Urteil des FG Düsseldorf vom 29.10.2010

FG Düsseldorf (gesellschaft, kläger, höhe, verdeckte gewinnausschüttung, immobilie, beteiligung, eltern, kapitalgesellschaft, bruder, spanien)

Finanzgericht Düsseldorf, 3 K 1342/09 E
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 1342/09 E
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom 4. September
2007 und die Einspruchsentscheidungen vom 4. März 2009 werden
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Strittig ist, ob der Kläger durch die unentgeltliche Nutzung eines Grundstücks in Spanien
zu Wohnzwecken, das ihm von einer spanischen Kapitalgesellschaft überlassen wurde,
an der er beteiligt ist, verdeckte Gewinnausschüttungen bezogen hat.
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Herr X gründete am 22. Juli 1999 die Sociedad Limitada (SL), mit Sitz in Palma de
Mallorca. Das Gesellschaftskapital in Höhe von 42.071 Euro (= 7.000.026 Peseten)
wurde in 100 Anteile aufgeteilt. Die Gesellschaft wurde im Handelsregister von Mallorca
eingetragen. Herr X brachte in Anrechnung auf seine Einlageverpflichtung ein 1.000 qm
großes Grundstück ein, das er im Jahr zuvor erworben hatte. Er errichtete auf dem
Grundstück ein 160 qm großes Einfamilienhaus mit Schwimmbad (BP-Handakte Bl.
257). Der steuerliche Berater von Herrn X teilte in einem Schreiben vom 8. Juli 2004 mit,
dass die SL im Jahr 2001 von der spanischen Finanzbehörde geprüft worden und ihr im
Ergebnis bestätigt worden sei, dass sie für die Jahre 1999 bis 2001 keine Steuern zu
zahlen habe. Dies bedeute, dass bei der Gesellschaft keine Gewinne angefallen seien
(BP-Handakte Bl. 258, 272; vgl. auch die Jahresabschlüsse für 2001 bis 2003, ebenda
3
Bl. 247-249, und den Steuerbescheid für 2003 vom 20. Juli 2004, ebenda Bl. 278 f.).
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 12. Mai 2000 verkaufte Herr X 25
Gesellschaftsanteile für jeweils 300.000 DM (= 153.387,56 Euro bzw. 25.521.542
Peseten) an den Kläger, an seinen Bruder und an deren Eltern (BP-Handakte Bl. 224
ff.). Ein Teilbetrag des Gesamtkaufpreises in Höhe von 1.100.000 DM wurde in drei
Raten bis Ende 2000 gezahlt; von dem zunächst als Sicherheit einbehaltenen
Restbetrag in Höhe von 100.000 DM zahlten die Käufer nur einen Teilbetrag in Höhe
von 10.773 DM an den Verkäufer aus. Die Zahlung des Differenzbetrags in Höhe von
89.227 DM verweigerten sie unter Hinweis darauf, dass sie angesichts gravierender
Baumängel des Objekts Nachbesserungsarbeiten mit einem Kostenaufwand in dieser
Höhe hätten durchführen müssen (BP-Handakte Bl. 650, 679 ff., 245 f., 259).
4
Der Kläger, sein Bruder und ihre Eltern nutzten das Grundstück in den Streitjahren
(2001 bis 2005) bei Aufenthalten in Mallorca zu eigenen Wohnzwecken. Ein Entgelt
entrichteten sie nicht. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Gewinne wurden
seitens der SL nicht ausgeschüttet (BP-Handakte Bl. 221, 243).
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Durch notariell beurkundete Verträge vom 26. März 2002 und 2. April 2002 verkauften
die Eltern des Klägers ihre Anteile an der SL je zur Hälfte an den Kläger und seinen
Bruder, die dafür jedem Elternteil 153.387,56 Euro zahlten (BP-Handakte Bl. 230).
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Der Beklagte setzte gegenüber dem Kläger durch Bescheide vom 15. November 2002,
vom 20. Oktober 2003, vom 23. August 2004, vom 31. März 2006 und 26. April 2007
erstmals Einkommensteuer für die Streitjahre fest. Die Bescheide für 2001, 2004 und
2005 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Vorbehalt der Nachprüfung
bezüglich der Veranlagung für 2001 wurde später durch Bescheid vom 17. Januar 2003
aufgehoben. Die Veranlagungen für 2004 und 2005 wurden durch Bescheide vom 23.
und 24. Mai 2007, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung jeweils bestehen blieb,
geändert.
7
Aufgrund von Prüfungsanordnungen vom 13. Dezember 2005 und 2. März 2006 führte
der Beklagte vom 27. Dezember 2005 bis zum 18. Januar 2007 beim Kläger eine
Außenprüfung für 2000 bis 2002 durch. Dabei lag dem Prüfer eine Mitteilung des
Finanzamts (FA) vom 27. Juli 2004 vor, in der dieses darauf hinwies, dass im Rahmen
einer Außenprüfung bei Herrn X die Veräußerung der Anteile an den Kläger, seinen
Bruder und seine Eltern bekannt geworden sei (BP-Handakte Bl. 215). Der
Veranlagungsbeamte des Beklagten hatte daraufhin den Kläger, seinen Bruder und
deren Eltern aufgefordert, die bislang unterbliebene Anzeige gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 3
der Abgabenordnung (AO) nachzuholen (BP-Handakte Bl. 217 ff.). Der Kläger, sein
Bruder und seine Eltern waren dieser Aufforderung mit Schreiben vom 21. Oktober 2004
nachgekommen (BP-Handakte Bl. 220, 238-241). Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 hatte
der Kläger mitgeteilt, dass die SL nach Auskunft der spanischen Steuerberaterin nach
der bis 2003 geltenden Rechtslage in Spanien keine Steuern habe entrichten müssen.
Aufgrund einer Rechtsänderung im Jahr 2002 sei Vermögensteuer abzuführen. Die
Anteilseigner seien nicht steuerpflichtig (vgl. BP-Handakte Bl. 58).
8
Der Prüfer des FA, der Herrn X geprüft hatte, äußerte aufgrund vertraulicher
Informationen den Verdacht, dass Herr X mit den Käufern der von der SL gehaltenen
Immobilie einen Kaufpreis vereinbart habe, der doppelt so hoch sei wie der beurkundete
Kaufpreis. Der Differenzbetrag sei von einem Konto der Eltern des Klägers in der
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Schweiz auf ein ebenfalls in der Schweiz geführtes Konto von Herrn X überwiesen
worden (BP-Handakte Bl. 250, 251 f., 255). Der Prüfer des Beklagten teilte dem Prüfer
des FA nach einem Aktenvermerk vom 18. September 2006 mit, er habe keine
Feststellungen zur Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises in Höhe von 1.200.000 DM
treffen können (BP-Handakte Bl. 282). Nach seinen Recherchen handelte es sich bei
dem Erwerb der Anteile einer Grundbesitz haltenden Sociedad Limitada – auch in
Bezug auf Ferienimmobilien – jedenfalls bis zum Erwerb der Beteiligung des Klägers
um eine zur Vermeidung spanischer Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer
zulässige und gebräuchliche Gestaltung (BP-Handakte Bl. 283-291, 588).
In seinem Bericht vom 23. Mai 2007 (BP-Handakte Bl. 221) vertrat der Prüfer die
Auffassung, dass die unentgeltliche Überlassung der Immobilie durch die SL an die
Anteilseigner bei diesen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen in Gestalt verdeckter
Gewinnausschüttungen geführt habe. Auch wenn die Gesellschaft in Spanien mangels
auf Gewinnerzielung gerichteter Tätigkeit keiner Einkommensbesteuerung unterliege,
schließe dies eine Vorteilszuwendung an den Anteilseigner, die zu inländischen
Einkünften aus Kapitalvermögen führe, nicht aus. Bei der Bewertung des Vorteils sei
nach der Lage und Ausstattung des Objekts die Kostenmiete in Höhe von 6 % des
notariell beurkundeten Kaufpreises in Höhe von 1.200.000 DM zuzüglich eines
Gewinnzuschlags in Höhe von 10 %, d. h. rd. 8.000 DM, somit ein Jahresbetrag in Höhe
von rd. 80.000 DM (= 40.903 Euro) anzusetzen (vgl. auch BP-Handakte Bl. 660). Auf
den Kläger entfalle damit für das Jahr 2001 ein Betrag in Höhe von 80.000 DM x 1/4 x
9/12 = 15.000 DM und für das Jahr 2002 ein Betrag in Höhe von ([40.903 Euro x 1/4 x
3/12 =] 2.556 Euro + [40.903 Euro x 1/2 x 9/12 =] 15.338 Euro =) 17.894 Euro.
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Der Beklagte setzte entsprechend dieser Rechtsauffassung die Einkommensteuer für
die Streitjahre durch Bescheide vom 4. September 2007 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
(2001 bis 2003) bzw. § 164 Abs. 2 AO (2004 und 2005) neu fest. Dabei berücksichtigte
er für die Jahre 2003 bis 2005 jeweils verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von
(40.903 Euro x ½ =) 20.451 Euro.
11
Der Kläger legte dagegen Einspruch ein, mit dem er sich gegen den Ansatz einer
verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach wandte. Die Höhe des vom Prüfer
insoweit angesetzten Betrags hatte er ausdrücklich nicht beanstandet (BP-Handakte Bl.
207 f.). Nach Eingang berichtigter Angaben der Eltern des Klägers zu den für 1997 bis
2006 erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen im Hinblick auf ein bei einem Züricher
Bankhaus unterhaltenes Depot ging der von der Rechtsbehelfsstelle davon in Kenntnis
gesetzte Prüfer davon aus, dass der Kaufpreis für die Anteile tatsächlich 2.400.000 DM
betragen habe. Dafür spreche zum einen ein deutlicher Rückgang der nacherklärten
Zinserträge von 1999 bis 2001 um rd. 45.000 DM. Zum anderen habe die Mutter des
Klägers Schenkungen an ihn und seinen Bruder im März 2000 in Höhe von rd. 73.840
Euro und im März/April 2002 in Höhe von jeweils 153.387 Euro nacherklärt. Der
Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass er beabsichtige, die Kostenmiete mit
einem Jahresbetrag in Höhe von 152.000 DM (6 % von 2.400.000 DM zuzüglich
Gewinnzuschlag in Höhe von 8.000 DM) anzusetzen. Auf den Kläger entfielen insoweit
bezogen auf die Streitjahre Beträge von 28.500 DM (2001), 34.000 Euro (2002) bzw.
38.858 Euro (2003 bis 2005). Der Kläger hielt dem entgegen, dass die tatsächlich
erzielbare Jahresmiete für vergleichbare Objekte nicht einmal einen Betrag in Höhe von
80.000 DM erreiche. Die angefochtenen Steuerbescheide seien zudem aufgrund einer
Außenprüfung ergangen und unterlägen daher einer Änderungssperre.
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Der Beklagte wies die Einsprüche betreffend die Bescheide für 2001 bis 2003 durch
Einspruchsentscheidung vom 4. März 2009 als unbegründet zurück. Die
Einkommensteuer für 2004 und 2005 setzte er in den Einspruchsentscheidungen vom
selben Tag unter Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen in Höhe von jeweils 38.858
Euro neu fest. Wegen der Begründungen wird auf die Einspruchsentscheidungen
verwiesen.
13
Mit der Klage hält der Kläger an seiner Ansicht fest, dass die Nutzung der der SL
gehörenden Immobilie durch ihn nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung geführt
habe. Er räumt ein, dass der Gesamtkaufpreis für die Anteile 2.580.000 DM betragen
habe. Das Gebäude sei im März 2001 bezugsfertig gewesen. Die Immobilie, die ihm,
seinem Bruder und seinen Eltern als Ferienwohnsitz diene, habe nach dem Willen des
Verkäufers nur über den Weg des Anteilskaufs erworben werden können. Auch der
spanische Berater der Beteiligten habe den Kauf der Geschäftsanteile statt der
Immobilie nahegelegt. Als Begründung dafür habe er auf Besonderheiten im spanischen
Recht hingewiesen. Eine Beratung in Deutschland dazu habe nicht stattgefunden. Den
Beteiligten sei nicht bewusst gewesen, dass diese Konstellation Auswirkungen auf die
deutsche Ertragsbesteuerung haben könne. Die Beteiligten seien davon ausgegangen,
dass es sich ausschließlich um private Vermögensverwaltung handele, zumal die
Gesellschaft in Spanien nur mit dem Katasterwert – als ruhendes Vermögen – besteuert
werde. Bei der Besteuerung einer SL werde nicht nach Einkunftsarten unterschieden.
Maßgeblich sei allein, ob sie Einkommen (Renta) erzielt habe, unabhängig davon, aus
welcher Quelle es stamme. Die Steuerpflicht ergebe sich unmittelbar aus der
Bemessungsgrundlage. Das Einkommen (Wohnwert) werde durch fiktive
Mieteinnahmen in Höhe von 24 % auf 1,1 % des Katasterwertes berechnet. Dem
spanischen Steuerrecht sei der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung mit einer
durchdeklinierten Dogmatik nicht bekannt. Vielmehr knüpfe das Gesetz an den Begriff
Retribucion an, der sich auf gebundene Geschäftsvorgänge beziehe (operationes
vinculadas). Der Anwendungsbereich sei sehr eng, weil eine Ergebnisberichtigung nur
durchgeführt werde, wenn dem spanischen Fiskus insgesamt ein Steuerausfall drohe.
Dies sei aber aufgrund der Besteuerung nach dem Katasterwert ausgeschlossen.
14
Eine ausländische, im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige
Kapitalgesellschaft könne eine außerbetriebliche Sphäre haben; Vorschriften des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die dies für eine im Inland unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft ausschlössen, seien darauf nicht
anwendbar. Die SL handele bei der unentgeltlichen Überlassung der Immobilie an die
Anteilseigner ohne Gewinnerzielungsabsicht. Ihre Tätigkeit stelle daher Liebhaberei
dar. Eine Gewinnerzielung finde nicht statt. Die Überlassung der Immobilie an die
Anteilseigner könne sich daher auf die Gewinnermittlung nicht auswirken. Eine
Gesellschaft könne jedoch nichts verdeckt ausschütten, wenn sie keine
Gewinnerzielungsabsicht habe. Komme aber eine verdeckte Gewinnausschüttung bei
der Gesellschaft nicht in Betracht, könne es eine solche auch beim Gesellschafter nicht
geben.
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Wenn jedoch eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sei, so dürfe diese
maximal mit einem Betrag von 25.000 Euro angesetzt werden. Gegenstand der
verdeckten Gewinnausschüttung sei ein Nutzungsvorteil, der nach Maßgabe der
ortsüblichen Miete zu bemessen sei. Diese betrage rd. 2.300 Euro pro Monat, wobei
darin Bewirtschaftungskosten enthalten seien, die im Streitfall von ihm, seinem Bruder
und seinen Eltern getragen worden und deshalb mindernd in Abzug zu bringen seien.
16
Damit ergebe sich höchstens ein Betrag in Höhe von 25.000 Euro. Wegen weiterer
Einzelheiten des Vortrags des Klägers im Klageverfahren wird auf seine Schriftsätze
vom 13. Mai 2009 sowie vom 25. August und 26. Oktober 2010 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
17
1. die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom 4. September 2007 und die
Einspruchsentscheidungen vom 4. März 2009 aufzuheben,
18
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
19
Der Beklagte beantragt,
20
1. die Klage abzuweisen,
21
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22
Wegen seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf seinen Schriftsatz vom 27.
August 2009 verwiesen.
23
Entscheidungsgründe
24
Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005 vom
4. September 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. März 2009 sind
rechtswidrig, weil der Beklagte bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zu
Unrecht verdeckte Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit seinem
Geschäftsanteil an der SL angesetzt hat. Der Kläger wird dadurch in seinen Rechten
verletzt. Die angefochtenen Bescheide und die dazu ergangenen
Einspruchsentscheidungen sind deshalb aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung – FGO –).
25
1. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lagen nicht vor,
weil dem Beklagten keine Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind, die zu einer
höheren Steuer führen. Auch die Änderungen nach § 164 Abs. 2 AO waren nicht
zulässig, weil die Steuerfestsetzungen nicht zugunsten des Klägers fehlerhaft waren.
26
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im
Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u. a.
Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter
Haftung. Zu den sonstigen Bezügen gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen.
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a) Unter Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind nicht nur Anteile an
einer Gesellschaft zu verstehen, die nach dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (GmbHG) gegründet wurde. Dazu zählen vielmehr auch, weil
diese Tatbestandsmerkmale nicht formal-, sondern steuerrechtlich zu verstehen sind,
Anteile an einer nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft, die ihrer Struktur
bzw. ihrem Typus nach einer nach deutschem Recht gegründeten GmbH vergleichbar
ist (vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 20
Rdnr. C 6, C 15; Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 16. Dezember 1992
I R 32/92, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1993, 399, unter II. B 2. c, und vom 26. August
1993 I R 44/92, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV –
28
1994, 318, unter 1. d).
Rechtsgrundlage für die Gründung einer spanischen Sociedad de Responsabilidad
Limitada (SRL oder auch nur SL) ist das Gesetz über die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (Ley de Sociedades de Responsabilidad Limitada) vom 23. März
1995. Die SRL zeichnet sich dadurch aus, dass die Gesellschafter das
Gesellschaftskapital durch Einlagen, für die sie Geschäftsanteile erhalten, aufbringen
und sie grundsätzlich keine persönliche Haftung aus Geschäften trifft, die der einem
Geschäftsführer vergleichbare Verwalter für die Gesellschaft abschließt. Diese haftet nur
mit ihrem Vermögen. Damit entsprechen die Regelungen über die SRL – was zwischen
den Beteiligten auch nicht strittig ist – im Wesentlichen denen des deutschen GmbHG.
Die SRL ist daher hinsichtlich der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG einer
GmbH vergleichbar (ebenso Bascopé/Hering, GmbH-Rundschau 2005, 609, 615;
Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28. Februar 2007 S 2700 - 2 - StO
242, juris).
29
b) Ein Gesellschafter erzielt aus einem Anteil an einer GmbH bzw. einer vergleichbaren
ausländischen Kapitalgesellschaft nur dann Einkünfte i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG,
wenn auf Dauer gesehen ein Überschuss der Gewinnanteile über die mit ihrer Erzielung
verbundenen Ausgaben zu erwarten ist. Sind konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden,
dass nach den individuellen Verhältnissen der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer
Gesellschafter auch langfristig nicht mit einem Überschuss der Einnahmen über die
Ausgaben zu rechnen ist oder dass rein persönliche Gesichtspunkte wie z. B.
freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen für den Erwerb der Beteiligung
maßgebend waren, so lässt sich die auch für das Erzielen von Einkünften aus
Kapitalvermögen erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht nicht feststellen. Handelt es
sich bei der Beteiligung um eine solche i. S. von § 17 Abs. 1 EStG, so muss darüber
hinaus feststehen, dass nicht nur keine Ausschüttungen zu erwarten sind, sondern dass
auch nicht mit Wertsteigerungen zu rechnen ist, aus denen sich aufs Ganze gesehen ein
Überschuss der Erträge über die Aufwendungen ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August
1983 VIII R 276/82, BStBl II 1984, 29; vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BStBl II 1985, 517;
vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BStBl II 1986, 596; vom 30. März 1999 VIII R 70/96,
BFH/NV 1999, 1323, und vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668).
30
Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger seinen Anteil an der SL in der Absicht
erworben hat, bis zu dessen Veräußerung insgesamt einen Überschuss der durch die
Beteiligung vermittelten Erträge einschließlich eines Veräußerungs- oder
Liquidationserlöses über die damit verbundenen Aufwendungen zu erzielen. Die SL hat
nach dem vom Gericht feststellbaren Sachverhalt weder im Streitjahr noch in den Jahren
zuvor oder danach eine auf Gewinnerzielung gerichtete Geschäftstätigkeit entfaltet. Die
Jahresabschlüsse für 2001 bis 2005 (BP-Handakte Bl. 247 ff. u. Anlagen zum Schriftsatz
vom 26. Oktober 2010, Gerichtsakte Bl. 88 f.) lassen nicht erkennen, dass sie
Einnahmen erzielt hat. Der Kläger hat – damit übereinstimmend – mit Schreiben vom 8.
Februar 2005 (BP-Handakte Bl. 56) vom Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass
die SL die ihr gehörende Immobilie nur ihm, seinem Bruder und seinen Eltern, nicht aber
Dritten überlassen hat, Nutzungsüberlassungen nicht entgeltlich erfolgten und für die
Jahre 2000 bis 2002 keine offenen Gewinnausschüttungen vorgenommen wurden. Eine
verdeckte Gewinnausschüttung, zu der es nach deutschem Recht durch die
unentgeltliche Überlassung eines Wirtschaftsgutes zur Nutzung an den Anteilseigner
kommen kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 83/87, BStBl II 1990, 649), führt
nach spanischem Recht als verhinderte Vermögensmehrung nicht zu einer verdeckten
31
Gewinnausschüttung (Herlinghaus in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung,
Anhang Spanien Rz. 35).
Die SL verfügte daher nicht über Erträge. Ertraglosigkeit allein nimmt zwar einer
Beteiligung noch nicht die Eignung, Kapitalanlage von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu sein
(BFH-Urteile vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BStBl II 1984, 29, und vom 23. Mai 1985
IV R 198/83, BStBl II 1985, 517). Anders verhält es sich indes dann, wenn dies
beabsichtigt ist und sich deshalb auch langfristig kein Überschuss aus der Beteiligung
ergeben soll. Davon ist im Streitfall auszugehen, weil sowohl die Gründung der SL
durch Herrn X als auch der Erwerb der Anteile durch den Kläger, seinen Bruder und
seine Eltern ausschließlich dazu dienten, eine Ferienimmobilie ohne steuerliche
Belastungen nutzen zu können. Eine erwerbswirtschaftliche, auf Gewinnerzielung
gerichtete Tätigkeit der SL durch Teilnahme am Marktgeschehen war weder bei ihrer
Gründung noch später beabsichtigt.
32
Die Nutzung einer spanischen Immobilie durch eine nicht in Spanien ansässige
natürliche Person zu eigenen Wohnzwecken führte jedenfalls im Streitjahr nach
spanischem Steuerrecht zu einer Nutzungswertbesteuerung und damit zur Festsetzung
von Einkommensteuer. Außerdem wurde in diesem Fall Vermögensteuer erhoben.
Wurde die Immobilie dagegen von einer SRL erworben oder – wie durch Herrn X (BP-
Handakte Bl. 257) – in eine SRL eingebracht, so wurde weder beim Anteilseigner
Einkommen- oder Vermögensteuer noch bei der SRL – mangels Gewinnen, wenn die
Immobilie weder vermietet wurde noch die Gesellschaft einer anderen Geschäftstätigkeit
nachging – Körperschaft- oder Vermögensteuer erhoben. Auch Erbschaftsteuer konnte
auf diesem Weg in gesetzlich zulässiger Weise vermieden werden (vgl. BP-Handakte
Bl. 288 ff., 283 f.; allgemein auch Letzsch, Internationale Wirtschafts-Briefe, Gruppe 2 S.
1057). Der Kläger hat wiederholt unbestritten behauptet, dass allein die Besonderheiten
des spanischen Steuerrechts Anlass dafür waren, statt eines unmittelbaren Erwerbs der
Immobilie die Anteile an der SL zu erwerben, um so das Objekt ausschließlich zu
eigenen Wohnzwecken nutzen zu können (Schriftsatz vom 13. Mai 2009, Gerichtsakte
Bl. 32, 33; BP-Handakte Bl. 588). Damit lässt sich nicht feststellen, dass der Erwerb der
Anteile der Erzielung laufender Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben oder
eines Totalgewinns in Gestalt eines die Kosten übersteigenden Veräußerungs- oder
Liquidationserlöses diente. Ein Veräußerungs- oder Liquidationsgewinn hängt
maßgeblich davon ab, wie sich der Wert der Immobilie bis dahin entwickelt. Eine
verlässliche Prognose dazu liegt ebenso wenig vor wie eine Stellungnahme zu der
Frage, wann mit einer Veräußerung der Anteile durch den Kläger gerechnet werden
kann. Damit kann auch unter dem Gesichtspunkt einer wesentlichen Beteiligung an der
Gesellschaft (§ 17 EStG) nicht von einem langfristigen Totalgewinn ausgegangen
werden.
33
Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass die zuständige spanische
Finanzbehörde möglicherweise ab dem Jahr 2003 gegenüber der SL
Körperschaftsteuer festgesetzt hat (BP-Handakte Bl. 278 u. Anlagen zum Schriftsatz
vom 26. Oktober 2010, Gerichtsakte Bl. 88 f.). Bei der Besteuerung ab dem Jahr 2003
kann es sich allenfalls um eine der Grund- oder Vermögensteuer vergleichbare
Besteuerung von Sollerträgen, nämlich des Nutzungswerts der Immobilie nach einem
Prozentsatz des Katasterwertes, gehandelt haben (Schriftsatz vom 13. Mai 2009,
Gerichtsakte Bl. 32, 33 f. u. vom 26. Oktober 2010, Gerichtsakte Bl. 74 f.), die
unabhängig von einer Gewinnerzielungsabsicht der Gesellschaft und unabhängig von
tatsächlich erzielten Gewinnen erfolgt. Aus ihr kann daher nicht abgeleitet werden, dass
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die Gesellschaft tatsächlich Gewinne erzielt hat und der Anteilserwerb des Klägers auf
eine Teilhabe daran bzw. auf einen Veräußerungs- oder Liquidationsgewinn gerichtet
war.
c) Der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung aufgrund der unentgeltlichen
Nutzung der Immobilie durch den Kläger ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil
Kapitalgesellschaften nicht über eine außerbetriebliche Sphäre verfügen, so dass
verlustbringende Aktivitäten, die die Gesellschaft in gesellschaftsrechtlicher
Veranlassung unternimmt, unter den Voraussetzungen einer ertragsteuerrechtlichen
sog. Liebhaberei verdeckte Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an ihre
Gesellschafter auslösen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95,
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 182, 123; vom 8. Juli 1998 I R 123/97,
BFHE 186, 540; vom 8. August 2001 I R 106/99, BStBl II 2003, 487; vom 15. Mai 2002 I
R 92/00, BFHE 199, 217; vom 31. März 2004 I R 83/03, BFHE 206, 58; vom 17.
November 2004 I R 56/03, BFHE 208, 519, und vom 22. August 2007 I R 32/06, BStBl II
2007, 961). Die dafür maßgebenden Erwägungen (handelsrechtliche
Buchführungspflicht einer Kapitalgesellschaft für ihr gesamtes Vermögen, §§ 238 Abs.
1, 246 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs; Qualifizierung sämtlicher Einkünfte der
Gesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, § 8 Abs. 2 KStG; vollumfängliche
Gewerblichkeit einer Kapitalgesellschaft für gewerbesteuerliche Zwecke, § 2 Abs. 2
Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes; Fehlen einer § 12 EStG vergleichbaren Regelung
im KStG; Rechtsfolgenprobleme beim Wechsel eines Wirtschaftsgutes vom
betrieblichen in den außerbetrieblichen Bereich und umgekehrt) gelten nur für
inländische Kapitalgesellschaften. Die SL hat dagegen ihren Sitz und ihre
Geschäftsleitung im Ausland, nämlich in Spanien. Hinsichtlich des Sitzes ergibt sich
dies aus der mit dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 (Gerichtsakte Bl. 88 f.)
vorgelegten Gründungsurkunde und der Urkunde über die Sitzverlegung innerhalb
Mallorcas vom 24. November 2004. Dass auch die Geschäftsleitung in Spanien erfolgte,
ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts daraus, dass die Steuererklärungen in
Spanien erstellt wurden, die Nachbesserungsarbeiten nach dem Erwerb der Anteile
offenbar in Spanien in Auftrag gegeben wurden, weil sie in spanischer Währung bezahlt
wurden (BP-Handakte Bl. 246), und der Prüfer keine Geschäftsleitungsmaßnahmen in
Deutschland festgestellt hat. Da die Gesellschaft abgesehen von der Überlassung des
Grundstücks keinen anderen Aktivitäten nachgegangen ist und grundstücksbezogene
Maßnahmen zweckmäßigerweise vor Ort zu treffen waren, legen auch die äußeren
Umstände nahe, dass sich die Geschäftsleitung nur in Spanien befunden haben kann.
Es handelt sich damit um eine ausländische Kapitalgesellschaft, bei der eine ohne
Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Tätigkeit nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führt.
Bei einer solchen Gesellschaft kann bezogen auf die Anwendung inländischer
steuerrechtlicher Vorschriften von einem Liebhabereibetrieb ausgegangen werden,
wenn sich – wie im Streitfall – eine Gewinnerzielungsabsicht nicht feststellen lässt.
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Das Gericht weicht auch nicht von den BFH-Urteilen vom 16. Dezember 1992 I R 32/92
(BStBl II 1993, 399) und vom 26. August 1993 I R 44/92 (BFH/NV 1994, 318) ab. Der
BFH hat zwar in diesen Entscheidungen die (unentgeltliche) Überlassung eines
Ferienhauses oder -appartements aufgrund von Wohnberechtigungspunkten, die der
Steuerpflichtige als Aktionär der einer in der Schweiz ansässigen AG gutgeschrieben
bekommen hatte, auch ohne Gewährung von Dividenden als sonstigen Bezug aus
Aktien i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG qualifiziert. Er ist dabei jedoch davon
ausgegangen, dass die AG in steuerlich anzuerkennender Weise für eigene Rechnung
tätig wurde, d. h. über Gewinnerzielungsabsicht verfügte (vgl. BFH-Urteil vom 16.
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Dezember 1992 I R 32/92, BStBl II 1993, 399, unter II. B 2. g). Darin unterscheidet sich
die Beteiligung des Klägers an der SL von der Beteiligung des Klägers des dortigen
Verfahrens an der AG. Dient – wie im Streitfall – die dauerhafte Überlassung von Kapital
durch den Anteilseigner an die Gesellschaft, an der er sich beteiligt, nicht dazu, dadurch
am Kapitalmarkt Erträge zu erwirtschaften, sondern verfolgt der Anteilseigner damit
andere, ausschließlich seiner Privatsphäre zuzuordnende Motive, so stellt sich die
Beteiligung nicht als Kapitalanlage i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG dar (ebenso
Kirchhof in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 2 Rdnr. B 160; a. A.
wohl Wassermeyer, ebenda, § 20 Rdnr. B 19 ff., C 19, der den Tatbestand des § 20 Abs.
1 Nr. 1 EStG rechtsverhältnisbezogen versteht).
Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG), das
im Urteil vom 21. August 2003 11 K 499/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG
– 2004, 124) in einem vergleichbaren Fall Einkünfte i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
angenommen hat. Entgegen der Auffassung des Niedersächsischen FG begründen
nicht schon die Vorteile, die der Gesellschafter aufgrund der unentgeltlichen Nutzung
der Immobilie bezieht, eine Einkünfteerzielungsabsicht. Der Anteilseigner muss die
Beteiligung an der Gesellschaft vielmehr erwerben, um aufgrund der Anteile
Gewinnausschüttungen zu erhalten. Sind solche nicht beabsichtigt, weil die
Gesellschaft keine Gewinne erzielen soll, sondern vielmehr ausschließlich dem Zweck
dient, eine Immobilie unter Vermeidung ausländischer Besteuerung zu eigenen
Wohnzwecken während eines Urlaubs nutzen zu können, so fehlt es an der für die
Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erforderlichen
Einkünfteerzielungsabsicht, ohne die es auch nicht zum Bezug verdeckter
Gewinnausschüttungen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kommen kann. Findet
auf der Ebene der Gesellschaft planmäßig keine Gewinnerzielung statt, d. h. liegt
insoweit Liebhaberei vor, und ist diese auch nicht – wie bei einer inländischen
Kapitalgesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH – unbeachtlich, so kann die
Einkünfteerzielungsabsicht des inländischen Gesellschafters nicht unter Hinweis auf die
Unabhängigkeit seiner Verhältnisse von denen der Gesellschaft beurteilt werden.
Vielmehr stehen diese privaten Motive einer Besteuerung des Anteilseigners entgegen.
Sie können entgegen der Entscheidung des Niedersächsischen FG nicht im Hinblick
auf steuerliche Folgen für unbeachtlich erklärt werden.
37
Der BFH hat zwar die gegen das Urteil des Niedersächsischen FG eingelegte Nicht-
zulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss vom 2. März 2005
VIII B 298/03, BFH/NV 2005, 1528). Dies bedeutet jedoch nicht, dass er dadurch die
Rechtsauffassung des FG bestätigt hat. Der BFH hatte lediglich zu entscheiden, ob die
Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)
zuzulassen war. Dies hat er verneint, weil das FG keinen von der Rechtsprechung des
BFH abweichenden Rechtssatz aufgestellt habe. Daraus folgt indes nicht, dass er in der
Sache ebenso entschieden hätte. Dazu bestand mangels Zulassung der Revision durch
das FG keine Gelegenheit. Der BFH hatte nur zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die
Zulassungsvoraussetzungen ordnungsgemäß dargelegt hatte (§ 116 Abs. 3 Satz 3
FGO) und ob sie tatsächlich gegeben waren. Dies hat er ohne sachliche Überprüfung
der Vorentscheidung verneint.
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Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen einer ausländischen Kapitalgesellschaft,
die nach den Maßstäben des deutschen Steuerrechts mangels
Gewinnerzielungsabsicht einer als Liebhaberei zu bezeichnenden Tätigkeit nachgeht,
unterliegen damit bei den Gesellschaften keiner Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1
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Sätze 1 oder 2 EStG. Bei den Ausschüttungen handelt es sich nicht um "Gewinnanteile"
im Sinne dieser Vorschrift, weil die Gesellschaft im steuerlichen Sinne keinen Gewinn
erzielt, sondern nur Einlagen oder nicht steuerbare Vermögensmehrungen an ihre
Gesellschafter ausschütten kann. Dem Anteilseigner fehlt es an der erforderlichen
Einkünfteerzielungsabsicht, weil die Gesellschaft keinen Gewinn anstrebt. Mangels
Kapitalanlage i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt auch keine Beteiligung i. S. von § 17
EStG vor, aus der sich Einkünfte ergeben können (ebenso Gosch, BFH-PR 2002, 204,
205; ders., Steuerliche Betriebsprüfung 2004, 84, 86; Hüttemann, Festschrift Raupach,
495, 508 f.; a. A. Neu, EFG 2004, 126, 128).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3,
155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Es ist von
grundsätzlicher Bedeutung, ob es bei der Beteiligung an einer ausländischen
Kapitalgesellschaft für die Annahme einer Kapitalanlage i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
genügt, dass dem Anteilseigner Vorteile in der Gestalt unentgeltlicher Nutzung eines der
Gesellschaft gehörenden Wirtschaftsgutes zufließen, ohne dass die Gesellschaft nach
ihrer Zielsetzung und tatsächlichen Geschäftstätigkeit Gewinn durch Teilnahme am
marktwirtschaftlichen Geschehen erzielt.
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