Urteil des FG Düsseldorf vom 17.11.2010

FG Düsseldorf (kläger, sprache, höhe, wiedereinsetzung in den vorigen stand, einspruch, bezug, ursächlicher zusammenhang, die post, bekanntgabe, grundstück)

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 1775/10 Erb
Datum:
17.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1775/10 Erb
Tenor:
Unter Änderung der Erbschaftsteuerbescheide vom 27. April 2009/ 18.
Juni 2009 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 wird die
Erbschaftsteuer auf
12.223.- EUR herabgesetzt.
Im Übrigen w Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten de Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 69% und
der Beklagte zu 31%.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in der
gleichen Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger, der im Jahre 1960 in Deutschland geboren wurde, ist australischer
Staatsbürger. Nach seinen eigenen Angaben versteht er die deutsche Sprache weder in
Schrift noch in Wort.
2
Der Kläger ist der Neffe des Erblassers A, der am ..... April 2006 verstarb. Der Erblasser
wurde von dem Kläger und seinem Bruder B ausweislich des Erbscheins des
Amtsgerichts X vom 29. Januar 2007 zu je ½ beerbt. Zum Nachlass gehörte neben
Wald- und Forstbesitz und Kapitalvermögen das Grundstück ......-straße ... in X, auf dem
3
der Erblasser bis zu seinem Tode eine Gaststätte betrieb.
Der Kläger beauftragte die Rechtsanwälte und Steuerberater M aus Y mit seiner
erbrechtlichen Vertretung. Er schloss mit den Rechtsanwälten M unter dem
19. Oktober 2006 / 5. Oktober 2006 einen Beratungsvertag ab, der die rechtliche
Beratung in der Erbangelegenheit A beinhaltete. Hierzu waren die Rechtsanwälte unter
anderem beauftragt, Ermittlungen in der Erbschaftsangelegenheit zu betreiben,
Informationen über die rechtliche Situation anzustellen und sämtliche Nachlasswerte zu
ermitteln. Außerdem sollte der Bevollmächtigte einen Vorschlag über die gesetzlichen
Möglichkeiten ausarbeiten, wie die Gaststätte betrieben und erhalten werden könnte.
Außerdem schloss der Kläger mit seinen Bevollmächtigten unter dem gleichen Datum
für seine Vertretung eine Honorarvereinbarung ab (remuneration agreement), die eine
Vergütung der Leistungen der Rechtsanwälte nach Stundensätzen von 150 bis
200 EUR je Stunde vorsah. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beratungsvertrages
und der Honorarvereinbarung wird auf die zu den Gerichtsakten in englischer Sprache
eingereichten Ablichtungen vom 5. Oktober 2006 / 19. Oktober 2006 (Blatt 28 R – 33 der
Gerichtsakten) Bezug genommen.
4
Außerdem unterzeichnete der Kläger unter dem 8. Mai 2007 für die Rechtsanwälte M
eine Vertretungsvollmacht, mit der diese berechtigt waren, ihn in steuerlichen
Angelegenheiten vor dem Finanzamt zu vertreten. Diese Vollmacht übersandten die
Rechtsanwälte M im Mai 2007 dem Beklagten.
5
Die Erbschaftsteuererklärung wurde dem Beklagten zusammen mit der Anlage
Betriebsvermögen (Vermögensaufstellung zur Ermittlung des Werts des
Betriebsvermögens) am 5. April 2007 eingereicht. Die Erbengemeinschaft beauftragte
den Sachverständigen D mit der Anfertigung eines Verkehrswertgutachtens für das
Gaststättengrundstück in X, ...-straße .... In dem Gutachten vom 31. Mai 2007 gelangte
der Sachverständige für das erwähnte Grundstück zu einem Verkehrswert von
170.000 EUR. Unter dem 28. Juni 2007 teilte das Finanzamt U dem Beklagten die
gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für das Grundstück .....-
straße ... in X unter Übernahme des Wertansatzes gemäß dem Verkehrswertgutachten
des Sachverständigen D mit 170.000 EUR mit und stellte außerdem fest, dass das
Grundstück als Betriebsgrundstück zu dem Gewerbebetrieb Gaststätte gehört.
6
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 28. Juni 2007, der unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erging, die
Erbschaftsteuer auf 2.556 EUR fest. Den reinen Nachlass ermittelte er hierbei mit
215.553 EUR, wovon auf den Kläger 107.776 EUR entfielen. Bei der Ermittlung des
Reinnachlasses zog der Beklagte Schulden lediglich in Höhe von 724 EUR
(Steuerschulden Einkommensteuer) und den Pauschbetrag ( § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2
des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes –ErbStG-) in Höhe von
10.300 EUR ab. Außerdem gewährte er dem Kläger und dem Miterben B für das
Grundstück Gaststätte eine Steuerbegünstigung gemäß § 13 a ErbStG in Höhe von
jeweils 76.097 EUR. In der Anlage 2 zum Erbschaftsteuerbescheid wies der Beklagte
den Kläger auf die Behaltensregelung für Betriebsvermögen nach § 13 a Abs. 5 Nr. 1
ErbStG gesondert hin; hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
7
Der Beklagte hob den Vorbehalt der Nachprüfung im Erbschaftsteuerbescheid vom
28. Juni 2007 mit Bescheid vom 6. Juli 2007 auf.
8
Mit notariell beurkundetem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 8. Mai 2008 setzte sich
der Kläger mit dem Miterben B auseinander. In dem Vertrag vereinbarten die Miterben
unter anderem, dass das Gaststättengrundstück B zu Alleineigentum zugewiesen
wurde, ferner die Forst- und Waldgrundstücke Flur ..., Flurstücke ..., ...., .... und ..... Die
noch valutierten und auf dem Grundstück gesicherten Darlehensverbindlichkeiten
übernahm B persönlich und dinglich (Valuta: 26.248,01 EUR). Unter Verrechnung von
Verbindlichkeiten, die B aus seinem Vermögen gezahlt hatte (31.866,23 EUR), und
unter Anrechnung von bereits an den Kläger ausgekehrten 29.171,84 EUR verpflichtete
sich B, an den Kläger einen restlichen Zahlbetrag in Höhe von 30.162,35 EUR als
Ausgleich zu zahlen. Außerdem verpflichtete sich B zur vollständigen Entlastung des
Klägers, die Verbindlichkeit des Erblassers aus dem notariell beurkundetem Vertrag
vom 3. März 1977 in Höhe von 8.691,96 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von
912,66 EUR an die Mutter des Klägers zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Erbauseinandersetzungsvertrages wird auf die in den Steuerakten abgeheftete
beglaubigte Ablichtung der notariellen Urkunde des Notars vom 08. Mai 2008
(Urkunden –Nr. ..../2008) nebst Anlage Bezug genommen.
9
Später veräußerte der Miterbe B das Betriebsgrundstück samt Inventar mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 13. März 2009 an einen dritten Erwerber. Nachdem der
Beklagte von der Veräußerung des Grundstückes erfahren hatte, änderte er (auch)
gegenüber dem Kläger den Erbschaftsteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO durch Bescheid vom 27. April 2009 und setzte die Erbschaftsteuer auf 16.558 EUR
herauf. Im Änderungsbescheid ließ er eine Steuerbegünstigung gemäß § 13 a ErbStG
wegen der Veräußerung des Betriebsgrundstückes unberücksichtigt.
10
Der Beklagte adressierte den Änderungsbescheid vom 27. April 2009 an die
Rechtsanwälte M in Y als Empfangsbevollmächtigte des Klägers. Die Rechtsanwälte M
sandten den Bescheid vom 27. April 2009 am 30. April 2009 dem Beklagten wieder
zurück und teilten hierbei mit, dass das Mandatsverhältnis zum Kläger seit April 2008
nicht mehr bestehe. Daraufhin übersandte der Beklagte dem Kläger persönlich an seine
Anschrift in Australien unter dem 18. Juni 2009 eine Ausfertigung des
Änderungsbescheides und forderte ihn im Abrechnungsteil auf, 14.002 EUR
Erbschaftsteuer zu entrichten. Der Beklagte fügte dem Bescheid vom 18. Juni 2009
außerdem eine (ordnungsgemäße) Rechtsbehelfsbelehrung und die Anlage 1 zum
Erbschaftsteuerbescheid bei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheids vom 18.
Juni 2009 wird auf die in den Steuerakten abgeheftete Aktenausfertigung Bezug
genommen.
11
Mit Schreiben vom 1. Juni 2009, das am 5. Juni 2009 beim Beklagten einging, wandte
sich der Kläger in englischer Sprache unter seiner Steuernummer gegen den Bescheid
vom 27. April 2009. Seinem Schreiben fügte er in Ablichtung die bisher erhaltenen
Erbschaftsteuerbescheide des Beklagten und den Erbauseinandersetzungsvertrag vom
8. Mai 2008 nebst Anlagen in Ablichtung bei.
12
Der Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 8. September 2009, auf das wegen der
weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, eine Übersetzung seines Schreibens
vom 1. Juni 2009 in deutscher Sprache vorzulegen. Außerdem forderte er ihn mit
Schreiben vom 12. Februar 2010 auf, Nachweise für die geltend gemachten
Abwicklungskosten in Höhe von 23.000 EUR durch schriftliche Unterlagen in deutscher
Sprache vorzulegen. Der Aufforderung kam der Kläger nicht nach.
13
Mit Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 verwarf der Beklagte den Einspruch als
unzulässig: Der Einspruch sei verspätet eingegangen. Die Bekanntgabe an die
Rechtsanwälte M in Y sei ordnungsgemäß gewesen, weil der Widerruf der
Empfangsvollmacht für die Bevollmächtigten dem Beklagten erst am 30. April 2009
bekannt geworden sei. Der erst am 5. Juni 2009 eingegangene Einspruch gegen den
Änderungsbescheid vom 27. April 2009 sei somit verfristet. Gründe für eine
Wiedereinsetzung nach § 110 AO seien nicht erkennbar. Die Einspruchsentscheidung
wurde dem Kläger an seine im Rubrum bezeichnete Anschrift mit einfachem Brief
bekannt gegeben.
14
Der Kläger hat mit einem am 25. Mai 2010 bei Gericht eingegangenen, in englischer
Sprache verfassten Schreiben, Klage erhoben. Dem Klageschriftsatz fügte er den
Schriftverkehr mit dem Notar betreffend die Erbauseinandersetzung, den
Erbauseinandersetzungsvertrag vom 8. Mai 2008 nebst Anlagen, den Erbschein des
Amtsgerichts X vom 29. Januar 2007, die Korrespondenz und den Beratungsvertrag
einschließlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen mit den Rechtsanwälten M, die
Rechnungen der Rechtsanwälte F aus ......, Australien, die Rechnungen der
Rechtsanwälte M vom 28. November 2006, 28. Februar 2007, 30. April 2007,
31. Mai 2007, 31. August 2007 und 30. November 2007, sowie das
Verkehrswertgutachten des Grundstückes .....-straße .. in X von D vom 31. Mai 2007 in
Ablichtung bei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anlagen zum Klageschriftsatz wird
auf Bl. 3-72 der Gerichtsakten Bezug genommen.
15
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Senats hat unter dem 5. Juli 2010 eine
Übersetzung der Klageschrift aus der englischen Sprache verfasst, die dem Beklagten
anschließend übermittelt worden ist.
16
Der Kläger macht geltend: Er habe den im Erbschaftsteuerbescheid angegebenen
Nachlasswert von 107.776 EUR nicht erhalten. Er habe erhebliche Schulden und
laufend weitere Renovierungsaufwendungen, die ohne seine Zustimmung veranlasst
worden seien, tragen müssen. In der Erbauseinandersetzung mit dem Miterben B habe
er seinen hälftigen Anteil an den Miterben veräußert und habe hierfür lediglich den
Betrag in Höhe von 30.162,95 EUR + 2.672,25 EUR erhalten. Für die rechtliche
Beratung zur Sicherung und Erforschung des Nachlasses seien ihm Anwaltskosten von
mehr als 23.000 EUR entstanden. Der Miterbe B sei auch nicht kooperativ gewesen und
habe ohne seine Zustimmung kostenträchtige Maßnahmen an dem Nachlassgrundstück
.....-straße .. in X vorgenommen. Die Veräußerung des Gaststättengrundstücks sei die
alleinige Entscheidung des Miterben B gewesen, nachdem die Erbengemeinschaft sich
auseinandergesetzt habe. Diese Entscheidung habe er nicht beeinflussen können.
17
Der Kläger beantragt sinngemäß,
18
die Erbschaftsteueränderungsbescheide vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt,
20
die Klage abzuweisen,
21
hilfsweise,
22
die Revision zuzulassen.
23
Zur Begründung führt er aus: Der in englischer Sprache eingelegte Einspruch sei zu
Recht als unzulässig verworfen worden, weil er verspätet eingegangen sei. Außerdem
sei die von ihm angeforderte Übersetzung nicht eingereicht worden. Die Frist für eine
Wiedereinsetzung sei somit abgelaufen. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht
dargelegt, aus welchen Gründen er die Rechtsbehelfsfrist unverschuldet versäumt habe.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der fehlenden Anhörung und dem
Versäumnis der Rechtsbehelfsfrist sei jedenfalls nicht zu erkennen.
24
Das Gericht hat die Rechtsanwälte M in Y gebeten, ihm unmittelbar Ablichtung ihrer
Honorarrechnung an den Kläger vom 5. Juli 2007 über 3.688,13 EUR zuzuleiten. Auf
die Antwort der Rechtsanwälte M, die dem Beklagten bekannt gegeben worden ist, wird
wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
25
Außerdem hat der Berichterstatter des Gerichts den Sachverständigen D fernmündlich
gebeten mitzuteilen, ob und ggf. welche Kosten er für die Anfertigung des Gutachtens
über den Verkehrswert des Grundstückes ......-straße ... in X vom 31. Mai 2007 in
Rechnung gestellt habe. Auf den über das Telefongespräch am 06. August 2010
gefertigten Aktenvermerk, der den Beteiligten zugeleitet worden ist, wird Bezug
genommen.
26
Der Senat hat mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2010, dem Beklagten am 13.
August 2010 zugestellt, der Klage teilweise stattgegeben. Der Beklagte hat hiergegen
am 09. September 2010 mündliche Verhandlung beantragt und trägt weiter vor:
27
Die unterbliebene Anhörung vor Erlass des Änderungsbescheides vom 27. April 2009
sei für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht kausal gewesen. Der Kläger, dem
seine früheren Bevollmächtigten eine Kopie des Bescheids vom 27. April 2009
übersandt haben müssten, habe diesem Bescheid die Gründe für die Änderung
entnehmen können. Ihm sei es daher möglich gewesen, rechtzeitig innerhalb der
Einspruchsfrist Einspruch einzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12.11.2010 Bezug genommen.
28
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
29
I. Die Klage ist zulässig.
30
31
Der Kläger hat wirksam Klage erhoben. Zwar hat er sich mit Schreiben vom
17. Mai 2010 an das Gericht lediglich in englischer Sprache gegen die Entscheidungen
des Beklagten vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 gewandt. Nach herrschender Auffassung
ist ein fremdsprachiger Schriftsatz wegen des Grundsatzes der deutschen
Gerichtssprache gemäß § 52 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung
mit § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unbeachtlich und deshalb nicht
32
fristwahrend (Gräber/Koch, FGO, Kommentar, 7. Auflage § 52 Tz. 30 m.w.N.).
Gleichwohl ist im Streitfall die Klage wirksam erhoben, weil das Gericht inzwischen von
Amts wegen die in englischer Sprache abgefasste Klageschrift durch die der englischen
Sprache hinreichend mächtige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 5. Juli 2010 in
die deutsche Sprache hat übersetzen lassen (§ 190 Satz 1 GVG). Wegen des
Grundsatzes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, der sich aus Artikel 19 Abs. 4
des Grundgesetzes (GG) ergibt, hielt es der Senat im Streitfall von Amts wegen für
geboten, eine Übersetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vornehmen
zu lassen. Artikel 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die
theoretische Möglichkeit, die Gerichte in Deutschland anzurufen, sondern auch die
Effektivität des Rechtsschutzes. Ein dem deutschen Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuerrecht unterworfener ausländischer Steuerpflichtiger ( § 2 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 ErbStG ), wie der in Australien lebende Kläger, hat einen substantiellen
Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der
Finanzverwaltung in seiner Erbschaftsteuersache. Das schließt auch die Befugnis des
dem deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuersteuerrecht unterworfenen
ausländischen Pflichtigen ein, sich in seiner Muttersprache mit einem
Rechtsschutzbegehren an das zuständige inländische Finanzgericht zu wenden. Der
Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG kommt die Aufgabe zu, jeden Akt der
Verwaltung, der in Rechte des Steuerbürgers eingreift, vollständig der richterlichen
Prüfung zu unterstellen und damit irreparable Entscheidungen, wie sie bei Eintritt einer
Bestandskraft der angefochtenen Entscheidungen des Beklagten anzunehmen wären,
soweit als möglich auszuschließen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
8. April 2010 – 1 BvR 2709/09 – Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2010, 2268
[2269] m.w.N. der Rechtsprechung). Dadurch, dass der Senat von Amts wegen die
Übersetzung der Klageschrift in die deutsche Sprache veranlasst hat, ist auch der
Zweck der Regelung im Gerichtsverfassungsgesetz über die Gerichtssprache, nämlich
die Verständigung in deutscher Sprache sicherzustellen, erfüllt. Es bedeutete nämlich
einen nicht gerechtfertigten Formalismus, trotz bereits vorliegender Übersetzung diese
noch vom Kläger persönlich zu verlangen (vgl. Landessozialgericht Bremen, Beschluss
vom 08.12.1999 L 3 V 68/97 veröffentlicht in der Juris-Datenbank mit weiteren
Nachweisen).
Die Klagefrist von einem Monat nach § 47 Abs. 1 FGO ist gewahrt. Die Klagefrist
begann mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 an den
Kläger. Bei dem vom Beklagten gewählten Verfahren der Übermittlung durch die Post
durch einfachen Brief galt die Einspruchsentscheidung wegen der Übermittlung nach
Australien einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 2
AO), mithin im Streitfall also am 13. Mai 2010. Die bei Gericht am 25. Mai 2010
eingegangene Klageschrift hat somit die Klagefrist des § 47 Abs. 1 FGO gewahrt.
33
Der Umstand, dass die Übersetzung der Klageschrift in die deutsche Sprache nicht
innerhalb der laufenden Klagefrist bis zum 13. Juni 2010 vorgelegt worden ist, macht die
Klage nicht unzulässig. Da der Senat den Kläger nicht aufgefordert hat, von sich aus
innerhalb einer bestimmten Frist eine Übersetzung der Klageschrift vorzulegen, ist ihm
von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 in
Verbindung mit Abs. 2 FGO). Bei dem im Ausland lebenden und der deutschen Sprache
nicht hinreichend mächtigen Kläger ist wegen der anzunehmenden Unkenntnis des
deutschen Prozessrechts davon auszugehen, dass die Fristversäumnis (wegen der
unterbliebenen Vorlage einer Übersetzung der Klageschrift innerhalb der Klagefrist)
unverschuldet gewesen ist.
34
II. Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
35
36
Die Erbschaftsteueränderungsbescheide vom 27. April 2009/ 18. Juni 2009 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2010 sind insoweit rechtswidrig
und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als der Beklagte eine höhere
Erbschaftsteuer als 12.223.- EUR festgesetzt hat. Im Übrigen sind die angefochtenen
Änderungsbescheide rechtmäßig.
37
Einer sachlichen Überprüfung der Erbschaftsteueränderungsbescheide vom
27. April 2009/ 18. Juni 2009 steht nicht etwa eine Bestandskraft dieser Bescheide
entgegen. Im Streitfall braucht der Senat allerdings nicht die Frage zu entscheiden, ob
der den früheren Bevollmächtigten des Klägers bekannt gegebene Änderungsbescheid
vom 27. April 2009 unanfechtbar geworden ist, weil der Kläger hiergegen – wie der
Beklagte meint – nicht mehr rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Jedenfalls ist der –
abgesehen vom Abrechnungsteil - sachlich identische Änderungsbescheid vom 18.
Juni 2009, der dem Kläger persönlich bekanntgegeben worden ist, rechtzeitig
angefochten worden. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen, die mit dem
Beklagten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sind: Der Bescheid vom 18.
Juni 2009 ist wirksam geworden. Gemäß § 124 Abs.1 AO ist für die Wirksamkeit eines
Steuerbescheides die Bekanntgabe notwendige Voraussetzung. Hierbei muss die
Bekanntgabe vom Willen der den Steuerbescheid erlassenden Behörde getragen
werden. Der Bekanntgabewille muss von einem Bediensteten (Amtsträger) i.S. des § 7
AO gebildet werden, der nach seiner Stellung zum Erlass eines Verwaltungsakts
befugt ist. Ein Bekanntgabewille fehlt allerdings, wenn die Übersendung eines
Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften
Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern etwa nur der Information des Empfängers über
den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll ( BFH, Urteil vom
4.10.1989 V R 39/84 BFH/NV 1990, 409 ). Der zuständige Beamte des Beklagten hatte
den Willen, dem Kläger den Erbschaftsteueränderungsbescheid persönlich
bekanntzugeben, nachdem die früheren Bevollmächtigten des Klägers den ihnen
zugegangenen Bescheid vom 27. April 2009 wieder an den Beklagten zurückgesandt
haben. Dieser Bekanntgabewille ergibt sich aus den aus der Steuerakte ersichtlichen
Umständen der weiteren Bearbeitung des Falles. Der Bearbeiter vermerkte zunächst in
der "Sollaufhebung" unter dem 26.05.2009, "der Bescheid sei an Vertreter zugestellt
worden. Die Zustellvollmacht sei inzwischen nicht mehr gültig". Anschließend versah
er den Änderungsbescheid mit dem Datum "18. Juni 2009", adressierte diesen an die
im Rubrum bezeichnete Anschrift des Klägers in Australien, versah den Bescheid mit
einer Rechtsbehelfsbelehrung, fügte eine geänderte Zahlungsaufforderung und einem
neuen Fälligkeitstermin zum 20. Juli 2009 bei und versah den Bescheid – wie bisher –
mit den Anlagen. In der den Vorgang begleitenden "Verfügung zum
Erbschaftsteuerbescheid" heißt es u.a. unter Ziff. 1.1., das Ergebnis sei
bekanntzugeben. Ziff. 2.2. und 2.3. der Verfügung hat der Bearbeiter ausgefüllt und
handschriftlich die beiden Daten "9.06.2009 und 17.06.2009" eingetragen. Ziff. 2.3.
betrifft den Vorgang " Steuerbescheid datiert und zur Post aufgegeben", was er
38
tatsächlich ausweislich der in den Akten befindlichen Ausfertigung des
Änderungsbescheids auch vorgenommen hat. Diese Art der Bearbeitung des
Steuerfalles und der Übermittlung des Änderungsbescheids an den Kläger persönlich
lässt nach der Überzeugung des Senats zweifelsfrei erkennen, dass die Übersendung
zum Zwecke der Bekanntgabe erfolgt ist. Ein anderes Verständnis hält der Senat nicht
für zutreffend. Der bekannt gegebene Bescheid enthielt nämlich keinen Hinweis darauf,
der Kläger erhalte den Bescheid lediglich zum Zwecke der Information, weil der
Bescheid bereits seinen früheren Bevollmächtigten ordnungsgemäß bekannt gegeben
worden sei. Ein Begleitschreiben dieses Inhalts ist dem Bescheid auch nicht beigefügt
gewesen. Die Annahme, der Beklagte habe einen Steuerbescheid bekanntgeben
wollen, folgt weiter aus der Überschrift "Bescheid über Erbschaftsteuer" des dem
Kläger übersandten Bescheids. Schließlich ist die dem Kläger übersandte
Bescheidausfertigung mit einer auf die Besonderheiten der Auslandszustellung
abgestellten Fassung der Rechtsmittelbelehrung (§ 122 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO)
versehen gewesen. Mit einer derartigen Belehrung hat der Beklagte zu erkennen
gegeben, dass sich an die Übersendung der Fotokopien Rechtsfolgen knüpfen sollten
(vgl. BFH, Urteil vom 22.10.1986 I R 254/83, BFH/NV 1988, 11, unter 4.d). Der Kläger
hat gegen den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 auch rechtzeitig Einspruch
eingelegt. Zwar hat sich sein Schreiben vom 01. Juni 2009, das am 05. Juni 2009 beim
Beklagten eingegangen ist, nicht ausdrücklich gegen den Änderungsbescheid vom 18.
Juni 2009 gerichtet, der ihm zu dieser Zeit noch nicht bekanntgegeben worden ist. Das
ist jedoch unschädlich, weil sein Schreiben insoweit auszulegen ist. Allerdings kann
ein Einspruch im allgemeinen noch nicht erhoben werden, wenn der Verwaltungsakt
der Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen noch nicht bekannt gegeben worden ist (
BFH, Urteil vom 13.12.1973 I R 143/73 BFHE 112, 107 =HFR 1974, 351; BFH, Urteil
vom 08.04.1983 VI R 209/79 BFHE 138, 154= BStBl II 1983, 551). Dieser Grundsatz
gilt jedoch nicht ausnahmslos. Dem Fall einer Bekanntgabe müssen nach dem § 355
AO zugrunde liegenden Zweck, wirksamen Rechtschutz zu ermöglichen, solche Fälle
gleichgestellt werden, in denen zwar der Steuerbescheid ihm noch nicht persönlich
bekannt gegeben wurde, der Steuerpflichtige aber mit der Möglichkeit einer bereits
bewirkten ordnungsgemäßen Bekanntgabe rechnen musste (BFH, Urteil vom
28.03.1984 I R 83/81 juris- Dokument). So liegen die Dinge im Streitfall. Der Kläger
musste damit rechnen, dass der Beklagte den geänderten Erbschaftsteuerbescheid
vom 27. April 2009 ordnungsgemäß seinen früheren Bevollmächtigten bekannt
gegeben hatte, weil die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte M seinerzeit dem
Beklagten mitgeteilt worden war, was er aus der Vollmachterteilung vom 8. Mai 2007,
die in deutscher und englischer Sprache abgefasst war, wusste. Da er den Beklagten
in der Folgezeit nicht über die Beendigung des Mandats informiert hat, musste er von
einer weiter bestehenden ordnungsgemäßen Bevollmächtigung ausgehen. Erlässt der
Beklagte unter diesen Umständen den Änderungsbescheid nunmehr auch gegenüber
dem Kläger persönlich- - wie dies der Beklagte im Streitfall veranlasst hat -, erstreckt
sich ein bereits erhobener Einspruch bei verständiger Würdigung der
Rechtschutzinteressen des Steuerpflichtigen auch auf den später bekannt gegebenen
Bescheid. Es bedeutete eine leere Förmelei, vom Steuerpflichtigen unter diesen
Umständen die Wiederholung eines Einspruchs gegen einen inhaltlich identischen
Steuerbescheid zu verlangen, der aus seiner Sicht bereits der Finanzverwaltung
vorliegt. Für den Beklagten konnte es deshalb bei verständiger Würdigung und bei der
gebotenen rechtschutzgewährenden Auslegung nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger
den Einspruch vom 5. Juni 2009 auch gegen den ihm persönlich bekannt gegebenen
sachlich identischen Erbschaftsteueränderungsbescheid gerichtet hat. Der Beklagte ist
in der Folgezeit offenbar auch selbst davon ausgegangen, dass sich der Einspruch des
Klägers vom 5. Juni 2009 auf den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 erstreckt.
Ohne diese Überlegung würde nämlich sein Schreiben vom 08. September 2009
keinen Sinn ergeben, mit dem er den Kläger unter Erwähnung des "geänderten
Erbschaftsteuerbescheids vom 18. Juni 2009" aufgefordert hat, sein
Einspruchsschreiben in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen und diese
Übersetzung zu übersenden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten führt schließlich der Umstand, dass das
Einspruchsschreiben des Klägers in englischer Sprache verfasst worden ist, nicht zur
Unbeachtlichkeit seines Einspruchs. Das ergibt sich aus § 87 Abs. 2 Satz 1 AO.
Hiernach ist es grundsätzlich unschädlich, wenn bei einer Finanzbehörde Anträge oder
Eingaben in fremder Sprache gestellt oder sonstige Urkunden vorgelegt werden. Die
Finanzbehörde kann jedoch in begründeten Fällen die Vorlage einer beglaubigten oder
von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer
angefertigten Übersetzung verlangen. Dieses Verlangen steht allerdings im
pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Wegen der Regelung im Anwendungserlass
zur Abgabenordnung ( AEAO ) Nr. 1 zu § 87 AO hat die Finanzverwaltung ihr Ermessen
allerdings dahingehend ausgeübt, dass bei Eingaben in fremder Sprache die
Finanzbehörde zunächst prüfen soll, ob eine zur Bearbeitung ausreichende
Übersetzung durch eigene Bedienstete oder im Wege der Amtshilfe ohne
Schwierigkeiten beschafft werden kann. Hierbei sind Übersetzungen nur im Rahmen
des Notwendigen, nicht aus Prinzip anzufordern. Hierauf hat die Finanzverwaltung in
Nordrhein-Westfalen reagiert. Um bei der täglichen Arbeit die Verfahrensabläufe zu
vereinfachen und abzukürzen, werden die vorhandenen Fremdsprachenkenntnisse der
Beschäftigten der Steuerverwaltung genutzt. So können die Bediensteten
beispielsweise im Zuständigkeitsbereich der Oberfinanzdirektion Münster, die eine
vereinfachte Übersetzung von ausländischen Schriftstücken benötigen, direkt oder
telefonisch oder per Mail Kontakt mit dem Fortbildungsreferat der Oberfinanzdirektion
aufnehmen; dort wird ihnen ein entsprechender Kollege bzw. Kollegin mit den
erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen benannt (vgl. Kurzinformation der
Oberfinanzdirektion Münster zum internationalen Steuerrecht vom
15. Dezember 2006 Nr. 009/2006).
39
Schließlich zeigen die Regelungen in § 87 Abs. 4 AO, dass eine Eingabe in fremder
Sprache auch zur Fristwahrung nicht unbeachtlich ist. Für die Fristwahrung kommt es
auf den Zeitpunkt des Eingangs des fremdsprachigen Schriftstücks an, wenn auf
Verlangen der Finanzbehörde innerhalb einer von dieser gesetzten und angemessenen
Frist eine Übersetzung vorgelegt wird. Anderenfalls ist der spätere Zeitpunkt des
Eingangs der Übersetzung maßgeblich. Allerdings ist auf diese Rechtsfolge bei der
Fristsetzung unabdingbar hinzuweisen, wie sich aus § 87 Abs. 4 letzter Satz AO ergibt.
Unterbleibt dieser zwingende Hinweis wie im Streitfall tritt der Fristablauf nicht ein (vgl.
Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 87 AO Rz. 4).
40
Der Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 27. April 2009 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung ist insoweit rechtswidrig, als steuermindernd nicht die
inzwischen nachgewiesenen Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt worden sind.
Zu Gunsten des Klägers sind Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 und
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG in Höhe von insgesamt 25.545,68 EUR noch zu
berücksichtigen. Mit Rücksicht darauf, dass eine Einzelberücksichtigung von
41
Nachlassverbindlichkeiten erfolgt, ist der vom Beklagten in Ansatz gebrachte
Pauschbetrag zur Hälfte, also in Höhe von 5.150 EUR beim Kläger außer Ansatz zu
lassen. Die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten, gegen deren Ansatz der Beklagte in
der mündlichen Verhandlung Einwendungen nicht erhoben hat, ergibt sich im Einzelnen
aus folgenden Überlegungen:
1. Zunächst sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die
Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der Mutter des Klägers aus dem notariell
beurkundetem Vertrag vom 3. März 1977 anzusetzen. Diese Verbindlichkeiten betragen
einschließlich Zinsen ausweislich des notariell beurkundeten
Auseinandersetzungsvertrages vom 8. Mai 2008 9.604,62 EUR und sind vom Miterben
B im Rahmen der Erbauseinandersetzung gezahlt worden. Zu Gunsten des Klägers ist
die Hälfte dieser Verbindlichkeiten anzusetzen, mithin also 4.802,31 EUR.
42
2. Die in Rechnung gestellten Honorarkosten der Rechtsanwälte M, die der Kläger
durch Vorlage der Honorarrechnungen der Rechtsanwälte im Klageverfahren im
Einzelnen nachgewiesen hat (Blatt 28 bis 42 und Blatt 93 der Gerichtsakten), sind als
Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. Zu den
berücksichtigungsfähigen Kosten nach dieser Bestimmung zählen u. a. die Kosten der
Erbauseinandersetzung, ferner die Kosten für die Übertragung der
Nachlassgegenstände, insbesondere von Grundbesitz auf die Miterben, entstandene
Notariatskosten und Gerichtskosten, und schließlich die Aufwendungen für die
anwaltliche Beratung und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Miterben bei
der Erbauseinandersetzung (BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 37/08 BStBl II
2010, 489). Der Kläger hat durch Vorlage des Beratungsvertrages mit den
Rechtsanwälten M vom 5. Oktober/19. Oktober 2006 im Einzelnen nachgewiesen, dass
die Rechtsanwälte mit seiner anwaltlichen Beratung und außergerichtlichen Vertretung
bei einer Erbauseinandersetzung beauftragt worden sind. Dementsprechend sind
sämtliche vorgelegten Rechnungen der Rechtsanwälte M in Höhe von 22.207,51 EUR
Beratungsleistungen, die unmittelbar mit dem Anfall der Erbschaft und der
Erbauseinandersetzung im Zusammenhang gestanden haben. Dies gilt gleichermaßen
für die Rechnung der eingeschalteten Rechtsanwälte F aus ...... (Australien), die dem
Kläger unter dem 13. Dezember 2006 für Prüfung und Entwurf von Schreiben der
Rechtsanwälte M eine Beratungsgebühr in Höhe von 805,75 AUS $ (= 478,69 EUR bei
einem Umrechnungskurs mit Datum vom 13. Dezember 2006 in Höhe von 1,6823) in
Rechnung gestellt haben. Eine weitere Honorarrechnung der Rechtsanwälte F vom 23.
Oktober 2006 über 898,70 AUS $ kann nicht berücksichtigt werden; sie ist dem Gericht
nicht bekannt, weil der Kläger sie nicht eingereicht hat. Insgesamt sind dem Kläger als
Nachlassverbindlichkeiten Honorarkosten für die anwaltliche Beratung in Höhe von
22.686,47 EUR entstanden.
43
Weitere Nachlassverbindlichkeiten sind dadurch angefallen, dass das Amtsgericht X
der Erbengemeinschaft einen Erbschein erteilt hat. Hierfür sind bei einem Wert von
185.214,61 EUR gemäß §§ 107 KostO, 32 KostO und wegen der Gebühren für die
erforderlichen eidesstattlichen Versicherungen (§ 49 KostO) Kosten in Höhe von
insgesamt 2 x 342 EUR entstanden. Zu den weiteren abzugsfähigen Kosten nach § 10
Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zählen auch die Aufwendungen für die Bewertung der im Nachlass
befindlichen Grundstücke durch einen Sachverständigen (vgl. BFH, Urteil vom
9. Dezember 2009 II R 37/08 a. a. O.). Im Streitfall ist von der Erbengemeinschaft die
Bewertung des Grundstückes .....-straße ... in X in Auftrag gegen worden. Die Kosten für
das Verkehrswertgutachten, das D unter dem 31. Mai 2007 erstellt hat, belaufen sich
44
laut Mitteilung des Sachverständigen an den Senat vom 06. August 2010 auf 595.-
EUR.
Die hierdurch entstandenen Kosten betragen insgesamt 1.279 EUR. Davon sind dem
Kläger die Hälfte zuzurechnen, mithin 639,50 EUR.
45
Außerdem sind die Kosten für die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung abziehbare
Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (vgl. BFH, Urteil vom 9. Dezember 2009 a. a. O.).
Hierfür hat Steuerberater S ausweislich seiner Rechnung vom 25. Oktober 2007 der
Erbengemeinschaft insgesamt 1.134,80 EUR in Rechnung gestellt, von der auf den
Kläger die Hälfte, mithin 567,40 EUR entfallen.
46
Als weitere Kosten sind zwangsläufig Kosten der Bestattung des Erblassers entstanden.
Die Kosten einer angemessenen Bestattung des Erblassers sind von den Erben zu
tragen ( § 1968 BGB ). Der Senat schätzt die entstandenen Beerdigungskosten
einschließlich der Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und derjenigen für die
übliche Grabpflege bei vorsichtiger Annahme auf mindestens 4.000 EUR, von denen
die Hälfte auf den Kläger entfallen, mithin also 2.000 EUR.
47
Es sind mithin folgende Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen:
48
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG
49
laut Notarvertrag vom 3. März 1977 4.802,31 EUR
50
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG
51
Anwaltshonorare 22.686,47 EUR
52
Erbauseinandersetzung, Erbschein, Wertgutachten zu ½ 639,50 EUR
53
Erstellung Erbschaftsteuererklärung 567,40 EUR
54
Beerdigungskosten ½ von 4.000 EUR 2.000.- EUR
55
30.695,68 EUR
56
abzüglich Pauschbetrag § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zu ½ 5.150,00 EUR
57
Nachlassverbindlichkeiten insgesamt 25.545,68 EUR
58
Im Übrigen ist der Erbschaftsteueränderungsbescheid vom 27. April 2009 rechtmäßig.
Insbesondere hat der Beklagte zu Recht den Standpunkt vertreten, dass durch die
Veräußerung des Grundstückes der Nachversteuerungstatbestand des § 13 a Abs. 5
Nr. 1 Satz 1 ErbStG erfüllt ist, weshalb dem Kläger die ursprünglich gewährten
Vergünstigungen des § 13 a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG nicht länger gewährt werden
konnten. Nach § 13 a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG fallen der Freibetrag nach Abs. 1 der
Vorschrift und der verminderte Wertansatz nach deren Abs. 2 mit Wirkung für die
Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb
u. a. den Gewerbebetrieb veräußert. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil der
Miterbe B bereits mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. März 2009 das
59
Betriebsgrundstück .....-straße ... in X samt Inventar veräußert hat. Somit ist die
ursprünglich gewährte Steuervergünstigung wegen der Übernahme des
Betriebsvermögens durch die Erbengemeinschaft durch die Veräußerung der Gaststätte
entfallen, weil die Erwerber nicht mindestens fünf Jahre nach dem Erwerb den
Gewerbebetrieb behalten haben. Es ist unerheblich, ob der Kläger an der Veräußerung
des Gaststättengrundstücks mitgewirkt hat oder hierauf überhaupt einen Einfluss hatte.
Denn im ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheid vom 28. Juni 2007 (Steuerfestsetzung
in Höhe von 2.556 EUR) hat der Beklagte ihm die Steuervergünstigung nach § 13 a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG gewährt. Diese Steuervergünstigung durfte er nur dann
"behalten", wenn das Betriebsgrundstück mindestens fünf Jahre entweder im Eigentum
der Erbengemeinschaft oder im Eigentum des Miterben, dem das Grundstück im
Rahmen der Erbauseinandersetzung übertragen worden ist, verblieb ( vgl. Richtlinie 67
Abs. 2 Satz 3 zu § 13 a ErbStG < ErbStR 2003> ).
Soweit der Kläger weiter geltend gemacht hat, ihm seien nach dem Tod des Erblassers
für die Renovierung des Betriebsgrundstückes .....-straße .. in X anteilig erhebliche
Kosten entstanden, ist dies für die Erbschaftsbesteuerung unerheblich. Die
Erbschaftsteuer ist bei Erwerben von Todes wegen wie im Streitfall mit dem Tod des
Erblassers entstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Aufwendungen auf die
Nachlassgegenstände, die nach diesem Zeitpunkt entstanden sind, bleiben bei der
Ermittlung des Nachlasswertes daher unberücksichtigt.
60
Es ergibt sich mithin folgende Steuerberechnung:
61
Wert des Nachlasses bisher laut Beklagten 107.776,00 EUR
62
abzüglich Nachlassverbindlichkeiten laut Finanzgericht 25.545,68 EUR
63
Reinnachlass 82.230,32 EUR
64
abzüglich Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG 10.300,00 EUR
65
steuerpflichtiger Erwerb 71.930,32 EUR
66
abgerundet 71.900,00 EUR
67
Steuersatz 17 % (wie bisher) 12.223,00 EUR
68
Die bereits abgerechnete und vom Kläger gezahlte Erbschaftsteuer in Höhe von 2.556
EUR ist nicht Gegenstand des Klageverfahrens und wäre von dem Beklagten in einem
gesonderten Abrechnungsbescheid zu berücksichtigen.
69
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und berücksichtigt das
Maß des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
70
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3,
155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
71
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 1
und Nr. 2 FGO nicht vorliegen.
72