Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: beruf, gewerkschaft, steuer, sammlung, einkünfte, begriff, erfüllung, quelle, zusammenwirken, gestaltung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2004
Aktenzeichen:
7 K 9184/06 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 4
Abs 4 EStG 2002, § 12 Nr 1 S 2
EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 1
EStG 2002, § 9 Abs 5 EStG 2002
Aufwendungen für kleinere Werbegeschenke zur Vorbereitung
der Wahl in den Personalrat als Werbungskosten
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit dem Ziel, seine Ausgaben für kleinere Werbegeschenke zur
Vorbereitung seiner Wahl in den Personalrat als weitere Werbungskosten berücksichtigen
lassen zu können, gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004.
Der Kläger war im Streitjahr 2004 als Steuer-Außenprüfer berufstätig. Als
Vorstandsmitglied der Bezirksgruppe am Finanzamt L..... der Deutschen Steuer-
Gewerkschaft kandidierte er im Jahr 2004 bei den Personalratswahlen. Dafür bestellte er
als sog. "Streuware" verschiedene Werbeartikel (Schlüsselanhänger, Taschenkalender,
Fruchtgummipackungen) im Rechnungsgesamtwert von 559,-- €. Diesen
Zahlungsbetrag machte er mit seiner Einkommensteuererklärung 2004 als
Werbungskosten geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005
ließ der Beklagte sie indes unberücksichtigt und erläuterte dazu, Aufwendungen für
Gewerkschaftspropagandamaterial seien keine Werbungskosten. Zur Begründung seines
u.a. auf diesen Punkt bezogenen Einspruchs führte der Kläger an, dass Beiträge zu
Berufsverbänden und Gewerkschaften ebenso wie Aufwendungen eines Arbeitnehmers
im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit als
Werbungskosten anzuerkennen seien und verwies dafür auf eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 28. November 1980 - VI R 193/77 - Amtliche
Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE -132, 431, Bundessteuerblatt - BStBl - II
1981, 368). Hätte im Übrigen seine Gewerkschaft diese Kosten getragen und er ihr
alsdann eine entsprechende Zuwendung gemacht, wäre für ihn ein solche Erstattung
ebenfalls abzugsfähig gewesen. Die bloße Verkürzung des Zahlungsweges könne für ihn
nicht den Werbungskostenabzug ausschließen. Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai
2006 wies der Beklagte den Einspruch insofern als unbegründet zurück. Die dem Kläger
für das Wahlkampfmaterial entstandenen Kosten seien weder als Erwerbsaufwendungen
anzusehen noch sicherten sie irgendwie seine Existenz. Vielmehr habe sie der Kläger
nebenher getätigt, um weiter seine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben zu können.
Werbungskosten lägen daher nicht vor.
Mit seiner hiergegen beim Beklagten eingereichten, dem Gericht am 10. Juli 2006
übermittelten Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen aus dem Einspruchsverfahren
weiter und nimmt wiederholend und vertiefend auf sein dortiges Vorbringen Bezug.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich, die Einkommensteuer 2004 abweichend von dem
Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006 unter Berücksichtigung weiterer
Werbungskosten in Höhe von 559,-- € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.
Seine Rechtsverteidigung beruht auf dem Inhalt der angegriffenen Bescheide, an denen
er festhält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die vom
Beklagten vorgelegte Akte (Band II Einkommensteuerakten) zur St.-Nr. .../.../..... Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat konnte gemäß § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - bestimmen,
den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, da der Streitwert der
Klage den Betrag von fünfhundert Euro nicht übersteigt.
Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006, der die Ausgaben des
Klägers für kleinere Werbegeschenke zur Vorbereitung seiner Wahl in den Personalrat
vom weiteren Werbungskostenabzug ausnimmt, ist rechtswidrig und verletzt ihn in
seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 FGO).
Werbungskosten sind über den Wortlaut von § 9 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sondern überhaupt alle Aufwendungen, die
durch den Beruf veranlasst sind. Der Werbungskostenbegriff ist insofern deckungsgleich
mit dem Begriff der Betriebsausgaben des § 4 Abs. 4 EStG. Eine berufliche bzw.
betriebliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit bzw. bei Betriebsausgaben stets dann anzunehmen, wenn
objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf oder dem Betrieb besteht und subjektiv die
Aufwendungen zur Förderung des Berufs bzw. des Betriebes gemacht werden. Stehen
die Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist für den
Begriff der Werbungskosten aber nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des
Steuerpflichtigen, den Beruf zu fördern, der Wirklichkeit entsprechen, d.h. geeignet sind,
dieses Ziel zu erreichen. Der Werbungskostenabzug ist daher nicht davon abhängig, ob
der mit den Aufwendungen erstrebte Zweck eingetreten ist und ob die Aufwendungen
nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig waren (BFH, Urteil
vom 28. November 1980 - VI R 193/77 - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des
BFH - BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).
Nach diesen Grundsätzen sind (Reisekosten-)Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die
Ausübung eines gewerkschaftlichen Ehrenamtes als durch seinen Beruf veranlasste
Werbungskosten anzusehen. Gewerkschaften, deren Zweck auf die Veränderung von
Sozialpolitik und Wirtschaftsordnung zugunsten der Beschäftigten sowie auf die
unmittelbare Förderung der rein beruflichen Bedingungen der ihnen angeschlossenen
Mitglieder gerichtet ist, verfolgen diese Zielstellungen im allgemeinen durch
berufsbezogene Maßnahmen. U.a. diese solidarische Interessenvertretung der
Arbeitnehmer durch Gewerkschaften bildet ein wirksames Mittel der Arbeitnehmer zur
Verbesserung ihrer beruflichen Bedingungen, im besonderen auch ihrer Einnahmen. Aus
diesen Gründen ist hinsichtlich der Aufwendungen eines Mitglieds für seine Gewerkschaft
zwecks Förderung dieser solidarischen Gemeinschaft ein objektiver, durch
Aufgabenstellung und Arbeit des Berufsver-bandes sichtbar werdender Zusammenhang
mit seiner eigenen Berufstätigkeit zu bejahen (BFH, Urteil vom 28. November 1980 - VI R
193/77 - aaO. S. 370).
Auch der vom Kläger verfolgten Mitgliedschaft im Personalrat kommt eine solche
genügend enge Beziehung zu seiner Berufstätigkeit zu. Der Personalrat zählt zu den
Personalvertretungen (§ 1 Abs. 2 des Berliner Personalvertretungsgesetzes - PersVG),
die in den Landesverwaltungen bei den einzelnen Dienststellen, so insbesondere auch
bei den einzelnen Finanzämtern (Nr. 9 der Anlage zu § 5 Abs. 1 PersVG), gebildet
werden (§ 1 Abs. 1 PersVG), und wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt (§ 16
Abs. 1 PersVG). Zu den allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung, die der
Personalrat während seiner regelmäßig vier Jahre dauernden Amtszeit (§ 23 Satz 1
PersVG) wahrzunehmen hat, gehört es u.a., Maßnahmen zu beantragen, die der
Dienststelle und ihren Angehörigen dienen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 PersVG), darüber zu
wachen, dass die für die Dienstkräfte geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften,
Tarifverträge und Dienstvereinbarungen durchgeführt werden (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 PersVG),
die Eingliederung und berufliche Entwicklung Schwerbehinderter und sonstiger
schutzbedürftiger, insbesondere älterer Personen zu fördern (§ 72 Abs. 1 Nr. 4 PersVG)
und darüber zu wachen, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern
herbeigeführt wird (§ 72 Abs. 1 Nr. 9 PersVG).
Die Sicherung und Verbesserung des eigenen Berufsbereichs ist im Rahmen der
Personalvertretungsmitwirkung auch hinsichtlich der Mitbestimmungsangelegenheiten (§
85 PersVG) angesprochen. Diese beziehen sich etwa auf Beginn und Ende der täglichen
Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen
Wochentage (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG), die Anordnung von Mehrarbeit und
Überstunden (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 PersVG), Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und
Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 85 Abs. 1 Nr. 7 PersVG),
Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle (§ 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG), die
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Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle (§ 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG), die
Gestaltung der Arbeitsplätze (§ 85 Abs. 1 Nr. 12 PersVG) und die Einführung und
Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die
Leistung der Dienstkräfte zu überwachen (§ 85 Abs. 1 Nr. 13 PersVG).
Die vom Kläger angestrebte Tätigkeit im Personalrat ist ihrerseits auch nicht losgelöst
von seinem Eintreten für gewerkschaftliche Zielstellungen zu sehen. Denn die
Dienststellen und Personalvertretungen arbeiten unter Beachtung der Gesetze und
Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in den Dienststellen
vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Dienstkräfte
und zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zusammen (§ 2 Abs. 1 PersVG). Zudem hat
der Personalrat auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder oder der Mehrheit einer
Gruppe je einem Beauftragten der unter den Mitgliedern des Personalrats vertretenen
Gewerkschaften zu seinen Sitzungen einzuladen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 PersVG), mögen
sich diese Gewerkschaftsbeauftragten auch von einer etwaigen späteren
Beschlussfassung fernhalten müssen (§ 31 Abs. 2 Satz 3 PersVG). Unter diesen
Umständen geht der Vorhalt des Beklagten, die vom Kläger verfolgte Wahl in den
Personalrat bzw. seine etwaige spätere Mitarbeit in der Personalvertretung kämen nicht
seiner (Mitglieds-)Gewerkschaft zu Gute und zielten an erster Stelle darauf, seinen
Wunsch, weiterhin ein Ehrenamt ausüben zu können, zu verwirklichen, ins Leere. Die
Mitwirkung in der Personalvertretung lässt sich im Übrigen nicht von einer
ehrenamtlichen Betätigung trennen; denn die Mitglieder des Personalrats führen kraft
Gesetzes ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 42 Abs. 1 PersVG).
Auch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG schließt es nicht aus, denjenigen Werbeaufwand, den der
Kläger getrieben hat, um die Chancen seiner Wahl in den Personalrat seiner Dienststelle,
des Finanzamtes L....., zu steigern, als Werbungskosten bei seiner Einkünften aus
nichtselbständiger Tätigkeit anzuerkennen. Hiernach dürfen Aufwendungen für die
Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des
Steuerpflichtigen mit sich bringt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom
Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des
Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Eine nennenswerte (Mit-
)Befriedigung privater Interessen steht bei der Beschaffung für sich genommen
geringwertiger Artikel mit dem Werbeaufdruck für die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, auf
deren Liste der Kläger zu kandidieren beabsichtigte, nicht in Rede.
Das Anliegen des Klägers, seinen Werbeaufwand als Werbungskosten berücksichtigen
lassen zu können, scheitert schließlich nicht daran, dass Aufwendungen für Geschenke
an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, in entsprechender
Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht als Werbungskosten zählen dürfen (§
9 Abs. 5 EStG). Denn die über § 9 Abs. 5 EStG in Bezug genommene Regelung von § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt ihrerseits nicht zum Tragen, wenn nicht die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr
zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro übersteigen. Der Wert der
Werbegeschenke, die der Kläger einzelnen potentiellen Wählern zukommen ließ,
erreichte diesen Betrag erkennbar bei weitem nicht.
Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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