Urteil des FG Hamburg vom 09.07.2014

FG Hamburg: betriebliche einrichtung, outsourcing, unbestimmte dauer, arbeitsort, wechsel, einspruch, verpflegung, unternehmensbesteuerung, krankheitskosten, firma

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Einkommensteuer: Verpflegungsmehraufwand des Arbeitnehmers in Outsourcing-
Konstellationen
1. In einem sog. Outsourcing-Fall (vgl. BFH-Urteil vom 09.02.2012 VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827) ist die
betriebliche Einrichtung des alten Arbeitgebers, in der der Arbeitnehmer bisher tätig gewesen ist, für ihn ab dem
Arbeitgeberwechsel auch dann keine regelmäßige Arbeitsstätte mehr, wenn ihm in Aussicht gestellt wird, dass er für eine
Übergangszeit für den neuen Arbeitgeber weiter dort tätig sein wird.
2. Bei der daher dem Grunde nach möglichen Berücksichtigung eines Verpflegungsmehraufwandes ist die Tätigkeitszeit, die
der Arbeitnehmer vor dem Arbeitgeberwechsel an dem Tätigkeitsort bereits zugebracht hat, allerdings in die Dreimonatsfrist
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 i. V. m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG a. F. einzurechnen.
FG Hamburg 3. Senat, Urteil vom 09.07.2014, 3 K 237/13
§ 4 Abs 5 S 1 Nr 5 S 5 EStG 2011, § 9 Abs 5 S 1 EStG 2011
Verfahrensgang
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von
Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin
aus nichtselbständiger Arbeit.
I. 1. Die Kläger sind zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin war bis Ende 2010 als
... bei der Firma A GmbH (nachfolgend "A") beschäftigt und im sog. XX in B (Y-Straße ...,
... B) tätig. Ab dem Jahr 2011 übertrug die Arbeitgeberin der Klägerin den
Unternehmensbereich ... auf die Firma C ... GmbH (nachfolgend "C GmbH"). Das
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Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und A ging mit Einverständnis der Klägerin mit
Wirkung zum ... 2011 auf die C GmbH über.
2. In einem gemeinsamen Informationsschreiben der A und der C GmbH "zum Übergang
des Arbeitsverhältnisses auf die C ... GmbH gemäß § 613a BGB" vom ... 2010 (Anlage
zum Schriftsatz der Kläger vom 18.03.2014, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband)
heißt es hierzu:
"Es ist beabsichtigt, dass Sie zumindest bis zum ... 2012 Ihre Arbeitsleistung weiterhin in
den bekannten Räumlichkeiten im XX in B erbringen. Rechtzeitig vor Ende des
Mietverhältnisses im XX wird entschieden, wo in B Sie ab ... 2012 Ihre Arbeitsleistung
erbringen."
Die Klägerin war entsprechend dieser Mitteilung im Streitjahr 2011 weiterhin in den
Einrichtungen ihrer früheren Arbeitsgeberin A am Arbeitsort XX in B tätig.
II. 1. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 begehrten die Kläger die
Berücksichtigung von Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sowie von
Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen. Im hierauf ergangenen
Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 12.11.2012 berücksichtigte der Beklagte die
begehrten Abzüge nicht.
2. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 06.12.2012, eingegangen beim
Beklagten am 07.12.2012, Einspruch ein.
3. Der Beklagte wies den Einspruch mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 26.09.2013,
zur Post aufgegeben am 27.09.2013, als unbegründet zurück. Hinsichtlich des weiterhin
geltend gemachten Begehrens, Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen
ohne Beschränkung der zumutbaren Eigenbelastung des § 33 Abs. 3
Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen, blieb der Einspruch unentschieden.
III. Mit ihrer Klage vom 24.10.2013, bei Gericht eingegangen am 28.10.2013, haben die
Kläger zunächst ihr Einspruchsbegehren gerichtet auf die Berücksichtigung
Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 9.832,00 € bei dem
Kläger und 10.811,00 € bei der Klägerin weiterverfolgt.
Mit Schriftsatz vom 18.03.2014 haben die Kläger erklärt, an diesem Begehren nicht mehr
festzuhalten, und nunmehr - erstmals - Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von
insgesamt 354,00 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger
Arbeit der Klägerin sowie eine Steuerermäßigung wegen der Inanspruchnahme
haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen in Höhe von 77,00 € geltend
gemacht.
Hinsichtlich der begehrten Steuerermäßigung hat der Beklagte am 17.04.2014 einen Teil-
Abhilfebescheid erlassen, in dem er antragsgemäß Aufwendungen für haushaltsnahe
Dienstleistungen und Handwerkerleistungen berücksichtigt hat, nicht jedoch die geltend
gemachten Verpflegungsmehraufwendungen.
Hierzu tragen die Kläger vor:
Aufgrund der Ausgliederung der ... aus dem Unternehmen der ehemaligen Arbeitgeberin
der Klägerin sei ab dem Zeitpunkt des Übergangs von einer Auswärtstätigkeit
auszugehen, die gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG in
der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung zum Abzug von
Verpflegungsmehraufwendungen für drei Monate berechtige. Dies gelte nach der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch für Fälle, in denen der Arbeitsort trotz
geänderter arbeitsrechtlicher Beziehungen unverändert bleibe. Der Arbeitgeberwechsel
ohne Wechsel des Arbeitsortes führe dazu, dass der Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt der
Übernahme in den Einrichtungen eines Dritten tätig werde. Dies sei nicht anders zu
beurteilen als bei einem Arbeitnehmer, der bei einem Kunden seines Arbeitgebers seine
Arbeitsleistung erbringe. Auch bei diesem sei die betriebliche Einrichtung des Kunden
keine regelmäßige Arbeitsstätte.
Die geltend gemachte Gesamthöhe des Aufwands von 354,00 € setze sich aus einem
gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG pauschalierten Mehraufwand in
Höhe von 6,00 € pro Tag zusammen, der an insgesamt 59 Tagen des Streitjahres 2011
angefallen sei. Die Klägerin sei in dem beantragen Zeitraum etwa 9 Stunden pro Tag (8
Stunden tägliche Arbeitszeit zzgl. Arbeitsweg von ca. einer Stunde) von ihrer Wohnung
abwesend gewesen.
Die Dreimonatsfrist für den Abzug des Verpflegungsmehraufwandes beginne erst mit dem
Beginn der Auswärtstätigkeit aufgrund des Outsourcing. Die Abzugsvoraussetzungen
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seien gesetzlich typisiert und lägen unabhängig von der konkreten Verpflegungssituation
ab Beginn jedweder Auswärtstätigkeit vor. Im Hinblick auf das unter dem Az. VI R 7/13
beim BFH anhängige Revisionsverfahren (vorgehend Urteil des FG Düsseldorf vom
09.01.2013 15 K 318/12 E, EFG 2013, 417) beantragen die Kläger ein Ruhen des
Verfahrens.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 12.11.2012 in Gestalt der Teil-
Einspruchsentscheidung vom 26.09.2013 und des Teil-Abhilfebescheids vom 17.04.2014
dahingehend zu ändern, dass Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 354,00 €
als Werbungkosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Klägerin
berücksichtigt werden und die Einkommensteuer in entsprechender Höhe herabgesetzt
wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Die Klägerin sei auch nach Aufnahme ihrer Tätigkeit für die C GmbH weiterhin an einer
regelmäßigen Arbeitsstätte tätig gewesen. Eine auswärtige Tätigkeit liege nicht vor. Im
Falle des sog. Outsourcing bestehe eine regelmäßige Arbeitsstätte ab dem ersten Tag der
Tätigkeit für das übernehmende Unternehmen, wenn die Arbeitsleistung in den alten
Räumlichkeiten ausgeübt werde. Diese gelte insbesondere für den vorliegenden Fall,
weil davon auszugehen sei, dass die C GmbH die Räumlichkeiten, in denen die Klägerin
tätig gewesen sei, gemietet habe. Der Klägerin sei nämlich in dem Übernahmevertrag
zugesichert worden, dass sie ihre Arbeitsleistung bis zur Beendigung des
Mietverhältnisses, also zum ... 2012, in den Räumlichkeiten der Klägerin erbringen könne.
Deshalb liege hier eine Tätigkeit in einer Arbeitsstätte des neuen Arbeitgebers und nicht
in einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte vor. Aber auch unabhängig von den
zivilrechtlichen Verhältnissen ergebe sich eine regelmäßige Arbeitsstätte daraus, dass
die Tätigkeit der Klägerin in ihrer Arbeitsstätte auf unbestimmte Dauer angelegt sei. Der
Klägerin seien zudem keine Mehrkosten entstanden. Sie habe auch nach dem rechtlichen
Wechsel des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit gehabt, sich in der gewohnten
Arbeitsstätte zu verbilligten Preisen zu versorgen.
Der Beklagte hat einer Verfahrensruhe nicht zugestimmt.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.06.2014 (FGA Bl. 104) der
Einzelrichterin übertragen.
Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins vom 27.02.2014 (FGA Bl. 28 ff.)
und der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2014 (FGA Bl. 125 ff.) wird Bezug
genommen.
Dem Gericht haben ein Band Rechtsbehelfsakten sowie ein Band
Einkommensteuerakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
B. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die
Einzelrichterin.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung und des nach
Klageerhebung ergangenen Teil-Abhilfebescheids ist rechtmäßig und verletzt die Kläger
nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht wurde der begehrte Abzug
von Verpflegungsmehraufwand verwehrt. Zwar liegt eine Auswärtstätigkeit der Klägerin
vor (1.), jedoch ist die Dreimonatsfrist bereits abgelaufen (2.).
1. a) Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 und Satz 2 EStG in der
im streitigen Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung (a. F.; vor Geltung des
Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des
steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013, BGBl I 2013, 285) kann ein
Arbeitnehmer bestimmte Pauschbeträge als Mehraufwendungen für seine Verpflegung
als Werbungskosten abziehen, wenn er vorübergehend von seiner Wohnung und dem
Tätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich tätig ist.
a) Tätigkeitsmittelpunkt i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG a. F. und
regelmäßige Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a. F. sind zentrale und
identisch zu behandelnde Tatbestandsmerkmale des steuerlichen Reisekostenrechts.
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Nach der Rechtsprechung des BFH ist regelmäßige Arbeitsstätte jede ortsfeste
dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist
und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der
Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb (BFH-Urteile vom 08.08.2013 VI R 59/12,
BFHE 242, 354, BStBl II 2014, 66; vom 08.08.2013 VI R 27/12, BFH/NV 2014, 308; vom
17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852; vom 21.01.2010 VI R 51/08,
BFHE 228, 85). Eine nur vorübergehende Abordnung in eine andere betriebliche
Einrichtung des Arbeitgebers begründet keine regelmäßige Arbeitsstätte (BFH-Urteil vom
24.09.2013 VI R 51/12, BFHE 243, 215, BStBl II 2014, 342).
b) Eine regelmäßige Arbeitsstätte in dem genannten Sinne liegt nach Auffassung des
BFH nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer in einer betrieblichen Einrichtung eines Kunden
des Arbeitgebers tätig wird (BFH-Urteile vom 09.07.2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449,
BStBl II 2009, 822; vom 10.07.2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818). Auch
ein Leiharbeitnehmer wird typischerweise nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig
(BFH-Urteil vom 17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852).
c) Gleiches gilt nach Auffassung des BFH für sog. Outsourcing-Konstellationen, also in
Fällen, in denen Arbeitgeber bestimmte Arbeitsbereiche auf andere rechtlich selbständige
Unternehmen übertragen, die arbeits- oder dienstrechtlichen Beziehungen zwischen
Arbeitnehmer und bisherigem Arbeitgeber enden und die beim bisherigen Arbeitgeber
tätigen Arbeitnehmer künftig Arbeitnehmer der ausgegliederten Unternehmen werden,
aber - zunächst - weiter in den Einrichtungen ihrer früheren Arbeitgeber tätig bleiben
(BFH-Urteil vom 09.02.2012 VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827). Mit dem
Outsourcing fallen die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und der Arbeitsort, an
dem der betreffende Arbeitnehmer tätig wird, auseinander. Es liegt dann eine
Auswärtstätigkeit bei einem Dritten vor. Während in den bisher entschiedenen Fällen des
Leiharbeitnehmers oder des in einer Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers tätigen
Arbeitnehmers (siehe oben b.) dieses Auseinanderfallen seinen Grund im Ortswechsel
hat, hat beim Outsourcing das Auseinanderfallen seine Ursache in dem Wechsel des
Arbeitgebers.
Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es für den Arbeitnehmer ungewiss ist, ob und
wie lange die durch das Outsourcing gekennzeichnete vertragliche Beziehung zwischen
dem neuen Arbeitgeber und dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht und ob der Ort, an
dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, angesichts des
Direktionsrechts des neuen Arbeitgebers beibehalten bleibt. Die Tätigkeit eines
"outgesourcten" Arbeitnehmers unterliegt damit der gleichen Ungewissheit, die etwa bei
einem Arbeitnehmer besteht, der vorübergehend ausschließlich am Betriebssitz eines
Kunden des Arbeitgebers tätig ist oder von seinem Arbeitgeber an andere Unternehmen
ausgeliehen wird (BFH-Urteil vom 09.02.2012 VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012,
827).
Nach den Grundsätzen des BFH ist im Wege einer typisierenden ex-ante-
Betrachtungsweise zu fragen, ob der Arbeitnehmer sich auf den Ort, die Dauer und die
weitere konkrete Ausgestaltung der dort zu verrichtenden Tätigkeit einstellen kann. Dies
ist bei einem Outsourcing nicht der Fall, weil der Arbeitnehmer dem Direktionsrecht des
neuen Arbeitgebers unterliegt und die vertragliche Beziehung zwischen neuem
Arbeitgeber und übertragendem Arbeitgeber seinem Einfluss entzogen ist. Die
Ungewissheit des Arbeitnehmers hinsichtlich des Arbeitsortes liegt dabei abstrakt und
typisierend in dem Drei-Personen-Verhältnis zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und
Drittem unabhängig von der individuellen Ausgestaltung der konkreten
Vertragsverhältnisse im Einzelfall (Geserich, FR 2012, 785; siehe auch BFH-Urteil vom
17.06.2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852).
b) Gemessen daran wurde die Klägerin im Streitjahr 2011 außerhalb einer regelmäßigen
Arbeitsstätte bzw. eines Tätigkeitsmittelpunktes i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2
EStG a. F. tätig.
aa) Die Klägerin war in einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte tätig, die nicht der neuen
Arbeitgeberin der Klägerin, der C GmbH, zuzuordnen war. Obwohl die Klägerin weiterhin
in den Räumlichkeiten ihrer ehemaligen Arbeitgeberin arbeitete, war aufgrund des
übergegangen Direktionsrechts im Wege einer typisierenden ex-ante-Betrachtung
ungewiss, wo sie künftig tätig sein würde.
bb) Dass der Klägerin die Absicht mitgeteilt wurde, sie vorerst, nämlich bis zum ... 2012,
weiter in der bisherigen Arbeitsstätte arbeiten zu lassen, vermag die abstrakt zu
bestimmende Ungewissheit des Arbeitnehmers über den Arbeitsort nicht zu erschüttern.
Für diesen ist allein maßgeblich, in welcher Art und Weise der neue Arbeitgeber ihm
gegenüber sein Direktionsrecht ausübt. Im vorliegenden Fall ist gemessen daran nicht
ersichtlich, dass der neue Arbeitgeber sein Direktionsrecht derart ausgeübt hätte, dass die
Klägerin fest damit hätte rechnen können, dauerhaft weiter an ihrem bisherigen Arbeitsort
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tätig zu werden.
cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist ferner unbeachtlich, dass aufgrund der
gemeinsamen Mitteilung auf eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem abgebenden
und dem neuen Arbeitgeber geschlossen werden kann. Denn wenn die Arbeitnehmer
nach einem Arbeitgeberwechsel weiterhin am bisherigen Arbeitsort tätig werden, setzt
das notwendigerweise eine entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung als Teil der
gesamten "Outsourcing-Vereinbarung" zwischen dem alten und dem neuen Arbeitgeber,
etwa über die Begründung eines Untermietverhältnisses, voraus. Das ändert nichts an der
durch das Outsourcing begründeten Ungewissheit für den Arbeitnehmer, ob und inwieweit
diese vertragliche Beziehung fortbesteht und ob der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine
Arbeitsleistung zu erbringen hat, angesichts des Direktionsrechts des neuen Arbeitgebers
beibehalten bleibt. Auf die individuelle Ausgestaltung der konkreten Vertragsverhältnisse
im Einzelfall zwischen dem abgebenden und dem übernehmenden Arbeitgeber kommt es
dabei nicht an.
dd) Auch dass die Klägerin tatsächlich über einen längeren Zeitraum in der Arbeitsstätte
der ehemaligen Arbeitgeberin tätig wurde, ist für die anzustellende typisierende ex-ante-
Betrachtung bei der Bestimmung einer regelmäßigen Arbeitsstätte nicht maßgeblich.
2. Im Ergebnis kann aber auch offen bleiben, ob aufgrund des Outsourcing eine
Auswärtstätigkeit der Klägerin vorliegt oder nicht. Denn dem von den Klägern begehrten
Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen steht jedenfalls der Ablauf der
Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG a. F. entgegen.
a) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG a. F. befristet die Abzugsfähigkeit von
Verpflegungsaufwand. Danach ist der Abzug bei einer längerfristigen vorübergehenden
Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate beschränkt. Der Beginn
dieser Dreimonatsfrist ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.
aa) Mit der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands durch das Jahres-steuergesetz
1996 (JStG 1996) vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) verfolgte der
Gesetzgeber das Ziel, allen Arbeitnehmern mit Auswärtstätigkeiten die gleichen
Pauschalen zuzumessen, dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung beizutragen (BT-
Drs. 13/1558, 143) und zuvor bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen
Formen der Auswärtstätigkeit zu beseitigen (BT-Drs. 13/901, 129). Bei der Beschränkung
des Abzugs auf die Dauer von drei Monaten unterstellt der Gesetzgeber, dass die
Steuerpflichtigen nach der typisierten Übergangszeit regelmäßig eine
Verpflegungssituation vorfinden, die keine beruflich veranlassten Mehraufwendungen
verursachen (BT-Drs. 13/901, 129); sie können sich auf die Verpflegungssituation am
Beschäftigungsort einstellen, die Höhe der Kosten beeinflussen und damit einen "Mehr"-
Aufwand minimieren oder sogar vermeiden (BFH-Urteile vom 15.05.2013 VI R 41/12,
BFHE 241, 378, BStBl II 2013, 704; vom 08.07.2010 VI R 10/08, BFHE 230, 352, BStBl II
2011, 32). Bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist soll die Abzugsmöglichkeit aber generell
von der konkreten Verpflegungssituation und dem tatsächlichen Entstehen eines
Verpflegungsmehraufwandes unabhängig sein und auch bestehen, wenn die
Verpflegungssituation am Beschäftigungsort dem Steuerpflichtigen bekannt ist (BFH-
Urteile vom 08.07.2010 VI R 15/09, BFHE 230, 358, BStBl II 2011, 47; vom 11.05.2005 VI
R 70/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782).
bb) Nach Auffassung des FG Düsseldorf hat der Gesetzgeber damit zum Ausdruck
gebracht, dass generell bei Begründung einer jeden Auswärtstätigkeit - und damit auch in
dem dort vorliegenden Fall der Begründung einer doppelten Haushaltsführung durch
Wegverlegung des Haupthausstandes vom Beschäftigungsort und Umwidmung der
bisherigen Hauptwohnung in einen Zweithaushalt - die Pauschbeträge typisierend für die
Dauer von drei Monaten zu gewähren sein sollen, ohne dass auf die jeweilige konkrete
Verpflegungssituation abzustellen wäre (Urteil vom 09.01.2013 15 K 318/12 E, EFG 2013,
417, Revision anhängig unter VI R 7/13). Die Dauer eines der Begründung des
Zweithaushaltes am Beschäftigungsort vorausgegangenen Aufenthalts am selben Ort sei
nicht auf die Dreimonatsfrist anzurechnen.
cc) Die Frage des Beginns der Dreimonatsfrist in einem Outsourcing-Fall ist bisher noch
nicht entschieden. Der BFH musste in seiner Outsourcing-Entscheidung (Urteil vom
09.02.2012 VI R 22/10, BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827) nicht über die Anwendung der
Fristenregelung auf in dem genannten Sinne ausgegliederte Arbeitnehmer befinden, da er
in dem von ihm zu entscheidenden Fall abweichend von den entwickelten Grundsätzen
aufgrund eines Sonderfalls die Tätigkeit des Arbeitnehmers einer regelmäßigen
Arbeitsstätte zuordnen konnte.
dd) Nach Auffassung des Gerichts ist in den beschriebenen Outsourcing-Fällen die
Tätigkeitszeit des Arbeitnehmers, die er an dem Tätigkeitsort vor dem mit dem
Outsourcing verbundenen Arbeitgeberwechsel bereits zugebracht hat, in die
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Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG a. F. einzurechnen.
Wie dargelegt (s. oben aa.), unterstellt der Gesetzgeber typisierend, dass mit Ablauf der
Dreimonatsfrist die bei Beginn der Auswärtstätigkeit vorhandene überwiegende berufliche
Veranlassung des Verpflegungsmehraufwands entfallen ist (oben aa.). Der
Steuerpflichtige hat sich eingewöhnt und findet dann regelmäßig eine
Verpflegungssituation vor, die keinen beruflich veranlassten Mehraufwand verursacht.
Dies rechtfertigt es, zum Zwecke der Bestimmung dieser Eingewöhnungszeit auf die
tatsächlich verbrachte Tätigkeitszeit abzustellen und die Frist nicht erst ab dem
rechtlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses laufen zu lassen (Schneider, NWB 2012,
1732). Vor diesem Hintergrund ist der Abzug von Verpflegungsmehraufwand auf die
ersten drei Monate einer längerfristigen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt,
unabhängig davon, ob der Tätigkeitsort für den Arbeitnehmer eine regelmäßige oder eine
auswärtige Tätigkeitsstätte i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG a. F. ist. Die vom
Gesetzgeber beabsichtigte Typisierung geht nach Auffassung des Gerichtes nicht so weit,
dass die Dreimonatsfrist auch dann neu zu laufen begänne, wenn sich an der
tatsächlichen Situation nichts ändert, weil sowohl die Wohnung als auch der
Beschäftigungsort beibehalten werden, und die Annahme einer Auswärtstätigkeit - wie in
dem hier vorliegenden Outsourcing-Fall - allein auf einer Veränderung der rechtlichen
Umstände beruht.
b) Danach ist die steuerliche Berücksichtigung der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG
a. F. genannten Pauschbeträge im Streitfall nicht gerechtfertigt. Die Klägerin arbeitete vor
dem Zeitpunkt des rechtlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum ...
2011 über drei Monate an der Arbeitsstätte, die vor dem Wechsel des Arbeitgebers der
Tätigkeitsmittelpunkt der Klägerin gewesen war. Ein beruflich veranlasster
Verpflegungsmehraufwand nach dem rechtlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses lag
daher nicht vor.
3. Dem Begehren der Kläger, die tarifliche Einkommensteuer um Aufwendungen für
haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen i. S. v. § 35a Abs. 2 und 3
EStG zu vermindern, ist der Beklagte durch Erlass des Teil-Abhilfebescheides vom
17.04.2014 nachgekommen.
II. 1. Die Anordnung der von den Klägern beantragten Verfahrensruhe bis zur
Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren VI R 7/13 kam mangels Zustimmung des
Beklagten nicht in Betracht (§ 155 FGO i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 137 Satz 2 FGO.
Die Teilabhilfe des Beklagten im finanzgerichtlichen Verfahren führt zu einem teilweisen
Unterliegen des Beklagten. Die insoweit aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Pflicht zur
Kostentragung durch den Beklagten ist jedoch gemäß § 137 Satz 2 FGO ausgeschlossen.
Die Kläger haben die zur Teil-Abhilfeentscheidung führenden steuermindernden
Umstände, für die sie nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig
sind, erstmals im Klageverfahren vorgetragen. Gründe, die gegen ein schuldhaft
verspätetes Vorbringen sprechen, sind nicht ersichtlich.
3. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen hierfür gemäß § 115 Abs. 2
FGO liegen nicht vor.
a) Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage des Fristbeginns gemäß § 4 Abs. 5 Satz
1 Nr. 5 Satz 5 EStG a. F. in den Fällen des beschriebenen Outsourcing betrifft
ausgelaufenes bzw. auslaufendes Recht. Einer Rechtsfrage, die ausgelaufenes oder
auslaufendes Recht betrifft, kommt aber regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung i. S.
von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO mehr zu (BFH-Beschluss vom 26.10.2011 IV B 106/10,
BFH/NV 2012, 166), es sei denn, dass sie sich entweder mit Blick auf eine
Nachfolgeregelung (vgl. BFH-Beschluss vom 19.06.2006 VIII B 235/04, BFH/NV 2006,
2091) oder in einer nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren stellt (BFH-
Beschluss vom 01.04.2014 V B 45/13, BFH/NV 2014, 1104).
aa) Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellt sich im Rahmen der
Nachfolgeregelung nicht.
Die Frage des Fristbeginns für den Abzug von Verpflegungsmehraufwand in Outsourcing-
Fällen beruht auf der Regelung § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5
Satz 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, die gemäß § 52 Abs. 12 Satz 4
EStG letztmalig im Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden ist. Die zum
Verpflegungsmehraufwand ergangene Neuregelung des § 9 Abs. 4a i. V. m. Abs. 4 EStG
mit Wirkung ab dem 01.01.2014 (durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013,
BGBl I 2013, 285; -n. F.-) enthält zwar ebenfalls ein auf drei Monate befristetes
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Abzugsrecht bei längerfristigen beruflichen Tätigkeiten an derselben Tätigkeitsstätte (§ 9
Abs. 4a Satz 6 EStG n. F.).
Jedoch liegt danach in den beschriebenen Outsourcing-Fällen bereits keine
Auswärtstätigkeit vor, sodass ein Abzug von Verpflegungsmehraufwand dem Grunde
nach ausscheidet, ohne dass es auf eine zeitliche Befristung ankäme.
Gemäß § 9 Abs. 4a Satz 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 EStG n. F. liegt keine Auswärtstätigkeit
vor, wenn der Arbeitnehmer durch seinen Arbeitgeber dauerhaft der ortfesten
betrieblichen Einrichtung eines Dritten zugeordnet ist. Eine dauerhafte Zuordnung setzt
voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund dienst- oder arbeitsrechtlicher Festlegung des
Arbeitsgebers in der Arbeitsstätte eines Dritten über einen Zeitraum von mindestens 48
Monaten (§ 9 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG) oder in Ermangelung einer solchen Zuordnung
typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 EStG). Daran
gemessen werden von einem Outsourcing betroffene Arbeitnehmer, die nach dem
rechtlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses weiterhin arbeitstäglich in der Arbeitsstätte
des vorherigen Arbeitgebers tätig bleiben, nicht mehr auswärts tätig.
bb) Dass bei den Finanzgerichten zahlreiche Verfahren zu der hier
entscheidungserheblichen Rechtsfrage anhängig wären, ist nicht ersichtlich.
b) Eine Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß §
115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO war ebenfalls nicht erforderlich. Das Gericht weicht
nicht von der Entscheidung des FG Düsseldorf ab (s. oben II. 2. a. bb.), die zum einen zu
dem hier nicht vorliegenden Fall einer doppelten Haushaltsführung ergangen ist (§ 4 Abs.
5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 EStG a. F.) und bei der zum anderen eine Änderung der
tatsächlichen Situation insoweit vorlag, als der Lebensmittelpunkt und der
Haupthausstand an einen anderen Ort verlegt wurden.