Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: vollziehung, rücklage, investition, buchführung, einspruch, auto, aussetzung, auflösung, herstellungskosten, sammlung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2004
Aktenzeichen:
12 V 12276/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 69 FGO, § 7g EStG 2002
Aussetzung der Vollziehung: Anforderung für Anerkennung einer
Ansparrücklage
Tatbestand
Die Antragstellerin reichte zunächst keine Steuererklärungen für das Streitjahr ein. Der
Antragsgegner schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen. Gegen die entsprechenden
Bescheide legte die Antragstellerin Einspruch ein. Zur Begründung reichte sie die
Steuererklärungen und den Jahresabschluss für das Streitjahr ein. Im Jahresabschluss
wies sie eine Ansparrücklage in Höhe von € 30 000 aus. Weitere Angaben dazu fanden
sich weder im Jahresabschluss noch in der Buchführung der Antragstellerin. Der
Antragsgegner erließ daraufhin mit Datum vom 22. Januar 2007 einen
Änderungsbescheid und übersandte zusammen mit diesem Bescheid einen Vordruck
ESt 7g, mit der Bitte, diesen ausgefüllt zurückzusenden. Dieser Bitte kam die
Antragstellerin nicht nach. Der Antragsgegner erließ daraufhin am 15. Mai 2007 erneut
Änderungsbescheide, in denen er die Ansparrücklage erfolgswirksam auflöste. Dagegen
legte die Antragstellerin erneut Einspruch ein, den sie nicht begründete. Gleichzeitig
beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung. Den Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19. Juni 2007 ab. Den Einspruch
wies er mit Einspruchsentscheidung vom 12. November 2007 als unbegründet zurück.
Über die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage der Antragstellerin, die bei
dem Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 12275/07 geführt wird, ist noch nicht
entschieden.
Im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung hat die Antragstellerin die Anlage
ESt 7g eingereicht und darin als anzuschaffende Wirtschaftsgüter „Auto“ und „TV-
Equipment“ bezeichnet. Hinter der Position „TV-Equipment“ befindet sich ein
Klammerzusatz, dessen erster Teil „Kamera“ lautet und dessen zweiter Teil unleserlich
ist. Als Investitionsjahr ist das Jahr 2006 angegeben, als voraussichtliche
Anschaffungskosten für das Auto € 60 000 und für das TV-Equipment € 15 000.
Die Antragstellerin macht geltend, dass die Investitionsabsicht dem Antragsgegner
bereits erklärt worden und diesem somit bekannt sei. Gleichwohl habe der
Antragsgegner die Ansparrücklage erfolgswirksam aufgelöst.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer
2004 sowie Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 15. Mai 2007 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2007 auszusetzen.
den Antrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll
die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn
ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der Senat sich anschließt, vor, wenn
neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die
Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder
Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der
Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall
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Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall
entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des
Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Irgendeine vage
Erfolgsaussicht genügt nicht (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1998 – I B 101/98,
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –
BFH/NV – 1999, 753; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage 2006, § 69 Rn.
86, m.w.N.).
b) Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin
angefochtenen Bescheiden bestehen nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass der
Antragsgegner die von der Antragstellerin gebildete Ansparrücklage nicht anerkannt hat.
aa) Nach § 7g Abs. 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die
Streitjahre geltenden Fassung können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder
Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden bzw. Betriebsausgaben in der entsprechenden Höhe
berücksichtigen. Die Ansparrücklage darf dabei 40 % der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das
voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden
Wirtschaftsjahres angeschafft oder hergestellt wird. Bildung und Auflösung der Rücklage
müssen gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG in der Buchführung verfolgt werden
können. Für jedes einzelne Wirtschaftsgut, das voraussichtlich angeschafft oder
hergestellt wird, ist eine gesonderte Rücklage zu bilden (BFH-Urteil vom 12. Dezember
2001 X R 13/00, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2002, 385, unter II.1.a) der Gründe; BFH-
Beschlüsse vom 25. September 2002 IV B 55/02, BFH/NV 2003, 159; vom 16. Juni 2004
X B 172/03, BFH/NV 2004, 1528, unter 1.a) der Gründe). Dementsprechend sind bei
mehreren künftigen Investitionen die einzelnen Rücklagen in der Buchführung jeweils
getrennt zu behandeln. Zudem muss jede Investition ausreichend konkretisiert sein
(BFH-Urteile vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFH/NV 2002, 1097; vom 19. September
2002 X R 51/00, BStBl. II 2004, 184, unter II.2. der Gründe). Das bedeutet, dass die
voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage so genau bezeichnet
werden muss, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene
Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Es
sind daher Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsgutes sowie zu den
voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich (BFH-Urteile vom
12. Dezember 2001 X R 13/00, BStBl. II 2002, 385, unter II.1.a) der Gründe; vom 06.
März 2003 IV R 23/01, BStBl. II 2004, 187; BFH-Beschlüsse vom 25. September 2002 IV
B 55/02, BFH/NV 2003, 159; vom 22. September 2004 X B 58/04, juris). Diese Angaben
sind zeitnah zu machen (BFH-Beschluss vom 05. April 2007 – XI B 173/06, BFH/NV 2007,
1308, unter II.2.c) der Gründe).
bb) An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Die Antragstellerin hat in ihrem
Jahresabschluss für das Streitjahr lediglich eine einzige Ansparrücklage in Höhe von
€ 30 000 gebildet, obwohl ausweislich der mittlerweile eingereichten Anlage ESt 7g
mindestens zwei verschiedene Wirtschaftsgüter angeschafft werden sollten. Zudem
enthielt die Buchführung der Antragstellerin keinerlei Aufzeichnungen hinsichtlich der
Rücklage, die die Verfolgung ihrer Bildung und Auflösung i.S.d. § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3
EStG erlaubten. Schließlich hat die Antragstellerin die anzuschaffenden Wirtschaftsgüter
nicht zeitnah nach Art und Funktion konkretisiert. Weder aus ihrer Steuererklärung und
ihrem Jahresabschluss 2004 noch aus dem Einspruch gegen die Änderungsbescheide
vom 15. Mai 2007 ergaben sich irgendwelche Anhaltspunkte, um welche Wirtschaftsgüter
es sich konkret handeln sollte. Die im Klage- und Antragsverfahren eingereichte Anlage
ESt 7g ist keine zeitnahe Aufzeichnung der Wirtschaftsgüter, da sie – unabhängig von
der Frage, wann sie erstellt worden ist – dem Antragsgegner jedenfalls bislang nicht
vorgelegen hat. Soweit die Antragstellerin vorgetragen hat, dass die der Bildung der
Ansparrücklage zugrundeliegenden Tatbestände dem Antragsgegner bereits erklärt
worden seien, hat sie dies nicht ansatzweise glaubhaft gemacht. Im Übrigen sind die in
dieser Anlage gemachten Angaben jedenfalls hinsichtlich der Position „Auto“ nicht
konkret genug, da diese Bezeichnung jegliche Art von Fahrzeug umfasst, so dass nicht
feststellbar ist, ob eine später vorgenommene Investition der geplanten Investition
entspricht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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