Urteil des FG Düsseldorf vom 21.11.2007

FG Düsseldorf: adr, einkünfte, wesentliche beteiligung, fonds, unbeschränkte steuerpflicht, kapitalvermögen, arbeitslohn, mitwirkungspflicht, eugh, familie

Finanzgericht Düsseldorf, 9 K 1270/04 E
Datum:
21.11.2007
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 1270/04 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Streitig sind die Feststellungen einer Betriebsprüfung bei dem Kläger und bei dessen
Ehefrau, der Klägerin in dem Verfahren 9 K 1274/04 E.
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Der Kläger war in der Wertpapierbranche tätig. Er war u.a. Gesellschafter und seit 1990
Vorsitzender des Vorstands der N - AG (im Folgenden: NNN) sowie der I - AG (im
Folgenden: III). Er war ferner an verschiedenen andern in- und ausländischen
Gesellschaften beteiligt und gehörte teilweise auch deren Leitungsgremien an. Wegen
der Betätigungen im Einzelnen wird auf Tz. 11 des BP – Berichtes vom 18.6.2003
Bezug genommen.
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Bis zum Jahre 1998 lebten der Kläger und seine Ehefrau in der Bundesrepublik. Im
Oktober oder Dezember 1998 – das genaue Datum ist zwischen den Beteiligten
umstritten – verzogen sie zunächst nach Belgien. Nach einer Hausdurchsuchung am
6.3.2001 u.a. in ihrem Wohnhaus in Belgien verzogen sie zunächst in die Schweiz. Der
derzeitige genaue Aufenthaltsort ist dem Gericht nicht bekannt.
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Der Kläger gab zusammen mit seiner Frau zunächst für die Streitjahre
Einkommenssteuererklärungen ab, aufgrund derer der Beklagte die Einkommenssteuer
festsetzte. Vom 1.3.2000 an fand bei dem Kläger und seiner Ehefrau eine
Betriebsprüfung statt, die mit dem hier streitigen Bericht vom 18.6.2003 endete. Am
6.3.2001 wurde gegen sie ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.
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Nach Ansicht der Betriebsprüfung in Tz. 7 des Berichtes haben der Kläger und seine
Ehefrau nicht an der Aufklärung des steuerrechtlich erheblichen Sachverhaltes
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mitgewirkt. Insbesondere seien keine Angaben über die genauen Beteiligungshöhen an
den Gesellschaften, insbesondere der NNN und der III gemacht worden. Auch seien
Aufforderungen zur Vorlage von Kontoauszügen über ausländische Konten unerfüllt
geblieben. Ferner seien Vorgänge und Sachverhalte hinsichtlich der Kapitaleinlagen
und Veräußerungsvorgänge im Zusammenhang mit ausländischen Gesellschaften, der
Tätigkeiten für die ausländischen Gesellschaften und deren Vergütung, Einnahmen aus
Kapitalvermögen auf Guthaben bzw. Depots bei ausländischen Banken,
Spekulationsgewinnen aus Depots bei ausländischen Instituten und Arbeitslohn aus
Kommissionsnachlässen mangels hinreichender Mitwirkung unaufgeklärt geblieben.
Im Einzelnen traf die Betriebsprüfung folgende Feststellungen:
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Im Rahmen der Feststellung einer Besteuerung von Kapitaleinkünften nach § 6 des
Außensteuergesetzes (AStG) wurde die Beteiligungsquote des Klägers an der NNN in
dem Zeitraum von fünf Jahren vor dem Wegzug nach Belgien auf mehr als 25 v.H.
geschätzt. In dem Bericht heißt es unter Tz. 20 hierzu, auch nach Auswertung der
beschlagnahmten Unterlagen sei eine genaue Entwicklung der Gesellschafterstruktur
der NNN nicht einwandfrei möglich. Bei den Aktien der NNN habe es sich um leicht
übertragbare, bis zum Börsengang in den USA im Jahre 1995 auch nicht
depotbankverwahrte Inhaberaktien gehandelt. Nach dem Börsengang seien von US-
amerikanischen Banken für diese Aktien Aktienzertifikate, sogen. ADR (American
Depositary Receipt´s) ausgegeben worden, die den Handel in den USA ermöglichten.
Dabei repräsentierten zunächst 10 ADR eine Aktie; nach einem im Jahre 1998
durchgeführten Split standen für eine Aktie 30 ADR.
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Grundlage für die Schätzung, dass der Kläger zu verschiedenen Zeitpunkten an der
NNN mit mehr als 25 v.H. beteiligt gewesen sein soll, waren nach Ansicht der
Betriebsprüfung u.a. seine Teilnahme an Hauptversammlungen am 10.12.1991 und
29.6.1992. Auf diesen Versammlungen war der Kläger ausweislich der vorliegenden
Aktionärslisten mit 66,67 v.H. am Kapital der NNN beteiligt. Anlässlich der Vorbereitung
des Börsengangs der NNN in den USA im Jahre 1995 machte der Kläger in
verschiedenen Schreiben an die NNNinc Angaben über seine Beteiligungshöhe. So
gab er nach Tz. 20 lit.g)seine Beteiligung in zwei Schreiben vom 18.8.1994 und
17.10.1994 mit 67,85 v.H. an.
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Nach Tz. 21 veräußerte der Kläger 1995 im Rahmen des Börsengangs der NNN
insgesamt 4.034 Aktien und erzielte hieraus nach Abzug der Anschaffungskosten
Einkünfte in Höhe von 691.427 DM. Weitere 3.176 Aktien übertrug der Kläger auf seine
vier Kinder. Diese führten den erzielten Erlös, soweit er insgesamt 280.000 DM
überstieg, an den Kläger ab. Die Betriebsprüfung ging insoweit von einem
teilentgeltlichen Veräußerung aus und errechnete die Einkünfte des Klägers mit
264.366 DM.
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Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung veräußerte der Kläger im Jahre 1998 im
Zeitraum vom 16.6.1998 bis 28.10.1998 116.741 ADR an der NNN und im Zeitraum vom
29.10. bis 16.12.1998 weitere 30.253 ADR, insgesamt 146.994 ADR. Die Einkünfte
hieraus beliefen sich auf 14.250.686 DM. Die Erlöse habe der Kläger zunächst auf ein
Tagegeldkonto gutschreiben lassen und von dort aus in drei Tranchen zu
10.000.000 DM, 1.650.000 DM und 1.197.270 DM auf andere Banken transferiert.
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Im Zeitraum vom 28.5.1998 bis 18.6.1998 hat der Kläger nach Tz. 23 insgesamt weitere
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33.259 ADR über ein Bankhaus veräußert und hieraus Einkünfte in Höhe von
3.685.625 DM erzielt.
Hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG stellte der Betriebsprüfer in Tz. 24
fest, dass der Börsenkurs je ADR der NNN für den angenommenen Wegzugszeitpunkt
zwischen dem 14.12.1998 und dem 31.12.1998 zwischen 19 USD und 37 USD gelegen
habe. Im Wege einer Schätzung sei daher von einem Tagesdurchschnittskurs von
23,39 USD auszugehen. Ausgehend von einer Beteiligungshöhe nach dem
Börsenprospekt der NNN 1995 in Höhe von 888.480 ADR, entsprechend 29.616 Aktien,
und unter Berücksichtigung diverser Ver- und Ankäufe sei der Kläger im Zeitpunkt des
Wegzugs im Besitz von 711.227 ADR (23.708 Aktien) gewesen. Hieraus ergäben sich
nach § 6 AStG zu versteuernde Einkünfte in Höhe von 27.573.665 DM.
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Nach Tz. 28 habe das Verzeichnis der erschienenen Aktionäre in der
Hauptversammlung der III am 14.9.1995 den Kläger mit einer Beteiligungsquote in Höhe
von 27,83 v.H. ausgewiesen. Auch die Aktien der III wurden in den USA nur über ADR´s
gehandelt, wobei einer Aktie 40 ADR entsprachen. Der Kläger habe zwischen dem
14.12.1998 und dem 17.12.1998 24.400 ADR über ein Bankhaus veräußert und hieraus
Einkünfte in Höhe von 226.473 DM erzielt (Tz. 29). Im Zeitpunkt des Wegzugs aus der
Bundesrepublik sei der Kläger noch mit 26.340 Aktien (entsprechend 1.053.600 ADR)
an der III beteiligt gewesen. Der Börsenkurs habe je ADR zwischen 5,50 USD und 3,50
USD gelegen; daraus ergebe sich ein Tagesdurchschnittskurs in Höhe von 4,21 USD.
Hieraus ergaben sich nach Auffassung der Betriebsprüfung Einkünfte in Höhe von
7.275.845 DM.
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Nach Auswertung von Depotauszügen habe der Kläger zwischen dem 14.12.1998 und
17.12.1998 insgesamt 24.400 ADR´s (1/40) an der III veräußert und hierdurch einen
Gewinn von 226.473 DM erzielt.
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Nach Tz. 33 sei der Kläger bei Gründung der NNNinc 1989 mit 50 v.H., entsprechend
237.500 Aktien an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen. Ab dem 15.12.1989 seien bis
zu 50.000 Aktien im Rahmen eines "Confidential Offering Circular" (COC) an
Interessenten angeboten worden. Nachweislich seien 10.000 Aktien für 200.000 USD
veräußert worden. Hiervon seien für 2.500 Aktien entsprechend 50.000 USD auf den
Kläger entfallen. Dieser habe somit Einkünfte in Höhe von 83.557 DM erzielt, die nach
§ 17 EStG i.V.m. Art. 13 Abs. 5 DBA USA in Deutschland zu versteuern seien.
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Nach Tz. 34 habe die Beteiligungsquote des Klägers im Börsenprospekt der NNN vom
15.9.1995 nur noch 46,94 v.H. betragen. Nach der Bilanz der NNNinc zum 31.12.1996
seien insgesamt 489.991 Aktien ausgegeben worden. Einer Quote von 46,94 v.H.
entsprächen 230.000 Aktien. Gehe man davon aus, dass der Kläger ursprünglich mit 50
v.H., d.h. 237.500 Aktien beteiligt gewesen war und dass er im Rahmen der COC 2.500
Aktien veräußert habe , sei der Verbleib weiterer 5.000 Aktien ungeklärt. Es müsse
davon ausgegangen werden, dass der Kläger auch diese Aktien veräußert und hieraus
Einkünfte in Höhe von 167.116 DM erzielt habe.
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Der Kläger führte mit seinem früheren Arbeitgeber der HAG einen Rechtsstreit, der im
Jahre 1995 mit einem Vergleich endete. Nach diesem Vergleich übertrug der Kläger
seine 1.520 Aktien an der HAG zu einem Preis von 150.000 DM auf diese Gesellschaft.
Der Kurswert der Aktie lag zum Zeitpunkt der Veräußerung bei 133.500 DM. Mit dieser
Übertragung sollten Gehaltsansprüche des Klägers in Höhe von 19.000 DM abgegolten
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werden. Nach Ansicht der BP führte die Differenz zwischen dem Wert der Aktien und
dem gezahlten Preis zu steuerpflichtigen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit in
Höhe von 16.500 DM.
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung in Tz. 45 wurden dem Kläger von seiner
Arbeitgeberin, der NNN, Kommissionsnachlässe auf Wertpapiergeschäfte gewährt.
Nach Ansicht der BP lag der Grund für diese Nachlässe in dem Arbeitsverhältnis; daher
seien diese Vorteil als Arbeitslohn steuerpflichtig. Die Höhe der Sachbezüge sei nicht
festzustellen und könne daher nur geschätzt werden. Aufgrund von Fragmenten der
Kommissionslisten werde von einem Nachlass in Höhe von 80 v.H. ausgegangen. Für
1998 seien die Nachlässe bereits im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der
NNN festgestellt worden. Der Nachlass für 1996 belief sich auf 80 v.H. aus 166.914 DM,
mithin 133.531 DM und für 1998 laut Lohnsteueraußenprüfung auf 33.362 DM.
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Anlässlich der Betriebsprüfung wurde festgestellt (Tz. 47 bis 58), dass der Kläger bei in-
und ausländischen Banken Ertrag bringende Konten unterhalten habe, deren Erträge
bislang nicht angegeben worden waren und dass er Inhaber ausländischer
Investmentanteile war. Hierzu gehörten u.a. ausländische Fonds, die in Deutschland
nicht registriert waren, sogen. schwarze Fonds i.S.v. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG. Die
Einordnung dieser Fonds sei unter Mitwirkung des Bundesamtes für Finanzen erfolgt
(Tz. 48). Die Höhe der Einnahmen aus Kapitalvermögen aus diesen Beteiligungen
betrage lt. Anlage 3a für 1995 32.220 DM und für 1996 169.906 DM.
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Weitere Einnahmen aus Kapitalvermögen ergäben sich aufgrund von Zuschätzungen,
an Hand vorliegender Unterlagen über Beteiligung an Fonds bzw. aus der Anlage auf
u.a. Festgeldkonten. Für 1998 führte nach Tz. 54 ein Darlehen des Klägers an seinen
Schwiegersohn in Höhe von 353.241 DM zu geschätzten Zinseinnahmen von
12.097 DM.
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Nach Tz. 57 habe während der Prüfung festgestellt werden können, dass bei
ausländischen Banken mehrere Konten unterhalten wurden, aus denen dem Kläger
Zinsen zugeflossen seien. Die genaue Höhe habe mangels Mitwirkung nicht ermittelt
werden können. Es seien daher Zuschätzungen geboten. Dabei sei von einem
geschätzten Anfangsvermögen im Jahre 1990 in Höhe von 100.000 DM und einem
Zinssatz von 5 v.H. p.a. auszugehen. Aufgrund der Tatsache, dass 1996 die Ehefrau
des Klägers weitere 313.000 DM auf Konten in den USA eingezahlt habe, sei im
Rahmen einer Schätzung das Vermögen ab 1996 um diesen Betrag erhöht worden. Die
geschätzten Zinseinnahmen seien dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils hälftig
zuzurechnen.
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Die Höhe der Einkünfte ergebe sich wie folgt (Tz. 47 i.V.m. Anlage 2 A bis R):
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Jahr Einnahmen Zuschätzungen Einnahmen gem. § 18 Abs. 3
AuslInvestmG
Summe
1990
1.071,89
DM
2.500,00 DM
3.571,89
DM
1991
1.250,68
DM
2.625,00 DM
3.875,68
DM
4.817,68
7.573,68
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1992
4.817,68
DM
2.756,00 DM
7.573,68
DM
1993
1.427,87
DM
2.894,00 DM
4.321,87
DM
1994
2.680,38
DM
3.038,50 DM
5.718,88
DM
1995
10.976,61
DM
3.190,50 DM
32.220,00 DM
46.387,11
DM
1996
14.894,19
DM
11.175,00 DM
169.906,00 DM
195.975,19
DM
1997
11.276,34
DM
11.733,50 DM
23.009,84
DM
1998
193.382,82
DM
12.320,50 DM
205.703,32
DM
Am 11.12.2001 erließ die BP zunächst einen Zwischenbericht. Darauf hin wurden für
die Jahre 1995 bis 1998 erstmalig Einkommenssteuerbescheide mit Datum vom
15.11.2002 erlassen. Hiergegen erhob der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau
Einsprüche. Mit Bescheiden vom 7.11.2003 erließ der Beklagte geänderte
Einkommensteuerbescheide für 1995 bis 1998 und führte eine getrennte Veranlagung
durch. Mit weiteren Bescheiden vom 17.11.2003 änderte er aufgrund des endgültigen
Prüfungsberichtes die Einkommenssteuerbescheide für 1990, 1993 und 1994 jeweils
vom 21.8.2000 sowie für 1991 und 1992 jeweils vom 24.6.1998. Mit Bescheiden vom
18.2.2004 änderte der Beklagte diese Bescheide und führte nunmehr auf Antrag des
Klägers und seiner Frau auch in diesen Jahren eine getrennte Veranlagung durch. Mit
Einspruchsentscheidungen vom 12.3.2004 bzw. 4.2.2004 wies das FA die Einsprüche
des Klägers zurück.
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Der Kläger hat am 2.3.2004 (1995 bis 1998) und am 24.3.2004 (1990 bis 1994) Klagen
erhoben. Er trägt vor, die Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. Der
Prüfungsbericht vom 18.3.2003 enthalte in weitem Umfange Bezugnahmen auf
Unterlagen, die durch die Steuerfahndung beschlagnahmt worden seien. Am
10.12.2003 habe der Bevollmächtigte des Klägers in die beschlagnahmten Unterlagen
Einsicht nehmen wollen. Dies sei jedoch aus praktischen Gründen daran gescheitert,
dass die Unterlagen (ca. 50 bis 60 Ordner) unsortiert aufbewahrt wurden. Die Bescheide
genügten nicht dem Grundsatz der Begründungspflicht nach § 121 Abs. 1 AO.
Bezugnahmen auf die Arbeitsunterlagen des Prüfers genügten dieser Pflicht nur dann,
wenn sich die dem Bericht zugrunde liegenden Unterlagen in der Verfügungsgewalt des
Steuerpflichtigen befänden. Dies sei hier nicht der Fall. Die Möglichkeit der
Einsichtnahme in die nicht sortierten Unterlagen bei der Steuerfahndung reichten nicht
aus. Eine Heilung des Mangels nach § 126 AO scheide aus, weil die fehlende
Begründung nicht nachgeholt worden sei. Der Mangel sei auch nicht nach § 127 AO
unbeachtlich.
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Zur Sache trägt der Kläger Folgendes vor:
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Die Ergebnisse des Prüfungsberichtes beruhten im Wesentlichen auf Schätzungen,
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wobei dem Kläger der Vorwurf gemacht werde, er habe nicht ausreichend an der
Klärung des Sachverhaltes mitgewirkt. Nach seiner Auffassung seien die
Zuschätzungen nicht gerechtfertigt, weil der Prüfer nicht alle Erkenntnismittel
ausgeschöpft habe. Dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei,
ergäbe sich exemplarisch aus den Feststellungen zum tatsächlichen Wegzugstermin.
So habe er nachweislich schriftlich den genauen Termin seines Wegzugs aus der
Bundesrepublik angegeben. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liege daher nicht
vor, es fehle an einer Schätzungsbefugnis.
Im Einzelnen:
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Der Kläger sei gesetzlich nicht verpflichtet gewesen, die Höhe seiner jeweiligen
Beteiligung an der NNN zu dokumentieren. Dann dürfe der Umstand, dass derartige
Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden können, auch nicht zu seinem Nachteil
ausschlagen. Dem Kläger könne ein lückenloser und vollständiger Nachweis der
Beteiligungsverhältnisse nicht nach 14 Jahren auferlegt werden. Er sei auch erst
während des Klageverfahrens zu einem entsprechenden Nachweis aufgefordert
worden.
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Es dürfte daher grundsätzlich von der Richtigkeit seiner Angaben auszugehen sein. Die
Beteiligungsverhältnisse seien innerhalb der Familie derart geregelt gewesen, dass
keines der Familienmitglieder mit mehr als 25 v.H. an der NNN beteiligt gewesen sei.
Nachdem bekannt geworden sei, dass zum Jahre 1999 die Grenze für eine wesentliche
Beteiligung auf 10 v.H. herabgesetzt werden sollte, habe sich der Kläger entschlossen,
seinen Wohnsitz zu verlegen.
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Es komme darauf an, ob der Kläger innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren vor der
Veräußerung von Aktien an der NNN bzw. vor dem Wegzug aus der Bundesrepublik zu
mehr als 25 v.H. beteiligt gewesen sei. An den Hauptversammlungen der NNN am
10.12.1991 und 29.6.1992 habe der Kläger zwar mit jeweils 200.000 DM Beteiligungen
am Nennkapital teilgenommen. Diese Beteiligungen lägen indes außerhalb des
maßgeblichen Zeitraums. Rückschlüsse auf die Beteiligungen im maßgeblichen
Zeitraum könnten daraus nicht geschlossen werden. Die Schreiben des Klägers z.B.
vom 18.8.1994 bzw. 17.10.1994, in denen er seine Beteiligung an der NNN mit 66,67
v.H. angegeben habe, seien nicht aussagekräftig. Diese Angaben über die
Gesellschafterstruktur sollten nicht die konkreten Beteiligungsverhältnisse wiedergeben,
sondern die jeweiligen Adressaten darüber informieren, welche Anteile sich insgesamt
im Besitz der Familie befunden hätten. Das Motiv des Klägers zu dieser verkürzten
Darstellung der Beteiligungsverhältnisse habe wohl darin gelegen, dass er davon
ausgegangen sei, er könne über die Anteile insgesamt einen erheblichen Einfluss
ausüben. Überdies sei es nach Ansicht des Klägers für die Empfänger der Schreiben
nicht darauf angekommen, die tatsächlichen Beteiligungsquoten zu kennen. Zudem sei
es widersprüchlich anzunehmen, dass der Kläger im selben Zeitraum wie seine Ehefrau
mit 67 v.H. an der NNN beteiligt gewesen sei, wie das Gericht in seinem Beschluss vom
18.6.2002 angenommen habe.
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Die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse ergäben sich aus einem Entwurf zum
Börsenprospekt (vgl. Bl. 133f der Gerichtsakten) sowie aus einem Schreiben des
Klägers an seinen Steuerberater zum Zwecke der Vermögenssteuer (vgl. Bl. 135 der
Gerichtsakte). Demnach entfiel auf die Familie insgesamt ein Anteil von 67,85 v.H., von
denen 24,925 v.H. jeweils der Kläger und seine Ehefrau und weitere 9 v.H. jeweils zwei
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Kinder gehalten hätten. Nach Ansicht des Klägers gelte diese Zuordnung der Anteile
unabhängig davon, dass sich der Kläger bei anderen Gelegenheiten als Alleininhaber
sämtlicher Anteile bezeichnet habe; insoweit sei er nicht wirtschaftlicher Eigentümer
gewesen. Ein weiteres wichtiges Indiz ergäbe sich aus einem Schreiben vom 2.6.2005
(Bl. 140 der Gerichtsakte), dass der Kläger und seine Ehefrau jeweils weniger als 25
v.H. der Aktien an der NNN hielten.
Aus den Listen über die Teilnahmen an den Hauptversammlungen ergäbe sich nichts
anderes. Es sei gängige Praxis, dass diese Listen nicht die tatsächlichen
Beteiligungsverhältnisse widerspiegelten, da sich die Inhaber auch haben vertreten
lassen können. Auch aus dem Umstand, dass in der Körperschaftssteuererklärung für
die NNN für 1993 eine Beteiligung der Kinder nicht erwähnt wurde, ergebe sich nichts
anderes. Diese Angabe sei durch den Steuerberater erfolgt, und dem Kläger sei deren
Unrichtigkeit nicht aufgefallen. Dass insoweit auch die Ehefrau des Klägers als
Aktieninhaberin mit über 60 v.H. angegeben worden sei, sei im Hinblick auf den
Rechtsstreit mit dem früheren Arbeitgeber H erfolgt. Hierdurch hätten die Anteile vor
einem Zugriff geschützt werden sollen. Hinsichtlich der
Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 6 AStG trägt der Kläger vor, zum einen sei er –
wie dargelegt – nicht im maßgeblichen Zeitraum wesentlich beteiligt gewesen. Die
Neuregelung des Außensteuergesetzes mit dem Gesetz über steuerliche
Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft u.a. (BGBl I, 2006,
2782) habe keinen Einfluss auf den Rechtsstreit. Nach § 21 Abs. 13 Satz 1 AStG n.F.
sei der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG erstmals ab dem
Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Das BMF – Schreiben vom 8.6.2005,
welches die Anwendung des AStG a.F. während des Vertragsverletzungsverfahrens
gegen die Bundesrepublik Deutschland regele, sei nicht anwendbar. Die
Unvereinbarkeit einer nationalen Steuervorschrift mit dem Europäischen
Gemeinschaftsrecht könne nicht durch eine Verwaltungsvorschrift geheilt werden. Nach
der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Entscheidung vom 26.10.1995 Rs. C-151/94)
könne die Unvereinbarkeit nationaler Vorschriften nur durch solche Rechtsnormen
behoben werden, welche die gleiche rechtliche Wirkung besitzen, wie die zu ändernde
EG-rechtswidrige Bestimmung. Demnach habe sich an der Europarechtswidrigkeit
weder etwas durch die Verwaltungsvorschrift noch durch die Neufassung des AStG
geändert. Soweit nach § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG die Regelungen über eine zinslose
Stundung ohne Sicherheitsleistung und die Berücksichtigung von Wertverlusten
während des Aufenthaltes im europäischen Ausland auf alle noch offenen
Einkommenssteuerfälle anwendbar seien, führe dies nicht zu einer abweichenden
Beurteilung. Es handle sich insoweit um eine verfassungswidrige Rückwirkung. Der
Kläger habe bei Wegzug aus der Bundesrepublik Deutschland darauf vertrauen können
und dürfen, dass die Vorschriften des AStG europarechtswidrig seien und er den
Vermögenszuwachs nicht entsprechend § 17 EStG zu versteuern brauche. Es werde
angeregt, in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 Abs. 2 EG-Vertrag dem
Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Regelung in § 6 AStG gegen
die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG-Vertrag verstößt.
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Bei der Bewertung der Veräußerungserlöse habe der Beklagte nicht beachtet, dass
neben den nicht handelbaren weil in Depots verwahrten Inhaberaktien auch die
handelbaren ADR´s bestanden haben. Es habe sich um verschiedene Wirtschaftsgüter
gehandelt, die auch unterschiedlich zu bewerten seien. Hinsichtlich der Inhaberaktien
fehle es an den Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 BewG. Danach sei der gemeine
Wert, sofern er sich nicht aus Verkäufen ableiten lasse, unter Berücksichtigung des
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Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen. Aufgrund von Beschränkungen für
den Umtausch von Inhaberaktien in ADR´s – es hätten vierteljährlich nur 1 v.H. der
depotverwahrten Aktien gewandelt werden können - hätten nicht alle Aktien sofort
umgewandelt werden können. Bei der Wertermittlung hätte zudem berücksichtigt
werden müssen, dass der Kurswert der ADR´s der NNN seit dem Wegzug 1989 bis zum
14.12.1999 auf 10,36 DM und bis zum 13.12.2000 sogar auf nur 1,11 DM gesunken sei.
Bei der III sei der Kurswert von 7,03 DM über 3,72 DM zum 28.2.2000 auf 2,74 DM zum
13.11.2000 gefallen. Seit dem Wegzug hätte die Klägerin ihre Aktien nur zu dem
geringeren Wert veräußern können. Deshalb hätte bei der Wertermittlung eine Trennung
zwischen den Aktien an sich und den ADR´s erfolgen müssen. Der Prüfer habe
Einkünfte aus der Veräußerung von ADR´s der III im Dezember 1998 als
Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG erfasst. Da der Kläger diese Anteile frühestens
nach dem Börsengang im Herbst 1998 erworben haben könne, handele es sich jedoch
um Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (Veräußerung von Wertpapieren innerhalb
von sechs Monaten nach Erwerb, § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG). Da jedoch § 23 Abs. 2
Satz 2 EStG im Streitjahr 1998 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
verfassungswidrig sei, andererseits § 17 EStG nur subsidiär gegenüber § 23 EStG
anwendbar sei, sei die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns rechtswidrig. Zu
den Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an der NNNinc im
Jahre 1990 könne mangels Unterlagen eine abschließende Beurteilung nicht
abgegeben werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger überhaupt im Rahmen des
Confidential Offering Circular aus seinem Bestand Aktien veräußert habe. Aus der
Verringerung der Beteiligungsquote von 50 v.H. auf 46,94 v.H. könne nicht geschlossen
werden, dass der Kläger Aktien verkauft habe. Eine solche Änderung könne auch darauf
beruhen, dass weitere Aktien ausgegeben worden seien. Außerdem habe zumindest
der genaue Zeitpunkt festgestellt werden müssen, zu dem die Veräußerungen erfolgt
sein sollen, da hiervon die Höhe des zugrunde zulegenden Kurswertes abhänge. Dies
gelte insbesondere deshalb, weil als Zeitraum der Veräußerungen die Zeit zwischen
1990 und 1995 in Betracht käme. Mit Vertrag vom 5.12.1989 sei das Treuhandverhältnis
beendet worden. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger nicht mehr als 25 v.H. der Aktien
an der NNNinc gehalten habe, so dass Einkünfte aus § 17 EStG in der damals
geltenden Fassung ausschieden. Dies werde auch durch den vom Beklagten
vorgelegten Anteilsschein bestätigt. Nach diesem Dokument (vgl. Bl. 98 d. Gerichtsakte)
halte der Kläger 225.000 Anteile von 10.000.000. Je Anteil habe der Nennwert 0,105263
USD betragen. Dies ergäbe eine Beteiligungsquote von lediglich 21,38 v.H. Aus dem
Schreiben der NNNinc vom 21.12.1989 ergäbe sich nichts anderes. Der Kläger habe 25
v.H. in eigenem und weitere 25 v.H. als Treuhänder für seine Ehefrau gehalten. Auf das
wirtschaftliche Eigentum an den Aktien, wie auch auf die Frage, in welcher Form
zivilrechtlich ein Treuhandverhältnis bestanden habe, komme es nicht an. Hinsichtlich
der als Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit berücksichtigten Differenz der Anteile
an der HAG in Höhe von 16.500 DM handele es sich nicht um steuerpflichtigen
Arbeitslohn nach § 19 EStG. Zudem seien Abfindungen aus Anlass der Auflösung eines
Arbeitsverhältnisses nach § 3 Nr.9 EStG in der im Jahre 1995 geltenden bis zu einer
Grenze von 24.000 DM steuerfrei. Bezüglich der Kommissionsnachlässe in den Jahren
1996 und 1998 habe die BP pauschal unterstellt, dass ein Nachlass von 80 v.H. auf den
üblichen Wert der Transaktionskosten der Wertpapiergeschäfte durch die NNN gewährt
worden sei und dass dieser Nachlass als Arbeitslohn steuerpflichtig sei. Hiernach seien
durch den Kläger zumindest ein Viertel der insgesamt nachgelassenen Summe
tatsächlich als Transaktionskosten aufgewendet worden. Der Kläger habe mehr
Transaktionskosten bezahlt, als der NNN an Kosten entstanden seien. Zudem sei die
Angemessenheit der Höhe des Nachlasses von 80 v.H. nicht nachprüfbar. Hinsichtlich
der Einkünfte nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sei nicht erkennbar, wie die Einordnung
der Fonds als sogen. "Schwarze Fonds" in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für
Finanzen erfolgt sei. Es gäbe nach der Rechtsprechung des BFH keine Bindung an die
Auskünfte derartiger Auskünfte (Bezug auf BFH Urteil vom 7.4.1992, BStBl II, 1992,
786). Zudem sei die Darstellung in der Anlage 3 A - C im Prüfungsbericht vom
18.6.2003 insgesamt nicht nachvollziehbar. Es fehlten Angaben über die Quellen der
einzelnen Werte. Zudem sei die Berechnungsmethode nicht nachvollziehbar. Der
Kläger wendet sich des Weiteren gegen die pauschalen Zuschätzungen zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.500 DM (1990), 2.625 DM (1991),
2.756 DM (1992), 2.894 DM (1993), 3.039 DM (1994), 3.190 DM (1995), 11.175 DM
(1996), 11.733 DM (1997) und 12.320 DM (1998). Er trägt vor, die Erhöhung sei
rechtswidrig. Die von der BP ausgewerteten Unterlagen stünden ihm nicht zur
Verfügung. Die Feststellungen müssten mit Nichtwissen bestritten werden. Jedenfalls
ergäbe sich aus den Unterlagen keine Anhaltspunkte für die Annahme der BP, dass den
Eheleuten 1990 ein Anfangsvermögen von 100.000 DM zur Erzielung von
Kapitaleinkünften zur Verfügung gestanden habe. Es sei lediglich eine Überweisung der
Ehefrau des Klägers in Höhe von 20.000 DM dokumentiert. Da die Unterlagen, auf
denen die Feststellungen über die ausländischen Konten dem Kläger nicht zur
Verfügung stünden, würde die Rechtmäßigkeit der Zuschätzungen bestritten.
Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 11.2.2005 und 28.4.2005 die
Einkommenssteuerbescheide für 1992 und 1998 geändert. Dabei wurden im Jahre 1992
Einkünfte rückgängig gemacht, die dem Kläger zugerechnet worden waren, tatsächlich
jedoch bei dessen Ehefrau hätten berücksichtigt werden müssen und im Jahre 1998 im
Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der
Besteuerung von Einkünften aus Wertpapierverkäufen die Gewinne aus
Spekulationsgeschäften insgesamt von der Besteuerung ausgenommen. In der
mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007 haben sich die Beteiligten dahingehend
verständigt, dass die in Tz. 38 – 40 dem Kläger zugerechneten verdeckten
Gewinnausschüttungen rückgängig gemacht werden; die Beteiligten waren darüber
einig, dass aus Vereinfachungsgründen eine Änderung des entsprechenden
Bescheides für 1995 erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens erfolgen soll.
36
Der Kläger beantragt,
37
die aufgrund der BP erlassenen angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1990 bis
1998 in der jeweils letzten Fassung aufzuheben,
38
hilfsweise,
39
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
40
Der Beklagte beantragt,
41
Klageabweisung, so weit er sich nicht zu einer Änderung des
Einkommensteuerbescheides 1995 verpflichtet hat.
42
Er trägt vor, nach wie vor sei von einer fehlenden Mitwirkung des Klägers auszugehen.
Der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigte hätten mehrfach Gelegenheit gehabt, die
beschlagnahmten Unterlagen an Amtsstelle einzusehen. Dies sei schließlich auch
erfolgt. Allerdings sei während des laufenden Strafverfahrens eine Herausgabe der
43
Unterlagen nicht möglich. Generell beschränke sich der Kläger in seiner
Klagebegründung darauf, die Darlegungen und Feststellungen der Betriebsprüfung in
Zweifel zu ziehen oder mit Nichtwissen zu bestreiten, ohne selbst konkrete Angaben
über die steuerlichen Verhältnisse zu machen. Die Vorwürfe, der Beklagte sei nicht
hinreichend seiner Ermittlungspflicht nachgekommen und habe nicht alle Feststellungen
durch geeignete Unterlagen belegt, sei haltlos. Vielmehr habe der Kläger an der
Aufklärung bereits während der Prüfung überhaupt nicht mitgewirkt. Er sei näher an den
Beweismitteln und müsse am ehesten die genauen Umstände der einzelnen Geschäfte
kennen. Wenn eine mangelnde Sachaufklärung darauf beruhe, dass der
Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme, dürfe das FA auch zu
seinen Lasten von einem geringeren Überzeugungsgrad ausgehen und Schlüsse zu
seinem Nachteil ziehen.
Im Einzelnen erwidert der Beklagte:
44
Grundsätzlich sei den Angaben des Klägers, die er Jahre vor der BP gegenüber Dritten
gemacht habe, wie hier in den Schreiben aus dem Jahre 1994, eher zu glauben, als
späteren gegenteiligen Einlassungen, die erst im streitigen Verfahren erfolgten. Die
Aussagen, die der Kläger in seinen Schreiben aus 1994 über seine Beteiligungsquote
gemacht habe, könnten nicht umgedeutet werden. Außer der bloßen Behauptung des
Klägers, dass weder er noch sonst ein Angehöriger seiner Familie jemals mehr als 25
v.H. der Aktien gehalten habe, gebe es hierfür keinerlei objektive Anhaltspunkte.
Vielmehr stünden diese Behauptungen im klaren Widerspruch zu den Inhalten der
Geschäftsbriefe und der Aktionärslisten. Hinsichtlich der in 1998 veräußerten Anteile an
der III hätte kein Spekulationsgeschäft vorgelegen. Der Kläger sei bereits seit 1995
Aktionär der III. Erst mit dem Börsengang in den USA seien die Aktien in ADR´s
umgewandelt worden. Die bloße Umwandlung der Aktien in ADR´s stelle keinen Erwerb
dar. Jedenfalls seien die Erlöse auch dann als Einkünfte nach § 17 EStG zu erfassen,
wenn § 23 Abs. 1 EStG im Veranlagungsjahr verfassungswidrig ist. Durch die
Verfassungswidrigkeit werde eine Erfassung der Einkünfte als solche aus § 17 EStG
nicht betroffen. Vielmehr komme diese Vorschrift nach dem Wegfall des § 23 Abs. 1
EStG wieder zum Zuge. Hinsichtlich der 1995 berücksichtigten Einkünfte im
Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der HAG vertritt der
Beklagte die Auffassung, dass Zahlungen nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses, mit
denen – wie hier – rückständiger Arbeitslohn abgegolten werde, steuerpflichtigen
Arbeitslohn und keine steuerfreie Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG darstellten. Bezüglich
der Veräußerung von Anteilen an der NNNinc im Jahre 1990 seien die vorgelegten
Vereinbarungen ohne jeden Beweiswert für das tatsächliche Bestehen eines
Treuhandverhältnisses. Ein Treuhandverhältnis zwischen Herrn L. und dem Kläger
sowie zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau sei offensichtlich nicht durchgeführt
worden. Andernfalls sei nicht zu erklären, warum der Kläger in einem Schreiben der
NNNinc vom 21.12.1989 mit 50 v.H. Beteiligung aufgeführt sei. Jedenfalls sei diesem
Schreiben und dem Anteilsschein eine größere Beweiskraft zuzurechnen, als den
vorgelegten Verträgen. Aus dem Anteilsschein ergäbe sich, dass der Kläger noch mit
225.000 Anteilen an der NNN beteiligt gewesen sei. Da bei Gründung der NNN 237.000
Anteile eine 50 v.H. - Beteiligung entsprochen habe, müsse der Kläger mit mehr als
21,38 v.H. beteiligt gewesen sein. Hinsichtlich der Zuschätzungen bei den Einkünften
aus Kapitalvermögen sei der Anfangsbestand von 100.000 DM geschätzt worden. Er
hätte durchaus auch höher angesetzt werden können. Es handle sich um einen
Auslandssachverhalt, bei dem den Kläger eine erhöhte Mitwirkungspflicht treffe. Da die
Auslandszahlungen jeweils auf Gemeinschaftskonten des Klägers mit seiner Ehefrau
45
erfolgt seien, sei eine hälftige Zurechnung nicht ermessensfehlerhaft. Im Übrigen habe
der Steuerfahndungsprüfer im Rahmen einer Besprechung am 9.9.2004 die
Klägervertreter auf zwei Festgeldkonten aus dem Jahre 2000 des Klägers und seiner
Frau hingewiesen, die ein Guthaben von ca. 12 Mio EUR aufwiesen. Hinsichtlich der
Einkünfte aus den ausländischen Fonds im Rahmen des AuslInvestmG sei die
Mitwirkung des Bundesamtes für Finanzen durch eine Abfrage der Fonds erfolgt. Eine
solche Möglichkeit bestehe auch für den Kläger. Soweit der Kläger mit der Ermittlung
der erzielten Einnahmen nicht einverstanden sei, könne er eigene Ermittlungen
vornehmen. Zur Durchführung der Bewertung der Inhaberaktien bzw. der ADR´s macht
sich der Beklagte eine Stellungnahme der Wirtschaftsreferentin in einem früheren
Strafverfahren gegen den Kläger und seine Ehefrau zu Eigen (vgl. Anlage VIII zum
Schriftsatz vom 26.10.2005). Hiernach könne der Wert der depotverwahrten und somit
selbst nicht handelbaren Inhaberaktien aus dem Kurswert der ADR´s geschlossen
werden. In ihren wesentlichen Merkmalen stimmten ADR´s mit den Aktien überein. ADR
´s gewährten den Inhabern ähnliche Rechte, wie die Aktien selbst. Gesellschaftsanteile,
die als Aktien an deutschen Börsen, als ADR´s an US-Börsen gehandelt werden,
würden wertmäßig parallel behandelt. Investoren stuften Aktien und ADR´s als
gleichwertig ein. Dies dürfte auch dann gelten, wenn – wie hier - die Inhaberaktie selbst
nicht gehandelt werde könne. Dem stehe nicht entgegen, dass die Aktien erst in ADR´s
umgewandelt werden müssten, da dies sehr kurzfristig erfolgen können.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Verfahren 9 K 1270/04 und
9 K 1795/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
46
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten auch in den Verfahren 9 K 1274/04 K und der vom Beklagten vorgelegten
Steuerakten einschließlich der Handakten der Betriebsprüfung Bezug genommen.
47
Entscheidungsgründe
48
Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1
Finanzgerichtsordnung – FGO).
49
1. In formeller Hinsicht begegnet die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide
keinen Bedenken. Eine Änderungsmöglichkeit ergibt sich hinsichtlich der Jahre 1990
bis 1994 jedenfalls aus § 173 Abs. 1 Nr.1 AO. Die für diese Jahre bereits ergangenen
Bescheide 1990 bis 1994 durften auch noch innerhalb der zehnjährigen
Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO geändert werden, da durch die
unvollständigen und fehlerhaften Steuererklärungen von einer Steuerhinterziehung
auszugehen ist. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1998 beruhte die Änderung auf § 164
Abs. 2 AO
50
Die Bescheide sind auch durch die Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht
hinreichend begründet. Nach § 121 Abs. 1 AO ist ein schriftlicher Verwaltungsakt
schriftlich zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Einer
Begründung bedarf es gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht, soweit demjenigen, für den
der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und
Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne
weiteres erkennbar ist. Bei einem Schätzungsbescheid ist das Ergebnis der Schätzung
jedenfalls dann der Höhe nach zu begründen, wenn ein besondere Anlass dazu
51
besteht. Eine darüber hinaus gehende Pflicht zur Begründung besteht nicht (vgl. BFH
Urteil vom 11.2.1999, V R 40/98 BFHE 188, 10, BStBl II 1999, 382). Gemessen hieran
ist die Begründung der Steuerbescheide nicht zu beanstanden. Die geänderten
Bescheide nehmen ausdrücklich Bezug auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung. Der
Beklagte macht sich damit die einzelnen Feststellungen, wie sie in dem Prüfungsbericht
vom 18.6.2003 getroffen wurden, zu Eigen. In diesem Bericht sind die Schätzungen
nach Art und Methode ausführlich dargelegt. Dies braucht jedoch nicht vertieft zu
werden, da ein etwaiger Begründungsmangel jedenfalls unbeachtlich wäre. Nach § 127
AO kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der – wie hier - nicht nach § 125 AO
nichtig ist, nicht alleine deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von u.a.
Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn keine andere
Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Der formelle Verstoß muss
sich daher ursächlich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben (vgl. Tipke in
Tipke/Kruse, AO – FGO, § 127 AO Tz. 13). Es ist nicht ersichtlich, wie sich die
Begründung eines Verwaltungsaktes auf dessen Inhalt soll auswirken können.
2. Der Kläger hat aus den Veräußerungen von Aktien und Aktienzertifikaten an den
Kapitalgesellschaften NNNinc in 1990, NNN in 1995 und NNN und III in den Jahren
1998 Einkünfte nach § 17 EStG erzielt. Dabei waren die Höhe der Beteiligungsquote
des Klägers sowie die Höhe der erzielten Gewinne teilweise nach § 162 AO, der nach
§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, zu schätzen (vgl. a)).
Die vorgenommenen Schätzungen sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu
beanstanden (vgl. b)).
52
a) Nach § 17 Abs. 1 EStG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung gehörte der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den
Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre
am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung war
gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel
unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Der Beklagte hat zu Recht die Höhe der
Beteiligungsquoten des Klägers teilweise geschätzt. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO sind
Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit die Finanzbehörde diese nicht ermitteln
kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der
Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Erklärung zu geben vermag,
er eine weitere Auskunft verweigert oder seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO
verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der abzuweichen
keine Veranlassung besteht, folgt aus der gemeinsamen Verantwortung von
Steuerpflichtigen einerseits und Finanzbehörde sowie Finanzgericht andererseits für die
vollständige Sachaufklärung im Abgabenrecht, dass sich dann, wenn ein
Steuerpflichtiger die ihm auferlegte allgemeine oder besondere Mitwirkungs-,
Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der
Finanzbehörde oder des Finanzgerichtes entsprechend mindert. Die Kriterien und das
Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflichten und Beweismaß lassen sich
nicht generell festlegen sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. BFH Urteil vom
15.2.1989, X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 1187).
53
Soweit die Ermittlung der Einkünfte auf Schätzungen seitens der Beklagten über die
Höhe der Beteiligungsquote beruhte, lag ein Schätzungsanlass vor. Dabei kommt es –
entgegen der Auffassung des Klägers - nicht darauf an, ob die Finanzbehörde
ausdrücklich nach bestimmten für die Steuerfestsetzung erheblichen Umständen gefragt
hat. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO kommen die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht
54
insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen
vollständig und wahrheitsgemäß darlegen und die ihnen bekannten Beweismittel
angeben. Hieraus ergab sich für den Kläger die Pflicht, auch ungefragt seine
Beteiligungsverhältnisse an den Gesellschaften offen zu legen und gegebenenfalls
Veränderung in den Beteiligungsquoten nachzuweisen. Im Übrigen hat der Kläger auf
den Hinweis des Gerichtes, mit dem konkret eine lückenlose und vollständige
Aufstellung der Beteiligungsverhältnisse angefordert wurde, nicht einmal ansatzweise
beantwortet, sondern lediglich vorgetragen, dass ein solches Verlangen nach der
inzwischen abgelaufenen Zeit nicht mehr erfüllbar sei. Allerdings ist die Erfüllung dieses
Verlangens weder unverhältnismäßig noch unzumutbar. Es handelt sich bei den
Beteiligungsquoten um Umstände, die ausschließlich in der Sphäre des Klägers liegen
und deren Bedeutung dem Kläger nach eigenem Vorbringen bereits in den
entsprechenden zurückliegenden Jahren bewusst war.
aa) Hinsichtlich der Veräußerungen von Aktien an der NNNinc im Jahre 1990 ist der
Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum zu
mehr als einem Viertel an der Gesellschaft beteiligt war. Nach den Feststellungen der
Betriebsprüfung war der Kläger bei Gründung der NNNinc im Jahre 1989 mit 50 v.H. an
dem Kapital dieser Gesellschaft beteiligt. Der Kläger trägt insoweit vor, ein Dritter habe
die Anteile treuhänderisch für den Kläger erworben. Er, der Kläger, habe hiervon
lediglich 25 v.H. selbst gehalten; weitere 25 v.H. habe er treuhänderisch für seine
Ehefrau gehalten. Der Senat kann diesem Vorbringen nicht folgen. Wer behauptet, ein
Recht, das auf seinen Namen lautet, nur als Treuhänder oder Vertreter eines anderen
innezuhaben, muss dies nach § 159 AO 1977 nachweisen. Bei der Prüfung ist eine
strenger Maßstab anzulegen (BFH Urteile vom 13.10.1998 VIII R 61/96, BFH/NV 1999,
463 und vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152). Die
Unerweislichkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen geht insoweit zu Lasten
desjenigen, der sich auf die Treuhand beruft. Dies gilt umso mehr, soweit eine
Treundhand – wie hier - zwischen Familienangehörigen behauptet wird.
55
Gemessen hieran hat der Kläger nicht überzeugend nachgewiesen, dass das von ihm
behauptete Treuhandverhältnis mit seiner Ehefrau tatsächlich durchgeführt wurde. Zwar
hat der Kläger mittlerweile Treuhandverträge mit dem Dritten sowie mit seiner Ehefrau
vorgelegt. Indes trägt der Kläger nicht vor, ob und in welcher Weise konkret
Übertragungen der Anteile auf seine Ehefrau stattgefunden haben sollen. Insbesondere
ist völlig unklar, welches Kausalgeschäft den Übertragungen zugrunde gelegen haben
soll, ob etwa der Erwerb der Anteile durch die Ehefrau entgeltlich oder unentgeltlich
erfolgen sollte. Unterlagen über die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte und die
dinglichen Übertragungen lagen und liegen nicht vor.
56
bb) Auch bezüglich der Veräußerungen von Aktienzertifikaten an der NNN im Jahre
1995 und im Jahre 1998 lag eine wesentliche Beteiligung des Klägers im Sinne von
§ 17 EStG vor. Die Schätzung der Beteiligungshöhe mit mehr als 25 v.H. durch den
Beklagten ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Insoweit war der Kläger nach
den Feststellungen der BP bei den Hauptversammlungen der NNN am 10.12.1991 und
am 29.6.1992, mithin innerhalb des maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraums, an deren
Nennkapital mit 66,67 v.H. beteiligt. Außerdem hat der Kläger in mehreren Schreiben
vom August 1994 bis März 1995 seine Beteiligungsquote mit 67,85 v.H. angegeben. Der
Kläger tritt dem mit der Behauptung entgegen, seine Beteiligungsquote habe nie mehr
als 25 v.H. betragen. Vielmehr seien die Beteiligungen an der NNN innerhalb der
Familie so erfolgt, dass keines der Familienmitglieder mehr als 25 v.H. in seinem Besitz
57
habe. Die Erklärungen zur Höhe seiner Beteiligungsquote in den betreffenden
Schreiben hätten nicht seine persönliche Beteiligungshöhe, sondern die der Familie
insgesamt wiedergeben sollen. Der Senat konnte sich von der Richtigkeit dieser
Darlegungen jedoch nicht überzeugen. Auch insoweit hat der Kläger nicht
nachgewiesen, dass die Anteile tatsächlich auf die Familienmitglieder übertragen
wurden. Es fehlt insoweit bereits an einer überzeugenden Darlegung, wann und aus
welchem Grunde die Anteile übertragen worden sein sollen. Nachweise über die
zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte oder über die dinglichen Übertragungen
wurden nicht vorgelegt. Es kommt nicht darauf an, dass es für die Übertragung von
Inhaberaktien keine gesetzliche Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflicht gibt.
Letztlich liegt es in der Hand des Steuerpflichtigen zum Zwecke eines nachträglichen
Nachweises entsprechende Übertragungen zu dokumentieren. Dies gilt umso mehr, als
der Kläger hier zum einen Geschäfte mit nahen Angehörigen behauptet. Zum anderen
war dem Kläger als erfahrenem Geschäftsmann auch bewusst, dass er solche
Übertragungen, vor allem, soweit sie innerhalb seiner Familie erfolgten, gegebenenfalls
im Rahmen seiner Steuerpflichten wird nachweisen müssen. Er hätte daher eine
entsprechende Beweisvorsorge treffen können und müssen. Hinsichtlich der Schreiben
aus den Jahren 1994 und 1995 ist davon auszugehen, dass eine Auslegung, wie sie der
Kläger nunmehr vornimmt, eher unwahrscheinlich ist. Der Inhalt der Schreiben ist
eindeutig und weder auslegungsfähig noch -bedürftig. Demnach geht das Gericht davon
aus, dass der Kläger in diesen Schreiben seine tatsächliche persönliche
Beteiligungshöhe angegeben hat.
Der Einschätzung, dass der Kläger in den Jahren 1991 und später wieder in 1994 an
der NNN wesentlich beteiligt war, steht nicht entgegen, dass die Ehefrau des Klägers in
der Körperschaftssteuererklärung der NNN für 1993 bis zum 31.12.1993 mit
277.850 DM, somit mit 61,74 v.H. beteiligt war. Es erscheint durchaus nachvollziehbar,
wenn der Klägers selbst vorträgt, er habe die Anteile für einen bestimmten Zeitraum auf
seine Ehefrau übertragen, um sie einem Zugriff möglicher Gläubiger zu entziehen.
58
cc) Die Einkünfte aus den Veräußerungen von Aktienzertifikaten an der III im Jahre 1998
sind als Veräußerungsgewinne gem. § 17 EStG zu erfassen. Etwas anderes ergibt sich
insbesondere nicht daraus, dass § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG hinsichtlich der Besteuerung
von Wertpapiergeschäften in dem Streitjahr 1998 durch das Bundesverfassungsgericht
mit Entscheidung vom 9.3.2004 (Az. 2 BvL 17/02) für verfassungswidrig erklärt wurde.
Die Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Jahre 1998 geltenden
Fassung lässt die Geltung des § 17 EStG unberührt.
59
Der Kläger war in dem maßgeblichen Zeitraum mit mehr als 25 v.H. und daher
wesentlich an der III beteiligt. Ausweislich der Feststellungen der Betriebsprüfung, die
insoweit von dem Kläger nicht angegriffen werden, haben der Kläger und seine Ehefrau
an der Hauptversammlung der III am 14.9.1995, also innerhalb des Fünf-Jahres-
Zeitraums, als Aktionäre mit einer Beteiligungsquote von jeweils 27,83 v.H., mithin mehr
als 25 v.H. teilgenommen. Auf eine Schätzung kommt es daher nicht an.
60
b) Die Schätzungen der Höhe der veräußerten Anteile und deren Werte, wie sie vom
Beklagten im Anschluss an die Feststellungen der Betriebsprüfung in deren Bericht vom
18.6.2003 vorgenommen wurden, ist nachvollziehbar und begegnet keinen
durchgreifenden Bedenken. Mit Hilfe der Schätzung sollen die Besteuerungsgrundlagen
ermittelt werden, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl.
BFH Urteil vom 18.12.1984, VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II, 1986, 226).
61
aa) Hinsichtlich der Veräußerungen von Aktien an der NNNinc im Jahre 1990 ist der
Beklagte zu Recht davon ausgegangen, der Kläger Einkünfte in Höhe von 83.557 DM
erzielt hat. Soweit sich der Kläger lediglich darauf beschränkt, seine Beteiligung zu
bestreiten, kann ihm nicht gefolgt werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum
ausgerechnet er sich an diesem Geschäft nicht beteiligt haben soll. Derartige Gründe
werden vom Kläger auch nicht benannt. Es spricht daher alles dafür, dass auch der
Kläger aus seinem Bestand Anteile veräußert hat.
62
Auch die Schätzung des Beklagten, dass der Kläger in der folgenden Zeit weitere
5.000 Aktien veräußert haben und hierdurch in 1990 weitere Einkünfte in Höhe von
167.116 Dm erzielt haben muss, beruht auf nachvollziehbaren Überlegungen.
Maßgeblich hierfür war der Umstand, dass die Beteiligungsquote des Klägers an der
NNNinc bei deren Gründung von 50 v.H. bis zu den Angaben im Börsenprospekt der
NNN vom 15.9.1995 auf 46,94 v.H. gesunken war. Unter Berücksichtigung der eben
genannten Veräußerung von 2.500 Aktien ergab sich rechnerisch, dass der Verbleib
von weiteren 5.000 Aktien ungeklärt war. Es liegen keine Anhaltspunkte für die
Richtigkeit der Vermutung des Klägers vor, dass die Verringerung seiner
Beteiligungsquote möglicherweise auf einer Erhöhung der Zahl der ausgegebenen
Aktien beruhen könnte.
63
Die Ermittlung des Gewinns erfolgte im Wege von Schätzungen zutreffend an Hand der
Höhe der im Rahmen des COC ausgegebenen Aktien bzw. an Hand der im
angenommenen Veräußerungszeitraum geltenden Kurswerte der Aktien.
64
bb) Soweit der Beklagte, den Auffassungen der Betriebsprüfung folgend, die Anzahl der
im Jahre 1995 und 1998 veräußerten Anteile an der NNN und der III geschätzt und
deren Wert an Hand der Börsenwerte der Aktienzertifikate (American Deposite Receipt
´s – ADR´s) ermittelt hat sind seine Ergebnisse nicht zu beanstanden.
65
Hinsichtlich der Zahl der veräußerten ADR´s in den Jahren 1995 und 198 an der NNN
und der III beruhen die Feststellungen der Betriebsprüfung u.a. auf der Auswertung des
Börsenprospekts den NNN und von Depotauszügen der Bankhäuser, die im Rahmen
der Durchsuchungen beschlagnahmt worden waren. Die insoweit gezogenen Schlüsse
sind nachvollziehbar. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf den
Betriebsprüfungsbericht vom 18.6.2003, insbesondere dessen Tz. 21 bis 23 Bezug
genommen.
66
Der Beklagte hat den Wert der Aktien auch zu Recht an Hand der Kurswerte der ADR´s
geschätzt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Inhaberaktien – die nicht gehandelt,
sondern nach dem Börsengang in den USA depotverwahrt wurden – und die an der US
– Börse handelbaren ADR´s unterschiedliche Wirtschaftsgüter seien. Der Beklagte hat
zu Recht den Wert der Aktien mit dem Wert dieser Aktienzertifikate bemessen. Dabei ist
die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Aktien der NNN und der III selbst an der
New Yorker Börse nicht gehandelt wurden, vielmehr stellvertretend für sie, die ADR.
Dementsprechend heißt es in dem Hinterlegungsvertrag zwischen der NNN und einer
Bank, dass die ADS (American Deposite Shares) die Anteile an den hinterlegten Aktien
der NNN vertreten, ebenso, wie die ADR, welche die Rechte an den Anteilen an den
hinterlegten Aktien verbriefen. Aufgrund dieses Umstandes, kann eine Ermittlung des
gemeinen Wertes der Aktien nur an Hand der handelbaren ADR erfolgen. Nach der
Rechtsprechung des BFH, von der abzuweichen keine Veranlassung bestehen dürfte,
67
kann der Wert nicht börsennotierter Anteile ausnahmsweise an Hand des Wertes
börsennotierter Anteile derselben Gesellschaft ermittelt werden (vgl. Urteil vom
9.3.1994, II R 39/90, BStBl II 1994, 394). Der Börsenpreis der börsennotierten Anteile
kann als Verkaufspreis i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gelten, aus dem der gemeine
Wert der anderen, nicht börsennotierten Anteile abgleitet werden kann (Rid in
Gürsching/Stenger BewG und VStG § 11 BewG Anm. 77). Auf spätere Kursverluste
kommt es dabei ebenso wenig an, wie auf den Umstand, dass die hinterlegten Aktien
innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur in einem bestimmten Umfange in ADR´s
umgewandelt werden durften. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Beschränkung auf
den tatsächlichen Kurswert der ADR`s Einfluss haben sollte. Die in dem maßgeblichen
Veräußerungszeiträumen geltenden Kurswerte hat der Kläger nicht konkret angegriffen.
Bedenken an der Höhe der angesetzten Tagesdurchschnittswerte ergeben sich nicht.
3. Durch den Wegzug des Klägers im Jahre 1998 nach Belgien war der
Vermögenszuwachs seiner Anteile an der NNN und der III gem. § 6 AStG zu besteuern.
Dabei ist nach § 21 Abs. 13 Satz 1 des Gesetzes über die Besteuerung von
Auslandsbeziehungen – Außensteuergesetz (AStG n.F.) - in der Fassung des Gesetzes
über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und
zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2007 – BGBl I 2006,
2782 – weiterhin der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. anzuwenden.
Hiernach ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre
unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht
durch die Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet, auf Anteile
an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der
unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen
für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.
Ergänzt wird dieser Grundtatbestand dadurch, dass nach gem. § 21 Abs. 13 Satz 2
AStG i.d.F. des SEStEG § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. in allen Fällen anzuwenden ist, in
denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
68
Nach Auffassung des Senates verstößt die Vermögenszuwachsbesteuerung in dieser
Fassung des § 6 AStG nicht gegen höherrangiges Europa-Recht (vgl. a)). Zudem liegt
durch die Anordnung der Anwendung des § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. auf alle noch
offenen Einkommensteuerveranlagungen keine verfassungswidrige Rückwirkung vor
(vgl. b)). Die Höhe der geschätzten Einkünfte ist nicht zu beanstanden (vgl. c)).
69
a) Der Senat hat keine Veranlassung im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens
nach Art. 234 Abs. 2 EG Vertrag dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen,
ob § 6 AStG a.F. bzw. n.F. gegen Art. 43 EG – Vertrag verstößt. Nach Art. 234 Abs. 1 EG
– Vertrag entscheidet der Europäische Gerichtshof im Wege einer Vorabentscheidung
u.a. über die Auslegung des EG – Vertrages. Nach Art. 234 Abs. 2 kann ein Gericht
eines Mitgliedstaates, wenn ihm eine Frage zur Auslegung des EG – Vertrages
vorgelegt wird, dem Gerichtshof diese Frage zur Entscheidung vorlegen, wenn es eine
Entscheidung dieser Frage zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Der Senat hält
eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht für erforderlich. Er ist vielmehr
davon überzeugt, dass § 6 AStG den EG – Vertrag nicht verletzt.
70
Ein Verstoß gegen Art. 43 des EG – Vertrages ergibt sich unter Berücksichtigung der
Rechtsprechung des EuGH nicht. Nach Art. 43 EG - Vertrag sind Beschränkungen des
Rechts auf freie Niederlassung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten verboten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt das Verbot für Mitgliedstaaten, die
71
Niederlassungsfreiheit zu beschränken, auch in Bezug auf steuerrechtliche Vorschriften
und betrifft insbesondere die Fälle, in denen eine steuerrechtliche Norm aufgrund einer
abschreckenden Wirkung geeignet ist, die Ausübung des Rechts zu beschränken (vgl.
Urteil vom 11.3.2004 Rs C – 9/02, StRE 2004, 488). Nach den Entscheidungen des
EuGH vom 11.3.2004 (Rs. C-9/02 a.a.O. ) und vom 7.9.2006 (Rs. C-470/04 Slg. der
Rechtsprechung des EuGH 2006, S. I-07409), welche vergleichbare Regelungen in
Frankreich bzw. den Niederlanden betrafen, bestanden gegen die
Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 6 AStG a.F. erhebliche europarechtliche
Bedenken. Während der EuGH in der Entscheidung vom 11.3.2004 noch davon
ausging, dass es die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags einem Mitgliedsstaat
verwehrt, zur Vorbeugung gegen Steuerflucht eine Regelung einzuführen, wonach eine
latente Wertsteigerung besteuert wird, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz in
das Ausland verlegt, hat er mit der Entscheidung vom 7.9.2006 diesen Grundsatz näher
präzisiert. Hiernach sind derartige Regelungen zwar geeignet die
Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG – Vertrag zu beeinträchtigen. Ob diese
Benachteiligungen im Hinblick auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel
ausnahmsweise zugelassen werden können, hängt nach Auffassung des Gerichtshofs
jedoch von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der
Bestimmungen zur Durchführung der Besteuerung ab. Demnach hat der Gerichtshof
eine Wegzugsbesteuerung von latenten Wertzuwächsen nicht generell verworfen.
Jedenfalls in der Entscheidung vom 7.9.2006 wurde die bisherige Rechtsprechung
dahingehend klargestellt, dass der Wegzugsstaat auf die Besteuerung der während der
Ansässigkeit es Steuerpflichtigen im Inland entstandenen Wertzuwächse nicht endgültig
verzichten muss (vgl. Richter/Escher in FR 2007, 674, 680 m.w.N.). Es kommt mithin auf
die konkrete Ausgestaltung der Durchsetzung des Steueranspruches an. Diese
ergänzenden Regelungen, die sich gem. § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG n.F. für – wie hier –
noch offene Einkommensteuerveranlagungen aus § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F. ergeben,
bedeuten keine unverhältnismäßige Einschränkung der Niederlassungsfreiheit. Nach
diesen Vorschriften wird der festgesetzte Steueranspruch zinslos und ohne die
Verpflichtung zur Stellung von Sicherheiten zunächst gestundet. Für den Fall des
Widerrufs der Stundung werden die in der Zwischenzeit eingetretenen
Wertminderungen bei der nachträglichen Änderung der ursprünglichen Festsetzung
grundsätzlich berücksichtigt. Auch die Verpflichtung zur regelmäßigen Angabe des
Wohnortes und der fortdauernden Beteiligung bedeutet keine unverhältnismäßige
Einschränkung. Zweifel daran, ob und in welchem Umfange nach der Rechtsprechung
des EuGH Wertminderungen, die während des Aufenthaltes in dem anderen Staat
eintreten, zu berücksichtigen sind, und ob die Regelungen des § 6 Abs. 6 AStG insoweit
ausreichen, stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Diese Fragen sind erst in dem
Verfahren nach Widerruf der Stundung zu beantworten. Erst dann ist zu entscheiden, ob
und gegebenenfalls in welcher Höhe etwaige Wertminderungen, die nach dem Wegzug
aus der Bundesrepublik eingetreten sind, zu berücksichtigen sind.
b) Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) scheidet nach Ansicht des Senates aus. Nach Art. 100 GG ist das
Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung
ankommt, für verfassungswidrig hält. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da nach
Auffassung des Senats die rückwirkende Anwendung des § 6 Abs. 2 bis 7 AStG n.F.
nach § 21 Abs. 13 AStG n.F. auf alle noch nicht bestandskräftig entschiedenen
Einkommenssteuerfestsetzungen keine verfassungswidrige Rückwirkung bedeutet.
72
Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip nach
Art. 20 Abs. 3 GG einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die
Rechtsfolgen eines die Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend
ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung
enttäuscht und in seiner Freiheit erheblich gefährdet, wenn der Gesetzgeber an bereits
abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen,
von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl. BVerfG
Beschlüsse vom 10.3.1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, 285; vom 8.6.1977 2 BvR
499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f.; vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200,
257 f.; vom 3.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78). Der Staatsbürger muss die
ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend
einrichten können (BVerfG Urteil vom 19. 12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271
und Beschluss vom 26.2.1969 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 290). Dies gilt auch
und besonders im Steuerrecht. Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG ist zwar
auf Steuergesetze nicht, auch nicht entsprechend anwendbar (BVerfG Beschluss vom
24.7.1957 1 BvL 23/52, BVerfGE 7, 89, 95); da jedoch Abgabengesetze vom
Staatsbürger Geldleistungen fordern, wenn er bestimmte Tatbestände verwirklicht,
orientiert er sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen an den jeweils geltenden
Steuergesetzen. Er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht
entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit
verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. Soweit Steuertatbestände an Handlungen
anknüpfen, muss also die Rechtsfolge bereits im Augenblick des Handelns gesetzlich
vorgesehen sein (BVerfG Urteil vom 19.12.1961, 2 BvL 6/59 a.a.O. BVerfGE 13, 261,
271; vgl. auch BFH Beschluss vom IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II, 2004, 284).
73
Gemessen an diesen Anforderungen lag nach Ansicht des Senates im Zeitpunkt des
Wegzugs aus der Bundesrepublik 1998 kein schützenswertes Vertrauen des Klägers
vor. Es erscheint zum einen bereits mehr als fraglich, ob das Vertrauen eines
Steuerpflichtigen in darin, dass eine geltende Vorschrift des nationalen Rechts gegen
höherrangiges Europarecht verstößt, überhaupt schützenswert ist. Zum anderen kommt
es nach Ansicht des Senats entscheidend darauf an, dass § 6 AStG a.F. zum damaligen
Zeitpunkt noch geltendes Recht war. Der Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG
hat sich mit der Neufassung des SEStG nicht zum Nachteil des Klägers geändert. Im
Zeitpunkt des Wegzugs bestanden nach der Rechtsprechung des BFH auch keine
europarechtlichen Bedenken an der Wegzugsbesteuerung (vgl. Beschluss vom
17.12.1997, I B 108/97, BFHE 185, 30, BStBl II 1998, 558). Im Ergebnis erfolgte die
Änderung des § 6 AStG durch das SEStG nur, um etwaigen europarechtlichen
Bedenken entgegen zu treten. Eine derartige rückwirkende Korrektur einer
möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßenden nationalen Vorschrift muss
dem Gesetzgeber möglich sein.
74
c) Der Kläger war in dem maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum des § 17 EStG
wesentlich an der NNN und der III beteiligt. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen
Bezug genommen werden. Auch die Höhe der geschätzten Einkünfte ist nicht zu
beanstanden. Die Schätzung beruht insoweit auf Feststellungen hinsichtlich der Depots
des Klägers u.a. bei den Bankhäusern unter Berücksichtigung des Börsenprospektes.
Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf Tz. 24 und 30 des
Prüfungsberichtes vom 18.6.2003 Bezug genommen. Weder die Anzahl der geschätzten
ADR´s noch die Höhe der zugrunde gelegten Kurswerte werden von dem Kläger
konkret in Zweifel gezogen.
75
4) Zu Recht hat der Beklagte weitere 16.500 DM im Jahre 1995 als Arbeitseinkommen
gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfasst. Es handelt es sich hierbei nicht um eine steuerfreie
Abfindung nach § 3 Nr.9 EStG. Nach § 3 Nr.9 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 1995
geltenden Fassung waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder
gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses, bis zu einem Betrag
von 24.000 Deutsche Mark steuerfrei. Abfindungen sind Entschädigungen, die der
Arbeitnehmer als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses
verbundenen Nachteile, insbesondere des Verlustes des Arbeitsplatzes, erhält. Die
Zahlungen müssen wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses geleistet werden und
dienen der Abgeltung von entgangenen Verdienstmöglichkeiten. Dies ist nicht der Fall,
wenn mit der Zahlung bis zum Zeitpunkt der Auflösung erdiente Ansprüche abgegolten
werden, wie bei rückständigem Arbeitslohn (vgl. FG München, Urteil vom 28.11.2000,
13 K 1168/97, GmbH-Stpr 2001, 320 und FG Düsseldorf, Urteil vom 4.10.2001,
16 K 3036/00, EFG 2001, 1592 m.w.N.).
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5) Die Kommissionsnachlässe, die dem Kläger aufgrund seiner Beschäftigung bei der
NNN auf Wertpapiergeschäfte eingeräumt wurden, sind sonstige Bezüge nach § 19
Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG (vgl. BFH Urteil vom 15.3.1974 VI R 25/70, BFHE 112, 70,
BStBl II 1974, 413). Der Beklagte hat diese Bezüge auch zu Recht mit 133.531 DM für
1996 und 33.362 DM für 1998 angesetzt. Für das Jahr 1996 beruht der Ansatz auf einer
vom Kläger nicht glaubhaft widerlegten Schätzung, wobei die beschlagnahmten
Transaktionslisten zugrunde lagen. Für das Jahr 1998 beruht der Ansatz auf den
Feststellungen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der NNN.
77
6) Ferner hat der Beklagte auch weitere Zuschätzungen bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen vorgenommen. Diesen Schätzungen lagen Feststellungen der
Betriebsprüfung zugrunde, wonach die Kläger bei ausländischen Banken Konten
unterhielten, deren Zinseinnahmen nicht erklärt waren. Hinsichtlich des
Schätzungsanlasses ergab sich dieser aus einer erhöhte Mitwirkungspflicht des Klägers
gem. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO, da es sich um
Auslandssachverhalte handelte. Die Zuschätzungen selbst sind der Höhe nach nicht zu
beanstanden. Sowohl die Höhe des Anfangsvermögens von 100.000 DM 1990 wie
auch der angesetzte Zinssatz von 5 v.H. p.a. sind liegen noch im Bereich des
Wahrscheinlichen.
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Schließlich ist auch die Berücksichtigung von Einkünften nach dem AuslInvestmG in der
im Streitjahr noch geltenden Fassung nicht zu beanstanden. Zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehörten nach § 18 Abs. 1 AuslInvestmG
grundsätzlich auch die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie
weitere Erträge. Die Besteuerungsgrundlagen nach § 18 Abs. 1 AuslInvestmG waren
gem. § 18 Abs. 2 AuslInvestmG nachzuweisen. Wurde dieser Nachweis nicht erbracht,
waren nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG bei dem Empfänger entweder die
Ausschüttungen oder 90 v.H. des Mehrbetrages zwischen dem ersten und dem letzten
im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis des Investmentanteils, mindestens
jedoch 10 v.H. des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis anzusetzen
(§ 18 Abs. 3 Satz 1 AuslInvestmG), wobei nach § 18 Abs. 3 Satz 2 AuslInvestmG an die
Stelle eines nicht festgesetzten Rücknahmepreises der Börsen- oder Marktpreis trat.
Nach § 18 Abs. 3 satz 3 AuslInvestmG waren im Falle der Veräußerung 20 v.H. des
Entgeltes zu berücksichtigen. Wegen der Ermittlung der insoweit anzusetzenden
Einkünfte kann auf nach Anlage 3 A – C zum BP – Bericht vom 26.3.2003 Bezug
genommen werden. Die Einordnung der jeweiligen Fonds als sogen. "schwarze Fonds"
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i.S.v. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG hat der Kläger nicht konkret bestritten, ebenso wenig,
wie die angesetzte Höhe der Kurswerte oder der Veräußerungsentgelte. Die
Berechnungsweise der Höhe der angesetzten Einkünfte ist nachvollziehbar. Fehler
ergaben sich bei der Überprüfung nicht.
Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Senat weist darauf hin, dass für eine teilweise Stattgabe im Hinblick darauf, dass
der Beklagte sich verpflichtet hat, in nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens
noch zu erlassenden Änderungsbescheiden für 1995 die steuerrechtlichen Folgen der
bisherigen Berücksichtigung von verdeckten Gewinnausschüttungen kein Raum war. Es
wird davon ausgegangen, dass insoweit auch eine Korrektur der Höhe der angesetzten
Anschaffungskosten (vgl. Tz. 41 des BP – Berichtes) im Jahre 1998 erfolgen wird.
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Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO. Soweit der Beklagte in
der mündlichen Verhandlung zugesagt hat, den Kläger hinsichtlich der verdeckten
Gewinnausschüttungen im Jahre 1995 klaglos zustellen, ist er nur geringfügig
unterlegen.
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