Urteil des FG Hamburg vom 30.11.2012

FG Hamburg: fax, post, telefon, schmerzensgeld, entschädigung, einkünfte, vergleich, vorverfahren, entstehung, unternehmen

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Finanzgerichtsordnung: Kostenerinnerung, Erstattung notwendiger Rechtsverfolgungskosten
1. Unzulässig ist eine Kostenerinnerung, soweit keine kostenrechtlichen Gesichtspunkte geltend gemacht
werden, sondern nur die der Kostenlastentscheidung zugrunde liegende Gerichtsentscheidung oder die
darin enthaltene und für das Kostenfestsetzungsverfahren bindende Kostengrundentscheidung angegriffen
wird oder sonstige nicht kostenrechtliche Rechtsverstöße gerügt werden sollen.
2. Nicht zu erstatten oder nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Klage- oder Vorverfahren
notwendig sind
- nur mittelbare oder Aufwendungen vor und außerhalb des Vor- und des Klageverfahrens oder für
anderweitig gestellte Anträge;
- nicht entstandene oder nur fiktive Aufwendungen für eigene Prozessbearbeitung, für entgangene
Einkünfte oder für ersparte zusätzliche Bevollmächtigtenkosten;
- Mehrkosten durch wiederholte Mitteilungen (auch per Telefon) und doppelten Versand von Schriftstücken
(auch per Fax) im Vergleich zu einfachem Porto;
- Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Entschädigung.
FG Hamburg 3. Senat, Beschluss vom 30.11.2012, 3 KO 205/12
§ 139 Abs 1 FGO, § 145 FGO, § 149 Abs 2 FGO, § 162 VwGO, § 91 ZPO
Gründe
A.
Die Erinnerung gemäß § 149 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist unzulässig, soweit keine
kostenrechtlichen Gesichtspunkte geltend gemacht werden, sondern nur die der Kostenlastentscheidung
zugrunde liegende Gerichtsentscheidung und die darin enthaltene und für das Kostenfestsetzungsverfahren
bindende Kostengrundentscheidung - hier mit je hälftiger Kostenlast - angegriffen wird (vgl. BFH vom 14. April
2008 IX E 2/08, Juris; vom 3. Juli 2006 VI S 8/06, BFH/NV 2006, 1867; vom 1. September 2005 III E 1/05,
BFH/NV 2006, 92; vom 29. Juli 1997 VII E 7/97, BFH/NV 1998, 618) oder sonstige nicht kostenrechtliche
Rechtsverstöße gerügt werden sollen (vgl. BFH vom 3. August 2005 IX S 14/05, BFH/NV 2005, 1865).
B.
Soweit die Erinnerung im Übrigen den Umfang der erstattungsfähigen Kosten betrifft, ist sie größtenteils
unbegründet.
I.
Zu Recht hat die Urkunds- und Kostenbeamtin des Finanzgerichts (FG) gemäß § 139 Abs. 1 FGO die
Erstattungsfähigkeit solcher geltend gemachter Beträge verneint, bei denen es sich nicht um für die
zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Klage- oder Vorverfahren notwendige Aufwendungen handelt.
1. Um solche Aufwendungen handelt es sich nicht bei Kosten außerhalb des vorliegenden Klageverfahrens und
des Vorverfahrens (vgl. FG Hamburg, Beschlüsse vom 13. März 2012 3 KO 220/11, Entscheidungen der
Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1374; vom 14. April 2011 3 KO 201/10, EFG 2011, 1546, Deutsches Steuerrecht
Entscheidungsdienst --DStRE-- 2012, 383 zu II 1) bzw. nicht bei nur mittelbaren Aufwendungen, desgleichen
nicht bei tatsächlich nicht entstandenen, sondern nur fiktiven Aufwendungen, insbesondere nicht bei
errechneten Beträgen für eigene Arbeitsleistung, für entgangene Einkünfte oder für ersparte zusätzliche
Bevollmächtigtenkosten oder -auslagen gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz --RVG-- (Brandis in
Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rd. 7 m. w. N.); erst recht nicht für Schadensersatz, Schmerzensgeld oder
Entschädigung (vgl. §§ 839, 253 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-- i. V. m. Art. 34 Satz 3 Grundgesetz --GG--,
§ 40 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO--; § 155 Satz 2 i. V. m. § 198
Gerichtsverfassungsgesetz --GVG--).
2. Hier überhaupt nicht erstattungsfähig sind demnach (jeweils mit 100 %, vgl. oben A) geltend gemachte
Beträge für eigene Prozessbearbeitung
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4.300 Euro,
für Schmerzensgeld/Schadensersatz
3.500 Euro,
für einen anderen Antrag an die Familienkasse
55 Euro und
für Übersetzungen außerhalb des Klage- oder Vorverfahrens
220 Euro.
3. Die weiter (zu 100 %) geltend gemachten Fax-, Post-, Telefon-, Tintenpatronen und Beratungs- oder
sonstige Kosten
66 + 83,14 + 565,49 +76,85 + 61,36 Euro
sind teilweise nicht erstattungsfähig, soweit sie Verfahren vor dem Widerspruchsverfahren bzw. bis zu dem
hier angefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2009 oder soweit sie anderenorts (vor dem Sozialgericht A oder dem
B) geführte Verfahren betreffen.
Nicht notwendig sind außerdem die Mehrkosten bei wiederholten Mitteilungen (per Telefon, Fax oder Post) und
doppeltem Versand von Schriftstücken (per Fax und Post), so insbesondere auch nicht die höheren Faxkosten
im Vergleich zu einfachem Porto bei nicht besonders kurzfristig zu erstellenden und zu übermittelnden
Schriftstücken.
Das Gericht schätzt die danach verbleibenden erstattungsfähigen der Klägerin tatsächlich entstandenen
Aufwendungen für einmalige Mitteilungen per Post oder Fax (einschließlich Schreibmaterial und
Druckerpatrone) oder Telefon in Anbetracht des Auslandssachverhalts und der europarechtlichen Bezüge auf
250 Euro (statt bisher 70,49 Euro).
4. Aufgrund der vorbezeichneten Besonderheiten hält das Gericht ausnahmsweise auch die während des
Einspruchsverfahrens am 14. Juli 2009 von der Klägerin zusätzlich aufgewandten Beratungskosten im Ausland
für notwendig und erstattungsfähig in Höhe von
30,68 Euro.
5. Von den danach erstattungsfähigen
(250 + 30,68 =) 280,68 Euro
sind gemäß Kostenquote (vgl. oben A)
50 % bzw. 140,34 Euro
zu erstatten, das heißt über die bisherige Kostenfestsetzung hinaus
(140,34 ./. 35,25 =) 105,09 Euro.
II.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens beruht auf § 136 Abs. 1 Satz
3 FGO.
Die Entstehung von Gerichtskosten im Erinnerungsverfahren sieht das Gesetz nicht vor.
Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO.