Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin: grundstück, stille gesellschaft, eigentum, gesellschafter, erwerb, privatvermögen, einlage, personengesellschaft, stillen, sammlung

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Gericht:
FG Berlin 7. Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1993
Aktenzeichen:
7 K 4230/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 15 Abs 1 Nr 2 EStG 1991
Zurechnung eines mit einem Erbbaurecht zugunsten der
Personengesellschaft belasteten Grundstücks beim
Gesellschafter als Privatvermögen oder
Sonderbetriebsvermögen I
Tatbestand
Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Klägerin sind der Grundstückshandel und die
Vermietung eigenen Grundbesitzes. An ihrem Geschäftsbetrieb waren im Streitjahr die
Herren
xxx
xxx
xxx
als atypisch stille Gesellschafter beteiligt.
Von den sich aufgrund der Feststellungen einer Außenprüfung zunächst ergebenden
Streitpunkten ist nunmehr allein noch die Frage geblieben, ob das Eigentum an dem
Grundstück xxx in Berlin, das die Klägerin aufgrund eines von ihr erworbenen
Erbbaurechts für ihren Gewerbebetrieb nutzte, Sonderbetriebsvermögen des
Mitgesellschafters xxx darstellte.
Das bereits seit 1980 bestehende Erbbaurecht erwarb am 14. Mai 1990 durch Kauf eine
xxx, deren gesellschaftsrechtliche Zusammensetzung mit der der Klägerin identisch ist.
Mit einem weiteren Kaufvertrag vom 23. November 1991 erwarb die Klägerin dieses
Erbbaurecht von der xxx xxx für 9,5 Mio. DM.
Der Gesellschafter xxx xx xxx erwarb am 11. März 1991 das mit dem Erbbaurecht
belastete Grundstück für 2 Mio. DM und veräußerte es am 22. Oktober 1993 für 4,5 Mio.
DM an die Klägerin weiter (vgl. zu alledem Tz. 33 des Betriebsprüfungsberichts vom 10.
Juni 1998; Auftrags-Nr. xxx für die Feststellungszeiträume 1990 bis 1993). Die Klägerin
veräußerte das Grundstück - einschließlich des Erbbaurechts - im Jahre 1998 für 12 Mio.
DM.
In einem Bewertungsgutachten aus dem Jahre 1998 kam der Gutachter xxx. xxx zu einer
Restnutzungsdauer des Gebäudes von 85 Jahren (Bl. 116 ff. Streitakte).
Der Mitgesellschafter xxx xxx behandelte das Grundstück als Privatvermögen. Anlässlich
einer Außenprüfung stellte sich der Prüfer auf den Standpunkt, dass es sich um
Sonderbetriebsvermögen handele. In zivilrechtlicher wie in bilanzrechtlicher Sicht sei das
Erbbaurecht im Wesentlichen ein befristetes Nutzungsrecht, dessen Inhalt zum einen die
"verdinglichte" Befugnis des Erbbauberechtigten sei, das Grundstück fortwährend in
bestimmter Weise zu nutzen. Das bestellte Erbbaurecht umfasse nicht nur das Recht,
auf dem Grundstück ein Bauwerk zu errichten, sondern damit verbunden auch das
Recht, den Grund und Boden, zu dessen Lasten es bestellt worden sei, zu nutzen.
Dieses Nutzungsrecht erstrecke sich nicht nur auf den bebauten Grundstücksteil,
sondern auf das Grundstück insgesamt. Es komme dabei nicht darauf an, wer das
Erbbaurecht bestellt und zu wessen Gunsten er dieses bestellt habe. Maßgeblich sei
vielmehr, dass der atypisch stille Gesellschafter die Nutzung des Grundstücks durch die
Klägerin dulde und diese Duldung einer Nutzungsüberlassung entspreche.
Der Beklagte folgte dem Außenprüfer und legte den angefochtenen Feststellungs- und
Festsetzungsbescheiden die Rechtsauffassung zugrunde, dass das Grundstück xxx xxx
notwendiges Sonderbetriebsvermögen des Mitgesellschafters xxx sei.
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Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, das Eigentum an dem mit dem
Erbbaurecht belasteten Grundstück als Privatvermögen des Herrn xxx xxx xxx xxx zu
behandeln, weiter. Sie verweist darauf, dass zu dem Zeitpunkt, als Herr xxx xxx xxx
einen Kaufvertrag über den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück abgeschlossen
habe, dieses bereits seit rund elf Jahren durch Dritte mit dem streitbefangenen
Erbbaurecht belastet gewesen sei. Weder sei der Erwerb des Eigentumsrechts an dem
Grundstück durch Herrn xxx xxx xx xxx noch später für die Klägerin selbst für die
Nutzung des Grundstücks durch die Klägerin erforderlich oder nützlich gewesen, denn
die Berechtigung hierzu habe sich bereits aus dem von ihr erworbenen Erbbaurecht
ergeben.
Das Gericht hat den persönlich betroffenen Gesellschafter in der mündlichen
Verhandlung zu dem Verfahren beigeladen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen, der Beigeladene habe das Eigentum an dem Grundstück in seinem
Privatvermögen gehalten. Der Beigeladene habe sich am gewerblichen
Grundstückshandel stets nur als Mitunternehmer beteiligt und sei auf diesem Gebiet nie
als Einzelunternehmer tätig gewesen. Insbesondere sei auch zu berücksichtigen, dass er
das Grundstückseigentum deutlich früher angeschafft habe als die Klägerin das
Erbbaurecht. Der Erwerb des Grundstücks in das Privatvermögen sei auch eine attraktive
Geldanlage gewesen, weil der Beigeladene einen jährlichen Erbbauzins von 160 000,00
DM erhalten habe (so auch Tz. 35 des Betriebsprüfungsberichts a. a. O.; demgegenüber
enthält der Jahresabschluss der Klägerin als Erbbauzinsen für das Grundstück für den
Veranlagungszeitraum 1992 80 000,00 DM und für 1993 40 000,00 DM).
Weiter müsse berücksichtigt werden, dass das Gebäude mit dem Ablauf des
Erbbaurechts praktisch zeitgleich wirtschaftlich verbraucht sei; das am 18. Dezember
1980 bestellte Erbbaurecht laufe 2079 aus, die Gesamtnutzungsdauer des 1982
errichteten Gebäudes laufe 2081 ab.
Selbst wenn man jedoch - wegen der Mitunternehmerschaft des Beigeladenen an einem
gewerblichen Grundstückshandel - der Rechtsauffassung sei, dass die Drei-Objekt-
Grenze für den Beigeladenen nicht gelte, bilde das Eigentum an dem Grundstück kein
Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft, sondern sei
Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens. In diesem Betriebsvermögen des
Einzelunternehmens sei es auch verblieben, denn es fehle an einem Vorgang, den man
als Einlage des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens in das Betriebsvermögen
der atypisch stillen Gesellschaft ansehen könne.
Sofern man aber der Klägerin auch insoweit nicht folge, sei zu berücksichtigen, dass den
als Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen anzusehenden Zahlungen von
Erbbauzins Sonderbetriebsausgaben gegenübergestanden hätten, die bisher im
Rahmen der Gewinnfeststellung nicht erfasst seien, die zu beziffern sich der
Prozessbevollmächtigte trotz der langen Prozessdauer zur Zeit aber außerstande sehe.
Der Beklagte hat daraufhin - mit der Zustimmung des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin, der zugleich von dem Beigeladenen gem. im Termin vorgelegter
Prozessvollmacht bevollmächtigt worden ist - den angefochtenen Gewinnfeststellungs-
sowie den Gewerbesteuermessbetrags- und Gewerbesteuerbescheid hinsichtlich noch zu
berücksichtigender Sonderbetriebsausgaben des Beigeladenen für vorläufig erklärt.
Der Prozessbevollmächtigte hat die Klage wegen der Einheitswertfeststellungen auf den
1. Januar 1990, 1991 und 1994 zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt, den Gewinnfeststellungsbescheid für 1993, den
Gewerbesteuermessbetrags- und den Gewerbesteuerbescheid für 1993 sowie die
Einheitswertbescheide auf den 01.01.1992 und 01.01.1993, jeweils in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13.6.2001 mit der Maßgabe zu ändern, dass es sich bei
dem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück xxx xxx xxx nicht um
Sonderbetriebsvermögen des Herrn xxx xxx xxx handelt, die Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er hält das von ihm während der Außenprüfung und im Einspruchsverfahren
herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 7. April 1994 IV R 11/92,
Bundessteuerblatt -BStBl- II 1994, 796 wegen einer abweichenden
Sachverhaltsgestaltung nicht für anwendbar. Andererseits hält er im Ergebnis unter
Hinweis auf die Ausführungen von Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz 24. Aufl.,
2005 Tz. 514 zu § 15 Einkommensteuergesetz -EStG- sowie auf das Urteil des BFH vom
1. März 1994 VIII R 35/92, BStBl II 1995, 241) an der Rechtsauffassung fest, dass es sich
bei dem Eigentum an dem Grundstück um Sonderbetriebsvermögen I des
Gesellschafters xxx xxx xxx handelt.
Sollte das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht folgen, sei zu prüfen, ob gewerbliche
Einkünfte unter dem Gesichtspunkt eines gewerblichen Grundstückhandels anzunehmen
seien. Diese Prüfung stelle er jedoch zur Zeit zurück.
Dem Gericht haben die atypisch stille Gesellschaft betreffend zwei Bände
Gewinnfeststellungs-, zwei Bände Gewerbesteuer-, ein Band Einheitswert-, zwei Bände
Bilanz-, ein Band Betriebsprüfungs- sowie ein Band Vertragsakten des Beklagten
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 72 Abs.
2 Finanzgerichtsordnung -FGO- einzustellen, im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Die Klägerin - und der Beigeladene - werden in den angefochtenen Bescheiden in ihren
Rechten nicht verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn das Eigentum an dem
Grundstück xxx xxx xxx stellte notwendiges Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen
im Rahmen seiner atypisch stillen Beteiligung am Gewerbebetrieb der Klägerin dar.
Notwendiges Sonderbetriebsvermögen I ist gegeben, wenn das Wirtschaftsgut objektiv
erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft selbst
bestimmt ist. Dazu gehören insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter
der Personengesellschaft zur betrieblichen Nutzung überlässt und die von ihr für ihre
eigengewerbliche Tätigkeit eingesetzt werden (BFH, Urteil vom 7. Dezember 2000 III R
35/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 194, 294 = BStBl II
2001, 316 m. w. N.).
Gleichgültig ist, ob das Wirtschaftsgut entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung
überlassen wird, ob dies durch Gesellschaftsvertrag oder in einem besonderen Vertrag
vereinbart ist und ob die Nutzungsüberlassung schuldrechtlich (Miete, Pacht, Leihe) oder
dinglicher Art ist, z. B. Erbbaurecht, Nießbrauch (vgl. Schmidt/Wacker
Einkommensteuergesetz Kommentar 24. Aufl. 2005 Tz. 514 zu § 15 EStG m. n. N.).
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Danach wurde das Grundstück mit
der Anschaffung des Erbbaurechts durch die Klägerin notwendiges
Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der
Klägerin war das Eigentum an dem Grundstück nicht deshalb lediglich eine leere Hülle,
weil sich die Nutzungsberechtigung an dem Grundstück schon aus dem der Klägerin
zustehenden Erbbaurecht ergab; vielmehr vermittelte das Erbbaurecht, trotz seiner
dinglichen Natur, lediglich eine befristete, wenn auch noch lange Zeit laufende
Nutzungsberechtigung an dem Grundstück. Mit dem Erwerb des Erbbaurechts durch die
Klägerin stellte der Beigeladene/Eigentümer der Klägerin/Erbbauberechtigten diese eben
aus seinem Eigentum abgeleitete - zeitlich unbegrenzte - Nutzungsberechtigung zur
Verfügung.
Da es nach Auffassung des Gerichts zwingend ist, das Grundstück als
Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen anzusehen, kann die Klägerin aus der
buchhalterisch falschen Behandlung auch keine Rechte herleiten, indem sie sich darauf
beruft, dass eine nach außen hin dokumentierte Einlagehandlung des Beigeladenen
nicht festzustellen sei.
Das Gericht braucht auch nicht letztlich zu entscheiden, ob das Grundstück, bevor es
Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen im Rahmen der Mitunternehmerschaft
wurde, bei diesem Privat- oder, wozu der Senat neigt, Betriebsvermögen eines
Einzelunternehmens war. Für Betriebsvermögen spräche, dass sich der Beigeladene,
wenn auch im Übrigen nur als Mitunternehmer, an einem gewerblichen
Grundstückshandel beteiligt hat. Ferner sprechen dafür fehlende Anhaltspunkte für eine
- angesichts seiner Betätigung als gewerblicher Grundstückshändler notwendige -
deutliche und nachweisbare Zuordnung zum Privatvermögen sowie die Tatsache, dass
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deutliche und nachweisbare Zuordnung zum Privatvermögen sowie die Tatsache, dass
er das Grundstück erworben hat, als die xxx GmbH, deren Gesellschafter aus
Geschäftspartnern des Beigeladenen bestand, bereits Inhaberin des Erbbaurechts war.
Diese Frage kann jedoch dahinstehen. Die früheren Feststellungs-
/Veranlagungszeiträume sind bereits bestandskräftig, sodass sie allenfalls wegen des
Wertes der Einlage und damit des Veräußerungsgewinns von Bedeutung sein könnte.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Aufgrund der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 5 a) EStG macht
es im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Beigeladene mit dem Erwerb des
Grundstücks am 11. März 1991 Betriebsvermögen gebildet und dieses dann später mit
dem Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin am 23. November 1991 in die atypisch
stille Gesellschaft als Sonderbetriebsvermögen eingelegt hat oder ob er erst mit dem
Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin zu diesem späteren Zeitpunkt das
Grundstück aus seinem Privatvermögen als Sonderbetriebsvermögen in die
Mitunternehmerschaft eingelegt hat. Dafür, dass der Teilwert des Grundstücks zum
späteren der infrage kommenden Zeitpunkte, dem 23. November 1991, unter den
Anschaffungskosten gelegen haben könnte, gibt es keine Anhaltspunkte. Es hat folglich
auf den Wert der Einlage und damit die Höhe des Veräußerungsgewinns keinen Einfluss,
ob das Grundstück vor der Einlage als Sonderbetriebsvermögen am 23. November 1991
Privat- oder Betriebsvermögen des Beigeladenen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil es die hier zu entscheidenden
Rechtsfragen noch nicht für abschließend höchstrichterlich geklärt, eine weitere Klärung
aber für wünschenswert hält.
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