Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin: fälligkeit, verjährungsfrist, abgabenordnung, verfügung, einspruch, verwaltungsakt, festsetzungsverjährung, steuerfestsetzung, bekanntgabe, link

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Gericht:
FG Berlin 8. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
8 K 8334/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 218 Abs 2 S 2 AO 1977, § 37
Abs 1 AO 1977, § 37 Abs 2 AO
1977, § 812 BGB, § 228 AO 1977
Änderung einer Abrechnungsverfügung bei nachträglicher
Vorlage einer Steuerbescheinigung für gezahlte
Kapitalertragsteuer von Eintritt der Zahlungsverjährung
abhängig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.
Die Klägerin betreibt die xxx und den xxx aller Art, die Entwicklung solcher xxx, die
Vergabe diesbezüglicher xxx und die xxx an/für xxx mit gleichem oder ähnlichem
Geschäftsbetrieb.
Der Beklagte setzte die Körperschaftsteuer 1993 für die Klägerin mit Bescheid vom 1.
September 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 212 924,00 DM fest. In der
zusammen mit dem Steuerbescheid ergangenen Abrechnungsverfügung lehnte der
Beklagte den Antrag der Klägerin ab, von ihr im Streitjahr gezahlte Kapitalertragsteuer
in Höhe von 11 159,00 DM anzurechnen, weil die Klägerin diesbezüglich nicht die
erforderlichen Originalsteuerbescheinigungen vorlegte.
Die mit dem Körperschaftsteuerbescheid verbundene Abrechnungsverfügung führte zu
einer Abschlusszahlung in voller Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer von 212
924,00 DM, da die Klägerin Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer 1993 nicht
geleistet hatte.
Mit geändertem Körperschaftsteuerbescheid vom 12. März 1999 hob der Beklagte den
Vorbehalt der Nachprüfung auf und legte die Feststellungen einer bei der Klägerin
durchgeführten Betriebsprüfung der Besteuerung zugrunde. Die streitbefangenen
Kapitalertragsteuerzahlungen berücksichtigte er in der Abrechnungsverfügung auch
dieses Änderungsbescheids nicht.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 beantragte die Klägerin die Anrechnung von
Kapitalertragsteuer in Höhe von 11 710,42 DM und legte nunmehr die bis dahin
fehlenden Steuerbescheinigungen der xxx bank Berlin für das Jahr 1993 über diesen
Betrag vor.
Der Beklagte lehnte mit Verwaltungsakt vom 29. Oktober 2001 die begehrte Anrechnung
wiederum ab. Er vertrat die Auffassung, die bereits eingetretene Zahlungsverjährung
stehe einer Änderung der Anrechnungsverfügung in den Bescheiden vom 1. September
1995 und vom 12. März 1999 entgegen.
Hiergegen wandte sich die Klägerin und führte aus, die Voraussetzungen für eine
Anrechnung seien erstmals durch Vorlage der Steuerbescheinigungen erfüllt worden.
Zahlungsverjährung sei deshalb noch nicht eingetreten.
Am 20. Februar 2002 erließ der Beklagte daraufhin einen Abrechnungsbescheid gemäß §
218 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-, mit dem er nochmals die begehrte Anrechnung von
Kapitalertragsteuer für 1993 versagte. Zur Begründung führte er aus, dass die
Körperschaftsteuer 1993 bereits am 4. Oktober 1995 fällig gewesen sei. Die Frist für die
Festsetzungsverjährung (er meinte wohl: Zahlungsverjährung) habe demnach mit Ablauf
des 31. Dezember 1995 begonnen und sei am 31. Dezember 2000 abgelaufen.
Gegen den Abrechnungsbescheid vom 20. Februar 2002 legte die Klägerin Einspruch ein.
Zahlungsverjährung setze im Unterschied zur Festsetzungsverjährung Fälligkeit der
Ansprüche aus dem Schuldverhältnis voraus. Der geltend gemachte
Erstattungsanspruch sei aber entgegen der Auffassung des Beklagten erst am 11.
Oktober 2001 fällig geworden. Die Vorlage der für eine Anrechnung von
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Oktober 2001 fällig geworden. Die Vorlage der für eine Anrechnung von
Kapitalertragsteuer notwendigen Steuerbescheinigungen begründe aufgrund ihrer
konstitutiven Bedeutung eine eigene Fälligkeit. Zahlungsverjährung sei folglich noch
nicht eingetreten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 wies der Beklagte den Einspruch der
Klägerin als unbegründet zurück. Die begehrte Änderung des angefochtenen
Abrechnungsbescheides setze voraus, dass die Abrechnungsverfügung in dem Bescheid
vom 1. September 1995 noch änderbar sei. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht
gegeben, weil einer diesbezüglichen Änderung zugunsten der Klägerin die eingetretene
Zahlungsverjährung entgegenstehe. Der streitige Erstattungsanspruch sei wie die
festgesetzte Abschlusszahlung am 4. Oktober 1995 fällig geworden. Die mit Fälligkeit
beginnende fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 Satz 1 AO sei deshalb am 31.
Dezember 2000 abgelaufen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie beruft sich vor allem
auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18. Juli 2000 (VII R 32, 33/99,
Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 133). Der Bundesfinanzhof habe in diesem Urteil
eindeutig entschieden, dass die Änderung einer Anrechnungsverfügung ohne Bindung
an eine Verjährungsfrist möglich sei.
Die Vorlage der für die Anrechnung gezahlter Kapitalertragsteuer erforderlichen
Steuerbescheinigung sei an keine Frist gebunden. Mit der im Oktober 2001 vorgelegten
Steuerbescheinigung der xxx bank Berlin seien folglich erstmals die Voraussetzungen
gemäß §§ 45 a Abs. 2, 36 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz -EStG- zur Anrechnung
der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und damit auch die Fälligkeitsvoraussetzungen für
den Erstattungsanspruch der Klägerin tatsächlich erfüllt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt
sei deshalb die Abrechnungsverfügung in dem Bescheid vom 1. September 1995
rechtswidrig geworden. Der Beklagte habe den angefochtenen Abrechnungsbescheid
gemäß § 130 Abs. 1 AO insoweit zurückzunehmen, als dieser die Anrechnung der
nunmehr belegten Kapitalertragsteuer versagt.
Zu Unrecht berufe sich der Beklagte auf den Eintritt der Zahlungsverjährung, denn
dieser seien nur festgesetzte und fällig gestellte Ansprüche unterworfen. Die Fälligkeit
des maßgeblichen Erstattungsanspruchs der Klägerin im Sinne § 220 Abs. 1 Satz 1 AO
sei aber erstmals im Oktober 2001 mit Vorlage der Steuerbescheinigung eingetreten.
Allein dieser Zeitpunkt bestimme den Beginn der Zahlungsverjährung, denn "damit
würden durch die einkommensteuerlichen Regeln die allgemeinen Regeln des § 220 Abs.
2 AO verdrängt, die Fälligkeit des Einkommensteueranspruchs selbst bestimmt".
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin den geltend gemachten
Erstattungsanspruch auf 11 158,88 DM beschränkt.
Die Klägerin beantragt, den Abrechnungsbescheid für Körperschaftsteuer 1993 vom 20.
Februar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2002 zu ändern und
zusätzlich von der Klägerin gezahlte Kapitalertragsteuer in Höhe von 11 158,88 DM
anzurechnen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Beide Beteiligten beantragen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beruft sich auf seine bereits im Verwaltungsverfahren vertretene
Rechtsauffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird
auf den Inhalt der Streitakte und auf die vom Beklagten für die Klägerin geführten
Steuerakten zu der St.-Nr. xxx (vier Bände), die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf die Erstattung der von ihr entrichteten Kapitalertragsteuer.
Die Anfechtung des Abrechnungsbescheids vom 20. Februar 2002 hat keinen Erfolg. Die
Korrektur einer fehlerhaften Anrechnung von Steuern in einem Abrechnungsbescheid ist
nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann möglich, wenn die
Voraussetzungen für die Änderung der diesem Abrechnungsbescheid zugrunde
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Voraussetzungen für die Änderung der diesem Abrechnungsbescheid zugrunde
liegenden Abrechnungsverfügung gegeben sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 15. März 1997,
VII R 100/96, BStBl II, 787 mit weiteren Nachweisen). Die Rechtmäßigkeit eines
Abrechnungsbescheides hängt deshalb davon ab, ob die ihm zu Grunde
liegende Abrechnungsverfügung noch änderbar war (BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 a. a.
O.). Im Streitfall lag dem angefochtenen Abrechnungsbescheid die
Abrechnungsverfügung vom 1. September 1995 zugrunde. Diese Verfügung war in dem
Zeitpunkt, als die Klägerin im Oktober 2001 die erforderlichen Steuerbescheinigung für
die von ihr gezahlte Kapitalertragsteuer vorgelegt hat, wegen bereits eingetretener
Zahlungsverjährung nicht mehr änderbar.
Zu Recht hat der Beklagte über den von der Klägerin geltend gemachten
Erstattungsanspruch durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO
entschieden. Dessen Rechtmäßigkeit richtet sich folglich ausschließlich nach den
Regelungen der Abgabenordnung. Ein Anspruch aus § 812 des Bürgerlichen
Gesetzbuches -BGB- wegen ungerechtfertigter Bereicherung kommt dagegen, wovon
auch die Beteiligten ausgehen, nicht in Betracht, weil der Erstattungsanspruch in
Abgabenangelegenheiten durch die besonderen Vorschriften der Abgabenordnung
abschließend geregelt ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1995, VII R 71/94, BFH/NV 1996,
92).
Als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind in § 37 Abs. 1 AO neben anderen
Ansprüchen der Steueranspruch des Fiskus und der Erstattungsanspruch des
Steuerpflichtigen gem. § 37 Abs. 2 AO definiert. Zu letzterem kommt es u.a., wenn eine
Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist. In diesen Fällen
hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, gemäß § 37 Abs. 2
AO an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder
zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung
oder Rückzahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).
Steueransprüche und Erstattungsansprüche im Sinne von § 37 Abs. 1 AO gehen in der
Regel zunächst aus der Abrechnungsverfügung hervor, die zusammen mit dem
Steuerbescheid ergeht. Sie weist im Ergebnis nach Anrechnung von Vorauszahlungen
und Steuerabzugsbeträgen entweder einen verbleibenden Steueranspruch
(Abschlusszahlung) oder einen Erstattungsanspruch für den Steuerpflichtigen aus. Die
Anrechnungsverfügung ist ein deklaratorischer Verwaltungsakt, dessen Außenwirkung (§
118 AO) sich folglich je nach dem Ergebnis der Anrechnung in einem Leistungsgebot
oder in einer Erstattungsverfügung äußert. Zu einem Erstattungsanspruch kommt es,
wenn eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist.
Im Streitfall stand der Klägerin unstreitig ursprünglich im Hinblick auf die von ihr gezahlte
Kapitalertragsteuer ein Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO zu. Die Beteiligten
streiten aber vorliegend darüber, ob dieser Erstattungsanspruch im Zeitpunkt seiner
Geltendmachung durch die Klägerin - wie der Beklagte meint - bereits wegen
Zahlungsverjährung gemäß § 228 AO untergegangen war. Denn die Durchsetzung eines
Erstattungsanspruchs gemäß § 37 Abs. 2 AO setzt zunächst voraus, dass dieser
Anspruch im Zeitpunkt seiner Geltendmachung nicht verjährt ist.
Gemäß § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer
besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre.
Danach war der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch im Zeitpunkt
seiner Geltendmachung bereits verjährt. Seine fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 228
AO begann am 31. Dezember 1995, nämlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der
Anspruch erstmals fällig geworden war (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO).
Der streitige Erstattungsanspruch war entgegen der Auffassung der Klägerin bereits mit
dem Bescheid vom 1. September 1995 und nicht erst mit Vorlage der für die Erstattung
erforderlichen Steuerbescheinigung fällig geworden. Denn seine Fälligkeit war nicht von
derjenigen des in dem Steuerbescheid vom 1. September 1995 festgesetzten
Steueranspruchs und der dementsprechend in der Anrechnung Verfügung
ausgewiesenen Abschlusszahlung losgelöst zu beurteilen. Der Erstattungsanspruch war
damit - wie der Beklagte im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat - durch
Zahlungsverjährung nach fünf Jahren bereits am 31. Dezember 2000 - also zeitlich vor
der Vorlage der Steuerbescheinigung - erloschen (§ 47 AO).
Die Klägerin geht fehl in der Annahme, dass, dem entgegen, die Fälligkeit des von ihr
geltend gemachten Erstattungsanspruchs isoliert für diesen Anspruch zu beurteilen sei
und damit erst zu dem Zeitpunkt eingetreten sein könne, als sie im Jahre 2001 die
fehlende Steuererklärung vorgelegt hatte. Denn der Beginn der Zahlungsverjährungsfrist
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fehlende Steuererklärung vorgelegt hatte. Denn der Beginn der Zahlungsverjährungsfrist
für einen Erstattungsanspruch ist nicht gleichzusetzen mit dem Zeitpunkt, in dem die
Voraussetzungen für die Durchsetzung dieses Anspruchs gegeben sind. Er richtet sich
vielmehr spiegelbildlich nach dem Beginn der Zahlungsverjährungsfrist für den
entsprechenden Steueranspruch. Denn Bezugsgröße der Zahlungsverjährung ist stets
der materielle Steueranspruch, ein etwaiger Erstattungsanspruch unterliegt deshalb
keiner isolierten Zahlungsverjährung. Er verjährt vielmehr spiegelbildlich zu dem
materiellen Steueranspruch (vgl. Sedemund, Ist die Änderung einer
Anrechnungsverfügung ohne Bindung möglich?, Deutsche Steuerzeitung -DStZ- 2002,
565).
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin nach Überzeugung des erkennenden Senats
dagegen auf den Wortlaut des Urteils des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 18. Juli
2000 (a.a.O.), die Änderung einer Abrechnungsverfügung sei - abgesehen von den
Vorgaben des § 130 AO - ohne Bindung an eine Verjährungsfrist möglich. Denn die
betreffende Aussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann nur im
Zusammenhang des ganzen Urteils richtig verstanden werden. Aus den Urteilsgründen
ergibt sich aber, dass der fragliche Satz des Bundesfinanzhofs, auf den die Klägerin
vorrangig ihre Rechtsauffassung stützt, nicht ohne Einschränkungen, d. h. insbesondere,
nicht in jedem Fall gelten kann. Richtig erscheint vielmehr, dass sich die verführerisch
allgemein formulierte Aussage nur auf bestimmte Fallgruppen bezieht, zu denen der
Streitfall nicht gehört.
Das den Beginn der Zahlungsverjährung auslösende Ereignis ist die Fälligkeit des
materiellen Steueranspruchs. Die Fälligkeit des Steueranspruchs tritt aufgrund der
spezialgesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz jedoch
nur insoweit ein, als das Finanzamt die festgesetzte Steuer in einer
Anrechnungsverfügung nach § 36 Abs. 4 Einkommensteuergesetz als Abschlusszahlung
anfordert. Die Fälle, auf die der Bundesfinanzhof seine Aussage bezogen hat, die
Änderung einer Abrechnungsverfügung unterliege keiner Verjährungsfrist, sind deshalb
nur gegeben, soweit materiell ein Steueranspruch besteht, der nicht im Rahmen einer
Abschlusszahlung angefordert worden ist. Nur hinsichtlich des nicht geforderten
Betrages scheidet eine Zahlungsverjährung aus, denn dieser kann nicht fällig werden.
Die Anrechnungsverfügung kann damit im Rahmen des § 130 AO faktisch solange
geändert werden, bis der korrekte Betrag ausgewiesen wird.
Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs kann aus den
vorstehenden Gründen nicht in jedem Fall das in einem Steuerbescheid ausgewiesene
Leistungsgebot beziehungsweise der ausgewiesene Erstattungsbetrag unabhängig von
den für die Steuererhebung und -festsetzung geltenden Verjährungsfristen zeitlich
unbegrenzt modifiziert werden. In den Fällen, in denen eine positive Steuerfestsetzung
im Betrag dem Leistungsgebot entspricht (z. B. weil, wie im Streitfall, keine
Vorauszahlungen geleistet worden sind und auch keine Steuerabzugsbeträge
anzurechnen sind), ist auch nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Juli 2000 (a.
a. O.) eine Änderung der Anrechnungsverfügung nur innerhalb der
Zahlungsverjährungsfrist möglich, da der volle konkretisierte Steueranspruch durch das
Leistungsgebot fällig gestellt worden ist. Der Verjährungsbeginn richtet sich also nach
der Bekanntgabe des Leistungsgebots. Die Zahlungsverjährungsfrist beginnt in vollem
Umfang mit der ersten Erhebung (vgl. auch Sedemund, a. a. O., S. 561).
Das gilt auch im Streitfall. Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch
war deshalb bei seiner Geltendmachung bereits zahlungsverjährt, weil der spiegelbildlich
zu sehende Teil der Abschlusszahlung in dem Bescheid vom 1. September 1995
zahlungsverjährt war. Denn das Leistungsgebot in dem Bescheid vom 1. September
1995 entsprach in vollem Umfang der festgesetzten Steuerschuld. Es hatte damit in
vollem Umfang im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist Tatbestandswirkung
sowohl für den materiellen Steueranspruch in Höhe des geltend gemachten
Erstattungsanspruchs als auch für diesen Erstattungsanspruch selbst.
Nach allem hatte die vorliegende Klage keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision entsprechend den übereinstimmenden Anträgen der
Beteiligten gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Er hält die Voraussetzungen
dieser Vorschrift für gegeben im Hinblick auf die Komplexität der vorliegenden
Rechtsfragen und der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht eindeutig und
vollständig geklärten Rechtslage.
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