Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: grundstück, verletzung der anzeigepflicht, bemessungsgrundlage, neue tatsache, neues gebäude, baukosten, erwerb, steuerfestsetzung, aufspaltung, kapitalwert

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 K 1422/05 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 174 Abs 4 AO, § 1 Abs 1 Nr 1
GrEStG 1983
Änderungsbefugnis und einheitliches Vertragswerk bei einem
aus 2 Erwerbsvorgängen bestehenden Lebenssachverhalt
Leitsatz
Die Bestellung eines Gesamterbbaurechts an 2 Nachbargrundstücken dur die beiden
Eigentümer stellt einen aus 2 Erwerbsvorgängen bestehenden Lebenssachverhalt dar, bei
dem im Falle der irrigen Beurteilung des einen Erwerbsvorganges auch die Steuerfestsetzung
für den anderen Erwerbsvorgang nach § 174 abs. 4 AO noch geändert werden darf mit der
Folge, dass auch für den anderen Erwerbsvorgang ein einheitliches Vertragswerk
angenommen wird.
Tatbestand
In der notariellen Verhandlung vom 23. Februar 1994 (UR-Nr.: … des Notars …)
bestellten die A und B an dem Grundstück G.1. (3.657 m²) - Eigentümer: B - und an
dem angrenzenden Grundstück G.2. (ca. 4.015 m²) - Eigentümer: A - zugunsten der
Klägerin ein Gesamterbbaurecht. Der Anteil der A an der Gesamtfläche von 7.672 m²
betrug 52 %, der des B 48 %, wie aus der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten
am 27. November 2003 vor dem Finanzgericht - FG - Berlin in dem Verfahren 1 K
1318/01 folgt.
Der Zweck der Bestellung des Erbbaurechtsvertrages bestand gemäß § 2 darin, ein
Gebäude entsprechend dem Entwurf des Architekten M. zu errichten. Nach § 3 der
Vereinbarung war die Klägerin als Erbbauberechtigte verpflichtet, das Bauwerk zu
errichten. In einer weiteren Vereinbarung vom 18./23.02.1994 wurde u. a. die
Verpflichtung der Klägerin geregelt, das bebaute Erbbaurecht der C, einer Organtochter
der D - AG und der E - AG, im Rahmen eines Leasingvertrages zur Nutzung zu
überlassen. Die C hatte wiederum selbst mit der A am 18./23. Februar 1994 einen
Leasingvertrag geschlossen, wonach die A als Erbbaurechtsgeber und
Grundstückseigentümer das bebaute Grundstück nutzen sollte. Der A wurde gegenüber
der Klägerin im Rahmen des Erbbaurechtsvertrages auch ein Ankaufsrecht eingeräumt
für voraussichtlich den 31. Dezember 2016 bzw. spätestens den 31. Dezember 2026.
Der Beklagte setzte zunächst mit zwei Bescheiden vom 5. Juli 1994, bezogen auf zwei
Erwerbsvorgänge wegen der beiden beteiligten Grundstückseigentümer auf der
Veräußererseite, gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest, wobei er lediglich
jeweils den kapitalisierten Erbbauzins als Bemessungsgrundlage ansetzte. Bezogen auf
den Erwerbsvorgang der Klägerin mit der A ergab sich eine Grunderwerbsteuer von
676.926,00 DM und hinsichtlich des Erwerbsvorganges mit dem B eine
Grunderwerbsteuer von 616.567,00 DM.
Nur gegen den hinsichtlich des Erwerbsvorganges der Klägerin mit der A ergangenen
Bescheid erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, dass der Erbbauzins lediglich
aufschiebend bedingt vereinbart worden sei und deshalb noch keine Grunderwerbsteuer
angefallen sein könne.
Ende des Jahres 1995 erhielt der Beklagte aufgrund einer bei der Klägerin in X
durchgeführten Betriebsprüfung über eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes Y vom 7.
Dezember 1995 Kenntnis von einem Generalübernehmervertrag, der am 20. Oktober/7.
November 1994 zwischen der Klägerin und der A als Generalübernehmer schriftlich
vereinbart worden war. Die Generalübernehmer-Vertragssumme betrug netto 191 Mio.
DM. Hinzu kamen nach dem Bericht des Finanzamtes X vom 18. November 1996 noch
weitere Aufwendungen hinzu (s. S. 2 der Einspruchsentscheidung vom 21. September
2005), so dass sich ein Gesamtbetrag von 230.217.774,00 DM ergab.
Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt durch Änderungsbescheid vom 29.
6
7
8
9
10
11
Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt durch Änderungsbescheid vom 29.
Dezember 1998 die Grunderwerbsteuer hinsichtlich des von der A zugunsten der
Klägerin bestellten Erbbaurechts - Vorgang II - auf 4.604.355,00 DM fest. Zugleich
berücksichtigte es abweichend von der ursprünglichen Festsetzung nicht mehr den
gesamten kapitalisierten Erbbauzins, sondern nur noch den Kapitalwert für das
Nutzungsentgelt vom 1. März 1994 bis zum 30. September 1997, d. h. einen Betrag von
nunmehr 6.016.074,00 DM.
Der nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - geänderte Bescheid wurde
Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Die Klägerin ergänzte ihr bisheriges Vorbringen
im Einspruchsverfahren dahin, dass die Änderung unzulässig sei.
Den Einspruch wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 16. Juli 2001 zurück. Die
daraufhin erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht - FG - Berlin durch
Urteil vom 27. November 2003 (Aktenzeichen: 1 K 1318/01) nur den auf die anteilige
Bebauung des A-Grundstücks entfallenden Aufwand - neben dem oben genannten
Kapitalwert - in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezog. Die
Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG Berlin
wies der Bundesfinanzhof - BFH - durch Beschluss vom 15. April 2005 (Aktenzeichen: II B
21/04) als unbegründet zurück.
Mit gemäß § 174 Abs. 4 AO geändertem Bescheid vom 20. Januar 2004 setzte der
Beklagte die Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung von 48 % der Kosten laut
Generalübernehmervertrag zuzüglich Baunebenkosten (s. o.) in Höhe von
107.616.816,00 DM auf 2.768.904,00 DM für den hier streitigen Erwerb des Erbbaurechts
von dem B - Vorgang I - gegen die Klägerin fest. Dabei bezog er außerdem - wie im
Ausgangsbescheid vom 5. Juli 1994 - den gesamten kapitalisierten Erbbauzins in Höhe
von 30.828.393,75 DM in die Bemessungsgrundlage ein.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und berief sich darauf, dass eine Änderung des
angefochtenen Bescheides wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung nicht
mehr möglich sei. Eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 174 Abs. 4 AO liege nicht vor,
weil bezüglich der Frage eines einheitlichen Vertragswerks keine irrige Beurteilung
seitens des zuständigen Finanzamtes erfolgt sei. Dieses habe lediglich die Beurteilung
des Finanzamtes X gemäß dem Betriebsprüfungsbericht vom 18. November 1996
übernommen. Die Erfassung sämtlicher Baukosten bei dem Vorgang II sei erfolgt, weil
allein die A Generalübernehmerin gewesen sei. Deshalb sei es für sie - die Klägerin -
nicht erkennbar gewesen, dass ein bestimmter Sachverhalt, hier das Vorliegen eines
einheitlichen Vertragswerks, in dem Steuerbescheid für den Vorgang I in der Annahme
nicht berücksichtigt worden sei, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu erfassen
sei. Eine Änderung nach § 174 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 AO scheide bereits aus diesem
Grund aus. Im Übrigen liege ein einheitliches Vertragswerk für den Vorgang I nicht vor.
Der Generalübernehmervertrag sei ausschließlich zwischen der A und ihr - der Klägerin -
ausgehandelt worden. Der B sei zu keinem Zeitpunkt in die Verhandlungen einbezogen
worden, so dass er weder bewusst noch gewollt in dieses Konzept eingebunden gewesen
sei.
Durch Einspruchsentscheidung vom 21. September 2005 wies der Beklagte den
Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO seien
erfüllt. Der bestimmte Sachverhalt ergebe sich aus dem Erwerb der Erbbaurechte an
den Grundstücken G.1. und G.2. - als Vorgänge I und II bezeichnet - laut Vertrag vom 23.
Februar 1994. Das Finanzamt habe beim Vorgang II das Investitionsvolumen in die
Bemessungsgrundlage gemäß dem Betriebsprüfungsbericht vom 18. November 2000
einbezogen. Die Berücksichtigung des Investitionsvolumens in dieser Höhe sei aufgrund
irriger Beurteilung des o. a. Sachverhalts erfolgt. Das Finanzgericht habe das
Investitionsvolumen zu 52 % bei dem Vorgang II berücksichtigt. Aufgrund des
Klageverfahrens sei der Ursprungsbescheid vom 5. Juli 1994 insoweit zugunsten der
Klägerin aufgehoben worden. Die irrige Beurteilung des Finanzamtes habe darin gelegen,
dass es die Grundstücksbebauung allein dem Vorgang II zuordnete. In Kenntnis der
Tatsache, dass sich die Bebauung auch auf das Grundstück des B - Vorgang I - erstreckt
habe, sei dieser Irrtum für die Klägerin erkennbar gewesen. Die Ausführungen des FG
Berlin zum einheitlichen Vertragswerk in seinem Urteil vom 27. November 2003 (s. o.)
seien auch hinsichtlich des Erwerbsvorganges zwischen der Klägerin und dem B -
Vorgang I - maßgeblich. Danach liege ein einheitliches Vertragswerk dann vor, wenn im
Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages die Art und die
Investitionskosten des Bauvorhabens bereits festgelegt gewesen seien. Träten auf der
Veräußererseite mehrere Personen oder Unternehmen auf, so sei es für das Vorliegen
eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen erforderlich, dass die
auf der Veräußererseite Beteiligten untereinander personell, gesellschaftsrechtlich oder
12
13
auf der Veräußererseite Beteiligten untereinander personell, gesellschaftsrechtlich oder
wirtschaftlich miteinander verbunden seien oder aufgrund von Abreden bei der
Veräußerung zusammenarbeiteten und durch abgestimmtes Verhalten darauf
hinwirkten, dass das Grundstück bei dem Erwerber als bebautes Grundstück ankomme.
Im Streitfall werde eine entsprechende Zusammenarbeit auf der Veräußererseite bereits
in der Formulierung des § 2 des Erbbaurechtsvertrages deutlich. Das Vertragsobjekt
werde von beiden Mitveräußerern als Gesamterbbaurecht bezeichnet und zur Errichtung
eines Gebäudes entsprechend dem Entwurf des Architekten M. in der Fassung, die durch
das …amt … genehmigt werden würde, verkauft. Den entsprechenden Antrag auf
Baugenehmigung vom 15. Dezember 1993 habe der B mit unterzeichnet. Abweichungen
von der genehmigten Bauausführung hätten der Zustimmung sämtlicher
Vertragsparteien bedurft. Die Festsetzungsfrist für die Änderung der Steuerfestsetzung
sei nicht gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AO abgelaufen, weil die
steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des
fehlerhaften Bescheides gezogen worden seien. Die Änderung des fehlerhaften
Bescheides zum Vorgang II sei durch Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 27. November
2003 geschehen, die Änderung zum Vorgang I sei mit Bescheid vom 20. Januar 2004
erfolgt.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.
Die Klägerin macht geltend, eine Änderung des Ausgangsbescheides scheitere bereits
daran, dass weder die Voraussetzungen des § 173 AO noch die des § 174 Abs. 4 AO
vorlägen. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sei nicht anwendbar, weil die Festsetzungsfrist für
den streitigen Rechtserwerb vom 5. Juli 1994 zum 20. Januar 2004 bereits um Jahre
abgelaufen und auch nicht nachvollziehbar sei, welche neuen Tatsachen eine Änderung
nach § 173 AO rechtfertigen sollten. Die Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO komme nicht
zum Zuge, weil es zum einen an der erforderlichen Sachverhaltsidentität fehle. Der hier
zu beurteilende Sachverhalt beziehe sich auf die Rechtsbeziehung zwischen dem B und
ihr - der Klägerin -, während der aufgrund des Urteils des Finanzgerichts Berlin geänderte
Bescheid auf der Rechtsbeziehung zwischen der A und der Klägerin beruhe. Insoweit
könne allenfalls von einer Teilidentität der Sachverhalte gesprochen werden. Dies
genüge für die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO nicht, weil es sich nicht um ein und
denselben Lebensvorgang handele. Des Weiteren fehle es an einer irrigen Beurteilung
der für den Erlass des Steuerbescheides zuständigen Finanzbehörde. Der Beklagte habe
lediglich mechanisch die Ergebnisse des Betriebsprüfungsberichtes übernommen, nach
dem sämtliche Baukosten in die Bemessungsgrundlage des grunderwerbsteuerbaren
Vorgangs von der A einzubeziehen seien. Darüber hinaus habe der Beklagte bei der
Erhöhung der Bemessungsgrundlage die Bestellung des Erbbaurechts durch den B
übersehen und folglich nicht gewürdigt. Ein Irrtum über einen Sachverhalt setze jedoch
voraus, dass die Finanzbehörde den Sachverhalt tatsächlich beurteilt und nicht schlicht
übersehen habe. Dass das Finanzamt den Erwerbsvorgang mit dem B außer Acht
gelassen und somit übersehen habe, habe es in der mündlichen Verhandlung vom 27.
November 2003 vor dem Finanzgericht Berlin eingeräumt, wie dies auch im Tatbestand
des Urteils auf Seite 15 und in den Entscheidungsgründen auf Seite 23 festgehalten sei.
Davon abgesehen lägen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. § 174
Abs. 3 Satz 1 AO nicht vor, weil nach Ablauf der Festsetzungsfrist eine Änderung nur
möglich sei, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der
Annahme nicht berücksichtigt worden sei, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu
berücksichtigen sei. Von einer Erkennbarkeit könne nicht die Rede sein, denn die
Zuschlagung sämtlicher Bebauungskosten zu dem grunderwerbsteuerbaren Vorgang
zwischen der A und ihr - der Klägerin - sei deshalb erfolgt, weil allein die A
Generalübernehmerin gewesen sei. Sie - die Klägerin - habe zudem bei verständiger
Würdigung des an sie gerichteten Bescheides nicht erkennen müssen, dass und warum
ein bestimmter Vorgang dort nicht berücksichtigt worden sei. Ferner fehle es an dem für
das Bestehen eines engen sachlichen Zusammenhangs erforderlichen einheitlichen
Angebot der Anbieterseite, d. h. B und A. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Erbbaurechtsvertrages sei eine Gebäudeerrichtungsverpflichtung der Veräußererseite
weder beabsichtigt noch gegeben gewesen. Vorgesehen sei nach dem
Erbbaurechtsvertrag vielmehr, dass sie - die Klägerin - das Gebäude errichte. Auch die
Absicht einer Generalübernehmerstellung der A zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Erbbaurechtsvertrages habe nicht bestanden. Vielmehr sei die Einzelvergabe der
einzelnen Gewerke durch sie - die Klägerin - vorgesehen gewesen. Erst als diese
ursprüngliche Planung verworfen und die Einschaltung eines Generalunternehmers für
sinnvoll erachtet worden sei, seien Verhandlungen über den Abschluss eines
Generalübernehmervertrages zunächst mit der F - AG geführt worden. Zwar könne ein
objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstücksübertragungs- und
Bauerrichtungsvertrag auch dann bestehen, wenn auf der Veräußererseite mehrere
Personen als Vertragspartner aufträten. Notwendig sei jedoch, dass die Umstände des
14
15
16
Personen als Vertragspartner aufträten. Notwendig sei jedoch, dass die Umstände des
Zusammenwirkens dieser Personen ergäben, dass der Erwerber ein bebautes
Grundstück erhalte. Wenn die auf der Veräußererseite handelnden mehreren Personen
nicht personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden seien wie im
Streitfall, so liege ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen Übertragungs-
und Bauerrichtungsvertrag nur dann vor, wenn diese Vertragspartner aufgrund von
Abreden durch abgestimmtes Verhalten für den Erwerber objektiv erkennbar auf den
Abschluss der Verträge hinwirkten. Ein derartiges abgestimmtes Verhalten zwischen A
und B habe jedoch nicht bestanden. Dem B sei es allein auf die mietweise Nutzung des
geplanten Vorhabens angekommen. Wer das Gebäude später errichtet habe, sei für ihn
belanglos gewesen. Es habe kein Anlass für ein abgestimmtes Verhalten mit der A
bestanden. Darüber hinaus sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Erbbaurechtsvertrages für den B nicht erkennbar gewesen, dass die A insoweit eine
Generalübernehmerfunktion ausüben würde. Die Annahme eines auf die Übereignung
des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes hinwirkenden abgestimmten Verhaltens
zwischen A und B sei daher konstruiert. Das von dem Beklagten unterstellte
abgestimmte Verhalten des B hätte sich auf etwas richten müssen, was zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Erbbaurechtsvertrages weder beabsichtigt noch erkennbar
gewesen sei. Für die Annahme eines abgestimmten Verhaltens genüge ein bloßes
zufälliges Zusammentreffen der auf der Veräußererseite handelnden Personen ebenso
wenig wie ein bloß tatsächliches Gewährenlassen des Dritten. Außerdem habe nicht die
für die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs erforderliche Bindung an
eine etwaige Gebäudeerrichtung durch die Veräußererseite bestanden. Zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Erbbaurechtsvertrages habe es auch keinen von der
Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablauf gegeben, weil sie - die Klägerin - zu
diesem Zeitpunkt offenbar beabsichtigt habe, das Gebäude selbst zu errichten oder dies
durch Dritte vornehmen zu lassen. Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof - BFH - in
seinem Urteil vom 23. Oktober 2002 (Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2003, 199)
entschieden, dass in der Gebäudeherstellungsverpflichtung regelmäßig keine
Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts liege. Die vom BFH geforderten
Regelungen im Erbbaurechtsvertrag, aus denen hervorgehe, dass die Bauleistung dem
Erwerber selbst zugute komme und somit keine Gegenleistung vorliege, seien im
Streitfall erfüllt. Sie - die Klägerin - sei zur Unterhaltung des Bauwerks verpflichtet.
Ergänzt werde dies durch weitere Verpflichtungen in den §§ 6 bis 10 des Abschnittes b
des Erbbaurechtsvertrages. Darüber hinaus erhalte sie nach dem Vertrag bei Erlöschen
des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in
Höhe des Verkehrswertes. Im Ergebnis kämen daher die Verwendungen auf das
Erbbaugrundstück ihr - der Klägerin - als Erbbauberechtigte dauerhaft zugute. Schließlich
fehle es an Indizien für ein einheitliches Vertragswerk. Auch ein faktischer Zwang, der nur
bei einer in einem einheitlichen Baukörper sich befindenden Eigentumswohnung
gegeben sei, bestehe im Streitfall nicht, da hier insgesamt ein neues Gebäude gebaut
und Grundstücksverkäufer sowie die A als späterer Bauunternehmer unterschiedliche
Personen seien. Für den Beweis eines einheitlichen Vertragswerkes bedürfe es im
Einzelfall der konkreten Feststellung, ob und in welchem Umfang ein künftiger
Grundstückszustand als Gegenleistung des Erwerbsvorganges anzusehen sei.
Hinsichtlich des Vorliegens vorheriger Absprachen sei ein konkreter Nachweis
erforderlich. Derartige Nachweise seien hier nicht erbracht. Da aber insoweit das
Finanzamt die Feststellungslast trage, habe die Klage Erfolg.
den Änderungsbescheid vom 20. Januar 2004 und die
dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. September 2005
aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
Er bezieht sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und hält weiterhin die
Voraussetzung für eine Änderung des Ausgangsbescheides vom 5. Juli 1994 für erfüllt.
So sei einmal § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anwendbar, weil mit Bekanntwerden des
Generalübernehmervertrages Ende 1995 eine neue Tatsache auch für den Vorgang
B/Klägerin vorgelegen habe, die in Zusammenschau mit den §§ 2 und 3 des
Erbbaurechtsvertrages zu dem Ergebnis eines einheitlichen Vertragswerks führe. Zum
anderen seien die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO erfüllt. Der nach § 173 AO
geänderte Bescheid für den Vorgang II sei am 29. Dezember 1998 ergangen und
aufgrund des Einspruchs der Klägerin durch das Urteil des Finanzgerichts vom 27.
November 2003 teilweise aufgehoben worden. Innerhalb eines Jahres nach dieser
Entscheidung, d. h. am 20. Januar 2004, sei der gemäß § 174 Abs. 4 AO geänderte
Bescheid für den Vorgang I erlassen worden. Im Streitfall sei die fehlerhafte
17
18
19
20
Bescheid für den Vorgang I erlassen worden. Im Streitfall sei die fehlerhafte
Entscheidung durch den Änderungsbescheid vom 29. Dezember 1998 für den Vorgang II
durch Einbeziehung sämtlicher Baukosten in die Bemessungsgrundlage getroffen
worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Festsetzungsfrist für den hier streitigen Vorgang I
noch nicht abgelaufen gewesen, so dass es auf die Erkennbarkeit im Sinne des § 174
Abs. 3 AO gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nicht ankomme. Ferner sei der bestimmte
Sachverhalt im Sinne des § 174 Abs. 4 AO nicht auf ein einzelnes Merkmal beschränkt,
sondern erfasse den einheitlichen, für die Besteuerung maßgeblichen
Sachverhaltskomplex, d. h. hier die Gesamtbebauung mit einem Gebäude. Im Übrigen
sei auch eine Erkennbarkeit im Sinne des § 174 Abs. 3 AO gegeben, weil für die Klägerin
im Hinblick auf die einheitliche Bebauung beider Erbbaugrundstücke mit einem von
beiden Veräußerern vorgeplanten Gebäude bei verständiger Würdigung erkennbar
gewesen sein müsse, dass nicht nur die auf das von der A erworbene Grundstück
entfallenden Baukosten der Grunderwerbsteuer unterlägen. Für die
Änderungsmöglichkeit nach § 173 AO sei zudem nicht auf den 20. Januar 2004
abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die fehlerhafte Entscheidung getroffen
worden sei. Des Weiteren liege ein einheitliches Vertragswerk vor, da ausreichend sei,
dass sich der Veräußerer in das einheitliche Vertragswerk einbinden lasse. Dies ergebe
sich hier neben den bereits in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen auch
aus der Tatsache, dass der B sich bereit erklärt bzw. verpflichtet habe, eine
Grundstücksteilfläche von H zu erwerben, um der Klägerin das Erbbaurecht an dieser für
das Bauvorhaben erforderlichen Fläche einräumen zu können. Hinzuweisen sei auf die
partnerschaftliche Vereinbarung zwischen A und B vom 31. März 1991, auf die in der
Anlage 1 (S. 5) zum Erbbaurechtsvertrag Bezug genommen werde. Darüber hinaus liege
im Streitfall ein abgestimmtes Verhalten zwischen dem B und der A als
Grundstücksveräußerin, Geschäftsbesorgerin und Generalunternehmerin vor. Dies
ergebe sich u. a. aus den in der Einspruchsentscheidung genannten Gründen und werde
weiterhin bestätigt durch die Ausführungen in der Präambel zum Entwurf des öffentlich-
rechtlichen Vertrages zwischen der A und dem B einerseits und H andererseits. Danach
hätten beide Veräußerer für die von ihnen beabsichtigte Bebauung einen Bauwettbewerb
ausgeschrieben. Außerdem sei die Unterbringung des B in dem neuen Gebäude von
Anfang an vorgesehen gewesen und bereits in der Bau- und Betriebsbeschreibung der
Architekten M & Partner vom 15. Dezember 1993 dargestellt worden. In den
Vereinbarungen zur Regelung nachbarschaftlicher Belange vom 20. Juli, 27. Juli und 27.
August 1993 werde ebenfalls ausgeführt, dass die Veräußerer gemeinsam
beabsichtigten, auf den Grundstücken G.2. , G.1. ein …-Zentrum zu errichten. Für die
Frage, in welchem Zustand die Parteien das Grundstück zum Gegenstand des
Erwerbsvorganges gemacht hätten, sei zudem entscheidend, ob der Erwerber im
Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und
"Wie" der Bebauung frei gewesen sei. Im Streitfall habe im Erwerbszeitpunkt eine
vollständige Planung, für die bereits am 15. Dezember 1993 eine Baugenehmigung
beantragt gewesen sei, vorgelegen. In § 3 des Erbbaurechtsvertrages habe sich die
Klägerin verpflichtet, das in § 2 beschriebene Bauwerk zu errichten. Schließlich gehe aus
dem Urteil des BFH vom 23. Oktober 2002 im Umkehrschluss hervor, dass bei Vorliegen
eines einheitlichen Leistungsgegenstandes zum Zeitpunkt des
Erbbaurechtsbestellungsvertrages eine Einbeziehung der Bebauungskosten in die
grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach wie vor gerechtfertigt sei.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die die Vorgänge I und II betreffenden
Grunderwerbsteuerakten (3 Bände) und die Streitakte 1 K 1318/01 des FG Berlin
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt nicht die Rechte der Klägerin.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass die formellen Voraussetzungen für eine Änderung
des Ausgangsbescheides vom 5. Juli 1994 vorliegen. Gemäß § 174 Abs. 4 AO durfte der
Beklagte die korrespondierende richtige Besteuerung des mit dem B vollzogenen
Erwerbsvorganges der Klägerin vornehmen, da diesem Erwerbsvorgang derselbe
Sachverhalt wie dem Vorgang II zugrunde liegt. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des
Finanzgerichts Berlin vom 27. November 2003 (1 K 1318/01) steht fest, dass die
Bestellung des Gesamterbbaurechts in engem objektiv sachlichen Zusammenhang mit
dem von der Veräußererseite, d. h. der A und dem B, vorgegebenen Bebauungskonzept
stand. Die Bebauungskosten sind anteilig in die grunderwerbsteuerliche
Bemessungsgrundlage nach den §§ 8, 9 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG -
einzubeziehen, weil insoweit die von der höchstrichterlichen Rechtssprechung genannten
21
22
23
24
einzubeziehen, weil insoweit die von der höchstrichterlichen Rechtssprechung genannten
Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstandes zum
Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs im Februar 1994 vorgelegen haben. Wie es in der
Entscheidung des FG Berlin (S. 19 f.) weiter heißt, war die Klägerin zum Zeitpunkt der
Erbbaurechtsbestellung hinsichtlich des Bebauungsvorhabens auf ein von der A als
Mitveräußerer im Einzelnen geplantes Bauvorhaben festgelegt, wobei die A als Bauherrin
das gesamte Baugeschehen in der Hand hatte. Dass die Klägerin als Erwerberseite
insoweit einem von der Veräußererseite vorgegebenen Bebauungskonzept unterworfen
war, ergibt sich im Übrigen auch aus den Formulierungen auf S. 18 des Anlageprospekts
vom November 1995, wonach die Klägerin hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen
Planung und Ausführung der Investition an die Vorgaben der Leasingnehmerin gebunden
war und sie das Baugeschehen aufgrund der abgeschlossenen Verträge nicht
beherrschte (Urteil des FG Berlin a. a. O., S. 20). Schließlich war danach die A als
Mitveräußerin im Rahmen des Erbbaurechtsbestellungsvertrages zunächst als
Geschäftsbesorgerin und später als Generalübernehmerin für die Durchführung des
gesamten Bauvorhabens verantwortlich (siehe näher das genannte Urteil, S. 21).
Dieser durch die gemeinsame Bestellung eines Gesamterbbaurechts seitens der A und
des B zugunsten der Klägerin und durch das vorgegebene Bebauungskonzept geprägte
Sachverhalt wird nicht aufgrund der in dem Urteil des FG Berlin vorgenommenen
rechtlichen Aufspaltung der Bebauungskosten auf die A und den B verändert. Zwar
betrifft der durch das eben genannte Urteil geänderte Bescheid vom 29. Dezember
1998 nur den Erwerbsvorgang II. Der hier streitige Erwerbsvorgang I bezieht sich
demgegenüber auf das Verhältnis zwischen der Klägerin und B. Der zugrunde liegende
Sachverhalt (siehe oben) ist aber von der rechtlichen Würdigung dieses
Lebensvorganges zu trennen. Dass der dem Bescheid vom 29. Dezember 1998 für
Vorgang II zugrunde liegende Sachverhalt - Gesamterbbaurechtsbestellung durch die A
und vorgegebenes Bebauungskonzept - in erster Linie das Grundstück der A, hinsichtlich
der Bebauungskosten aber auch das Grundstück des B erfasst, während es hier allein
um den B und sein Grundstück geht, steht der Änderung des Ausgangsbescheides
hinsichtlich des Erwerbsvorganges I nicht entgegen. Die richtige steuerliche Beurteilung
kann gegenüber der Klägerin vorgenommen werden, weil diese am betreffenden
Lebensvorgang sowohl gegenüber der A als auch gegenüber dem B beteiligt war.
Im Streitfall hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die zutreffende
rechtliche Konsequenz aus dem - von ihm zunächst nicht für rechtserheblich gehaltenen
- Umstand gezogen, dass ein und derselbe Lebenssachverhalt zwei rechtlich
verschiedene Grundstücke umfasst. Es kann keine Rede davon sein, dass der Beklagte
das Steuerrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem B übersehen habe.
Abgesehen davon, dass der Beklagte den Erwerbsvorgang I mit Bescheid vom 5. Juli
1997 der Grunderwerbsteuer unterworfen hat, zeigt die Einbeziehung der gesamten
Bebauungskosten in den Erwerbsvorgang II, dass der Beklagte insoweit den Sachverhalt
rechtsfehlerhaft gewürdigt hat. Aus dieser Einbeziehung folgt nämlich notwendig, dass
die gesamte Bebauung, die sich unzweifelhaft auf beide Grundstücke bezog, von dem
Beklagten erfasst worden ist. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Urteil noch aus
dem Protokoll der mündlichen Verhandlung (S. 5) vor dem FG Berlin (1 K 1318/01).
Daraus folgt lediglich die fehlerhafte Zuordnung der gesamten Bebauungskosten zum
Grundstück der A. Des Weiteren ist die Auffassung der Klägerin, es liege eine bloße
mechanische Übernahme des Betriebsprüfungsberichts des Finanzamtes X vor,
unzutreffend. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ein derartiger Bericht
keine Bindungswirkung entfaltet und dass das betreffende Finanzamt einen Auszug aus
dem Bericht zur Auswertung an das seinerzeit für die Steuerfestsetzung zuständige
Finanzamt für Erbschaftsteuer und Verkehrssteuern übersandt hat, von dem es zudem
mit der Prüfung beauftragt worden war.
Die von der Klägerin hervorgehobene Teilidentität wirkt sich nur auf die rechtliche
Bewertung des Sachverhaltes aus und bewirkt keine Aufspaltung des einheitlichen
Erwerbs eines Gesamterbbaurechts in zwei voneinander unabhängige
Lebenssachverhalte.
Maßgeblich ist zudem, dass es sich rechtstechnisch gesehen zwar um zwei
Erwerbsvorgänge handelt, die aber durch ein und denselben Sachverhalt (s. o.)
miteinander verknüpft sind und zu einem einzigen Erwerb, nämlich der Erlangung des
Gesamterbbaurechts durch die Klägerin, geführt haben. Dass dieser Erwerb durch zwei
Personen auf der Veräußererseite vermittelt wurde, ändert an der Identität des zugrunde
liegenden Sachverhaltes nichts. Gleichermaßen berührt die rechtliche Aufspaltung des
einheitlichen Erwerbs im Wege der anteiligen Zuordnung des Kapitalwertes für den
jährlichen Erbbauzins und der Kosten der Bebauung zu den beiden Grundstücken nicht
den tatsächlichen Lebensvorgang.
25
26
27
28
29
30
Der Unterscheidung zwischen Lebenssachverhalt (s. o.) und Erwerbsvorgang (hier:
Vorgänge I und II) steht auch im Streitfall nicht entgegen, dass die rechtliche Beurteilung
eines Lebensvorganges durch das (bekannte) Hin- und Herwandern des Blickes des
Rechtsanwenders zwischen Sachverhalt und Norm (Obersatz) vollzogen wird (Engisch,
Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Auflage, Seite 15). Trotz dieser
Verknüpfung ist der im Streitfall der Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO zugrunde gelegte
Lebenssachverhalt nicht identisch mit der Beurteilung, dass zwei Erwerbsvorgänge
vorliegen. Vielmehr handelt es sich dabei um Transformationen des natürlichen
Sachverhaltes in den juristischen (siehe z. B. Sauer, Juristische Elementarlehre, 1944, S.
28). Nach alledem stellen die beiden Erwerbsvorgänge nicht zwei verschiedene konkrete
Lebensfälle dar, welche der Anwendbarkeit von § 174 Abs. 4 AO im Streitfall
entgegenstünden. Maßgeblich ist hier dagegen der aus dem Abschluss des
Gesamterbbaurechtsvertrages mit zumindest im Wesentlichen vorgegebenem
Bebauungskonzept zusammengesetzte natürliche Sachverhalt, der einer
korrespondierenden rechtlichen Beurteilung (s. o.) zugänglich ist.
Unter diesen Umständen liegt die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
hervorgehobene Notwendigkeit einer Ergänzung des Sachverhaltes nicht vor. Vielmehr
handelt es sich bei der Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhaltes als
einheitliches Vertragswerk auch hinsichtlich des Vorganges I um die juristische
Transformation des (natürlichen) Lebensvorganges (s. o.). Hinzu kommt, dass die
Klägerin bei beiden Erwerbsvorgängen die (vertragliche) Steuerschuldnerin ist.
Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO im Streitfall ist ferner nicht infolge nicht Verjährung
ausgeschlossen. Die Festsetzungsfrist für die Änderung der Steuerfestsetzung vom 5.
Juli 1994 war nicht nach § 174 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AO abgelaufen, weil die
steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Änderung des fehlerhaften Bescheides
gezogen worden sind (§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO). Die Änderung des fehlerhaften
Bescheides zum Vorgang II ist durch Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003 (1 K
1318/01) erfolgt, während der den Vorgang I betreffende Ausgangsbescheid vom 5. Juli
1994 durch Bescheid vom 20. Januar 2004 geändert wurde.
Auf die Frage der Erkennbarkeit im Sinne des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO kommt es nicht an,
weil der Änderungsbescheid für den Vorgang II, durch den sämtliche Baukosten in die
Bemessungsgrundlage einbezogen wurden, am 29. Dezember 1998 erlassen worden ist.
Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist für den hier streitigen Vorgang I noch
nicht abgelaufen, da die Klägerin das Gesamterbbaurecht von der A und dem B am
23. Februar 1994 erworben hatte und die Festsetzungsfrist deshalb unter
Berücksichtigung der Anzeige des Notars … vom 18. März 1994 hinsichtlich der
Erbbaurechtsbestellung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO am 31. Dezember 1998
endete. Dabei ist die Frist gewahrt, weil der den Vorgang II betreffende Bescheid vom 29.
Dezember 1998 den Bereich des Beklagten vor Ablauf der Festsetzungsfrist, nämlich am
29. Dezember 1998, verlassen hat (s. Bl. 21 R. der Grunderwerbsteuerakten, Bd. II), was
gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO ausreichend ist. Deshalb erübrigt sich eine Prüfung,
ob die Verletzung der Anzeigepflicht des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG durch die Klägerin eine
Anlaufhemmung im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bewirkt und damit zu einer
Verlängerung der o. g. Festsetzungsfrist geführt hat. Davon abgesehen ist eine
Änderung i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß §
174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO möglich, wenn für die Klägerin ohne Weiteres
erkennbar war, dass der Beklagte die gesamten Baukosten beim Vorgang II
berücksichtigt und nicht die erforderliche rechtliche Aufspaltung der Gesamtbausumme
in beide Grundstücke der A und des B anteilsgerecht erfassende Teilbeträge
vorgenommen hat. Ob dies die Klägerin zweifelsfrei dem Bescheid vom 29. Dezember
1998 entnehmen konnte, brauch der Senat indes nicht mehr zu entscheiden.
Bei dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob die Änderung des den Vorgang I
betreffenden Bescheides vom 5. Juli 1994 außerdem auf § 173 Abs. 1 Satz 1 AO gestützt
werden kann, da insoweit auch eine Festsetzungsfrist von sieben Jahren abgelaufen war.
Sind nach alledem die formellen Voraussetzungen für eine Änderung jedenfalls nach
§ 174 Abs. 4 AO gegeben, ist diese auch in der Sache gerechtfertigt. Dabei ist zunächst
auf das vom BFH bestätigte Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003 (a. a. O.)
hinzuweisen, wodurch rechtskräftig festgestellt ist, dass hinsichtlich des Vorganges II ein
einheitliches Vertragswerk besteht. Soweit es um den Vorgang I geht, könnte diese
Feststellung bereits aus Gründen der Folgerichtigkeit nur dann nicht zutreffen, wenn der
B in den oben dargestellten einheitlichen Lebensvorgang eine Sonderrolle gespielt hätte,
aufgrund derer er nur - wie die Klägerin vorträgt - zufällig Nutznießer der Bebauung auch
seines Grundstücks mit dem sich zugleich auf das Grundstück der A erstreckenden
31
32
33
34
seines Grundstücks mit dem sich zugleich auf das Grundstück der A erstreckenden
Einheitsgebäude geworden wäre.
Davon kann im Streitfall nicht die Rede sein. Der B hat nämlich zusammen mit der A ein
Gesamterbbaurecht zugunsten der Klägerin bestellt. Beide Verbände sind gegenüber
der Klägerin als Teil der Veräußererseite anzusehen. Sie sind durch die gemeinsame
Bestellung des Erbbaurechts rechtlich miteinander verbunden. Sie waren dadurch nicht
nur gegenüber der Klägerin, sondern auch untereinander verpflichtet, an der Bebauung
mit dem weitgehend vorgeplanten Gebäude, für das Vorleistungen der A in Höhe von
20 Mio. DM bereits im Februar 1994 erbracht worden waren (vgl. S. 20 f. des oben
genannten Urteils des FG Berlin), mitzuwirken. Dies ergibt sich zunächst aus dem
Bauantrag vom 15. Dezember 1993, dem der B als betroffener Grundstückseigentümer
ausdrücklich zugestimmt hat. Vor allem aber folgt die Verbindung des B mit der A aus
dem vom Beklagten zu Recht hervorgehobenen abgestimmten Verhalten zwischen den
beiden Verbänden. Dabei ist ausreichend, dass dieses Verhalten, das sich aus dem
öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der A, dem B und H, den Vereinbarungen zur
Regelung nachbarschaftlicher Belange vom 20. und 27. Juli sowie 27. August 1993 und
der partnerschaftlichen Vereinbarung vom 31. März 1991 ergibt, auf die Bebauung der
beiden Grundstücke mit einem einheitlichen Gebäude angelegt war. An das von der A
bereits im Februar 1994 zumindest weitgehend erstellte Bebauungskonzept war der B
selbstverständlich gebunden; er hat daran mitgewirkt oder sich jedenfalls dem Konzept
unterworfen.
Ferner war die Veräußererseite zu einer Veränderung des tatsächlichen Zustandes des
gesamten Areals verpflichtet, denn die das Baugeschehen beherrschende A, die bereits
im Zeitpunkt der Bestellung des Gesamterbbaurechts als Geschäftsbesorgerin im
Hinblick auf das geplante Baukonzept auftrat, übernahm dann ausdrücklich im
November 1994 die Errichtungspflicht aufgrund ihrer Eigenschaft als
Generalübernehmerin (vgl. dazu auch das Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003,
S. 20 ff.). Außerdem ist die Generalübernehmerstellung der A bereits Anfang 1993
mündlich vereinbart worden (s. die Präambel zum Generalübernehmervertrag). Die
Verpflichtung der A als ein Teil der Veräußererseite reicht nach ständiger
Rechtssprechung des BFH (siehe z. B. Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Auflage,
§ 9, Textziffer 165 a m. N.) aus, denn der B hatte sein Grundstück der A zumindest an
die Hand gegeben, da er deren Bebauungskonzept auch im Bezug auf das eigene
Grundstück notwendigerweise akzeptiert hatte. Unerheblich ist deshalb, dass der B nicht
explizit eine Verpflichtung zur tatsächlichen Veränderung des Grundstückszustandes
gegenüber der Klägerin übernommen hatte. Ohne Bedeutung ist ferner, dass der
Generalübernehmervertrag erst im November 1994 geschlossen und nach dem
Vorbringen der Klägerin zunächst andere Vorstellungen über die Person des
Generalunternehmers bestanden. Bereits bei Bestellung des Gesamterbbaurechts stand
das Bebauungskonzept der A, die bereits mit 20 Mio. DM in Vorleistung getreten war,
fest (s. o.). Dass der Abschluss des Generalübernehmervertrages erst im November
1994 erfolgte, ist nicht rechtserheblich, wie sich ohne weiteres aus dem rechtskräftigen
Urteil des FG Berlin vom 27. November 2003 und dem Beschluss des BFH vom 15. April
2005 (II B 21/04), durch den die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der
Revision im Urteil des FG Berlin als unbegründet zurückgewiesen worden ist, ergibt. Es
genügt die im Zeitpunkt der Gesamterbbaurechtsbestellung bereits vorgesehene
Einbindung eines Generalunternehmers in das vorgegebene Bebauungskonzept. Die
Person des Generalunternehmers, der bei einer derart geplanten Einbindung auf jeden
Fall Teil der Veräußererseite ist, muss dabei noch nicht feststehen oder kann später
ausgetauscht werden. Aus diesen Gründen war eine Kenntnis des B von der
Generalübernehmerstellung der A bereits im Zeitpunkt des Erbbaurechtsvertrages nicht
erforderlich. Die Frage der Erkennbarkeit ist zudem nur für den Erwerber, soweit es um
das Zusammenwirken auf der Veräußererseite geht, von Bedeutung. Dies ist aber ein
anderer Fall. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die Beweisanträge der
Klägerin nicht an.
An dem vorgegebenen Bebauungskonzept konnte und wollte der B nichts ändern, auch
wenn er nach dem Vorbringen der Klägerin weder in die Verhandlungen über den
Generalübernehmervertrag noch in diesen selbst eingebunden war. Außerdem beziehen
sich die beiden Leasingverträge am 18./23. Februar 1994 auf das Gebäude "T", so dass
die Bebauung auch des Grundstücks des B Gegenstand der
Gesamterbbaurechtsbestellung, die gleichermaßen durch den B und die A erfolgte, war.
Insgesamt verkennt die Klägerin, dass auch eine eher passive Rolle des B nichts an
dessen Zuordnung zur Veräußererseite, die insbesondere aus der notwendigen
Mitbestellung des Gesamterbbaurechts zugunsten der Klägerin folgt, änderte. Wie bei
Miteigentümern auf der Erwerberseite, ist für die auf der Veräußererseite handelnden
35
36
37
38
39
Miteigentümern auf der Erwerberseite, ist für die auf der Veräußererseite handelnden
Besteller eines Gesamterbbaurechts der Gegenstand des Veräußerungsvorganges
derselbe, nämlich das Erbbaurecht in bebautem Zustand (vgl. auch Boruttau, a. a. O., §
9, Textziffer 166 b).
Des Weiteren steht das Urteil des BFH vom 23. Oktober 2002 (II R 81/00, BStBl II 2003,
199) der Einbeziehung der auf das Grundstück des B entfallenden Bebauungskosten in
Höhe von 107.616.816,00 DM (48 % der Kosten lt. Generalübernehmervertrag) nicht
entgegen, da hier im Zeitpunkt der Bestellung des Gesamterbbaurechts ein einheitlicher
Erwerbsgegenstand vorlag (vgl. auch das Urteil des FG Berlin, a. a. O., S. 22; BFH,
Beschluss, a. a. O., S. 7 f.). Aufgrund der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in
dem oben genannten Verfahren vor dem FG Berlin ist der betreffenden Aufteilung der
Bebauungskosten zu folgen.
Nach alledem ist die Klage, soweit es um die anteiligen Bebauungskosten geht,
unbegründet.
Hinsichtlich der Berechnung des Kapitalwertes des jährlichen Erbbauzinses ist die Klage
ebenfalls unbegründet. Der Kapitalwert des Erbbauzinses von jährlich 1.719.375,00 DM
(Erbbaurechtsvertrag Abschnitt C § 1 Nr. 1) beträgt bei einer Laufzeit von 60 Jahren
17,93 (Anlage 9a zu § 13 Bewertungsgesetz) x 1.719.375,00 DM = 30.828.393 DM.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da eine Abweichung von der
Rechtsprechung des BFH nicht vorliegt.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum