vom 16.10.2008, IV R 98/06).
3. Auf die Grundsätze des Fremdvergleich, wie sie für die steuerliche Berücksichtigung von Darlehen im
Beteiligungsverhältnis zwischen Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern gelten, kommt es bei der
Bestimmung der Rechtsnatur eines Gesellschafterkontos auf Grund bestehende Interessengegensätze in
der Regel nicht an. Denn Schuldsalden auf gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Darlehnskonten sind
regelmäßig nur für einzelne fest umrissene Zwecke zulässig.
Rev., Az.: IV R 41/12
FG Hamburg 2. Senat, Urteil vom 10.10.2012, 2 K 171/11
§ 15a EStG, § 179 Abs 3 AO
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der ausgleichsfähigen Verluste gemäß § 15a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) im Streitjahr 2001.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren Gesellschaftszweck der Erwerb und Betrieb eines
Seeschiffes im internationalen Schiffsverkehr ist. Sie wurde mit Wirkung zum ... 1999 durch die
Komplementärin, die A GmbH sowie die B GmbH, die C & Co. Ltd und die D GmbH & Co. Treuhand KG als
Kommanditisten gegründet. Zum 31.12.2001 waren nur diese Gründungsmitglieder im Handelsregister als
Kommanditisten eingetragen. In 1999 hatten weitere Anleger Kapitalanteile gezeichnet, so dass nach deren
Eintragung im Handelsregister in 2002 insgesamt 74 Kommanditisten sowie 3 Treugeber-Kommanditisten an
der Klägerin beteiligt sind. Die Einlagen sowie ein Agio von 5 % der Kommanditeinlage wurden von den
Kommanditisten bzw. Treugeber-Kommanditisten in voller Höhe erbracht. Das Kommanditkapital betrug
4.780.000 DM. Darüber hinaus waren stille Gesellschafter mit einer Einlage von insgesamt 550.000 DM an der
Klägerin beteiligt, die jedoch nur an dem Gewinn, nicht an den Verlusten Teil haben.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin wurde mehrfach geändert. In dem hier relevanten Zeitraum 2000 und
2001 galt die Fassung vom ... 1999. Der Gesellschaftsvertrag enthält u. a. die folgenden Regelungen:
"Artikel 2. Gesellschafter, Einlagen, Nachschusspflicht, Treugeber
....
2.4 Kommanditisten sind bis zur Eintragung ihrer Einlagen im Handelsregister als atypisch stille
Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten als Kommanditisten nach dem Gesellschaftsvertrag
beteiligt. Die stille Beteiligung wandelt sich mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Haftsummen im
Handelsregister unter Fortsetzung der Kapitalkonten in die Kommanditbeteiligung um.
....
Artikel 7. Gewinn- und Verlustverteilung, Entnahmen
.....
7.5. Das Jahresergebnis wird den Kommanditisten/Treugeber-Kommanditisten im Verhältnis ihrer
nominellen Kommanditanteile/Treugeberanteile zum Gesamtkommanditkapital zugewiesen. ...
7.6. Kommanditisten erhalten auf das zusätzlich zur Kommanditeinlage gezahlte Agio in gleicher Höhe
einen Vorabverlust zugewiesen.
....
7.10. Der nach den vorstehenden Vorschriften zu verteilende Gewinn wird den Gesellschaftern auf ihren
Verrechnungskonten zur Entnahme gutgeschrieben, es sei denn, dass die Liquiditätslage der Gesellschaft
eine Ausschüttung nicht zulässt.
7.11. Die Gesellschafter haben das Recht, jederzeit positive Salden auf ihren
Gesellschafterverrechnungskonten zu entnehmen. Über darüber hinausgehende Entnahmen beschließt die
Gesellschafterversammlung gemäß Art. 10.14.8. Ausschüttungen können während der Laufzeit der
Finanzierung erst nach einer Rücklage von mindestens 100.000 DM erfolgen. Abweichungen hiervon
können nur einstimmig beschlossen werden.
.....
Artikel 9. Gesellschafterkonten, Jahresabschluss, Zurechnung, Prüfung
9.1. Die Kapitalkonten der Gesellschafter sind Festkonten und bestimmen sich nach den bedungenen
Einlagen (Kapitalkonto I). Ihre Salden sind unverzinslich. Nach dem Stand dieser Konten bemessen sich
die Gesellschafterrechte der Kommanditisten unter Berücksichtigung der den stillen Gesellschaftern
eingeräumten Stimm- und Mitwirkungsrechte.
9.2. Bilanzierte Gewinn- und Verlustanteile werden auf einem Verlustvortragskonto (Kapitalkonto II)
verbucht.
9.3. Einzahlungen sowie Entnahmen werden auf den Gesellschafterverrechnungskonten (III)
(Erfolgssonderkonten) gebucht. Diese Konten gewähren keine Gesellschafterrechte; ihre Salden sind
unverzinslich. Das Agio wird auf dem Verrechnungskonto gebucht. Entnahmen werden, soweit durch diese
auf dem Kapitalkonto II ein negativer Saldo entstehen oder sich ein negativer Saldo erhöhen würde, auf
einem gesonderten Entnahmekonto (Darlehenskonto) eines jeden Gesellschafters gebucht. Der Saldo ist
als Forderung der Gesellschaft anzusehen.
....
Artikel 10 Gesellschafterversammlung, Beschlussfassung
....
10.14. Die Gesellschafterversammlung ist insbesondere in folgenden Fällen zur Beschlussfassung
berufen:
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10.14.8. Beschlussfassung über Entnahmen der Gesellschafter, die über die positiven Salden auf den
Gesellschafterverrechnungskonten hinausgehen.
Artikel 13. Auseinandersetzungsguthaben
...
13.2. Das Auseinandersetzungsguthaben wird wie folgt ermittelt:
......
13.2.2. Positive Salden auf den Gesellschafterverrechnungskonten sind als Verbindlichkeiten zu
behandeln und vorab, ggf. abzüglich offener Gegenforderungen zu begleichen. Im Übrigen wird das
Auseinandersetzungsguthaben des ausgeschiedenen Gesellschafters - vorbehaltlich der Bestimmungen in
Art. 13.4. - nach Maßgabe seines Kapitalanteils am gesamten Kommanditkapital nach den Grundsätzen
der normalen Jahresbilanz ermittelt; jedoch sind die in den einzelnen Vermögenswerten enthaltenen stillen
Reserven aufzulösen. Die Abgeltung eines etwaigen Firmenwertes (good will) erfolgt nicht.
.....
Nach dem Gesellschaftsvertrag soll ferner eine Nachschusspflicht der Kommanditisten nicht bestehen (Art. 2.7
des Gesellschaftsvertrags). Gesellschafterbeschlüsse bedürfen grundsätzlich der einfachen Mehrheit der
abgegebenen Stimmen, sofern keiner der im Einzelnen aufgeführten Ausnahmefälle vorliegt (Art. 10.15 des
Gesellschaftsvertrages).
In dem Emissionsprospekt wird unter dem Stichwort "Ausschüttungen" mitgeteilt, dass bei einem planmäßigen
Wirtschaftsverlauf bereits im Geschäftsjahr 2000 Ausschüttungen in Höhe von 10 % realisiert werden. Unter
dem Stichwort "Haftung des Anlegers" heißt es, dass die Nachschusspflicht nur wieder aufleben kann, wenn
Ausschüttungen vorgenommen werden, die nicht durch bilanzierte Gewinne gedeckt sind.
Die Klägerin erwirtschaftete in 1999 und 2000 Verluste in Höhe von insgesamt 4.110.325,57 DM, die jeweils
den Verlustsonderkonten der Gesellschafter zugewiesen wurden. Im Streitjahr erzielte die Klägerin einen
Verlust von 918.273,19 DM.
Im Juli 2000 wurde auf der Gesellschafterversammlung auf Grund der Liquiditätslage beschlossen, dass eine
Ausschüttung für 2000 "im Voraus" von insgesamt 10 % (des Kapitals) erfolgen solle. Dem entsprechend
erfolgte eine Auszahlung an die Kommanditisten in Höhe von insgesamt 478.000 DM. Die Auszahlung wurde
auf dem Sammelkonto Nr. ... gebucht, gesonderte Gesellschafterkonten wurden nicht geführt. Auf Grund der
Buchungen und namentlichen Bezeichnung der Kommanditisten im Buchungstext kann den Kommanditisten
jeweils ein bestimmter Betrag zugeordnet werden. Darüber hinaus wurden anrechenbare Steuern in Höhe von
8.307,24 DM als Entnahmen bzw. Ausschüttung erfasst. In den Bilanzen zum 31.12.2000 und zum 31.12.2001
wurden die Beträge im Umlaufvermögen als "sonstige Vermögensgegenstände" unter der Bezeichnung
"Ausschüttung an Gesellschafter" bzw. "Ausschüttungen aus anrechenbaren Steuern" ausgewiesen. In den
Bilanzberichten zu den Jahresabschlüssen wird ausgeführt, dass die Liquiditätsausschüttungen an
Gesellschafter, sofern sie nicht aus Gewinnen erfolgen, als Forderungen an Gesellschafter ausgewiesen
werden. Zum Bilanzstichtag 31.12.2001 betrugen diese 487.121.34 DM.
Auf der Grundlage der Ergebnisse einer Außenprüfung würdigte der Beklagte die 2000 erfolgten Auszahlungen
als eine Rückgewähr von Einlagen und behandelte das Konto "Ausschüttungen an Gesellschafter" als
Kapitalkonto. Dem entsprechend änderte er am 16.02.2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) den
Bescheid für 2001 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des
verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG und stellte einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von
725.483,10 DM fest und verteilte ihn entsprechend der Verteilungsquote auf die Gesellschafter. Die
Behandlung des Kontos "Ausschüttungen an Gesellschafter" als Kapitalkonto führte dazu, dass die
zugewiesenen Verluste in geringerem Umfang ausgleichsfähig und verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4
EStG festzustellen waren. Der Höhe nach sind die Feststellungen nicht streitig.
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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am ... 2009 Einspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 01.04.2009
erkannte der Beklagte ausgleichsfähige Verluste bei den Gesellschaftern in Höhe des geleisteten Agios an und
stellte entsprechend niedrigere verrechenbare Verluste fest.
Mit Einspruchsentscheidung vom ... 2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach den
von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sei das gesonderte Entnahmekonto als Kapitalkonto zu
qualifizieren. Es sei keine Gewinnausschüttung und auch - mangels entsprechender Darlehnsvereinbarungen -
keine Darlehnsgewährung durch die Gesellschaft erfolgt, sondern es lägen Entnahmen vor, die zu den zu
erwartenden Gewinnen in keiner Beziehung stünden. Auf Grund der guten Liquiditätslage sei die Klägerin der im
Emissionsprospekt angekündigten Ausschüttung nachgekommen und es sei gerade nicht individuell
entsprechend einem Liquiditätsbedarf eines Gesellschafters ein Darlehen gewährt worden. Nach den
Regelungen des Gesellschaftsvertrages sei eine über die entnahmefähigen Gewinne hinausgehende Entnahme
von Liquidität auch vorgesehen gewesen und wirksam auf der Gesellschafterversammlung in 2000
beschlossen worden. Die Auszahlung sei jedoch auch dann als Entnahme von Kapital zu behandeln, wenn das
gesonderte Entnahmekonto als Darlehnskonto zu qualifizieren sei. Denn es liege ein außerbetrieblich
veranlasstes Darlehen an die Gesellschafter vor und die Entnahme sei damit als Minderung des Kapitalkontos
zu behandeln.
Am ... 2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass der im Jahr 2000 an die
Gesellschafter ausgezahlte Betrag ein Darlehen der Gesellschaft an die Gesellschafter sei und keine
Einlagenrückgewähr. Die Liquiditätsausschüttung sei auf der Grundlage von Artikel 9.3 Satz 4 und 5 des
Gesellschaftsvertrags erfolgt, der vorsehe, dass Entnahmen, die das Kapital angreifen würden, als Darlehen zu
behandeln seien. Dem entsprechend sei die Liquiditätsauskehrung bilanziell als Forderung der Gesellschaft
erfasst und hierauf im Bilanz-Abschlussbericht 2000 ausdrücklich hingewiesen worden. Da die
Liquiditätsauskehrung nach Artikel 9.3 des Gesellschaftsvertrags behandelt worden sei, sei nicht zu
untersuchen, ob andere Öffnungsklauseln des Gesellschaftsvertrags hätten angewendet werden können. Ein
abweichender Beschluss im Sinne von Artikel 7.10 sei nicht gefasst worden. Die Gesellschafter hätten in der
Abstimmung über die Feststellung des Jahresabschlusses der Behandlung der Auszahlung als Forderung an
Gesellschafter zugestimmt. Es sei bei Schiffsfonds üblich, dass Liquidität an Gesellschafter ausgeschüttet
werde. Man sei sich bewusst gewesen, dass keine Rückzahlung von Kapital habe erfolgen sollen. Die
Auszahlung habe vielmehr als Darlehens vorgenommen werden sollen, um sie rechtlich im Innenverhältnis
notfalls zurückfordern zu können. Im Grundsatz sei dies den Gesellschaftern auf den
Gesellschafterversammlungen auch deutlich gemacht worden. Den Begriff der "Ausschüttung" habe man nicht
im juristisch-fachlichen Sinne verwendet, sondern unter Vertriebsgesichtspunkten insbesondere im
Emissionsprospekt sprachlich ungenau formuliert. Die Buchung der Ausschüttung auf ein Sammelkonto
spreche nicht gegen ein Darlehen, da auf Grund einer erläuternden Aufstellung eine Zuordnung zu den
einzelnen Gesellschaftern ermöglicht werde. Eine Verzinsung sei nicht erforderlich, ein Verzicht bei
Kommanditgesellschaften vielmehr durchaus üblich. Artikel 13 des Gesellschaftsvertrages enthalte nur eine
Regelung über die Verteilung eines Auseinandersetzungsguthabens. Verbleibende Forderungen der
Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern seien nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften
auszugleichen. Da die Gründungsgesellschafter seinerzeit nur ein positives Auseinandersetzungsergebnis als
wahrscheinlich erachtet hätten, sei eine Verteilungsregelung für den Fall eines Defizits unterblieben.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid für 2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des
verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 01.04.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom ... 2011 in der Weise zu ändern, dass weitere ausgleichsfähige Verluste von 459.675,57 DM festgestellt
und entsprechend ihrer Beteiligung nach Maßgabe der mit E-Mail vom 27.09.2012 übersandten Liste "Antrag
..." auf die Gesellschafter verteilt werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Auszahlung als Einlagenrückgewähr zu behandeln sei und
nimmt Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Des Weiteren komme eine erweiterte
Haftung der Kommanditisten deshalb nicht in Betracht, weil sie im Streitjahr noch nicht in das Handelsregister
eingetragen gewesen seien. Insoweit seien sie als atypische stille Gesellschafter zu behandeln, auf die § 15a
Abs. 1 Satz 1 EStG Anwendung finde, aber nicht der erweiterte Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 und
3 EStG. Auch aus § 176 des Handelsgesetzbuches (HGB) ergebe sich keine erweiterte Haftung. Hierbei
handele es sich um eine reine Außenhaftung, die keine Auswirkung auf das Kapitalkonto eines
Kommanditisten habe. Weder § 172 Abs. 2 HGB noch § 176 Abs. 2 HGB könnten den Kommanditisten
ausgleichsfähige Verluste nach § 15a EStG vermitteln. Die Rückzahlung einer Einlage führe zwar zum
Wiederaufleben der Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB und könne zu ausgleichsfähigen Verlusten nach § 15a
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Abs. 1 Satz 2 EStG führen. Bei den Gesellschaftern müsse es sich dann jedoch um Kommanditisten und nicht
- wie hier - um atypisch stille Gesellschafter handeln.
Mit Beschluss vom 19.03.2012 hat das Gericht angeordnet, dass nur solche Personen beigeladen werden, die
dies bis zum 31.07.2012 beantragen. Ein Antrag auf Beiladung ist nicht gestellt worden.
Dem Gericht haben vorgelegen Band II der Gewinnfeststellungsakte, die Bilanz- und Bilanzberichtsakte, die
Betriebsprüfungsakte, Band II und III der Bp-Arbeitsakten, die Rechtsbehelfsakte und eine Akte Allgemeines
zu der Steuernummer ... Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Eine Beiladung der Kommanditisten und atypisch stillen Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) war nicht geboten, denn es hat keiner der Beteiligten nach dem Ergehen des
Beschluss nach § 60 a FGO vom 19.03.2012 innerhalb der gesetzten Frist seine Beiladung beantragt.
II.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt. Ist der Bescheid
über die gesonderte und einheitliche Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15 a EStG mit der
Gewinnfeststellung verbunden, so ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch die Personengesellschaft
klagebefugt (vgl. Bundesfinanzhof (BFH)-Urteile vom 07.04.2005, IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598; vom
30.03.1993, VIII R 63/91, BStBl. II 1993, 706; BFH-Beschluss vom 19.05.1987, VIII B 104/85, BStBl. II 1988,
5, jeweils m. w. N.). Im vorliegenden Fall liegt eine mit der Gewinnfeststellung verbundene Feststellung des
verrechenbaren Verlustes im Sinne von § 15a Abs. 4 S. 5 EStG vor, obwohl der auf die einzelnen
Gesellschafter entfallende verrechenbare Verlust nur in einer Anlage ausgewiesen wird. Denn in dem Bescheid
ist hinsichtlich dieser Feststellung nach § 15a EStG ausdrücklich auf die Anlage Bezug genommen worden.
III.
Die Klage hat auch Erfolg. Der angefochtene Bescheid über die Feststellung der verrechenbaren Verluste ist
rechtswidrig, soweit Verluste in Höhe von 459.675,57 DM nicht als ausgleichsfähig berücksichtigt worden sind.
1. Der angefochtene Feststellungsbescheid enthält die notwendigen Angaben und ist nicht gemäß § 179 Abs. 3
AO zu ergänzen.
Sind - wie im vorliegenden Fall - an einer Kommanditgesellschaft Treugeber über einen
Treuhandkommanditisten beteiligt, so ist nach ständiger Rechtsprechung ein zweistufiges
Gewinnfeststellungsverfahren durchzuführen. Auf der ersten Stufe ist der Gewinn oder Verlust der Gesellschaft
festzustellen und auf die Gesellschafter einschließlich der Treuhandkommanditisten aufzuteilen. In einer
zweiten Stufe ist der Gewinnanteil des Treuhänders auf die Treugeber aufzuteilen. Beide Feststellungen
können jedoch miteinander verbunden werden, wenn das Treuhandverhältnis allen Beteiligten bekannt ist (vgl.
BFH-Beschluss vom 15.04.2003, IV B 188/01, BFH/NV 2003, 1283; BFH-Urteil vom 13.07.1999, VIII R 76/97,
BStBl II 1999, 747; BFH-Beschluss vom 12.01.1995, VIII B 43/94, BFH/NV 1995, 759, jeweils m. w. N.). Der
Feststellungsbescheid vom 01.04.2009 nimmt keine Trennung zwischen Treuhandkommanditist, weiteren
Kommanditisten und atypisch stillen Gesellschaftern sowie den Treugebern vor, sondern weist auch die
Treugeber wie alle anderen Gesellschafter als "Beteiligte" aus. Einer Ergänzung des Bescheids bedarf es
jedoch nicht, weil auch die Treuhänderin in dem Bescheid aufgeführt und ihr entsprechend ihrer nicht
treuhänderischen Beteiligung selbst ein Verlust zugewiesen worden ist. Der Feststellungsbescheid weist damit
alle Beteiligten aus, die auf den beiden Beteiligungsstufen an der Klägerin beteiligt sind. Eine Lücke
hinsichtlich der Feststellung der an der Klägerin Beteiligten, die durch einen Ergänzungsbescheid zu schließen
wäre, enthält der Bescheid danach nicht. Die weitere Feststellung, dass die D GmbH & Co. Treuhand KG
neben ihrer eigenen Beteiligung als Kommanditistin auch treuhänderisch weiteres Kapital hält und sie insoweit
mit 0 DM (auf der zweiten Stufe) am Ergebnis beteiligt ist, ist nicht notwendig. Auch Verwaltungsakte sind ggf.
auszulegen. Dabei ist ausschlaggebend, wie die Betroffenen nach den ihnen bekannten Umständen den
Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnten (vgl.
BFH-Beschluss vom 10.11.1994, IV B 64/93, BFH/NV 1995, 565). Da den Beteiligten die Treuhandkonstruktion
in diesem offenen Treuhandverhältnis bekannt war, bedurfte es in dem zusammengefassten
Feststellungsbescheid vom 01.04.2009 keiner Aufschlüsselung, in welchem Verhältnis der D GmbH & Co.
Treuhand KG als Treuhänderin und als Gesellschafterin am Ergebnis der Klägerin beteiligt war.
2. Der angefochten Bescheid über die Feststellung der verrechenbaren Verluste ist in der Weise zu ändern,
dass insgesamt ein Verlust in Höhe von 60.904,77 DM als verrechenbar festzustellen ist. Der ausgleichsfähige
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Verlust nach § 15a Abs. 1 S. 1 EStG erhöht sich um 459.675,57 DM auf 839.088,12 DM.
Der nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust ist nach § 15a Abs. 4 EStG auch für die Gesellschafter
festzustellen, die zum 31.12.2001 gemäß dem Gesellschaftsvertrag (nur) als atypische stille Gesellschafter an
der Klägerin beteiligt waren, weil ihre Beteiligung als Kommanditisten zu diesem Zeitpunkt noch nicht im
Handelsregister eingetragen war. Denn nach § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG gilt die Regelung des § 15a Abs. 4 und
Abs. 1 S. 1 EStG für atypisch stille Gesellschafter sinngemäß.
3. Nach § 15 a Abs. 1 S. 1 EStG darf der Anteil eines Kommanditisten am Verlust der Kommanditgesellschaft
weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten
ausgeglichen oder nach § 10 d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des
Kommanditisten entsteht oder sich erhöht.
Im vorliegenden Fall hat sich das Kapitalkonto der Gesellschafter durch die Liquiditätsauszahlung in 2000 nicht
verringert. Das gesonderte Entnahmekonto der Gesellschafter, auf das die Auszahlung gemäß Artikel 9.3. des
Gesellschaftsvertrags zu erfassen war, ist kein Kapitalkonto.
Den Begriff des Kapitalkontos definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung ist das nach
steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelte Kapitalkonto in der Gesamthandelsbilanz der Gesellschaft zuzüglich
gegebenenfalls bestehender Ergänzungsbilanzen der Kommanditisten gemeint. Das Kapitalkonto kann sich
aus mehreren Konten mit verschiedenen Bezeichnungen zusammensetzen. Entscheidend für die Beurteilung
als Kapitalkonto ist, ob das Konto durch seine Teilhabe an Verlusten der Gesellschaft der gesamthänderischen
Bindung unterliegt (vgl. BFH, Urteil vom 07.04.2005, IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598, m. w. N.). Für die
Beurteilung der Zugehörigkeit eines Kontos zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital kommt es nicht auf die
Bezeichnung an (vgl. BFH-Urteil vom 27.06.1996, IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36). Führt eine
Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten mehrere Konten mit verschiedenen Bezeichnungen, ist
vielmehr anhand des Gesellschaftsvertrags zu ermitteln, welche zivilrechtliche Rechtsnatur diese Konten
haben, das heißt, ob sie Eigenkapital oder Forderungen und Verbindlichkeiten ausweisen (BFH-Urteil vom
15.05.2008, IV R 46/05, BStBl. II 2008, 812; Urteil vom 07.04.2005, IV R 24/03, BStBl. II 2005, 598, jeweils m.
w. N.).
a) Nach dem Gesellschaftsvertrag sind für jeden Gesellschafter grundsätzlich drei Konten einzurichten: Ein
Kapitalkonto I, das die bedungene Einlage wiedergibt und nach dem sich die Stimm- und Mitwirkungsrechte
bemessen. Ein Verlustvortragskonto (Kapitalkonto II), auf dem bilanzierte Gewinn- und Verlustanteile verbucht
werden sowie ein Gesellschafterverrechnungskonto, auf dem Einzahlungen und Entnahmen erfasst werden
sowie das Agio. Darüber hinaus sieht Artikel 9.3 des Gesellschaftsvertrages die Einrichtung eines weiteren
Gesellschafterkontos - ein gesondertes Entnahmekonto - für den Fall von Entnahmen vor, wenn durch diese
auf dem Kapitalkonto II ein negativer Saldo entstehen oder ein negativer Saldo sich erhöhen würde.
Grundsätzlich hat die Klägerin danach ein Drei-Konten-System für die Gesellschafterkonten vorgesehen, ein
Kapitalkonto I, ein Verlustvortragkonto und ein Gesellschafterverrechnungskonto. Tatsächlich hat sie jedoch
ein Vier-Konten-Modell eingerichtet. Denn sie hat das Agio anders als im Gesellschaftsvertrag vorgesehen auf
ein gesondertes Rücklagenkonto gebucht und bilanziell ausgewiesen. Danach werden unstreitig zwei
Kapitalkonten für jeden Gesellschafter geführt, nämlich das Kapitalkonto I und das Verlustvortragskonto, sowie
ein Darlehenskonto, nämlich das Gesellschafterverrechnungskonto, auf dem Einlagen und Entnahmen erfasst
werden. Das Rücklagenkonto, auf dem das Agio verbucht worden ist, ist im vorliegenden Fall auch als
Kapitalkonto zu würdigen, denn dieser Betrag sollte gemäß Artikel 7.6 der Gesellschaft als Kapital zur
Abdeckung von Verlusten zur Verfügung stehen.
b) Bei dem weiteren nach Artikel 9.3 Satz 4 des Gesellschaftsvertrags einzurichtenden gesonderten
Entnahmekonto handelt es sich um ein Unterkonto zu dem Gesellschafterverrechnungskonto. Die Bezeichnung
des Kontos in der Bilanz als "Ausschüttungen an Gesellschafter" lässt ebenso wie der Ausweis im
Umlaufvermögen und der Bilanzposition "sonstige Vermögensgegenstände" keine Rückschlüsse auf die
Einordnung als Kapital- oder Darlehenskonto der Gesellschafter zu (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.2000, IV R
16/99, BStBl. II 2001, 171). Die Rechtsnatur des Gesellschafterkontos bestimmt sich maßgeblich nach seiner
Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (Artikel 9.3 Satz 4 und 5) bezeichnet das gesonderte Entnahmekonto,
das nur einzurichten ist, wenn durch Entnahmen das Kapitalkonto II (Verlustvortragskonto) negativ werden
würde, als Darlehnskonto. Der Saldo soll danach eine Forderung der Gesellschaft sein. Mit
Gesellschafterbeschluss vom ... 2000 ist die "Ausschüttung" von insgesamt 10 % des Kapitals beschlossen
und in der Folgezeit an die Gesellschafter ausgezahlt worden. Unstreitig handelte es sich dabei nicht um die
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Ausschüttung von Gewinn, sondern um eine Entnahme von Liquidität.
Gesellschaftsrechtlich wird die Auffassung vertreten, bei einer im Gesellschaftsvertrag zugelassenen
entnahmebedingten Überziehung eines Kontos handele es sich um einen Vorschuss, den die Gesellschaft auf
zukünftige Gewinne zahle und nicht um eine jederzeit fällige Forderung. Erst wenn bei Beendigung der
Gesellschaft feststehe, dass es zu einer Verrechnung mit Gewinnen nicht mehr kommen könne, sei der
Kommanditist zum Ausgleich offener Gewinnvorschüsse verpflichtet (Ley, DStR 2003, 957, Huber, ZGR 1988,
1, 59, 76). Steuerlich leitet der Bundesfinanzhof die Rechtsnatur eines aktivischen Gesellschafterkontos aus
dem Charakter des passivischen Kontos ab. So hat er das Kapitalkonto II im Zwei-Konten-Modell, das auch
der Verlustverrechnung dient, als Kapitalkonto und nicht als Darlehnskonto beurteilt, auch wenn es einen
Negativsaldo aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 27.06.1996, IV R 80/95, BStBl. II 1997, 36).
Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ferner geklärt, dass das Darlehenskonto eines
Gesellschafters, das infolge von gesellschaftsvertraglich nicht vorgesehenen Auszahlungen negativ wird,
gesellschaftsrechtlich eine Forderung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern ausweist. Auch
steuerlich handele es sich bei einer ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag erfolgten Entnahme, die zu einer
Überziehung des "Darlehnskontos" im Drei- oder Vier-Konten-Modell führe, um Forderungen der Gesellschaft
gegenüber den Gesellschaftern (BFH-Urteil vom 16.10.2008, IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272). Dies gilt
grundsätzlich unabhängig davon, ob Absprachen über Verzinsung, Sicherheiten und Tilgungsmodalitäten
getroffen worden sind. Denn aus dem Fehlen solcher Bestimmungen könne nicht der Schluss gezogen werden,
dass es sich um ein Kapitalkonto handele, wenn feststehe, dass das Kontoguthaben jederzeit entnahmefähig
sei (BFH-Urteil vom 16.10.2008, IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272). Wie ein durch zulässige Überentnahmen
aktivisch gewordenes Gesellschafterkonto steuerlich einzuordnen ist, hat der Bundesfinanzhof in seiner
Entscheidung vom 16.10.2008 (IV R 98/06) jedoch ausdrücklich offen gelassen.
Bei der in 2000 erfolgten Liquiditätsauszahlung handelt es sich um eine zulässige Überentnahme. Der
Gesellschaftsvertrag regelt in Artikel 9.3 die Möglichkeit einer Entnahme bei nicht vorhandenem
entnahmefähigem Guthaben. Die Auszahlung beruht zudem auf einer nach dem Emissionsprospekt in Aussicht
gestellten und durch Gesellschafterbeschluss legitimierten "Liquiditätsausschüttung".
Gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 HGB hat ein Kommanditist kein gewinnunabhängiges Entnahmerecht. Diese
gesetzliche Regelung kann grundsätzlich durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss jedoch
abbedungen werden. Für das Innenverhältnis einer KG ist folglich an Stelle einer Gewinnausschüttung eine
Entnahme von Liquidität dann gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn solches im Gesellschaftsvertrag oder
durch Gesellschafterbeschluss eindeutig geregelt worden ist (vgl. Wagner, DStR 2008, 563, 564). Diese
Auszahlung von Liquidität führt nach § 172 Abs. 4 HGB zu einer Haftung des Kommanditisten im
Außenverhältnis, d. h. ein Gläubiger oder Insolvenzverwalter kann insoweit Zahlung verlangen. Die
Gesellschaft selbst kann regelmäßig von ihren Gesellschaftern die "ausgeschüttete" Liquidität nicht
zurückfordern (vgl. Wagner, DStR 2008, 563, 565). Bei den atypischen stillen Gesellschaftern der Klägerin
würde dies außerdem zur Folge haben, dass ihnen in Höhe der Entnahme keine ausgleichsfähigen Verluste im
Sinne des § 15a EStG zugewiesen werden könnten, weil auf sie - anders als bei Kommanditisten - § 15a Abs.
1 Satz 2 EStG keine Anwendung findet (vgl. § 15a Abs. 5 EStG). Sie trifft keine Haftung im Außenverhältnis
und damit auch keine wirtschaftliche Belastung.
Im Streitfall ist im Gesellschaftsvertrag aber gerade die Möglichkeit der Rückforderung durch die Gesellschaft
geregelt und eine Verminderung des eingezahlten Kapitals ausgeschlossen. In Art. 9.3 des
Gesellschaftsvertrages wird der Saldo des aktivischen gesonderten Entnahmekontos als Forderung der
Gesellschaft bezeichnet. Das gesonderte Entnahmekonto ist systematisch im Zusammenhang mit dem
Gesellschafterverrechnungskonto, einem Darlehenskonto, behandelt und mit dem Klammerzusatz nochmals
ausdrücklich als Darlehenskonto bezeichnet worden. Diese Formulierungen sind nach den überzeugenden
Erläuterungen des Geschäftsführers und des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung im
Bewusstsein der rechtlichen Problematik ausdrücklich so gewählt worden.
Entsprechend der bewussten gesellschaftsvertraglichen Regelung ist danach der auf dem gesonderten
Entnahmekonto gebuchte Saldo als Forderung der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter zu bewerten. Zwar
ist die Formulierung in Artikel 9.3 Satz 4 des Gesellschaftsvertrages in Bezug auf das Verhältnis der
Entnahmen zum Kapitalkonto II nicht ganz eindeutig. Es wird jedoch zum Ausdruck gebracht, dass Entnahmen
auf das gesonderte Entnahmekonto gebucht werden, wenn die Entnahme - würde sie auf dem Kapitalkonto II
erfasst - zu einem negativen Kapitalkonto II führen oder dieses erhöhen würde. Der verwendete Konjunktiv
macht deutlich, dass die Regelung nicht die in Satz 1 des Artikels 9.3 getroffene Verbuchung von Entnahmen
auf dem Gesellschafterverrechnungskonto ändern soll.
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Auch die Erfassung der Liquiditätsauszahlung auf einem Sammelkonto statt, wie vorgesehen, auf dem für
jeden Gesellschafter einzurichtenden gesonderten Entnahmekonto steht der Einordnung des gesonderten
Entnahmekontos als Darlehenskonto nicht entgegen. Denn trotz der Buchung auf dem Sammelkonto ... sind
die Auszahlungen an jeden Gesellschafter gesondert erfasst worden, so dass ohne weiteres nachvollzogen
werden kann, in welcher Höhe die Gesellschaft gegen den einzelnen Gesellschafter eine Forderung hat.
Der Einordnung als Darlehenskonto steht auch nicht entgegen, dass der Saldo nicht in einem Kapitalbedarf der
Gesellschafter begründet liegt, sondern die Klägerin in Umsetzung der bereits im Emissionsprospekt
angekündigten "Ausschüttung" die Auszahlung initiiert hat. Denn die Ursache einer Geldhingabe steht ihrer
Einordnung als Forderung nicht entgegen. Ebenso ist es für den rechtlichen Charakter des gesonderten
Entnahmekontos nicht von Bedeutung, dass möglicherweise ein großer Teil der Kapitalanleger sich nicht
darüber im Klaren sind, dass es sich bei der Auszahlung nicht um eine Gewinnausschüttung handeln konnte.
Sowohl der Gesellschaftsvertrag als auch der Emissionsprospekt enthalten Regelungen bzw. Ausführungen
dazu, dass eine Liquiditätsauszahlung mit der Möglichkeit der Rückforderung verbunden ist. Der
Emissionsprospekt spricht zwar unter "Vertriebsoptimierungsgesichtspunkten" untechnisch von
"Ausschüttungen". Gleichzeitig enthält der Punkt "Haftung des Anlegers" einen Hinweis auf die Möglichkeit von
"Ausschüttungen" ohne dass ausschüttungsfähige Gewinne vorliegen, wenn ausgeführt wird, dass eine
"Nachschusspflicht" bestehen kann, wenn Ausschüttungen vorgenommen werden, die nicht durch Gewinne
abgedeckt sind.
Auch der Umstand, dass keine Verzinsung und Tilgung sowie Sicherheiten vereinbart wurden, steht einer
Beurteilung als Darlehenskonto nicht entgegen. Die Verzinslichkeit ist schon deshalb kein geeignetes
Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen Kapital- und Darlehenskonto, weil eine Verzinsung von
Fremdkapital und eine Verzinsung des Kapitalanteils im Rahmen der Gewinnverteilung gleichermaßen üblich
und typisch sind (st. Rspr., BFH-Urteile vom 05.06.2002 I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; vom 16.10.2008, IV R
98/06, BStBl. II 2009, 272). Die steuerliche Berücksichtigung von Darlehen im Beteiligungsverhältnis zwischen
einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern ist nicht davon abhängig, dass die Anforderungen des
sogenannten Fremdvergleichs erfüllt sind. Die für Darlehen aufgrund besonderer Vereinbarung zwischen
Gesellschafter und Gesellschaft geltenden Grundsätze (Fremdvergleich) lassen sich nicht ohne weiteres auf
aktivische Gesellschafterverrechnungskonten übertragen. Schuldsalden auf Darlehenskonten sind in der Regel
nur für einzelne festumrissene, meist gesellschaftsvertraglich geregelte Zwecke zulässig, wie für private
Steuerzahlungen oder Auszahlung von Liquiditätsüberschüssen. Anforderungen, wie sie für die Anerkennung
von Darlehen aufgrund besonderer Vereinbarung gelten, können für Schuldsalden im Rahmen von
Darlehenskonten allenfalls dann relevant werden, wenn ein typischer Weise zwischen den Gesellschaftern
bestehender Interessengegensatz entfällt - z. B. bei Familiengesellschaften oder einem
Mehrheitsgesellschafter (vgl. Wüllenkemper, BB 1991, 1904, 1908; BFH-Urteil vom 16.10.2008, IV R 98/06,
BStBl. II 2009, 272). Deshalb ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf abzustellen, ob eine
betriebliche Veranlassung für die Überziehung des Gesellschafterdarlehenskonto vorliegt und sie deshalb
einem Fremdvergleich standhält. Die Vereinbarung von Tilgungsmodalitäten ist nach der Rechtsprechung des
BFH (Urteil vom 16.10.2008, IV R 98/06, BStBl. II 2009, 272) nur dann erforderlich, wenn nicht jederzeit der
Schuldsaldo auf dem Darlehenskonto zurückgefordert werden kann. Der Gesellschaftsvertrag bezeichnet den
Saldo des gesonderten Entnahmekontos nur als Forderung, ohne die Rückzahlungsmodalitäten zu regeln.
Nach den Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung sollte der Saldo aber jederzeit, je nach der
wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft, rückforderbar sein. Dies ist auch nach allgemeinen zivilrechtlichen
Vorschriften (vgl. § 488 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB) zulässig. Bei planmäßigem
wirtschaftlichem Verlauf sollte die Forderung mit späterem Gewinn verrechnet werden.
Auch die weiteren Regelungen des Gesellschaftsvertrages stehen einer Rückforderung oder einem Ausgleich
des Saldos des gesonderten Entnahmekontos im Zeitpunkt der Auseinandersetzung nicht entgegen. Zwar wird
bei der Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens das gesonderte Entnahmekonto nicht ausdrücklich
aufgeführt. Art. 13.2.2. regelt lediglich, dass positive Salden auf den Gesellschafterverrechnungskonten als
Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu behandeln und vorab, "ggf. abzüglich offenen Gegenforderungen" zu
begleichen sind. In diesem Zusammenhang wird der Saldo auf dem gesonderten Entnahmekonto erfasst, denn
er ist ausdrücklich als Forderung der Gesellschaft bezeichnet, mindert damit den positiven Saldo eines
Gesellschafterverrechnungskontos. Art. 13.2.2 des Gesellschaftsvertrages erfasst aber nur den Fall eines
positiven Gesellschafterverrechnungskontos, nicht den Fall eines negativen oder ausgeglichenen, so dass der
Ausgleich des gesonderten Entnahmekontos bei Ausscheiden eines Gesellschafters oder Auflösung der
Gesellschaft nur teilweise geregelt wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass das gesonderte Entnahmekonto im
Fall der Auseinandersetzung nicht auszugleichen wäre. Art. 13 regelt lediglich die Verteilung eines
Auseinandersetzungsguthabens, weil auch nur insoweit das Erfordernis gesehen wurde, eine Verteilung zu
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regeln. Im Übrigen kommen die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, auf die der Anspruch
auf Rückzahlung gestützt werden kann (vgl. § 488 Abs. 1 und 3 BGB, § 161 Abs. 1, § 149 HGB).
c) Nach allem ist das gesonderte Entnahmekonto nicht bei der Ermittlung des Kapitalkontos zu
berücksichtigen. Die Liquiditätsauszahlungen erhöhen nicht die negativen Kapitalkonten der Gesellschafter, so
dass in Höhe eines Betrags von 459.675,57 DM weitere ausgleichsfähige Verluste vorliegen und die
verrechenbaren Verluste der Gesellschafter entsprechend niedriger festzustellen sind. Der Höhe nach besteht
zwischen den Beteiligten kein Streit.
III.
Dem Beklagten wird nach § 100 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, den zusätzlichen
ausgleichsfähigen Verlust entsprechend dem Beteiligungsverhältnis unter Einbeziehung der
Ergänzungsbilanzen und dem Kapitalkonto zum 31.12.2000 für die Gesellschafter zu berechnen und die Höhe
des verrechenbaren Verlustes für den einzelnen Gesellschafter festzustellen. Der Beklagte teilt der Klägerin
das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit und gibt den Verwaltungsakt nach Rechtskraft der
Entscheidung mit geändertem Inhalt neu bekannt.
IV.
Der Beklagte hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und die Abwendungsbefugnis folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Revision ist nach § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.