Urteil des FG Hamburg vom 18.10.2012

FG Hamburg: tatsächliche sachherrschaft, anteil, geschäftsführer, übertragung, erwerb, urkunde, teilung, stammkapital, treuhandverhältnis, treugeber

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Abgabenordnung/Körperschaftsteuer: Treuhand oder tatsächliche Herrschaft an
Kapitalbeteiligungen
Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von schriftlichen und notariellen Urkunden über den
eigenen Erwerb und Verkauf eines GmbH-Anteils wird nicht ohne weiteres durch die Behauptung eines
mündlich vereinbarten Treuhandverhältnisses oder Erwerbsauftrags für den nachfolgenden Erwerber
widerlegt.
Wenn danach eine eigene wesentliche GmbH-Beteiligung vorlag, sind die mit ihr zusammenhängenden
Darlehensverluste gemäß § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG nicht abziehbar.
NZB, Az.: I B 37/13
FG Hamburg 3. Senat, Urteil vom 18.10.2012, 3 K 204/11
§ 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, § 39 Abs 2 Nr 1 S 2 AO, § 8b Abs 3 S 4 KStG
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Gewinnhinzurechnung einer von ihr vorgenommenen Teilwertabschreibung
auf ein der S-GmbH gewährtes Darlehen in Höhe von € 400.000 gemäß § 8b Abs. 3 Satz 4
Körperschaftsteuergesetz i. d. F. des Streitjahres 2008 (KStG).
Streitig ist dabei insbesondere, ob bei Übernahme der Stammeinlage der S-GmbH in Höhe von € 200.000 von
insgesamt € 500.000 durch die Klägerin (= 40 %), ihr nur € 100.000 (= 20 %) zuzurechnen waren und die P-
GmbH wirtschaftliche Eigentümerin der weiteren übernommenen € 100.000 (= 20 %) war.
I.
1. Die Klägerin ist eine GmbH und wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2007 gegründet und am ... 2007 in
das Handelsregister eingetragen. Der alleinige Gesellschafter ist auch der Geschäftsführer. Gemäß § 2 des
Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des Unternehmens die Eingehung von Kapitalbeteiligungen,
insbesondere der Erwerb, die Verwaltung und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen (Akte Allgemeines
-A-A- Bl. 2 ff.).
2. Die S-GmbH wurde durch notariellen Gesellschafterbeschluss vom ... 2008 umfirmiert. Zeitgleich änderte
sich der Unternehmensgegenstand der S-GmbH in "die Verwaltung der Beteiligung an der L-GmbH"
(Finanzgerichts-Anlagenband -FG-A Anlbd.-, Handelsregister-Auszüge -HR-).
3. Am 27. August 2008 wurden von den Gesellschaftern u. a. folgende Beschlüsse gefasst und zunächst nur
schriftlich festgehalten (FG-A Anlbd., Anlagenkonvolut K 4):
"3. In der Versammlung und den am 27.08.2008 erfolgten Telefonaten wird folgende Vorgehensweise bezüglich
der Finanzierung vereinbart:
a) Das derzeitige Stammkapital wird von 25 TEUR auf 500 TEUR erhöht.
Von dem Erhöhungsbetrag übernehmen:
[Klägerin] 200 TEUR
(...)
b) Die Gesellschafter geben Gesellschafterdarlehen in einer Gesamthöhe von 1.600 TEUR. Davon
übernehmen
[Geschäftsführer der Klägerin] 400 TEUR
[Geschäftsführer der P-GmbH] 400 TEUR
(...)
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4. Die Gesellschafterin [Klägerin] in A hat einmalig und unbefristet das Recht, ihre Stammeinlage in Höhe von
200.000 EUR aufzuteilen in zwei Stammeinlagen zum jeweiligen Nennbetrag von EUR 100.000 und EUR
100.000. Weiterhin hat die Gesellschafterin einmalig und unbefristet das Recht, eine Stammeinlage in Höhe
von 100.000 EUR an [Geschäftsführer der P-GmbH], Kaufmann in A, oder eine von ihm kontrollierte
Gesellschaft zu veräußern."
4. Die so vorgesehene Stammkapitalerhöhung wurde am ... 2008 vor einem ... Notar beurkundet. Es heißt
insofern unter Punkt III. der notariellen Urkunde (FG-A Anlbd., Anlagenkonvolut K 2):
"(...) beschließt einstimmig wie folgt:
1. Das Stammkapital der Gesellschaft im Nennbetrag von EUR 25.000,00 wird um EUR 475.000,00 auf
insgesamt EUR 500.000,00 erhöht.
2. Auf den Erhöhungsbetrag von EUR 475.000 werden drei neue Stammeinlagen ausgegeben, und zwar im
jeweiligen Nennbetrag von EUR 75.000,00, EUR 200.000,00 und EUR 200.000,00 (...).
3. Zur Übernahme der neuen Stammeinlagen werden zugelassen:
a) (...)
b) [Klägerin] in A zur Übernahme der Stammeinlage von EUR 200.000,00;
c) (...)
4. Der Gesellschaftsvertrag wird entsprechend dem Kapitalerhöhungsbeschluss in § 3 wie folgt neu
gefasst:
§ 3 Stammkapital
Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 500.000,00 Euro. Es wurde voll in bar eingezahlt."
Eine Zulassung der P-GmbH zur Übernahme einer neuen Stammeinlage sah die notarielle Urkunde
hingegen nicht vor.
Nach Zahlungseingang (unten 8) wurden der Beschluss über die Stammkapitalerhöhung und die Änderung
des Gesellschaftsvertrages in § 3 (Stammkapital) angemeldet und am ... 2008 in das Handelsregister
eingetragen (FG-A Anlbd, HR).
5. Am ... 2008 wurde auch der Gesellschaftsvertrag vollständig neu gefasst und als Anlage zum notariellen
Gesellschaftsversammlungsprotokoll vom selben Tag beigefügt. Der Beschluss über die die vollständige
Neufassung des Gesellschaftsvertrages sollte - entgegen der sofortigen Änderung des § 3 (Stammkapital) -
jedoch gemäß IV. der notariellen Urkunde erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Eintragung in das
Handelsregister angemeldet werden (FG-A Anlbd, Anlagenkonvolut K 2).
Der bisher geltende Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 sah kein Zustimmungsbedürfnis zur Anteilsübertragung
vor (FG-A Anlbd., Anlagenkonvolut K 4). In der Neufassung wurde hingegen folgende neue Bestimmung in § 9
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getroffen:
"9.1 Die Abtretung eines Geschäftsanteils oder an Teilen eines Geschäftsanteils an einen Erwerber und jede
andere Verfügung über einen Geschäftsanteil bedarf der vorherigen Zustimmung der
Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen. (...)"
Der Beschluss über die vollständige Neufassung des Gesellschaftsvertrages wurde am ... 2008 in das
Handelsregister eingetragen (FG-A Anlbd, HR).
6. Der am 27. August 2008 geplante Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der S-GmbH in Höhe von €
400.000 wurde am ... 2008 schriftlich abgeschlossen (FG-A Anlbd, Anlagenkonvolut K 6).
Am 02. September 2008 ist die Überweisung auf dem Konto der S-GmbH eingegangen (FG-A Anlbd,
Anlagenkonvolut K 5).
7. Der Geschäftsführer der Klägerin schloss mit dem Zusatz "i.V." für den Geschäftsführer der P-GmbH
ebenfalls am ... 2008 den mit der S-GmbH am 27. August 2008 geplanten Darlehensvertrag (oben 3) über €
400.000 (FG-A Anlbd, Anlagenkonvolut K 6). Gemäß § 3 des Darlehensvertrages war es dem Darlehensgeber
erlaubt, das Darlehen in mehreren Tranchen auszubezahlen. Die erste Tranche war bis zum 29. August 2008
auf das Konto der Darlehensnehmerin zu entrichten. Anstelle des Geschäftsführers der P-GmbH überwies am
04. September 2008 der Geschäftsführer der Klägerin den gesamten Darlehensbetrag auf das Konto der S-
GmbH.
8. Am 01. September 2008 übernahm die Klägerin mit notariell beglaubigter Erklärung, vertreten durch ihre
Generalbevollmächtigte in B, ungeteilt und im eigenen Namen die neue Stammeinlage in Höhe von € 200.000
entsprechend dem Kapitalerhöhungsbeschluss vom ... 2008 (FG-A Anlbd, Anlagenkonvolut K 2). Die Klägerin
zahlte daraufhin den gesamten Betrag am 04. September 2008 auf das Konto der S-GmbH ein (FG-A Anlbd,
Anlagenkonvolut K 5).
9. Mehr als einen Monat später teilte und übertrug die Klägerin mit Urkunde eines A Notars vom ... 2008 mit
sofortiger dinglicher Wirkung der P-GmbH einen Geschäftsanteil an der S-GmbH zum Nennbetrag von €
100.000. Dazu heißt es in Abschnitt II, § 1 der Urkunde (FG-A Anlbd, Anlagenkonvolut K 4):
"Zum Zwecke der Veräußerung teilt der Veräußerer hiermit seinen Geschäftsanteil an der Gesellschaft von
EUR 200.000,00 in einen Geschäftsanteil von EUR 100.000,00 (A-Anteil) und einen Geschäftsanteil von EUR
100.000,00 (B-Anteil) und verkauft hiermit seinen Geschäftsanteil von EUR 100.000,00 (...)"
In § 7 "sonstige Regelungen", Unterabschnitt IV. "Zustimmung, Anmeldung" heißt es weiter:
"1. Nach der derzeitig gültigen Fassung der Satzung der Gesellschaft (...), ist eine Zustimmung zur
Anteilsübertragung nicht erforderlich. Nach der künftig geltenden Satzung bedarf es der Zustimmung durch
Gesellschafterbeschluss. Für die vorbezeichnete Veräußerung wurde vorsorglich bereits unter Ziffer 4 im
Rahmen des Gesellschafterbeschlusses vom 27. August 2008 eine Zustimmung erteilt.
9. Die Zustimmung der Gesellschaft gemäß § 17 GmbHG liegt (...) vor und ist als Anlage 6 beigefügt.
10. (...)"
Der notariellen Urkunde liegt als Anlage 6 die notariell beurkundete Zustimmungserklärung des
einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführers der S-GmbH vom ... 2008 bei:
"(...) stimme ich hiermit der noch vorzunehmenden Teilung des Geschäftsanteils von EUR 200.000 des
Gesellschafters [Klägerin] in Teilgeschäftsanteile von EUR 100.000,00 (A-Anteil) und EUR 100.00,00 (B-Anteil)
zum Zwecke der Veräußerung des Teilgeschäftsanteils von EUR 100.000,00 (A-Anteil) an die P-GmbH namens
der Gesellschaft (...) zu."
10. Am 08. Oktober 2008 wurde das durch den Geschäftsführer der Klägerin in Vertretung für den
Geschäftsführer der P-GmbH gezeichnete und gezahlte Darlehen von der P-GmbH in Höhe von € 400.000 als
Forderung gebucht und überwiesen (FG-A Anlbd, Protokollanlage 18.10.2012).
11. Die € 100.000 für den Gesellschafteranteil der P-GmbH sind am 04. November 2008 auf dem Konto der
Klägerin eingegangen (FG-A Anlbd, Protokollanlage 18.10.2012).
12. Noch im Jahr 2008 wurde das von der Klägerin an die S-GmbH gewährte Darlehen aufgrund
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fehlgeschlagener Sanierung der L-GmbH notleidend (oben I 2).
Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2008 nahm die Klägerin eine dementsprechende Teilwertabschreibung
des Darlehens in Höhe von € 400.000 (Bilanz- u. Bilanzberichtsakte Bl. 22, 30) vor. Ihre Beteiligung an der S-
GmbH setzte die Klägerin nur noch mit € 1,00 in der Bilanz an.
13. Am 07. Mai 2009 veräußerte die Klägerin ihren Geschäftsanteil in Höhe von € 100.000 für € 1,00 sowie
ihren Darlehensrückzahlungsanspruch für € 0,00 an die M-GmbH & Co.KG und trat beides ab (FG-A Anlbd,
Anlagenkonvolut K 6).
II.
1. Die Klägerin reichte am 13. August 2009 ihre Steuererklärungen für das Jahr 2008 ein (Körperschaftsteuer-
Akte -KSt-A- Bl. 51 ff., Gewerbesteuer-Akte -GewSt-A- Bl. 8, Akte Feststellungen gem. §§ 27, 28, 36, 37 u. 38
KStG Bl. 4). In diesen rechnete sie - neben weiteren diversen Hinzurechnungen - eine Gewinnminderung in
Höhe von (Darlehen S-GmbH € 400.000 + Anteile S-GmbH € 99.000 {Versehen, eigentlich € 99.999} + €
350.000 aus weiteren Beteiligungsverlusten =) € 849.000 dem Jahresfehlbetrag in Höhe von minus (-) €
1.082.326 gemäß § 8b Abs. 3 KStG wieder hinzu, so dass insoweit die Verluste steuerlich neutralisiert wurden.
Danach ergab sich ein steuerlicher Verlust in Höhe von - € 304.616.
Das Finanzamt -FA- erließ am 28. Dezember 2009 den Körperschaftsteuerbescheid 2008, den Bescheid über
die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember
2008, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG, den
Gewerbesteuermessbescheid 2008, den Gewerbesteuerbescheid 2008 sowie den Bescheid über die
gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2008 unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 36 ff., 138 ff., 180 f.) und legte erklärungsgemäß ein
zu versteuerndes Einkommen bzw. einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von - € 304.616 zugrunde.
2. Am 22. Januar 2010 beantragte die Klägerin, den vortragsfähigen Verlust zur Körperschaft- und zur
Gewerbesteuer jeweils um € 400.000 zu erhöhen, da der Darlehensverlust nicht unter § 8b Abs. 3 KStG falle
(KSt-A Bl. 59). Sie (die Klägerin) habe lediglich 20 % (= € 100.000) der Gesellschaftsanteile an der S-GmbH
übernommen. Die weiteren 20 % der Anteile habe sie für die P-GmbH erworben, der die Anteile
dementsprechend zuzurechnen seien.
Das FA entsprach diesem Antrag mit Änderungsbescheiden vom 15. Februar 2010 unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung und legte nunmehr den Bescheiden einen steuerlichen Verlust für das Jahr 2008 in Höhe von (€
304.616 + € 400.000 =) - € 704.616 zugrunde (Rb-A Bl. 135 ff., 141, 182 ff.).
3. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010, "den Körperschaftsteuerbescheid 2008
dahingehend zu ändern, dass weitere (€ 99.000 für die Gesellschaftsanteile an der S-GmbH + € 350.000 aus
einer anderen Beteiligung =) € 449.000 bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als
Aufwendungen berücksichtigt werden. Insofern würden sich der Bescheid über die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 vom 15. Februar 2010 sowie
der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember
2008 vom 15. Februar 2010 um weitere EUR 449.000,- erhöhen" (Rb-A Bl. 2 ff.).
4. Das FA lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 03. September 2010 unter Hinweis auf § 8b Abs. 3 Satz 3
KStG ab (Rb-A Bl. 22).
5. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 09. September 2010 gegen den Ablehnungsbescheid Einspruch ein
(Rb-A Bl. 26).
6. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 teilte das FA der Klägerin mit, dass beabsichtigt werde, den
Darlehensverlust in Höhe von € 400.000 nach § 8b Abs. 3 KStG zu korrigieren und den Betrag verlustmindernd
wieder hinzuzurechnen (Rb-A Bl. 75 ff.). Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt (Rb-A
Bl. 78 ff., 97 ff., 131 f.). In Erwiderung auf die Schriftsätze der Klägerin führte das FA mit Schreiben vom 27.
Juli 2011 und 19. August 2011 aus, dass ein von § 8b Abs. 3 KStG abweichender Sachverhalt nicht von der
Klägerin nachgewiesen worden sei (Rb-A Bl. 96, 129 f.).
7. Am 13. Oktober 2011 wies das FA den Einspruch zurück und erhöhte das zu versteuernde Einkommen bzw.
den Gewinn aus Gewerbebetrieb von - € 704.616 wieder auf - € 304.616 unter Verweis auf die Schreiben vom
28. Juni 2011, 27. Juli 2011 und 19. August 2011 (Rb-A Bl. 149).
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In der Anlage zur Einspruchsentscheidung änderte das FA den Körperschaftsteuerbescheid 2008, den
Feststellungsbescheid des verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008, den
Feststellungsbescheid des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2008, den
Gewerbesteuermessbescheid 2008, den Gewerbesteuerbescheid 2008 sowie den Feststellungsbescheid des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 2008.
III.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer am 31. Oktober 2010 erhobenen Klage vor (FG-A Bl. 2 ff.):
Sie habe die Anteile der S-GmbH in Höhe von € 100.000 im mündlichen Auftrag der P-GmbH erworben. Diese
sei daher bereits ab dem 28. August 2008 wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen, so dass sie (die
Klägerin) zu keinem Zeitpunkt mehr als 20 % der Anteile an der S-GmbH gehalten habe.
Der Auftrag sei formlos wirksam gewesen. Eine formfreie Vereinbarung sei zulässig, wenn durch den Vertrag
eine Beteiligung an einem - vor einer geplanten Kapitalerhöhung - noch nicht existierenden Geschäftsanteil
begründet werde. Spätestens sei jedoch eine Heilung durch die Übertragung am ... 2008 eingetreten.
Die P-GmbH habe dementsprechend bereits ab dem 28. August 2008 eine rechtlich geschützte Position inne
gehabt, die ihr nicht mehr habe entzogen werden können, da sie - die Klägerin - der P-GmbH gegenüber
fortlaufend zur Herausgabe der Anteile verpflichtet gewesen sei. Aus diesem Grunde habe sie - die Klägerin -
der P-GmbH auch die Gesellschaftsanteile zum Nennbetrag am ... 2008 übertragen. Sie, die Klägerin, hätte im
Falle einer Wertsteigerung der Anteile kein Aufgeld verlangen können. Die Übertragung zum Nennbetrag zeige,
dass das Risiko der Wertveränderungen der Gesellschaftsanteile bereits ab dem ... 2008 auf die P-GmbH
übergegangen sei. Auch die Gefahr des zufälligen Untergangs sei nach der getroffenen Vereinbarung von der
P-GmbH und nicht von ihr - der Klägerin - zu tragen gewesen.
Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2, 41),
1. die nachfolgend genannten Bescheide, jeweils vom 13.10.2011:
- Bescheid für 2008 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag,
- Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer
zum 31.12.2008,
- Bescheid zum 31.12.2008 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27
Abs. 2 S. 1 KStG und des Sonderausweises nach § 28 Abs. 1 S. 3 KStG,
- Bescheid für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag,
- Bescheid für 2008 über die Gewerbesteuer sowie
- Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2011 dahin zu ändern, dass der Darlehensverlust in
Höhe von € 400.000 berücksichtigt wird.
2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 11, 41), die Klage abzuweisen.
Das FA trägt vor (FG-A Bl.11 ff.):
Der Darlehensverlust sei dem Gewinn gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG wieder hinzuzurechnen; entgegen der
Ansicht der Klägerin sei ihr die Beteiligung bei Erwerb am ... 2008 in Höhe von 40 % (€ 200.000 des
Stammkapitals) im vollen Umfang zuzurechnen gewesen.
Selbst wenn ein Auftrag zum Erwerb der Anteile von der P-GmbH existiert habe, hätte dieser Auftrag der
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notariellen Form bedurft. Die Abrede sei daher bereits wegen eines Verstoßes gegen Formvorschriften
unwirksam. Ein grundsätzlich formfreies Rechtsgeschäft bedürfe dann ausnahmsweise der notariellen Form,
wenn die Verpflichtung eingegangen werde, ein Geschäft abzuschließen, das der notariellen Form bedürfe.
Darüber hinaus scheitere eine wirtschaftliche Zurechnung der Anteile daran, dass - sofern eine mündliche
Abrede bestanden habe - die P-GmbH zu keinem Zeitpunkt ein Recht inne gehabt habe, das ihr nicht gegen
ihren Willen hätte wieder entzogen werden können. Ein bloßer Herausgabeanspruch reiche hierfür nicht aus und
stelle auch kein Anwartschaftsrecht dar. Die P-GmbH habe keine freie Verfügungsbefugnis über die Anteile
gehabt. Sie sei vielmehr darauf angewiesen gewesen, dass die spätere Durchführung der behaupteten Abrede
eingehalten werde.
Ferner sei es der P-GmbH nicht möglich gewesen, die aus einer Beteiligung resultierenden Rechte auszuüben.
In der notariellen Urkunde vom ... 2008 sei nicht erwähnt, dass die P-GmbH neben der Klägerin zur Ausübung
der Mitgliedschaftsrechte berechtigt gewesen sei oder dass die Klägerin auch Anteile für die P-GmbH habe
erwerben wollen. Die Anteile seien rechtlich erst am ... 2008 und somit erst bei Übernahme der Anteile durch
die Klägerin geteilt worden. Dies stelle ein Indiz dafür dar, dass eben nicht von vornherein geplant worden sei,
dass die Klägerin auch Anteile für die P-GmbH habe erwerben sollen. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen,
dass durch die von der Klägerin vorgetragene mündliche Abrede das Risiko und die Chance der
Wertveränderungen auf die P-GmbH übergegangen seien.
IV.
1. Der Senat hat am 28. September 2012 die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter beschlossen
(FG-A Bl. 21).
2. Das FG hat Beweis erhoben durch mündliche Zeugenerklärung des Geschäftsführers der P-GmbH (FG-A Bl.
35 ff.).
3. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Verhandlungsprotokoll vom 18. Oktober 2012 (FG-A Bl. 34
ff.) sowie auf die oben angeführten Vorgänge und die damit zusammenhängenden Unterlagen aus der
Finanzgerichtsakte (FG-A sowie FG-A Anlbd) und folgenden Akten:
- Rechtsbehelfsakte (Rb-A),
- Körperschaftsteuerakte (KSt-A),
- Akte Allgemeines (A-A),
- Bilanz- und Bilanzberichtsakte (Bil-A),
- Gewerbesteuerakte (GewSt-A),
- Akte Feststellungen gem. §§ 27, 28, 36, 37 u. 38 KStG.
Ferner haben dem Gericht folgende Akten vorgelegen:
- Umsatzsteuerakte,
- Betriebsprüfungsakte
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Klage ist unbegründet; die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung
sind rechtmäßig und verletzen deshalb nicht die Rechte der Klägerin (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -
FGO-).
Zu Recht hat das Finanzamt der Klägerin gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG die Teilwertabschreibung des an die
S-GmbH gewährten Darlehens verwehrt, da die Klägerin zu mehr als 25% an der S-GmbH beteiligt war.
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1. Gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG dürfen Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in § 8b Abs. 2
KStG genannten Anteil stehen, bei der Ermittlung des Einkommens nicht berücksichtigt werden. Zu diesen
Gewinnminderungen zählen gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG auch solche, die im Zusammenhang mit einer
Darlehensforderung stehen, wenn das Darlehen von einem Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als einem
Viertel (25%) unmittelbar oder mittelbar am Stammkapital der darlehensnehmenden Körperschaft beteiligt ist
oder war.
2. Die Klägerin hat der S-GmbH aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 27. August 2008 ein
Gesellschafterdarlehen i. H. v. € 400.000 gewährt. Dieses hat sich noch im selben Jahr als uneinbringlich
erwiesen und musste abgeschrieben werden (oben A I 3 und 12).
Mit notarieller Urkunde vom ... 2008 ist die Klägerin der S-GmbH als Gesellschafterin beigetreten und hat einen
Anteil i. H. v. € 200.000 des auf € 500.000 erhöhten Stammkapitals, d. h. insgesamt 40 %, übernommen (oben
A I 4).
3. Die Klägerin war zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin an dem gesamten Anteil (40% des
Stammkapitals) in der Zeit von dem Erwerb durch die Klägerin bis zur Teilung und zur Übertragung des
hälftigen Anteils i. H. v. € 100.000 (20% des Stammkapitals) auf die P-GmbH am ... 2008 (oben A I 9). Der
hälftige Anteil kann der P-GmbH nicht gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- für den Zeitraum vor der
Übertragung zugerechnet werden.
a) Treuhand
Die Klägerin hat nicht die Hälfte des Anteils an der S-GmbH als Treuhänderin für die P-GmbH erworben.
Wirtschaftsgüter sind gem. § 39 Abs. 1 AO dem Eigentümer zuzurechnen. Abweichend hiervon bestimmt § 39
Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen
sind. Die Vorschrift setzt ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis voraus. Die Voraussetzungen für
das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind weder im Zivilrecht noch im Steuerrecht gesetzlich bestimmt.
Daher gibt es auch keinen typischen Treuhandvertrag, sondern eine Vielzahl von Formen der Treuhandschaft
(vgl. Bundesfinanzhof -BFH- Urteile vom 01. Dezember 2010 IV R 17/09, BFHE 232, 93, BStBl II 2011, 419;
vom 27. Januar 1993 IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615).
aa) Das Wesen einer Vollrechtstreuhand ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treuhänder (hier ggfs. die
Klägerin) nach außen hin Eigentümer des Treuhandgutes ist, die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum aber
nicht für eigene Rechnung, sondern nach den Weisungen des Treugebers (hier ggfs. der P-GmbH) für dessen
(ggfs. deren) Rechnung ausübt (Finanzgericht -FG- Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2012 13 K 2257/10,
Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2012, 1760; BFH-Urteil vom 21.05.1971 III R 125/70, BFHE 102,
555, BStBl II 1971, 721). Der Treuhänder erhält danach Vermögensrechte übertragen, von denen er nur nach
Maßgabe der Treuhandvereinbarung Gebrauch machen darf (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- Urteil vom
24.06.2003 IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227).
Ein Treuhandverhältnis kann dabei grundsätzlich auch als Quotentreuhand an einem nicht selbstständigen
Geschäftsanteil vereinbart werden (BFH-Urteil vom 06. Oktober 2009 IX R 14/08, BFHE 228, 10, BStBl II 2010,
460 m. w. N.; BGH-Urteil vom 13. Juni 1994 II ZR 259/92, Der Betrieb -DB- 1994, 1669). Bei der
Ausgestaltung der Treuhand als Erwerbstreuhand erwirbt der Treuhänder eine Beteiligung für Rechnung und im
Auftrag des Treugebers von einem Dritten (BFH-Urteil vom 15.07.1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II
1998, 152).
Die Treuhand kann entgegen § 15 Abs. 4 GmbHG auch formlos vereinbart werden, sofern es sich um noch
nicht existente Anteile handelt, die noch durch Gründung oder eine Kapitalerhöhung geschaffen werden
müssen, und wenn der Vorgang noch nicht notariell beurkundet wurde (BGH, Beschluss vom 12. Dezember
2005 II ZR 330/04, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht -NZG- 2006, 590).
bb) Die für eine Beherrschung des Treuhandverhältnisses erforderlichen Einzelvoraussetzungen hat der BFH in
ständiger Rechtsprechung wie folgt benannt:
- Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach den mit dem
Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichem Vollzug (vgl. etwa BFH-Urteile
vom 06. Oktober 2009 IX R 14/08, BFHE 228, 10, BStBl II 2010, 460; vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93,
BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152):
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- Wesentliches und im Grundsatz unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine
Weisungsbefugnis des Treugebers - und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des
Treuhänders - in Bezug auf die Behandlung des Treugutes;
- zudem muss der Treugeber berechtigt sein, jederzeit die Rückgabe des Treugutes zu verlangen, wobei
die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 24.
November 2009 I R 12/09, BFHE 228, 195, BStBl II 2010, 590 m. w. N.).
- Die Chancen und Risiken aus dem Treugut müssen beim Treugeber liegen (BFH-Urteil vom 20. Januar
1999 I R 69/97, BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514).
- Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann aber ein Anzeichen für
das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein (vgl. BFH-Urteile vom 24.November 2009 I R 12/09,
BFHE 228, 195, BStBl II 2010, 590; vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152).
cc) Bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich gegeben und damit eine von der zivilrechtlichen
Inhaberschaft abweichende Zurechnung gerechtfertigt ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. FG
Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2012 13 K 2257/10, EFG 2012, 1760; BFH-Urteil vom 15. Juli 1997 VIII R
56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152). Nach der besonderen Beweislastregelung des § 159 Abs. 1 Satz 1
AO hat jeder, der behauptet, Rechte, die auf seinen Namen lauten, oder Sachen, die er besitzt, nur als
Treuhänder inne zu haben, auf Verlangen nachzuweisen, wem die Rechte oder Sachen gehören. Davon
abgesehen kann das Finanzgericht gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis
des Verfahrens gewonnen Überzeugung entscheiden (BFH-Urteil vom 06. Oktober 2009 IX R 14/08, BFHE 228,
10; BStBl II 2010, 460; Beschluss vom 10. Januar 2007 VIII B 221/05, BFH/NV 2007, 1079).
Wegen der vom dinglichen Recht abweichenden Zurechnungsfolge kann ein Treuhandverhältnis nur aufgrund
im Vorhinein getroffener ernst gemeinter und klar nachgewiesener Abreden berücksichtigt werden (FG
Hamburg, Urteil vom 28. April 2009 3 K 185/07, EFG 2010, 340). Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass
der Treuhänder ausschließlich auf Rechnung und Gefahr des Treugebers, d. h. im fremden Interesse, handelt
(vgl. BFH-Urteile vom 20. Januar 1999 I R 69/97, BFHE 188, 254, BStBl II 1999, 514; vom 15. Juli 1997 VIII R
56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152).
Das Vorliegen einer Treuhand ist in erster Linie nach dem Inhalt der zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen
Verträge zu beurteilen. Es gilt dabei die Vermutung, dass eine notarielle Beurkundung - unabhängig von einer
Beurkundungspflicht - die getroffene Vereinbarung vollständig und richtig wiedergibt (BGH-Urteil vom 30. April
2003 V ZR 100/02, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2003, 2380). Enthält der notariell beurkundete
Vertrag - wie hier - keine Treuhand- oder Auftragsvereinbarung, dann wird, sofern das Gegenteil nicht erwiesen
ist, vermutet, dass eine solche Vereinbarung nicht Gegenstand des Vertrags war (BFH-Urteile vom 22.Februar
2007 IX R 45/06, BFHE 217, 409; BStBl II 2011, 20; vom 25. April 2006 X R 57/04, BFH/NV 2006, 1819).
dd) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und der P-GmbH vor
Teilung und Übertragung des Anteils auf die P-GmbH nicht nachgewiesen.
Die Umstände der tatsächlichen Durchführung indizieren im Gegenteil, dass zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs
durch die Klägerin die notwendige verbindliche Vereinbarung über den Gesamtplan der Beteiligung der P-GmbH
noch nicht - auch nicht formlos - bestanden hat.
aaa) Eine Treuhandvereinbarung wird weder in dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 27. August
2008 (oben A I 3) noch in der notariellen Urkunde über die Kapitalerhöhung und Übertragung der neuen Anteile
vom ... 2008 (oben A I 4) erwähnt. Die vereinbarte Genehmigung, dass die Klägerin ihren Anteil teilen und die
Hälfte an die P-GmbH übertragen darf (oben A I 3), genügt für die Annahme einer Treuhand nicht. Aus der
Genehmigung geht weder hervor, dass der Anteil zur Hälfte für die P-GmbH erworben werden sollte, noch ob
und wann eine Übertragung stattfindet.
Da beide Urkunden nur den Erwerb des Anteils durch die Klägerin behandeln, ist grundsätzlich zu vermuten,
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dass keine wirksame Treuhandvereinbarung zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung auf die Klägerin bestanden
hat.
Da der Geschäftsführer der P-GmbH in dem Protokoll vom 27. August 2008 als Darlehensgeber nebst den von
ihm kontrollierten Gesellschaften im Zusammenhang mit der Übertragungsgenehmigung erwähnt wird (oben A I
3), kann eine Geheimhaltungsabsicht betreffend den Anteilserwerb durch ihn für die P-GmbH nicht der Grund
für die fehlende schriftliche Fixierung der Treuhand sein.
bbb) Die ungeteilte Übernahme eines gesamten Anteils i. H. v. € 200.000 durch die Klägerin am 01. September
2008 (oben A I 8) spricht ebenfalls gegen einen von Anfang an bestehenden Gesamtplan. Die Übernahme
eines ungeteilten Anteils erschwert den jederzeitigen Herausgabeanspruch des Treugebers bei einer
vereinbarten Erwerbstreuhand. Eine von Anfang an geplante treuhänderische Übernahme des hälftigen Anteils
wäre durch die Übernahme von zwei Anteilen i. H. v. € 100.000 unterstützt worden und hätte den Willen der
Klägerin, die Anteile nicht ausschließlich für sich zu erwerben, nach außen manifestiert. Insbesondere wurden
bei der Kapitalerhöhung Anteile in unterschiedlicher Höhe geschaffen, so dass die Übernahme eines einzigen
Gesamtanteils zur späteren Teilung und Übertragung unnatürlich und umständlich erscheint.
ccc) Auch die finanzielle Abwicklung spricht gegen einen bestehenden Gesamtplan. Die Klägerin überwies
sowohl den Betrag für den gesamten Anteil als auch den Betrag für beide Darlehen i. H. v. € 400.000 am 04.
September 2008 (oben A I 8). Die P-GmbH nahm jedoch erst am 08. Oktober 2008 nach Abschluss des
notariellen Vertrages vom ... 2008 mit der Klägerin den Betrag für den hälftigen Anteil als Beteiligung und den
Betrag des Darlehens als Forderung in ihre Bilanz auf und überwies die Darlehensvaluta an die Klägerin (oben
A I 10). Die € 100.000 für die Einlage überwies die P-GmbH der Klägerin erst am 04. November 2008 (oben A I
11). Das Wesen der Treuhand ist aber durch die Übernahme der wirtschaftlichen Chancen und Risiken durch
den Treugeber geprägt. Bei einer Erwerbstreuhand wird dies durch Handeln des Treuhänders auf Rechnung des
Treugebers gekennzeichnet. Der Treugeber hat die notwendigen Mittel für den Erwerb zur Verfügung zu stellen.
Die finanzielle Vorleistung der Klägerin spricht gegen die anfängliche Übernahme der wirtschaftlichen Chancen
und Risiken durch die P-GmbH.
ddd) Dass die Klägerin für den Erwerb des Anteils für die P-GmbH kein Entgelt erhalten hat, ist für die
Beurteilung zwar nicht ausschlaggebend, aber ein weiteres Indiz gegen eine fremdnützige Treuhand.
eee) Die nicht unerhebliche zeitliche Zäsur zwischen dem Erwerb des Anteils durch die Klägerin am 01.
September 2008 und der Teilung und Übertragung des Anteils auf die P-GmbH am ... 2008 indiziert ebenfalls
das Fehlen eines bereits gefassten Gesamtplans. Es ist nicht ersichtlich, warum die P-GmbH den Anteil nicht
sofort selbst oder zumindest früher übernommen hat.
Die Formulierung in dem notariellen Vertrag vom ..., dass die Teilung "zum Zwecke der Veräußerung"
vorgenommen wird (oben A I 9), spricht gegen einen Gesamtplan. Die Übertragung des Treugutes auf den
Treugeber ist keine Veräußerung. Als eine solche stellt sie sich in der Gesamtschau mit der finanziellen
Abwicklung jedoch dar.
fff) Der als Zeuge gehörte Geschäftsführer der P-GmbH (oben A IV 2) kann die Indizien mit dem Inhalt seiner
Aussage auch nicht erschüttern. Nach seinen eigenen Angaben hatte er keine genaue Kenntnis, an welchem
Datum der Anteil an der S-GmbH durch die Klägerin übernommen werden sollte. Die Klägerin konnte daher
nicht - wie es bei einer Treuhand notwendig ist - auf Weisung der P-GmbH tätig geworden sein. Im Hinblick auf
die Behauptung, dass die Beträge, die in die S-GmbH investiert werden sollten, genau mit dem
Geschäftsführer der Klägerin abgesprochen worden sein sollten, erinnerte sich der Zeuge nur daran, dass er
sich zur Hälfte an dem zu investierenden Betrag beteiligen wollte. Danach gelangt das Gericht nicht zu der
Überzeugung, dass Absprachen in einer der Treuhand genügenden Art und Weise getroffen wurden.
b) Tatsächliche Herrschaft
Die P-GmbH übte auch nicht die tatsächliche Herrschaft an dem hälftigen Anteil an der S-GmbH in der Weise
aus, dass ihr das wirtschaftliche Eigentum vor Teilung und Übertragung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO
zugerechnet werden kann.
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch
gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von
der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann.
Die Anforderungen, die für das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO (tatsächliche
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Herrschaft) verlangt werden, sind nicht geringer als diejenigen, die für ein Treuhandverhältnis i. S. d. § 39 Abs.
2 Nr. 1 Satz 2 AO verlangt werden (FG Düsseldorf, Urteil vom 27. März 2012 13 K 2257/10, EFG 2012, 1760;
Ratschow in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 39 Rn. 60).
Bei Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft geht die ständige Rechtsprechung von einem
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) aus, wenn der Käufer des Anteils
- aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb
des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden
kann (unten aa), und
- die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-) Rechte (insbesondere
Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) (unten bb) sowie
- Chancen und Risiko von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (unten cc; vgl. BFH-Urteile vom
24. Januar 2012 IX R 69/10, BFH/NV 2012, 1099 m. w. N.; vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214,
326, BStBl II 2007, 296).
Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist letztendlich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Es ist nicht lediglich das formal Erklärte oder formal-
rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend
(unten ff; vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2012 IX R 51/10, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308; vom 25.Mai 2011
IX R 23/10, BFHE 234, 55, BStBl II 2012, 3; kritisch bei formunwirksamen Verträgen FG Köln, Urteil vom 01.
April 2009 10 K 2898/08, EFG 2010, 230).
Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtung im Steuerrecht kann daher ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb
steuerrechtlich für die wirtschaftlich abweichende Betrachtung unbeachtlich sein, sofern sich der
Durchgangserwerb als bloße - nicht reale - logische Sekunde darstellt. Dem formal-rechtlichen Aspekt ist dann
kein stärkeres Gewicht beizumessen, sondern der wirtschaftlichen Betrachtung der Vorzug zu geben (unten dd;
BFH-Urteile vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540; vom 05. Oktober 2011 IX R
57/10, BFHE 235, 376, BStBl II 2012, 318).
Wie auch bei der Treuhandvereinbarung ist aber auch bei der Beurteilung der tatsächlichen Sachherrschaft in
erster Linie auf den Inhalt der zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Verträge abzustellen und die
Vollständigkeitsvermutung notarieller Urkunden zu beachten (unten ee; vgl. oben B 3 a dd).
aa) Eine gesicherte Erwerbsposition liegt regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt vor, in dem der Veräußerer den
Anteil aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung für den Erwerber besitzt oder der Erwerber eine
geschützte Position nach Maßgabe der §§ 160, 161 i. V. m. 163 BGB erhält (FG Münster, Urteil vom 18. Juli
2011 9 K 2404/09, EFG 2012, 650; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 X R 17/05, BFHE 220, 107, BStBl II
2008, 579, offen gelassen durch FG Köln, Urteil vom 20. Juni 4 K 295/10, EFG 2012, 2022). Eine bloße
Erwerbsaussicht kann wirtschaftliches Eigentum regelmäßig nicht begründen, es sei denn, dass nach dem
typischen für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einem Erwerb
gerechnet werden kann (FG Düsseldorf, Urteil vom 06. Dezember 2011 9 K 4360, EFG 2012, 998; FG
Hamburg, Urteil vom 24. November 2011 6 K 22/10, EFG 2012, 351).
Die gemäß Beweisaufnahme zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Geschäftsführer der P-
GmbH in dessen Ferienhaus und Büro getroffenen Absprachen begründen keine gesicherte Erwerbsposition.
Es fehlt an der sicheren Vorhersehbarkeit des maßgeblichen Geschehensablaufes, da der Anteil zum Zeitpunkt
der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der P-GmbH noch zu erschaffen und nicht bloß zu erwerben war
und dieses Vorhaben zum Zeitpunkt der Vereinbarung zeitlich noch nicht konkretisiert war. Das weitere
Vorgehen bezüglich der Kapitalerhöhung und der Darlehensgewährung wurde von der Klägerin geplant und
durchgeführt ohne weitere hinreichend dargelegte oder konkrete Absprachen mit dem Geschäftsführer der P-
GmbH. Des Weiteren wurde in der Vereinbarung nicht besprochen, in welchem Zeitrahmen eine
Weiterübertragung auf die P-GmbH erfolgen sollte.
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bb) Die Ausübung der wesentlichen Rechte des Anteils unter Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers ist
weiterhin kennzeichnend für das wirtschaftliche Eigentum (BGH-Beschluss vom 05. April 2011 II ZR 173/10,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 2011, 1475; BFH-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 51/10, BFHE 236, 356,
BStBl II 2012, 308).
Für eine anfängliche Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums müssen im Vorhinein Vereinbarungen
getroffen werden. Eine etwaige nachträgliche Vereinbarung über die Ausübung der mit der Beteiligung
verbundenen wesentlichen Rechte kann nicht zu einer steuerlichen Rückwirkung auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses führen, da das Steuerrecht nur an tatsächliche Vorgänge anknüpft (BFH-Beschluss vom 29.
Mai 2009 IX B 23/09, Juris; BFH-Urteil vom 25. April 2006 X R 57/04, BFH/NV 2006, 1819).
Die Erteilung eines Erwerbsauftrags - wie hier erklärt - oder der Abschluss eines Kaufvertrages begründen
dabei noch keinen Übergang der mit dem - zu begründenden - Anteil verbundenen wesentlichen Vermögens-
und Verwaltungsrechte (FG Köln, Urteil vom 20. Juni 2012 4 K 295/10, EFG 2012, 2022; im Unterschied zu FG
Hamburg, Urteil vom 24. November 2011 6 K 22/10, EFG 2012, 351, wo der Verkäufer dem Käufer durch
Mitteilung an den Sammelverwahrer bereits die Verfügungsbefugnis eingeräumt hatte).
Ebenso kann von einer Schadensersatzpflicht im Falle einer nicht abgestimmten Stimmrechtsausübung nicht
auf eine stimmrechtsbezogene Weisungsabhängigkeit geschlossen werden (BFH-Urteil vom 20. Juli 2010 IX R
38/09, NV 2011, 41).
Vorliegend haben die Klägerin und die P-GmbH keine ausreichenden Absprachen getroffen, um einen
vorzeitigen Übergang der mit dem Anteil verbunden wesentlichen Rechte annehmen zu können. Weder die
Ausführungen des als Zeugen gehörten Geschäftsführers der P-GmbH noch die übrigen Umstände ergeben,
dass zwischen der Klägerin und der P-GmbH zum Zeitpunkt des Anteilerwerbs eine konkrete Vereinbarung
darüber bestand, ob die Klägerin die Hälfte ihrer Stimmen nur nach dem Willen der P-GmbH ausüben darf. Die
Klägerin war bis zur Übertragung alleinige Inhaberin dieser Rechte und konnte diese ohne Einschränkung
ausüben. Auch eine Abrede, wie eine Gewinnausschüttung zwischen der Klägerin und der P-GmbH zu verteilen
sei, ist nicht ersichtlich.
cc) Ein weiteres Indiz für die tatsächliche Sachherrschaft ist der vorzeitige Übergang von Chancen und Risiken
aus der Beteiligung bei Erwerb. Der Erwerber muss allein die wirtschaftlichen Auswirkungen von
Wertsteigerung oder -minderung tragen. Dies kann unter Umständen vermutet werden, wenn er unabhängig von
der Entwicklung der Beteiligung bereits gezahlt hat oder zur Zahlung eines vereinbarten Kaufpreiszahlung
verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 22. Juli 2008 IX R 74/06 BFHE 222, 458, BStBl II 2009, 124; FG Berlin, Urteil
vom 19. Februar 2002 5 K 5483/00, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst -DStRE- 2003, 223).
Für die Absprache, nach der die P-GmbH zur Zahlung eines festen Betrages unabhängig von
Wertveränderungen verpflichtet worden ist, so dass ein vorzeitiger Übergang der wirtschaftlichen Chancen und
Risiken vorlag, sind die notwendigen Einzelheiten nicht nachgewiesen. Zum einen fehlt es bei der Absprache
an einem konkreten Zeitrahmen, in dem die Beteiligung geteilt und übertragen werden sollte (vgl. oben aa).
Zum anderen gab es keine Regelung über die Behandlung einer Gewinnausschüttung, die sich auf den Wert der
Beteiligung auswirkt (vgl. oben bb). Dass der Anteil zum Nennbetrag übertragen wurde, genügt für den
Nachweis einer im Vorhinein getroffenen Vereinbarung nicht.
dd) Als bloßer Durchgangserwerb stellt sich der Erwerb des Anteils durch die Klägerin nach Art und Weise der
Durchführung auch nicht dar. Die Klägerin war nicht nur für eine logische Sekunde, sondern für über einen
Monat alleinige Inhaberin des gesamten Gesellschaftsanteils an der S-GmbH. Überdies war - wie oben bereits
erwähnt - zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin nicht klar, zu welchem Zeitpunkt eine Teilung und
Weiterübertragung erfolgen würde.
ee) Wie bereits zur Vollständigkeitsvermutung von Urkunden ausgeführt (vgl. a dd), fehlt es zudem sowohl in
dem Protokoll als auch in der notariellen Urkunde an jeglicher Erwähnung der von der Klägerin und der P-GmbH
vorgetragenen Vereinbarung, dass der hälftige Anteil von Anfang an für die P-GmbH erworben werden sollte.
Dies ist ein gewichtiges Indiz gegen das Vorliegen einer solchen Vereinbarung.
ff) Nach der Rechtsprechung liegt tatsächliche Sachherrschaft vor, wenn die in aa-cc dargestellten Kriterien
kumulativ gegeben sind und bei Gesamtbetrachtung aller Umstände von einer tatsächlichen Herrschaft
auszugehen ist.
In Anbetracht aller Umstände kommt das Gericht nicht zu der Überzeugung, dass entgegen der Vermutung der
Vollständigkeit der Urkunden (ee) die tatsächliche Sachherrschaft bereits vor der Übertragung des hälftigen
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Anteils bei der P-GmbH gelegen hat. In dieser Gesamtschau bezieht sich das Gericht auf die Würdigung zu
den Fragen der gesicherten Erwerbsposition (oben aa), der Ausübung der wesentlichen Rechte (oben bb), des
Übergangs von Chancen und Risiken (oben cc) und des nicht nur bloßen Durchgangserwerbs (oben dd); im
Übrigen auf die vorherige Würdigung der Umstände der tatsächlichen Durchführung zur Frage einer Treuhand
(oben a dd aaa-fff).
II.
Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die Nichtzulassung der Revision folgen aus § 135 Abs. 1 und §
115 Abs. 2 FGO.
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO (oben A VI 1).