Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: gesellschafter, bürgschaft, ex tunc, eintragung im handelsregister, kapitalerhöhung, wesentliche beteiligung, anschaffungskosten, kapitalgesellschaft, geschäftsführer, leiter

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2003
Aktenzeichen:
6 K 1328/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 EStG 2002, § 19 Abs 1
S 1 Nr 1 EStG 2002, § 17 Abs 2
EStG 2002, § 20 Abs 1 EStG
2002, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG
2002
Abzugsfähigkeit der Aufwendungen aus der
Bürgschaftsinanspruchnahme des Arbeitnehmers einer GmbH
bei geplanter, aber nicht verwirklichter Beteiligung
Tatbestand
Der Kläger war seit … Juli 1996 als Leiter des Rechnungswesens bei der A... GmbH - im
Folgenden: A... GmbH - in H... angestellt und erzielte aus dieser Tätigkeit im Jahr 1999
Einnahmen in Höhe von DM …,-.
Die im Baubereich tätige A... GmbH war 1990 gegründet worden und verfügte zunächst
über ein Stammkapital von DM …,-. Alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der A...
GmbH waren Herr B... und Herr C.... Beide Herren waren auch Gesellschafter-
Geschäftsführer der D... & Söhne GmbH - im Folgenden: D... GmbH - aus H.... Mit
Verschmelzungsvertrag vom … Dezember 1998 sollte die D... GmbH auf die A... GmbH
verschmolzen und das Stammkapital der A... GmbH von DM …,- um DM …,- auf DM …,-
erhöht werden. Das für die Eintragung der Verschmelzung zuständige
Handelsregistergericht beanstandete mit Zwischenverfügung vom … Oktober 1999
einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag der D... GmbH in Höhe von DM …,..
und lehnte die Eintragung der Verschmelzung sowie der Kapitalerhöhung ab.
Die A... GmbH befand sich im Jahr 1999 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Einen
Kreditantrag der A... GmbH auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von DM 900.000,-
lehnte die E... Bank des Landes X… im Sommer 1999 ab.
Die F… Bank, die Hausbank der A... GmbH, teilte der A... am 30. September 1999 mit,
dass sie über einen Antrag auf Erhöhung des Kontokorrentkredites erst nach Vorlage
verschiedener, im Einzelnen bezeichneter Unterlagen entscheiden könne. In jedem Falle
sollte die A... GmbH die Aufnahme eines neuen Gesellschafters, z. B. in Person des
Klägers, bei gleichzeitiger Erhöhung des Stammkapitals prüfen. Im November 1999 kam
es zu einem „Runden Tisch“ bei der Handwerkskammer P..., an dem der Gesellschafter
B..., der Kläger, der Steuerberater F... sowie zwei Mitarbeiter der F... Bank teilnahmen.
Bei diesem Gespräch erklärte sich die F... Bank bereit, eine „weitere Verbesserung der
Lage des Unternehmens positiv“ zu begleiten. Hierbei sollte es um den Beitritt eines
neuen Gesellschafters gehen, der an einer Kapitalerhöhung auf DM …,- teilnimmt und
anschließend mit 25 % beteiligt sein sollte.
Im Anschluss an dieses Gespräch beantragte die A... GmbH erneut einen Kredit bei der
E... BANK sowie die Erhöhung ihres Kontokorrentkredites bei der F... Bank.
Im Dezember 1999 beschied die E... BANK den Kreditantrag über eine Summe von DM
…,- positiv, verlangte aber u. a. Sicherheiten in Gestalt von Höchstbetragsbürgschaften
der Gesellschafter B... und C... in Höhe von jeweils DM …,- sowie des Klägers in Höhe von
DM …,-. Der Kläger übernahm am … Dezember 1999 eine entsprechende
Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von DM …,-; zu diesem Zeitpunkt war der Kläger
weder Gesellschafter noch Geschäftsführer. Die beiden Gesellschafter der A... GmbH
übernahmen jeweils eine Höchstbürgschaft von DM …,-. Die E... Bank zahlte daraufhin
das Darlehen aus. Das monatliche Gehalt des Klägers stieg ab Dezember 1999 von DM
…,- auf DM …,-.
Am … Dezember 1999 beschlossen die Gesellschafter B... und C... eine Erhöhung des
Stammkapitals der A... GmbH von DM …,- auf DM …,-. Auf jeden Gesellschafter sollten
nach Durchführung der Kapitalerhöhung jeweils DM …,- entfallen, wobei die
Stammeinlagen in Höhe von jeweils DM …,-, DM …,-, DM …,- und DM …,-
zusammengelegt wurden (Urkunde Nr. …/1999 des Notars G… vom … Dezember 1999).
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Ausweislich der Urkunde Nr. …/1999 des Notars G… vom … Dezember 1999 wurde der
Kläger zum weiteren Geschäftsführer der A... GmbH bestellt. Außerdem traten die
Herren B... und C..., die zu diesem Zeitpunkt über einen Geschäftsanteil von jeweils DM
…,- verfügten, einen Anteil in Höhe von jeweils DM …,- mit Wirkung zum 01. Januar 2000
an den Kläger ab; der Kaufpreis sollte sich auf insgesamt DM …,- belaufen und zwei
Wochen nach Mitteilung des Handelsregisters des Amtsgerichts N… über die Eintragung
der am … Dezember 1998 beschlossenen Verschmelzung sowie der am … Dezember
1999 beschlossenen Stammkapitalerhöhung fällig werden (Nr. 3 des Abschnitts
„Abtretung“ der Urkunde Nr. …/1999). Sofern es nicht zu der Eintragung dieser
Beschlüsse im Handelsregister kommen würde, sollte der Kläger zur Rückübertragung
der von ihm erworbenen Geschäftsanteile oder zur Weiterübertragung auf einen von den
Herren B... und C... benannten Dritten verpflichtet sein (Nr. 5 des Abschnitts
„Abtretung“ der Urkunde Nr. …/1999). Ausweislich der Handelsregisterauszüge des
Amtsgerichts N… (HRB … NP: A... GmbH; HRB … NP: D... GmbH) wurde eine
Verschmelzung beider Gesellschaften im Handelsregister nicht eingetragen. Nach den
Ausführungen der Prozessbevollmächtigten betrachteten die Parteien die vollzogene
Abtretung der Geschäftsanteile „als ex tunc nicht als zustande gekommen“.
Im April 2000 stellte die A... GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens, auf Grund dessen das Amtsgericht N… am … April 2000 einen
Sicherungsbeschluss erließ und H… zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte. Mit
Schreiben vom 03. Mai 2000 teilte der Kläger der E... Bank mit, dass er sich auf
Vorschlag der F... Bank bereit erklärt habe, sich an seiner Arbeitgeberin, der A... GmbH,
zu beteiligen. Er habe nicht nur seinen Arbeitsplatz sichern, sondern auch die von der F...
Bank vorgesehene Sanierung stützen sowie Parallelfinanzierungen und weitere
Beteiligungsmöglichkeiten absichern wollen. Inzwischen sei jedoch die wirtschaftliche
Situation der A... GmbH durch externe Prüfer noch kritischer eingeschätzt worden. Die
Hausbanken der A... GmbH hätten daher der A... GmbH ihre Unterstützung entzogen
und einer Beteiligung an einer Auffanglösung nicht zugestimmt. Er sehe sich somit
ebenfalls nicht in der Lage, zu dem verabredeten Konzept zu stehen, und gehe davon
aus, dass weder die E... Bank noch die F... Bank gegen ihn Ansprüche aus Krediten oder
Bürgschaften hätten.
Am … Mai 2000 kündigte die E... Bank den Darlehensvertrag. Das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der A... GmbH wurde am … Mai 2000 eröffnet. Am … Juni 2000
endete das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der A... GmbH.
Mit Schreiben vom 07. Juni 2000 forderte die Bank…gesellschaft - BG - als
Rechtsnachfolgerin der F... Bank den Kläger zur Zahlung von € …,.. (= DM …,-) auf. Am
… September 2000 nahm die E... Bank den Kläger aus der von ihm übernommenen
Bürgschaft in Anspruch. Am … Dezember 2002 schlossen die E... Bank und der Kläger
einen Vergleich, auf Grund dessen der Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von € …,.. in
monatlichen Raten von € …,.. an die Bank zu zahlen hatte; der Vergleich wurde durch ein
notarielles abstraktes Schuldanerkenntnis des Klägers abgesichert. Grund für den
Vergleich war der Umstand, dass der Kläger nicht in der Lage war, den gesamten
Bürgschaftsbetrag von DM …,- zu zahlen.
Der Kläger zahlte im Jahr 2002 einen Betrag von € ..,.. und im Streitjahr 2003 einen
Betrag von € …,-.
Am … Dezember 2003 stellte der Kläger beim Beklagten u. a. wegen der von ihm im Jahr
2004 zu leistenden Zahlungen aus der Bürgschaft einen Antrag auf Eintragung eines
Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte 2004. Diesen Antrag lehnte der Beklagte am ...
Dezember 2003 ab. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und begründete diesen
damit, dass er sich auf Vorschlag der Hausbank der A... GmbH bereit erklärt habe, sich
finanziell an der Gesellschaft zu beteiligen. Damit habe er einen Beitrag zur Sicherung
des eigenen Arbeitsplatzes und zur Sanierung leisten wollen. Die Anteilsübernahme sei
wegen fehlgeschlagener Kapitalerhöhungsmaßnahmen nicht mehr zustande
gekommen. Der Kläger hielt den Einspruch in diesem Punkt nicht mehr aufrecht,
sondern kündigte an, seine Rechtsauffassung im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung für 2003 weiter verfolgen zu wollen.
In der Einkommensteuererklärung für 2003 machte der Kläger die in 2003 für die
Bürgschaft geleisteten Zahlungen in Höhe von € …,- als nachträgliche Werbungskosten
bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für seine frühere Tätigkeit bei der A...
GmbH geltend. Hierzu führte er aus, dass er auf Grund seiner Tätigkeit als Leiter des
Rechnungswesens umfassende Kenntnisse über die Lage der Gesellschaft und die
Notwendigkeit der Zuführung liquider Mittel gehabt habe. Ihm sei daher klar gewesen,
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Notwendigkeit der Zuführung liquider Mittel gehabt habe. Ihm sei daher klar gewesen,
dass der Erhalt seines Arbeitsplatzes und der Arbeitsplätze der weiteren … Mitarbeiter
vom Gelingen des Sanierungskonzeptes abhängig gewesen sei. Ohne seine
Zustimmung und Mitwirkung wären die beteiligten Banken nicht bereit gewesen, neue
Kreditmittel zu gewähren und den Bestand der Gesellschaft sowie des Arbeitsplatzes zu
sichern. Die Bürgschaftsübernahme sei deshalb aus beruflichen Gründen erfolgt.
Mit Bescheid vom ... November 2004 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2003
auf € …,- fest, ohne die geltend gemachten Werbungskosten aus der
Bürgschaftsinanspruchnahme zu berücksichtigen. Der Beklagte begründete dies damit,
dass die Höhe der übernommenen Bürgschaft gegen eine berufliche Veranlassung
spreche. Die im Jahr 1999 übernommene Bürgschaft mit einem Betrag von DM …,- habe
das Gehalt des Jahres 1999 von DM …,- erheblich überstiegen. Dies sei nur damit zu
erklären, dass sich der Kläger als Gesellschafter habe beteiligen wollen. Als
Arbeitnehmer wäre der Kläger sicherlich nicht bereit gewesen, eine Bürgschaft in dieser
Höhe einzugehen, zumal er als Leiter des Rechnungswesens detaillierte Kenntnisse über
den finanziellen Zustand der A... GmbH gehabt habe.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und begründete diesen damit,
dass es nicht auf das Verhältnis des Bruttogehalts zur Höhe der Bürgschaft ankomme,
sondern auf die Kriterien „Mitarbeiterschaft“ und „zukünftiges Beteiligungsverhältnis“.
Insoweit müsse eine sachgerechte Aufteilung im Wege der Schätzung vorgenommen
werden. Für den auf das Beteiligungsverhältnis entfallenden Teil sei zu prüfen, ob hier
nicht gleichfalls vorweggenommene Werbungskosten im Sinne des § 20
Einkommensteuergesetz - EStG - vorlägen, worauf die Definition des § 9 EStG schließen
lasse. Der bloße Hinweis auf § 12 EStG sei nicht ausreichend. Wegen der Größenordnung
könne man Liebhaberei oder einen nicht steuerbaren Bereich ausschließen, es sei denn,
der Beklagte würde die Auffassung vertreten, dass die Bürgschaft auch ohne das
Angestelltenverhältnis und ohne konkrete Beteiligungsabsicht gegeben worden wäre.
Mit Einspruchsentscheidung vom … Juli 2005 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück. Die Bürgschaftsübernahme könne sowohl durch die berufliche
Stellung des Klägers als auch durch seine angestrebte Stellung als Gesellschafter
veranlasst gewesen sein. Zwar sei der Kläger weder Gesellschafter noch Geschäftsführer
der A... GmbH geworden; jedoch sei seine Beteiligung mit einem Anteil von DM …,- (=
25 %) und seine Bestellung als weiterer Geschäftsführer geplant gewesen. Bei einer
Bürgschaftsübernahme durch einen Gesellschafter sei zu vermuten, dass diese durch
das Gesellschaftsverhältnis und nicht durch ein gleichzeitig bestehendes
Arbeitsverhältnis veranlasst sei; diese Vermutung gelte auch bei einer angestrebten
Gesellschafterstellung. Ohne die angestrebte Beteiligung an der A... GmbH wäre ein
Dritter nicht bereit gewesen, eine Bürgschaft in Höhe des fast vierfachen Jahresgehalts
zu übernehmen.
Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft könnten auch nicht als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.
Insoweit sei die Vorschrift des § 17 EStG vorrangig. Diese greife allerdings nicht, weil es
nicht zu der wesentlichen Beteiligung gekommen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage. Als
„seinsliches oder tatsächliches Zwischenergebnis“ sei festzuhalten, dass die Bürgschaft
in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Rettung des Arbeitsplatzes
und der geplanten Beteiligung an der A... GmbH gestanden habe. Insoweit könne der
Gesamtplangedanke herangezogen werden. Die „Kausalität zur hinreichenden Erfüllung
eines (seinslichen) Verursachungs- oder Veranlassungsprinzips“ erstarke durch die
(geplante) und dann auch wenige Tage später tatsächlich begründete
Gesellschafterstellung. Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass der Kläger nicht
Gesellschafter geworden sei. Der Kläger sei zumindest für eine logische Sekunde
Anteilseigner geworden, nämlich am Tag der Anteilsübertragung, dem ... Dezember
1999. Erst als deutlich geworden sei, dass die Bedingung für die Fälligkeit des
Kaufpreises nicht eintreten würde, sei es zur schuldrechtlichen und dinglichen Aufhebung
der Übertragung ex tunc gekommen. Damit sei § 17 Abs. 2 EStG anwendbar. Die
Bürgschaftsübernahme sei eher der Gesellschafterstellung zuzuordnen als der
Arbeitnehmerstellung; denn die Gesellschafterstellung sei kapitalorientiert, während die
Arbeitnehmerstellung eher tätigkeitsspezifisch sei. Zwingend sei dies jedoch nicht, wenn
- wie im Streitfall - die Arbeitnehmerstellung dominierend sei (s. auch BFH, Urteil vom
07. Februar 2008 VI R 75/06). Der Aufwand aus der Inanspruchnahme der Bürgschaft sei
daher im Wege der Schätzung den Einkünften aus § 17 EStG und § 19 EStG zuzuordnen.
Die Abziehbarkeit bestätige sich durch eine „Betrachtung des (negativen) abgegrenzten
Problembereichs“: Eine Bürgschaftsübernahme ohne Gesellschafter- und
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Problembereichs“: Eine Bürgschaftsübernahme ohne Gesellschafter- und
Arbeitnehmerstellung sei nicht denkbar.
Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass die Kapitalerhöhungen nicht wirksam
geworden seien, schließe dies eine Anwendbarkeit des § 17 EStG nicht aus, da es auf die
Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums ankomme. Im Übrigen erfasse § 17 EStG
auch Anwartschaften auf Beteiligungen (s. auch BFH, Urteil vom 19. Dezember 2007 VIII
R 14/06, BFH/NV 2008, 659). Selbst wenn man den Anwendungsbereich des § 17 EStG
verneinen würde, wäre eine Vorgründungs-GmbH anzunehmen, so dass die
Aufwendungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Rahmen einer Mitunternehmerschaft zu
berücksichtigen wären. Da diese Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben zu
berücksichtigen wären, könnten sie außerhalb einer gesonderten und einheitlichen
Feststellung im Wege der Schätzung berücksichtigt werden. Die Abgabe einer
entsprechenden Feststellungserklärung könne insoweit nicht gefordert werden.
Der Prozessbevollmächtigte hat den Antrag gestellt, ihm „den sachverhaltlichen Vortrag
des Berichterstatters“ rechtzeitig vor dem mündlichen Verhandlungstermin zur
Kenntnisnahme und Prüfung zu überlassen. Nach der Ladung zur mündlichen
Verhandlung hat er auf eine mündliche Verhandlung verzichtet; der Beklagte hat
daraufhin ebenfalls auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Anschließend hat der
Prozessbevollmächtigte beantragt, ihm den Sachverhaltsvortrag des Berichterstatters
„angemessen rechtzeitig“ vor dem Tag der Entscheidung zur Kenntnis zu übersenden.
Komme der Senat diesem Antrag nicht nach, mutiere der Antrag sieben Tage vor dem
festgesetzten Entscheidungstermin zu einer aktuellen Rüge. Der Vorsitzende Richter hat
den Antrag abgelehnt. Der Prozessbevollmächtigte hat die Ablehnung mit den Worten
„Abwehr, Abwehr und nochmals Abwehr“ beanstandet.
den Einkommensteuerbescheid 2003 vom ... November
2004 und die Einspruchsentscheidung vom ... Juli 2005 dahingehend zu
ändern, dass Werbungskosten in Höhe von € …,- bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Tätigkeit oder (vorbereitende) Anschaffungskosten bei
den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 EStG berücksichtigt
werden, sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren
für notwendig zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Anteilsübertragung nicht stattgefunden habe,
weil es keine Anteile im Umfang von insgesamt DM …,- gegeben habe; denn die
Kapitalerhöhungen von DM …,- auf DM …,- sowie anschließend auf DM …,- seien
mangels Eintragung im Handelsregister nicht wirksam geworden. Es habe somit nur
einen schuldrechtlich unwirksamen Anteilsübertragungsvertrag gegeben, aber keine
Anteile, die hätten übertragen werden können.
Selbst wenn eine Anteilsübertragung im Jahr 1999 stattgefunden haben sollte, wäre die
Rückübertragung als Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den
Veräußerungszeitpunkt anzusehen. Im Übrigen würden sich nachträgliche
Anschaffungskosten auf die Beteiligung nicht im Streitjahr 2003 auswirken, sondern im
Zeitpunkt der Rückübertragung, mithin im Jahr 1999.
Über eine Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG könnte
verfahrensrechtlich nur in einem gesonderten Verfahren entschieden werden. Hierfür
wäre zunächst die Abgabe einer Feststellungserklärung abzuwarten. Im Übrigen führten
die vom Kläger genannten BFH-Urteile zu keinem anderen Ergebnis.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf
den Inhalt der Akten, insbesondere auf die dem klägerischen Schriftsatz vom 30. August
2005 beigefügten Anlagen.
Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2
Finanzgerichtsordnung - FGO - verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene
Einkommensteuerbescheid für 2003 und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig
und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die
Zahlungen auf Grund der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sind weder
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 9, § 19
Einkommensteuergesetz - EStG - (s. unter 3. der Gründe) noch nachträgliche
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Einkommensteuergesetz - EStG - (s. unter 3. der Gründe) noch nachträgliche
Anschaffungskosten im Sinne von § 17 Abs. 2 EStG (s. unter 4. der Gründe). Es handelt
sich auch nicht um Werbungskosten aus den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß §
9, § 20 EStG (s. unter 5. der Gründe).
1. Der Senat kann auf Grund des Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).
2. Der Senat kann auch entscheiden, ohne den sich auf den Tatbestand beziehenden
Teil des Votums den Beteiligten vorab übersandt zu haben. Weder ist eine solche
Übersendung nach den Vorschriften der FGO noch unter dem Gesichtspunkt der
Gewährung rechtlichen Gehörs geboten. Nach der FGO ist nicht einmal die Erstellung
eines Votums Pflicht. Vielmehr genügt es (bei Durchführung einer mündlichen
Verhandlung), wenn der Vorsitzende oder der Berichterstatter nach Aufruf der Sache
den wesentlichen Inhalt der Akten vorträgt. Wird - wie im Streitfall - auf eine mündliche
Verhandlung verzichtet, umfasst dieser Verzicht auch den Vortrag des wesentlichen
Inhalts der Akten gegenüber den Beteiligten, nicht jedoch den entsprechenden Vortrag
gegenüber den ehrenamtlichen Richtern in der Beratung (vgl. Brandis in Tipke/Kruse,
AO/FGO, § 92 FGO Rz. 7).
3. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft im Jahr 2003 in
Höhe von € …,- stellen keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG dar.
a) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
gehören zu den Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch die Erzielung
steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats
vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BStBl. II 1978, 105). Die Aufwendungen müssen
objektiv mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit - hier: mit der Tätigkeit als
Arbeitnehmer - zusammenhängen und subjektiv zur Förderung dieser Tätigkeit getragen
werden (BFH, Urteil vom 07. Februar 2008 VI R 75/06, BStBl. II 2010, 48, mit weiteren
Nachweisen). Für die Annahme von Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit genügt es grundsätzlich, wenn die Aufwendungen den Beruf
des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (BFH, Urteil vom 04. Dezember 2002 VI R
120/01, BStBl. II 2003, 403). Die Anerkennung als Werbungskosten hängt nicht davon ab,
dass die Aufwendungen freiwillig getragen werden (BFH in BStBl. II 2010, 48).
b) Übernimmt ein Arbeitnehmer eine Bürgschaft für eine Darlehensverbindlichkeit seines
Arbeitgebers, können die Aufwendungen aus der späteren Inanspruchnahme nach den
vorstehenden Grundsätzen unter Abschnitt 3 a) der Gründe Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein. Allerdings können die Aufwendungen auch
durch eine andere Einkunftsart veranlasst sein: Dies gilt zum einen dann, wenn der
Arbeitnehmer auch Gesellschafter seiner Arbeitgeberin ist (vgl. BFH, Urteile vom 20.
Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23; vom 26. November 1993 VI R 36/97,
BStBl. II 1994, 242; Hessisches FG, Urteil vom 21. November 2008 1 K 2729/06, Juris; FG
München, Urteil vom 27. Februar 2008 10 K 1529/06, Juris; Siebenhüter in
Herrmann/Heu-er/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Anm. 750 „Bürgschaftsverluste“, mit
weiteren Nachweisen). Dies gilt zum anderen aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer
eine Beteiligung als Gesellschafter anstrebt und daraus Einkünfte im Sinne von §§ 17
oder 20 EStG erzielen kann; denn ein Veranlassungszusammenhang mit einer
Einkunftsart kann auch dann bestehen, wenn der Steuerpflichtige erst später Einkünfte
aus dieser Einkunftsart erzielt (sog. vorweggenommene Aufwendungen) oder wenn es
ihm trotz einer entsprechenden Absicht nicht gelingt, Einkünfte aus dieser Einkunftsart
zu erzielen (sog. vergebliche Werbungskosten oder fehlgeschlagene
Anschaffungskosten, vgl. BFH, Urteil vom 20. April 2004 VIII R 4/02, BStBl. II 2004, 597).
Entscheidender Zeitpunkt für die Prüfung des Veranlassungszusammenhangs ist der
Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme, nicht der Zeitpunkt der späteren
Inanspruchnahme.
c) Ist der Arbeitnehmer wesentlich beteiligter Gesellschafter im Sinne von § 17 Abs. 1
EStG, geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass die
Bürgschaftsübernahme durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht durch
die Stellung als Arbeitnehmer. Denn ein Arbeitnehmer, der nicht Gesellschafter ist, wird
nur in Ausnahmefällen bereit sein, zu Gunsten seines offenbar gefährdeten Arbeitgebers
das Risiko einer Bürgschaft zu übernehmen (vgl. BFH in BFH/NV 1990, 23; in BStBl. II
1994, 242). Solche Umstände können u. a. dann anzunehmen sein, wenn sich der
Gesellschafter-Geschäfts-führer in seiner Funktion als Arbeitnehmer
schadensersatzpflichtig gemacht hat oder in dieser Funktion als Haftender in Betracht
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schadensersatzpflichtig gemacht hat oder in dieser Funktion als Haftender in Betracht
kommt (BFH in BStBl. II 1994, 242). Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats
auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits
ernsthaft beabsichtigt hat, sich als Gesellschafter an seiner Arbeitgeberin wesentlich zu
beteiligen. Denn dann überwiegt der Veranlassungszusammenhang mit der - geplanten
- Gesellschafterstellung den beruflichen Veranlassungszusammenhang, so dass eine
Aufteilung der Aufwendungen auf beide Einkunftsarten - § 19 und § 17 EStG - nicht in
Betracht kommt.
d) Im Streitfall hatte der Kläger bei Übernahme der Bürgschaft am ... Dezember 1999
ernsthaft geplant, sich als Gesellschafter an der A... GmbH wesentlich zu beteiligen.
Bereits am ... September 1999 hatte die F... Bank den Kläger als neuen Gesellschafter
vorgeschlagen. Am ... November 1999 war bei dem Zusammentreffen am „Runden
Tisch“ die Aufnahme eines neuen Gesellschafters thematisiert worden. Der Beitritt des
Klägers als neuer Gesellschafter sollte durch den Vertrag am ... Dezember 1999
(Urkundenrolle …/1999) - wenige Tage nach Unterzeichnung der hier streitigen
Bürgschaft sowie ca. drei Wochen nach positiver Bescheidung des Kreditantrags -
umgesetzt werden. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den
Gesprächen der A... GmbH mit der E... Bank und F... Bank sowie dem „Runden Tisch“, an
dem der Kläger als Leiter des Rechnungswesens der A... GmbH teilnahm, einerseits und
dem Vertrag vom ... Dezember 1999 andererseits spricht für einen
Veranlassungszusammenhang zwischen der Bürgschaftsübernahme und der
beabsichtigten Stellung als Gesellschafter. Dieser Veranlassungszusammenhang wird
durch das Verhältnis vom laufenden Jahresgehalt von DM …,- zur Höhe der
übernommenen Bürgschaft von DM …,- unterstrichen; denn ein Nur-Arbeitnehmer wäre
zwecks Rettung seines Arbeitsplatzes nicht bereit gewesen, eine Bürgschaft in einer
Höhe des ca. 3,6fachen Jahresgehalts zu übernehmen (vgl. FG München, Urteil vom 27.
Februar 2008 10 K 1529/06, Juris; s. auch BFH, Urteil vom 07. Februar 1997 VI R 33/96,
BFH/NV 1997, 400, zur Gewährung eines Darlehens an den Arbeitgeber in Höhe des
siebenfachen Jahresgehalts). Dies gilt erst recht, wenn es um die finanzielle Lage der
Arbeitgeberin derart schlecht bestellt ist wie im Streitfall, in dem bereits ein Kreditantrag
abschlägig beschieden worden war, die Arbeitgeberin in ihrer Existenz bedroht war (s.
Abschnitt IV. Nr. 7 des Berichts über den „Runden Tisch“), und der Kläger als Leiter des
Rechnungswesens um diese schlechte finanzielle Lage wusste.
Die angestrebte Gesellschafterstellung wäre auch eine wesentliche Beteiligung im Sinne
von § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Jahr 1999 geltenden Fassung gewesen, da mit
Wirkung vom 01. Januar 1999 die Wesentlichkeitsgrenze von mehr als 25 % durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402) auf
mindestens 10 % herabgesetzt wurde.
e) Auf Grund der geplanten wesentlichen Beteiligung an der A... GmbH ist ein
Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften im Sinne von § 17 EStG zu bejahen,
der den Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften im Sinne von § 19 EStG aus
den unter Abschnitt c) genannten Gründen verdrängt, so dass die Aufwendungen nicht
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht
werden können. Dabei setzt die Vorrangigkeit des Veranlassungszusammenhangs zu
den Einkünften aus § 17 EStG nicht voraus, dass sich die hier streitigen Aufwendungen
im Rahmen des § 17 EStG steuerlich auch tatsächlich auswirken (s. unten zu 4.).
4. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sind nicht als
Anschaffungskosten gemäß § 17 EStG zu berücksichtigen. Denn auch wenn ein
Veranlassungszusammenhang zwischen der Bürgschaftsübernahme und der geplanten
Beteiligung besteht, scheitert die Berücksichtigung der Aufwendungen daran, dass die
Beteiligung nicht zustande gekommen ist. Mangels Beteiligung konnte der Kläger den
Tatbestand des § 17 EStG - die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung gemäß § 17
Abs. 1 EStG - nicht realisieren.
a) Entstehen dem Steuerpflichtigen Verluste im Zusammenhang mit dem geplanten
Erwerb einer wesentlichen Beteiligung, ist der Aufwand nicht nach § 17 EStG abziehbar.
Dies gilt nicht nur dann, wenn die geplante Gründung der Kapitalgesellschaft nicht
zustande kommt und damit das Tatbestandsmerkmal des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
„Kapitalgesellschaft“ nicht erfüllt ist (BFH in BStBl. II 2004, 597; s. auch Eilers/R. Schmidt
in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17 EStG Anm. 193), sondern auch dann,
wenn zwar eine Kapitalgesellschaft besteht, der Steuerpflichtige aber nicht
Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft wird; denn auch dann fehlt es an einem
Tatbestandsmerkmal des § 17 EStG, nämlich der Veräußerung von Anteilen (an einer
Kapitalgesellschaft) durch den Steuerpflichtigen. Hier wäre mangels Veräußerung
entsprechender Anteile der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung nicht
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entsprechender Anteile der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung nicht
feststellbar.
b) Der Kläger ist nach § 39 Abgabenordnung - AO - weder zivilrechtlicher noch
wirtschaftlicher Anteilseigner der A... GmbH geworden.
aa) Zivilrechtlicher Anteilseigner im Sinne von § 39 Abs. 1 AO wäre der Kläger nur
geworden, wenn er Inhaber der im Übertragungsvertrag vom ... Dezember 1999
(Urkundenrolle …/1999) genannten Anteile von jeweils DM …,- geworden wäre. Dies
setzt voraus, dass der Gegenstand der in dem Vertrag erwähnten Abtretung - die beiden
Anteile - überhaupt existiert hat; daran fehlt es jedoch.
Gegenstand der Anteilsübertragung sollten die durch Teilung der bisherigen
Geschäftsanteile von jeweils DM …,- zustande gekommenen Geschäftsanteile von
jeweils DM …,- sein. Tatsächlich ging die Teilung der bisherigen Geschäftsanteile von
jeweils DM …,- aber ins Leere, weil es keine Geschäftsanteile von jeweils DM …,- gab.
Denn weder die Kapitalerhöhung vom ... Dezember 1999 (Urkundenrolle …/1999) von
DM …,- um DM …,- auf DM …,- noch die vorherige Kapitalerhöhung vom ... Dezember
1998 von DM …,- um DM …,- auf DM …,- wurden wirksam, da die nach § 54 Abs. 3
GmbH-Gesetz erforderlichen Eintragungen der Kapitalerhöhungen unterblieben sind (s.
auch FG Köln, Urteil vom 15. Februar 2000 13 K 1261/96, EFG 2000, 759; s. auch BFH,
Urteil vom 06. März 1985 II R 231/81, BStBl. II BStBl. II 1985, 388, sowie BFH, Urteil vom
20. Januar 2010 II R 54/07, zur Veröffentlichung vorgesehen, zur Entstehung von
Geschäftsanteilen auf Grund einer Kapitalerhöhung). Damit konnten die
Geschäftsanteile von jeweils DM …,- nicht durch eine Teilung - nicht existierender
Geschäftsanteile von jeweils DM …,- - entstehen und dementsprechend auch nicht
Gegenstand einer Abtretung sein.
bb) Der Kläger ist auch nicht als wirtschaftlicher Inhaber der Anteile anzusehen. Hierzu
wäre gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erforderlich gewesen, dass er auf Grund des Vertrags
vom ... Dezember 1999 (Urkundenrolle …/1999) eine rechtlich geschützte, auf den
Erwerb der Anteile gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht
mehr entzogen werden kann (s. hierzu BFH, Urteil vom 25. Juni 2009 IV R 3/07, BFH/NV
2009, 2039). Daran fehlt es im Streitfall, weil die Entstehung der Anteile von der
Eintragung der Kapitalerhöhungsbeschlüsse im Handelsregister abhing, auf die der
Kläger keinen Einfluss hatte.
c) Der Kläger hat schließlich auch keine Anwartschaft auf eine Beteiligung erworben.
Unter einer Anwartschaft ist die rechtlich gesicherte Aussicht auf einen Erwerb von
Anteilen zu verstehen, dessen Vollendung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet
werden kann (vgl. auch Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17
EStG Anm. 150). Der schuldrechtliche Anspruch eines Nicht-Gesellschafters auf Erwerb
eines Anteils durch Teilnahme an einer (disquotalen) Kapitalerhöhung gehört
grundsätzlich nicht zu den Anwartschaften, es sei denn, die Kapitalerhöhung ist bereits
beim Handelsregister angemeldet und eingetragen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 11. Juli
2001 VI 252/99, EFG 2001, 1435, mit weiteren Nachweisen; Eilers/R. Schmidt, a.a.O., §
17 EStG Anm. 151).
Im Streitfall bestand damit keine Anwartschaft, weil das Handelsregister die
Kapitalerhöhung vom ... Dezember 1998 abgelehnt und die Kapitalerhöhung vom ...
Dezember 1999 (Urkundenrolle …/1999) noch nicht angemeldet, jedenfalls aber nicht
eingetragen war.
5. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sind nicht als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
a) Bei den Zahlungen auf Grund der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft handelt sich
dem Grunde nach nicht um Werbungskosten, sondern um nachträgliche
Anschaffungskosten, die nur wegen der fehlenden Beteiligung an der Kapitalgesellschaft
nicht zu berücksichtigen sind (s. unter Abschn. 4.). Die Qualifizierung als (nachträgliche)
Anschaffungskosten verdrängt einen etwaigen Werbungskostencharakter der
Aufwendungen (vgl. BFH in BStBl. II 2004, 597; s. auch FG Hamburg, Urteil vom 11. Juli
2001 VI 252/99, EFG 2001, 1435).
b) Die Aufwendungen aus der Bürgschaftsübernahme sind als nachträgliche
Anschaffungskosten anzusehen, weil die Bürgschaftsübernahme
eigenkapitalersetzenden Charakter im Sinne von § 32a GmbHG a. F. hatte, der im
Streitjahr noch gültig war. Die Bürgschaft ist nämlich vom Kläger zu einem Zeitpunkt
übernommen worden, in dem sich die A... GmbH bereits in der Krise befand, weil sie
nicht mehr kreditwürdig war (s. hierzu auch Eilers/R. Schmidt in
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nicht mehr kreditwürdig war (s. hierzu auch Eilers/R. Schmidt in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 17 EStG Anm. 202, 201; BFH, Urteil vom 12.
Dezember 2000 VIII R 22/92, BStBl. II 2001, 385). Die eigenkapitalrechtliche Krise ergibt
sich daraus, dass die A... GmbH im Dezember ohne die Gewährung eines weiteren
Darlehens in ihrer Existenz bedroht gewesen wäre, Lieferantenkredite nicht mehr
bedienen konnte und bereits ersten Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt war (vgl.
Bericht über den „Runden Tisch“, Abschnitt IV., Nr. 4, 6 und 7, Bl. 31 der Streitakte).
Ohne Übernahme einer Höchstbürgschaft in Höhe von DM …,- - neben der weiteren
Übernahme von Höchstbürgschaften in Höhe von jeweils DM …,- durch die beiden
Gesellschafter der A... GmbH - war die E... Bank nicht bereit, das Darlehen in Höhe von
DM …,- auszureichen.
c) Der Annahme eines eigenkapitalersetzenden Charakters steht nicht entgegen, dass
der Kläger im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft noch nicht Gesellschafter war.
Denn nach § 32a Abs. 3 GmbHG gilt das Eigenkapitalrecht auch für
Stützungsmaßnahmen Dritter, die der Darlehensgewährung oder
Bürgschaftsübernahme durch einen Gesellschafter entsprechen. Zu den von § 32a Abs.
3 GmbHG erfassten Dritten gehören Nicht-Gesell-schafter, die wirtschaftlich gesehen
einem Gesellschafter gleichstehen, oder die einen Ausgleichsanspruch gegen
Gesellschafter haben, weil sie die Finanzierungsmaßnahme wirtschaftlich für Rechnung
des Gesellschafters erbringen (BFH in BStBl. II 2001, 385, unter III. 2. Buchst. c der
Gründe). Entsprechendes gilt auch für Dritte, die im Hinblick auf ihre beabsichtigte
Gesellschafterstellung Finanzierungshilfen erbringen, wie dies im Streitfall zu bejahen ist
(s. auch Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 32a Rz. 27, mit weiteren Nachweisen);
die gesellschaftsrechtliche Vergleichbarkeit im Sinne von § 32a Abs. 3 GmbHG ergibt
sich insbesondere daraus, dass auch die beiden Gesellschafter entsprechende
Finanzierungshilfen, die auf Grund der bereits bestehenden Beteiligungen höher
ausgestaltet waren, geleistet haben.
6. Schließlich sind die Aufwendungen nicht als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen
einer Mitunternehmerschaft, die aus dem Kläger und der A... GmbH (oder deren
Gesellschaftern) bestand, zu berücksichtigen. Unabhängig davon, dass insoweit eine
Feststellungserklärung noch nicht vorliegt und der Senat keine hinreichenden
Anhaltspunkte für eine Schätzung nach § 162 Abs. 5, § 155 Abs. 2 AO hat, ist nicht
ersichtlich, inwieweit eine Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
zustande gekommen sein könnte. Das Scheitern der Beteiligung des Klägers an der A...
GmbH führte nicht dazu, dass statt einer Kapitalgesellschaft nur eine
Vorgründungsgesellschaft zustande kam, die als Personengesellschaft anzusehen wäre
(vgl. hierzu auch BFH, Beschluss vom 05. September 2008 IV B 1/08, nicht
veröffentlicht). Offenkundig war nämlich nur eine Beteiligung des Klägers als
Anteilseigner an der bereits bestehenden A... GmbH geplant, nicht aber das Bestehen
einer Personengesellschaft parallel zur A... GmbH.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Da die Klage keinen Erfolg hatte,
brauchte der Senat über die Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht zu entscheiden.
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