Urteil des FG Hamburg vom 13.12.2012

FG Hamburg: wiedergabe, einreihung, zollrechtliche tarifierung, anzeige, videogerät, gestaltung, einspruch, musik, anfechtungsklage, software

2
3
4
5
6
1
Zolltarif: Tarifierung eines E-Book-Readers - Abgrenzung zum digitalen Bilderrahmen
Eine Ware, die mit einem passiven 7'' LC-Display ausgestattet ist, die verschiedene Text-, Audio- und
Bilddateien (nicht jedoch Videodateien) speichern und darstellen kann und die über die für einen sog. E-
Book Reader typische Ausstattung verfügt, kann nicht - vergleichbar einem digitalen Bilderrahmen - als
Monitor in die Warennummer 8528 59 eingereiht werden.
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 13.12.2012, 4 K 178/11
UPos 8528 59 KN, EGV 1156/2008, EGV 763/2011
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer verbindlichen Zolltarifauskunft.
Im September 2010 beantragte sie für eine Ware, die sie als "eBook X" bezeichnete, die Erteilung einer
verbindlichen Zolltarifauskunft, ohne den Antrag mit einem Einreihungsvorschlag zu verbinden. In einem
ergänzenden Schreiben führte sie aus, dass das Gerät in zwei Varianten eingeführt werde, einmal mit der
Fähigkeit, Videos abzuspielen ("eBook XY" - hier nicht streitgegenständlich) und einmal ohne diese Fähigkeit
("eBook X").
Am 14.02.2011 erteilte der Beklagte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft, mit der er die Ware in die
Warennummer 8528 59 einreihte. Zur Warenbeschreibung heißt es dort: "Monitor mit Videogerät aus einer 7´´
Farb-Flüssig-kristallanzeige (Bildschirmdiagonale: 17,7 cm, Bildschirmformat: 16:9) mit
Hintergrundbeleuchtung, Signalelektronik, Lautsprecher, 2 GB internem Speicher und Akkumulator in einem
Gehäuse mit Bedienelementen, Speicherkartenschacht (SD, SDHC, MMC), USB-Schnittstelle und
Audioausgang, zur Anzeige von Bildern - kennzeichnende Haupttätigkeit -, zum Aufzeichnen und Wiedergeben
von Text-, Bild- und Tondateien in verschiedenen Formaten, zusammen mit Beipack (Ohrhörer) in einer
gemeinsamen Verkaufsumschließung. Der Monitor mit Videogerät bestimmt den Charakter des Ganzen.
Monitor, ohne eingebautes Empfangsgerät, mit Flüssigkristallanzeige, nicht von der ausschließlich oder
hauptsächlich in einem automatischen Datenverarbeitungssystem der Position 8471 verwendeten Art -
Kombination aus Monitor - kennzeichnende Haupttätigkeit - und Videogerät, in Warenzusammenstellung mit
nicht charakterbestimmendem Beipack."
Gegen die verbindliche Zolltarifauskunft legte die Klägerin am 14.03.2011 Einspruch ein. Das Gerät diene
hauptsächlich der Wiedergabe von Texten in verschiedenen Formaten und damit dem Lesen von
elektronischen Büchern. Die Gestaltung des Geräts (Design im Hochformat, Tasten für den Seitenwechsel) sei
für diesen Zweck ausgelegt. Dass es um das Lesen von eBooks gehe, ergebe sich auch aus der Beschriftung
der Verpackung und dem Umstand, dass drei eBooks gratis mitgeliefert würden. Die Anzeige von Bildern stehe
nicht im Vordergrund, eine Wiedergabe von Videos sei nicht möglich.
Das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung nahm unter dem 26.04.2011 zu dem
Einspruch Stellung. Das Gerät sei mit einem TFT-LC-Display ausgestattet, das den Text eines elektronischen
Buches bei ungünstigen Lichtverhältnissen nicht so gut lesbar darstellen könne, wie dies bei den E-Ink-
Displays der Fall sei, die in üblichen E-Book-Readern verbaut würden. Im Verhältnis zum Display sei die
Ausstattung mit den speziellen Tasten für das Umblättern sowie das Hochformat des Displays nicht
entscheidend, zumal das Gerät auch im Querformat genutzt werden könne. Die mitgelieferten E-Books sowie
die Beschriftung der Verpackung seien keine objektiven Beschaffenheitsmerkmale des Gerätes. Nur Geräte
zur Speicherung und Darstellung von Texten seien in die Position 8543 einzureihen. In diese Position würden
Geräte eingereiht, die Texte in eine Fremdsprache übersetzten oder als Lesegeräte für Sehbehinderte zum
Einsatz kämen. Abgesehen davon, dass die zu begutachtende Ware mit einem nicht speziell für die
Wiedergabe von Text geeigneten Display ausgestattet sei, könne es auch noch Fotos darstellen und
Musikdateien wiedergeben. Aufgrund seiner technischen Ausstattung und seiner Funktionsweise sei das Gerät
mit einem digitalen Bilderrahmen vergleichbar, der nach der VO Nr. 1156/2008 in die Position 8528 einzureihen
sei. Diese Einreihungsverordnung sei im Streitfall entsprechend anzuwenden. Der Monitor übe die
kennzeichnende Haupttätigkeit aus.
Hierauf erwiderte die Klägerin, auch das LC-Display sei für die Wiedergabe von Texten entwickelt worden. Es
sei für die Wiedergabe von Grafiken oder Bildern besser geeignet als ein E-Ink Display, auf dem allerdings
7
8
9
10
11
12
auch Bilder und Grafiken angezeigt würden. Zwar sei ein LC-Display ungeeignet, um einen Text bei direkter
Sonneneinstrahlung zu lesen, andererseits sei es bei schlechter Beleuchtung angenehmer als ein E-Ink-
Display. Die Bildwiedergabe und die Möglichkeit der Wiedergabe von Musik seien nicht wesentlich. Ein digitaler
Bilderrahmen könne demgegenüber die Formate, in denen E-Books zur Verfügung stünden, nicht unterstützen.
Anders als ein digitaler Bilderrahmen habe der "Reader" keinen Ständer, zudem verfüge er über Tasten zum
Umblättern.
In einer weiteren Stellungnahme vom 11.08.2011 führte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der
Bundesfinanzverwaltung aus, aufgrund seiner objektiven Eigenschaften sei das E-Ink-Display besonders für
die Darstellung von Texten geeignet (blickwinkelunabhängige Darstellung, hoher schwarz-weiß Kontrast,
monochrom, zu langsam, um Videos flüssig darzustellen). Demgegenüber seien LC-Displays nicht spezifisch
für die Darstellung von Texten geeignet und Geräte mit einem solchen Display daher nicht als E-Book-Reader
zu charakterisieren. Er verweist ergänzend auf die VO Nr. 763/2011. Die Gründe, das Gerät zu kaufen, seien
für die Einreihung nicht erheblich. Das Gerät könne, wie ein digitaler Bilderrahmen, Fotos darstellen. Bei den
Tasten zum Umblättern handele es sich um gewöhnliche Navigationstasten, die auch zum Navigieren in Menüs
genutzt werden könnten.
In der Sachakte (Bl. 76) findet sich eine verbindliche Zolltarifauskunft aus dem März 2009 (Nummer DE
.../.../... -1), mit der eine als "E-Book, elektronisches Lesebuch" bezeichnete Ware, die ausweislich der
Warenbeschreibung mit einem 6´´ E-Ink-Display ausgestattet ist und die zum Speichern und Wiedergeben von
Dokumenten in verschiedenen Formaten sowie zum Aufzeichnen und Wiedergeben von Audiodateien und
Fotos ebenfalls in verschiedenen Formaten in die Warennummer 8543 7090 99 eingereiht wurde.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2011 zurück. Er wiederholt die
Stellungnahmen des Bildungs- und Wissenschafts-zentrums der Bundesfinanzverwaltung, betont die
Vergleichbarkeit mit einem digitalen Bilderrahmen und verweist auf die VO Nr. 1156/2008. Der "eBook X" stelle
eine Kombination aus einem Monitor der Position 8528 und einem Videogerät zur Bild- und Tonaufzeichnung
oder -wiedergabe der Position 8521 dar, wobei der Monitor die Haupttätigkeit kennzeichne. Weiter betont er,
dass das E-Ink Display anders als das LC Display besonders für die Darstellung von Texten geeignet sei.
Mit ihrer am 19.09.2011 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. E-Book-
Reader würden aktuell mit verschiedenen Displayarten hergestellt und vertrieben. Neben Displays in LCD-
Technologie gebe es E-Ink-Displays. Keine der Technologien habe sich bislang durchgesetzt. LC-Displays
benötigten - anders als E-Ink-Displays - eine Hintergrundbeleuchtung, die Vorteile bei schwachem Licht oder
Dunkelheit böte. E-Ink-Displays seien nur mit Fremdlicht nutzbar. Die technische Entwicklung gehe dahin,
dass E-Ink-Displays künftig - anders als heute - auch Farben wiedergeben könnten. E-Ink-Displays hätten
einen geringeren Stromverbrauch als LC-Displays. Da die Technik aus der Computerwelt stamme, könnten alle
Geräte mit zahlreichen Datenformaten arbeiten. Nahezu alle erhältlichen E-Books könnten Audiodateien
wiedergeben und Bildformate verarbeiten.
Das streitgegenständliche E-Book verfüge über ein passives LC-Display (ohne Touch-Funktion). Die Texte
könnten im Querformat oder im Hochformat dargestellt werden. Der Festspeicher von 2 GB reiche für bis zu
2.000 E-Books. Eine Speichererweiterung durch Verwendung einer Speicherkarte sei möglich. Das E-Book
verfüge, wenn es hochkant gehalten werde, rechts und links über Tasten zum Vor- bzw. Zurückblättern. Unten
sei eine Taste zur Auswahl der 5 Schriftgrößen vorhanden, die übrigen Tasten dienten der Menüführung, etwa
der Auswahl eines E-Books. Es verfüge über Anschlüsse für einen Kopfhörer, ein externes Netzteil sowie für
eine USB-Verbindung, könne verschiedene E-Book-, Audio- und Bildformate (nicht jedoch Videoformate) lesen
und enthalte einen Akku mit bis zu 8 Stunden Laufzeit. Beim Einschalten des E-Books erscheine als Startseite
die Liste der geladenen E-Books. Mit einer Menütaste könne man verschiedene Menüs, auch für den Zugriff
auf Musik- oder Fotodateien, auswählen.
Eine Einreihung in die Position 8528 59 scheide aus. Entscheidend für die Einreihung sei die Art der
Signaldaten, die angezeigt werden könnten. Ob es sich um ein schwarzweißes oder farbiges Bild handele, sei
unerheblich. Auch unterliege die vom Beklagten angeführte VO Nr. 1156/2008 Bedenken hinsichtlich der
Wirksamkeit, weil sie den Regelungsbereich der Position 8528 erweitern dürfte. Die streitgegenständliche Ware
habe zwar ein anderes Display als die von der VO Nr. 763/2011 erfasste, weise sonst aber keine
entscheidenden Unterschiede auf. Nach der Anm. 3 zu Kapitel XVI sei die Bestimmung der Maschine für die
Einreihung erheblich. Der E-Book Reader könne drei Funktionen ausführen (Wiedergabe von Text-, Bild- und
Audiodateien). Unstreitig sei die akustische Wiedergabe nicht die Hauptfunktion. Die Funktion, Bilddateien
wiederzugeben, unterstütze die Funktion, Textdateien wiederzugeben, da sich in vielen Büchern
Bilddarstellungen fänden (Kinderbücher, Kochbücher, Reiseführer, Kunstbände). Die Technologie des Displays
13
15
18
19
14
16
17
21
22
23
24
20
sei nicht wesenstypisch für den E-Book Reader, daher sei unerheblich, zu welchen Betrachtungsproblemen
Sonnenlichteinstrahlung führe. Das Gerät werde ausnahmslos über den Buchhandel und den
Buchversandhandel vertrieben. Die Software sei auch so gestaltet, dass der Nutzer in erster Linie zu den
gespeicherten E-Books geführt werde. Die Textwiedergabe sei daher als Hauptzweck konzipiert. Auch die
Bedientasten seien in erster Linie für das Leservergnügen bestimmt.
Sie habe ein Interesse an der Anfechtung der verbindlichen Zolltarifauskunft, weil ein stattgebender Ausspruch
des Finanzgerichts die Feststellung impliziere, dass die verbindliche Zolltarifauskunft nicht der materiellen
Rechtslage entspreche.
Die Klägerin beantragt,
die verbindliche Zolltarifauskunft vom 14.02.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom
18.08.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und weist auf die Möglichkeit hin, den Antrag auf Erteilung der
verbindlichen Zolltarifauskunft zurückzunehmen und auf den begünstigenden Verwaltungsakt zu verzichten. Da
die Klägerin lediglich die Aufhebung der verbindlichen Zolltarifauskunft beantrage, sei die Klage nicht
erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Sachakte des Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO zulässig. Die streitgegenständliche
verbindliche Zolltarifauskunft stellt insoweit einen belastenden Verwaltungsakt dar, als sie - obgleich auf den
keinen bestimmten Einreihungsvorschlag enthaltenden Antrag der Klägerin ergangen - die Ware in eine
Warennummer einreiht, die die Klägerin als unzutreffend und nachteilig empfindet. Zwar könnte die Klägerin
auch eine auf die Erteilung einer antragsgemäßen verbindlichen Zolltarifauskunft gerichtete Verpflichtungsklage
(§ 40 Abs. 1 Art. 2 FGO) erheben, einen zwingenden Vorrang der Verpflichtungsklage gibt es jedoch nicht,
insbesondere gilt für die Anfechtungsklage keine Subsidiarität, wie sie etwa in § 41 Abs. 2 FGO für die
Feststellungsklage geregelt ist.
Für die Anfechtungsklage würde der Klägerin auch dann nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn sie ihr
Ziel - wovon der Beklagte ausgeht - auch durch Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen
Zolltarifauskunft erreichen könnte. Das Interesse der Klägerin ist nicht nur wegen der mit einer Aufhebung der
verbindlichen Zolltarifauskunft durch den Senat verbundenen klarstellenden Wirkung, sondern auch wegen der
sich aus dem Urteil ergebenden Aussage zur Rechtmäßigkeit der Einreihung in die Warennummer 8528 59
anzuerkennen.
II.
Die Klage ist auch begründet. Die verbindliche Zolltarifauskunft vom 14.02.2011 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 18.08.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs.
1 S. 1 FGO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofs (vgl.
etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, C-121/95; BFH, Urteil vom 18.11.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R
69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98 und vom 23.07.1998, VII R 36/97) ist das
entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen
und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen
zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen
Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und
Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis
25
26
27
28
29
30
5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum
Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur
Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn
auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl.
EuGH, Urteil vom 09.12.1997, C-143/96, und vom 19.05.1994, C-11/93). Auf den Verwendungszweck einer
Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu
ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteil vom 14.11.2000, VII R 83/99 und
vom 05.10.1999, VII R 42/98; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02).
Die streitgegenständliche Ware wird unter der Handelsbezeichnung "eBook X" eigeführt und vertrieben. Sie
verfügt über ein passives 7´´ LC-Display (ohne Touch-Funktion) mit Hintergrundbeleuchtung. Die Texte können
im Quer- oder im Hochformat dargestellt werden. Die Kapazität des internen Speichers beträgt 2 GB und kann
durch Verwendung einer Speicherkarte erweitert werden. Das Gerät verfügt, wenn es hochkant gehalten wird,
rechts und links über Tasten zum Vor- bzw. Zurückblättern. Unten findet sich eine Taste zur Auswahl der 5
Schriftgrößen, die übrigen Tasten dienen der Menüführung, etwa der Auswahl eines E-Books. Es verfügt über
Anschlüsse für einen Kopfhörer, ein externes Netzteil sowie für eine USB-Verbindung, kann verschiedene E-
Book-, Audio- und Bildformate (nicht jedoch Videoformate) lesen und enthält einen Akku mit bis zu 8 Stunden
Laufzeit. Beim Einschalten des Geräts erscheint als Startseite die Liste der geladenen E-Books. Mit einer
Menütaste kann man verschiedene Menüs, auch für den Zugriff auf Musik- oder Fotodateien, auswählen. Die
Ware wird in einer Verkaufsumschließung mit Ohrhörern eingeführt.
Die objektiven Merkmale und Eigenschaften dieser Ware sprechen nach Überzeugung des Senats gegen eine
Einreihung in die Warennummer 8528 59. Dies ergibt sich aus Folgendem:
In die Position 8528 gehören Monitore und Projektoren, ohne eingebautes Fernsehempfangsgerät;
Fernsehempfangsgeräte, auch mit eingebautem Rundfunkempfangsgerät oder Ton- oder Bildaufzeichnungs-
oder -wiedergabegerät. Die Unterposition 8528 59 bezeichnet andere Monitore als solche der ausschließlich
oder hauptsächlich in einem automatischen Datenverarbeitungssystem der Position 8471 verwendeten Art. In
diese Position werden u. a. sog. digitale Bilderrahmen eingereiht (vgl. VO Nr. 1156/2008).
Bei der streitgegenständlichen Ware handelt es sich nicht um einen digitalen Bilderrahmen bzw. Monitor in
diesem Sinne. Waren der Unterposition 8528 59 sind im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass sie dazu
bestimmt sind, bewegte oder stehende Bilder wiederzugeben. Dies legt bereits der enge Zusammenhang mit
dem Fernsehempfang im Positionswortlaut nahe und bestätigt sich in den Erläuterungen zur Position 8528 Rz.
15.0, wonach zur Gruppe der anderen Monitore im Sinne der Unterposition 8528 59 Monitore gehören, die als
Empfangsgeräte durch Koaxialkabel direkt mit der Videokamera oder dem Videoaufzeichnungsgerät verbunden
sind und von Fernsehgesellschaften oder für geschlossene Fernsehübertragungssysteme verwendet werden.
Sofern die Monitore ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, zwei oder mehrere verschiedene, sich
abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen, sind sie gem. der Anmerkung 3 zu
Kapitel XVI nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit (Hauptfunktion) einzureihen.
Nach Auffassung des Senats kennzeichnet die Hauptfunktion der streitgegenständlichen Ware aber gerade
nicht die Wiedergabe von Bildern, sondern vielmehr die Wiedergabe von Textdateien, namentlich die
Wiedergabe von E-Books. Unstreitig ist das Gerät nicht in der Lage, Videodateien wiederzugeben. Die
Möglichkeit, Musikdateien zu speichern, hält auch der Beklagte für sich genommen nicht für
einreihungserheblich. Hauptsächlich ist es dazu bestimmt, Textdateien wiederzugeben. Der Möglichkeit,
Bilddateien wiederzugeben, kommt eine unterstützende bzw. nachgeordnete Bedeutung zu. Dabei ist nicht
entscheidend, wie die Verpackung beschriftet ist, oder dass die Ware mit drei gespeicherten E-Books
ausgeliefert wird. Entscheidend ist vielmehr die software- und hardwaremäßige Konfiguration der Ware. Die
Fokussierung auf die Wiedergabe von E-Books zeigt sich an der Software insoweit, als sie den Nutzer nach
dem Hochfahren direkt zur Liste der gespeicherten E-Books führt, während der Zugang zu Bild- oder
Audiodateien einen Wechsel des Menüs erfordert. Das Gerät ist auch in der Lage, die gängigen und speziellen
Formate zu verarbeiten, in denen E-Books angeboten werden. Auch die Bedientasten legen in ihrer Verteilung
auf das Gerät die Nutzung zur Lektüre von E-Books nahe. Sie geben eine - technisch allerdings nicht
zwingende - für E-Book Reader typische Nutzung im Hochformat vor, da die Tasten zum Seitenwechsel dann
ergonomisch günstig auf der rechten und linken Seite platziert sind, und ermöglichen, ohne auf das Menü
zurückzugreifen, einen direkten Zugriff auf für das Lesen von Textdateien wichtige Funktionen, wie etwa das
Umblättern oder das Vergrößern.
Diese Gestaltung des Geräts legt eine Bestimmung für den Gebrauch als digitaler Bilderrahmen, von dem der
Beklagte ausgeht, nicht nahe. Gegen die Annahme, die Wiedergabe von Bilddateien sei die Hauptfunktion,
31
32
33
spricht neben der softwaremäßigen Ausrichtung auf die Wiedergabe von E-Books auch die optische
Gestaltung. Die vergleichsweise klobige, die Nutzung im Hochformat prädestinierende Gestaltung der
Bedienknöpfe und die fehlende Aufstellstütze lassen eine Verwendung als digitaler Bilderrahmen eher
unwahrscheinlich erscheinen.
Die Technik des Displays kann für die Einreihung nicht entscheidend sein. Die Warenbeschreibungen der hier
in Betracht kommenden Warennummern äußern sich nicht zu das Display betreffenden technischen Aspekten.
In den Erläuterungen zur Position 8528 Rn. 15.0 findet sich der Begriff LCD nur als Beispiel für einen
Flachbildschirm, ohne dass dem entnommen werden könnte, dass diese Technik einreihungserheblich sein
soll. Insbesondere findet die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung, wonach LC-Displays in die
Position 8528 und E-Ink-Displays in die Position 8523 gehören, weder im Positionswortlaut noch in den
Anmerkungen oder Erläuterungen eine Stütze. Es kann auch nicht darauf ankommen, für welche spezielle
Nutzung eine Technik ursprünglichen erfunden worden ist und welche Nutzungsmöglichkeiten bestimmte
Displaytechnologien theoretisch eröffnen. Vielmehr muss entscheidend sein, welche Nutzungen im konkreten
Fall möglich sind. In beiden Fällen - E-Ink und LCD - können sowohl Texte als auch Bilder dargestellt werden.
Den offensichtlichen Vorteilen der E-Ink-Displays gegenüber LC-Displays bei direkter Sonneneinstrahlung
(keine Reflektion) stehen ebenso offensichtliche Nachteile bei schwachem Licht oder gar Dunkelheit (fehlende
Hintergrundbeleuchtung) gegenüber. Der Umstand, dass die streitgegenständliche Ware über ein Display
verfügt, das eine mehrfarbige Darstellung ermöglicht, ist unerheblich. Die Unterposition 8528 59 gilt
ausdrücklich sowohl für Monitore mit einfarbigem Bild (Unterposition 8528 5910) als auch für solche mit
mehrfarbigem Bild (Unterposition 8528 9540). Schließlich sprechen der vergleichsweise hohe Stromverbrauch
und die geringe Akkuleistung der streitgegenständlichen Ware nicht für eine Einreihung in die Unterposition
8528 59, da in keiner der hier anzuwendenden Bestimmungen auf den Stromverbrauch abgestellt wird und die
Frage der Akkulaufzeit nur ein Qualitätsmerkmal der Ware, nicht jedoch eine Eigenschaft der Ware darstellt,
die über die Einreihung in eine bestimmte Position entscheidet.
In seiner Auffassung sieht sich der Senat auch durch die Einreihungsverordnungen, auf die die Beteiligten
hingewiesen haben, bestätigt. In der VO Nr. 1156/2008 wird unter 1. ein Gerät zur Aufzeichnung, Wiedergabe
und Anzeige von Fotos (sog. digitale Bilderrahmen) in die Unterposition 8528 5990 eingereiht. Dieses Gerät
verfügt ausweislich der Warenbezeichnung über ein LC-Display und ist insofern mit der streitgegenständlichen
Ware vergleichbar. Allerdings erfasst die VO Nr. 1156/2008 ausdrücklich ein Gerät zur Aufzeichnung,
Wiedergabe und Anzeige von Fotos. Dass dieses Gerät auch verschiedene Textformate verarbeiten und
insbesondere E-Books wiedergeben kann, ist nicht ersichtlich. Von daher ist diese Einreihungsverordnung
gerade nicht anwendbar. Gegen die Einreihung der streitgegenständlichen Ware in die Position 8528 spricht
demgegenüber die - ebenfalls nicht direkt anwendbare, aber zu Auslegungszwecken heranziehbare - VO Nr.
763/2011, mit der ein tragbares, akkubetriebenes Gerät (sog. E-Book) zum Speichern und Anzeigen
verschiedener Textdateien, Standbild-Dateien und Audiodateien in die Unterposition 8543 70 90 eingereiht wird.
Dieses Gerät verfügt zwar - im Gegensatz zum streitgegenständlichen Gerät - über ein monochromes Display
in E-Papier-Technologie, ist ansonsten aber vergleichbar. Zur Begründung für die Einreihung heißt es in der VO
Nr. 763/2011, eine Einreihung als Bildschirm in die Position 8528 sei ausgeschlossen, da das Gerät aufgrund
der für die Anzeige verwendeten speziellen Technologie und der damit einhergehenden geringeren Bildqualität
nicht in der Lage sei, Videofilme wiederzugeben, sondern ausschließlich der Anzeige von Formaten und
Standbildern diene. Letzteres gilt auch in Bezug auf den streitgegenständlichen E-Book X, da auch er nicht in
der Lage ist, Videofilme wiederzugeben. Dass dies nicht an der Anzeigetechnologie, sondern an der
Softwarekonfiguration liegt, hält der Senat nicht für erheblich. Wie bereits dargelegt, ist nach der Anmerkung 3
zu Kapitel XVI bei Geräten mit mehreren Funktionen die das Gerät kennzeichnende Hauptfunktion für die
Einreihung maßgeblich. Ob sich die Ausrichtung auf eine Hauptfunktion nun aus der Anzeigetechnologie oder
aus der vom Nutzer nicht zu ändernden Softwarekonfiguration ergibt, kann nicht entscheidend sein. Vielmehr
lässt sich der Begründung der Einreihung gem. der VO Nr. 763/2011 die allgemeine Aussage entnehmen, dass
Geräte, die nicht in der Lage sind, Videofilme wiederzugeben, nicht in die Position 8528 eingereiht werden
können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird wegen
grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.