Urteil des FG Düsseldorf vom 22.11.2006

FG Düsseldorf: wirtschaftliche verfügungsmacht, anschaffungskosten, belastetes grundstück, zwangsvollstreckung, darlehen, belastung, gefahr, eigentümer, verpachtung, vermietung

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 1350/05 E
Datum:
22.11.2006
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1350/05 E
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom 11.6.2004 und die
dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden dahingehend
geändert, dass die 2001 erbrachten Aufwendungen zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung und die damit zusammenhängenden
Schuldzinsen anteilig wie erklärt als nachträgliche Anschaffungskosten
steuermindernd berücksichtigt werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 12 v.H. und der
Beklagte zu 88 v.H.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 18.12.1998 das Grundstück Z-Straße
7, Z-Stadt von seinem Vater gegen Übernahme von Verbindlichkeiten in Höhe von
106.200 DM. Der Veräußerer behielt sich das Wohnrecht an zwei Räumen des
übertragenen Grundstücks vor. An Anschaffungsnebenkosten fielen 955 DM an.
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Als weitere zu berücksichtigende Anschaffungskosten machte der Kläger im
Einspruchsverfahren für den Veranlagungszeitraum 2001 erhöhte AfA wegen
nachträglicher Aufwendungen in Höhe von 221.288,81 DM geltend. Diesen Betrag hatte
der Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung auf Grund eines Urteils des
Landgerichts vom 4.1.2001 aufgewendet. In dem Urteil wurde der Kläger nach § 3 Abs.
2 Anfechtungsgesetz wegen einer Forderung gegen den Vater des Klägers von dessen
Gläubiger in Anspruch genommen. Der Beklagte lehnte die Berücksichtigung der
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Aufwendungen ab, erkannte aber das bin dahin streitige Mietverhältnis mit den Eltern
und die in dem Zusammenhang stehenden Erhaltungsaufwendungen an. Die
Veranlagung 2001 wurde bestandskräftig, nachdem sich der Kläger mit der vom
Beklagten vorgeschlagenen Erledigung des Einspruchs einverstanden erklärt hatte.
In der Folgezeit wurde das im Grundbuch eingetragene Wohnrecht der Eltern gelöscht
und nach Renovierungsmaßnahmen eine Wohnung an die Eltern vermietet (90 qm). Ein
weiterer Teil des Objektes (70 qm) wurde Ende 2001 an den Bruder des Klägers
veräußert. Die vom Kläger selbst genutzte Wohnfläche betrug danach noch 75 qm.
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Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2002 und 2003 erkannte der Beklagte weder
die zusätzlichen Anschaffungskosten in Höhe von 221.288,81 DM (Erhöhung der AfA
auf 1.084 EUR statt 218 EUR) noch die damit im Zusammenhang stehenden
Finanzierungskosten an. Zur Begründung führte er aus, dass Aufwendungen für die
Abwehr einer Gefahr für das eigene Vermögen keine Anschaffungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung darstellten. Ferner berücksichtigte er
Schuldzinsen zur Finanzierung der Umbauten an dem Nebengebäude nur zu 55 v.H.,
da bei einer Darlehenssumme von 40.000 EUR für ein Ende 2002 aufgenommenes
Darlehen und Herstellungskosten in Höhe von 21.944 EUR eine Überfinanzierung von
18.056 EUR vorgelegen habe. Die Einsprüche des Klägers vom 16.6.2004 wies der
Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24.3.2005 als unbegründet zurück. Dagegen
wendet sich die Klage.
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Der Kläger trägt vor:
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Die in 2001 vorgenommene Zahlung in Höhe von 221.288,81 DM sei als nachträgliche
Anschaffungskosten anzuerkennen und die AfA-Bemessungsgrundlage entsprechend
zu erhöhen. Ohne Zahlung dieses Betrages wäre er nicht mehr Eigentümer des
Grundstücks und könne daraus auch keine Einkünfte mehr erzielen. Grundsätzlich
gehörten zu den Anschaffungskosten nicht nur der im Vertrag fixierte Kaufpreis, sondern
auch sonstige Leistungen. Im Zeitpunkt des Erwerbs vom Vater habe bereits
festgestanden, dass der Verkehrswert deutlich höher als die übernommenen
Verbindlichkeiten gewesen sei. Allen Beteiligten sei bewusst gewesen, dass die
offenen Rechnungen des Vaters noch hätten bezahlt werden müssen. Der Streitfall sei
mit einem vom Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 14.7.1997 11 K 6927/94, EFG
1997, 1225) entschiedenen vergleichbar, in dem ein Beschenkter zu Gunsten des
verarmten Schenkers Aufwendungen getätigt habe. In diesem Fall seien nachträgliche
Anschaffungskosten bejaht worden. Ähnlich habe das Finanzgericht Berlin (VI 425/94)
in einem Fall entschieden, in dem eine Wohnung auf die Tochter übertragen worden
war und diese nachträglich für nicht gedeckte Sozialleistungen in Anspruch genommen
worden sei.
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Die lediglich anteilig berücksichtigten Schuldzinsen seien in Höhe von 45 v.H.
zusätzlich anzusetzen. Das neu aufgenommene Darlehen sei nicht nur für den Umbau
des Nebengebäudes (ehemalige Backstube) aufgenommen, sondern auch zur
Rückzahlung der Darlehen für das Altgebäude verwendet worden. Seine Mutter habe
ihm in der Umbauphase Gelder zur Verfügung gestellt, wie anhand von Kontoauszügen
nachgewiesen sei. Diese Gelder seien später bei Aufnahme des neuen Darlehens der
Mutter zurückgezahlt worden.
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Der Kläger beantragt,
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unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003
jeweils vom 11.6.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
24.3.2005 die Einkommensteuer 2002 auf 4.768 EUR und 2003 auf
4.372 EUR herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor:
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Die 2001 gezahlten 221.288,81 DM stellten Zahlungen zur Abwehr der
Zwangsvollstreckung in das Grundstück und somit der Abwehr der Gefahr für das
eigene Vermögen dar. Insoweit handele es sich um einen Vorgang auf der privaten
Vermögensebene und weder um Anschaffungskosten noch um Werbungskosten. Nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) seien Zahlungen im Hinblick auf die
drohende Zwangsvollstreckung als Abwehrkosten und nicht als Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Ein
Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftserzielung sei grundsätzlich zu
verneinen, wenn die Zugehörigkeit eines der Einkunftserzielung dienenden
Wirtschaftsgut zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht sei, denn in einem solchen
Fall stehe nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung des
Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund.
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Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.7.1997
führe zu keiner anderen Beurteilung. Zwar habe das Finanzgericht die Aufwendungen
des Beschenkten zu Gunsten des verarmten Schenkers eines Grundstücks statt wie
beantragt nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung, sondern als nachträgliche Anschaffungskosten des
Grundstücks anerkannt. In der Revisionsentscheidung zu dieser Entscheidung (Urteil
vom 19.12.2000 IX R 66/97, BFH/NV 2001, 769) habe der BFH zum Ausdruck gebracht,
dass ein Veranlassungszusammenhang von Abwehrkosten mit der Erzielung von
Einkünften voraussetze, dass die abzuwehrende Gefahr durch die Einkunftserzielung
begründet ist. In diesem Streitfall habe der Senat offen lassen können, ob die strittigen
Aufwendungen als (nachträgliche) Anschaffungskosten zu berücksichtigen wären, denn
diese Frage habe im Streitfall keiner Entscheidung bedurft.
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Die geltend gemachten Schuldzinsen könnten über einen Anteil von 45 v.H. hinaus
nicht anerkannt werden, da die Verwendung des Darlehens in Höhe von 18.056 EUR
nicht konkret nachgewiesen worden sei. Selbst wenn der Kläger dies zur Rückzahlung
des Darlehens an seine Mutter verwendet habe, sei nicht klar, ob damit
Erhaltungsaufwendungen finanziert worden seien.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Soweit der Beklagte den zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrag
nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt hat, sind die angefochtenen
Einkommensteuerbescheide rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten
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(vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Darüber hinaus sind sie rechtmäßig.
Der Aufwand des Klägers zur Abwendung der Zwangsvollstreckung stellt sich als
nachträglicher Anschaffungsaufwand in Gestalt nachträglicher Anschaffungskosten für
das bebaute Grundstück dar, der in Form von erhöhter AfA nach Maßgabe des § 9 Abs.
1 Satz 3 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) anteilig steuermindernd zu
berücksichtigen ist.
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Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) diejenigen
Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben
und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Erwerben bedeutet nach der
Rechtsprechung des BFH das Überführen eines Gegenstandes von der fremden in die
eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht (BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 IX R 14/89,
BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484). Die wirtschaftliche Verfügungsmacht wird i. d. R.
dadurch erlangt, dass Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber
übergehen (BFH, BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484). Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein
mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes Grundstück, so erhält er zunächst ein um
das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum; seine Befugnisse als Eigentümer i. S. von §
903 BGB sind beschränkt. Löst er das dingliche Nutzungsrecht ab, so beseitigt er die
Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse und verschafft sich die vollständige
rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück. Aufwendungen, die
hierdurch entstehen, sind begrifflich nachträgliche Anschaffungskosten des
Vermögensgegenstandes "Grundstück" i. S. von § 255 Abs. 1 HGB; dementsprechend
sind Aufwendungen zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen in der
Rechtsprechung des BFH regelmäßig als nachträgliche Anschaffungskosten des
Grundstücks angesehen worden (BFH, BFHE 169, 313, BStBl II 1993, 484;
Finanzgericht Münster, Urteil vom 16.8.1994 15 K 4558/92 E, EFG 1995, 65).
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Im Streitfall handelt es sich zwar nicht um eine dingliche Belastung des Grundstücks mit
den Verbindlichkeiten des Vaters. Die Belastung mit dem gesetzlichen Anspruch der
Gläubiger des Vaters nach § 7 AnfG ist jedoch wirtschaftlich gleichzusetzen mit dem
Bestehen einer Grundschuld bzw. einer Hypothek, die ebenfalls (dingliche) Rechte der
Grundpfandgläubiger gegen die Eigentümer der Grundstücke auf Duldung der
Zwangsvollstreckung beinhalten. Ebenso wie die Löschung eines Grundpfandrechts
dazu führt, dass das Grundstück lastenfrei wird und somit eine Erweiterung der
Verfügungsmöglichkeiten eintritt (z. B. durch erneute Belastung), führt die Beseitigung
der gesetzlichen Duldungsverpflichtung gem. § 7 AnfG dazu, dass über den
anfechtungsbelasteten Gegenstand nunmehr durch den Eigentümer ohne
Einschränkung verfügt werden kann (Finanzgericht Münster Urteil vom 16.8.1994 15 K
4558/92, EFG 1995, 65). Insoweit ist der Streitfall auch mit dem Sachverhalt
vergleichbar, der der vom Kläger zitierten Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf
(Urteil vom 14.7.1997 11 K 6927/94, EFG 1997, 1225) zugrunde lag, denn der
Rückforderungsanspruch der Sozialversicherungsträger wegen Verarmung des
Schenkers ruht - wirtschaftlich gesehen - wie eine dingliche Belastung auf dem
Grundstück. In seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkung kommt der
übergeleitete gesetzliche Rückübertragungsanspruch einer dinglichen Belastung in
Gestalt einer Grundschuld oder Hypothek nahezu gleich.
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Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des BFH steht der hier getroffenen
Entscheidung nicht im Wege. Der BFH hatte sich bislang nur mit der Abgrenzung
zwischen sofort abzugsfähigen Werbungskosten und Aufwendungen auf der
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Vermögensebene zu befassen. In den einschlägigen Entscheidungen (BFH vom
9.9.1997 IX R 75/94, BFH/NV 1998, 310; vom 19.12.2000 IX R 66/97, BFH/NV 2001,
767) hat er die Frage, ob die entsprechenden Aufwendungen als nachträgliche
Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind, stets offen gelassen. Die erstinstanzlichen
Entscheidungen hatten dies jedoch so gesehen.
Soweit der Kläger über die anteilig anerkannten Schuldzinsen weitere Schuldzinsen als
Werbungskosten geltend macht, hat die Klage nur insoweit Erfolg, als die Zinsen mit
den nachträglichen Anschaffungskosten im Zusammenhang stehen.
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Die im Zusammenhang mit dem Ende 2002 aufgenommenen Darlehen über 40.000
EUR geltend gemachten Zinsen hat der Beklagte zutreffend nur in Höhe von 55 v.H. als
Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt. Nur in Höhe dieses Anteils ist ein
Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung feststellbar. Der
Kläger, der die Feststellungslast für diese steuermindernden Tatsachen trägt, hat eine
Verwendung des Darlehens für den Umbau der vermieteten Wohnung nicht
nachgewiesen. Der Vortrag, er habe von seiner Mutter während der Bauphase ein
Darlehen über 20.000 DM bekommen, das er später bei Auszahlung des Darlehens in
zwei Raten zu je 5.000 EUR an die Mutter zurückgezahlt habe, reicht dafür nicht aus.
Zwar ist nach Vorlage der Kontoauszüge davon auszugehen, dass der Kläger das Geld
von der Mutter tatsächlich bekommen hat. Ob dies jedoch darlehensweise oder
schenkweise erfolgte, ist nicht deutlich geworden. Der Hinweis auf dem Auszug
"Bauzuschuss" kann beides bedeuten. Ungeachtet des Fehlens eines konkreten
Verwendungsnachweises für den von der Mutter erhaltenen Betrag ist auch die
Rückzahlung nicht nachgewiesen. Die bloße Abhebung von Barbeträgen in Höhe von
zweimal 5.000 EUR reicht dafür ohne weitere Nachweise nicht aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 FGO.
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Die Revision war zuzulassen. Sie dient der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO). Der BFH hat - wie ausgeführt - die Frage, ob nachträgliche Zahlungen, wie die
hier geltend gemachten, zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, ersichtlich noch
nicht entschieden.
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