Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: veranstaltung, ausübender künstler, menschliche stimme, geistige schöpfung, subunternehmer, musik, konzert, eintrittsgeld, besucher, einspruch

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1999
Aktenzeichen:
5 K 7215/06 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 2 Nr 7 Buchst d UStG
1999, § 12 Abs 2 Nr 7 Buchst a
UStG 1999
Ermäßigte Umsatzbesteuerung der Eintrittsgelder für ein
Volksfest
Tatbestand
Die Klägerin veranstaltet seit Beginn der 90er Jahre einmal jährlich für ca. 10 Tage das
Fest X. Hierzu wird jeweils eine Freifläche im Bereich der A-Straße in M angemietet, die
von den Besuchern nur gegen Entgelt betreten werden konnte. Auf der Veranstaltung
werden in jedem Jahr etwa die gleichen Leistungen angeboten. Es handelt sich dabei um
eine Mischung aus Kunst, Kunsthandwerk und Gastronomie. Es treten Kleinkünstler und
Gaukler aller Genres auf, wie etwa Zauberer, Bauchredner, Jongleure, Akrobaten und
Puppenspieler. Die Auftritte erfolgen auf einer der vier Bühnen oder an geeigneten
wechselnden Orten auf dem gesamten Veranstaltungsgelände. Ferner findet Livemusik
auf den Bühnen statt. Wegen Einzelheiten des Veranstaltungsinhalts wird auf den sich in
der Gerichtakte befindlichen Veranstaltungsplan für 2008 verwiesen.
Die Klägerin stellt die notwendige Ausstattung der Veranstaltung, die durch ihr Personal
auf- und abgebaut wird. Die sich auf dem Veranstaltungsgelände befindlichen Stände,
Buden und Bühnen gehören der Klägerin zum Teil selbst und werden im Übrigen
angemietet. Die tätigen Künstler werden von der Klägerin engagiert. Von den Besuchern
in Anspruch genommene gastronomische Leistungen werden diesen gesondert
berechnet und sind nicht im Eintrittsgeld enthalten.
Im Streitjahr nahm die Klägerin Eintrittsgelder in Höhe von insgesamt 218.271,55 DM
inklusive Umsatzsteuer ein und unterwarf diese in ihrer Umsatzsteuererklärung 1999
dem Regelsteuersatz. Mit Bescheid vom 6.5.2002 stimmte der Beklagte der
Umsatzsteuererklärung zu. Am 1.6.2005 hob der Beklagte den Vorbehalt der
Nachprüfung auf. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin
erstmalig die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für eine Tätigkeit als Schausteller
nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) Umsatzsteuergesetz -UStG- für die Umsätze aus den
Eintrittsgeldern, da die Besucher des Festes die Schaustellerleistungen direkt von ihr,
der Klägerin, bezogen hätten.
Durch Einspruchsentscheidung vom 17.5.2006 wies der Beklagte den Einspruch als
unbegründet zurück und führte darin aus, dass es an einer für die Qualifikation als
Schausteller notwendigen ambulanten Leistung der Klägerin fehle. Da die Klägerin nicht
von Ort zu Ort ziehe und die Veranstaltung nur für 10 Tage im Jahr durchführe, sei ihre
Leistung eher mit einer ortsfesten Veranstaltung zu vergleichen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage beruft sich die Klägerin zunächst auf
den Wortlaut des § 30 UStDV, dessen Definition des Schaustellerbegriffs keine
Leistungen an ständig wechselnden Orten erfordere. Sie, die Klägerin, habe von Anfang
an die Absicht gehabt, ihre Leistung auch an anderen Orten anzubieten, was ihr jedoch
bisher nicht gelungen sei. Auch erfülle sie das Kriterium des ständig wechselnden Ortes
mittelbar, da sie die Mehrkosten der dauernden Auf- und Abbauarbeiten zu tragen habe.
Eine Abgrenzung zu einem ortsfesten Vergnügungspark könne nicht durch die Häufigkeit
der Durchführung einer Veranstaltung getroffen werden.
Weiterhin vertritt die Klägerin die Ansicht, die Eintrittsgelder seien auch nach § 12 Abs. 2
Nr. 7 Buchst. a) UStG steuerermäßigt.
unter Aufhebung des Bescheides vom 1.6.2005 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.5.2006 bei der
Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 Bruttoumsätze in Höhe von 218.271,55
DM
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DM
Regelsteuersatz.
die Klage abzuweisen und hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die
von der Klägerin beschäftigten Subunternehmer unstreitig Schausteller sein könnten,
nicht jedoch die Klägerin selbst. Da bei der Klägerin nur einmal im Jahr Kosten für den
An- und Abbau anfielen, sei das Fest X nicht mit einer von Ort zu Ort ziehenden
Veranstaltung vergleichbar. Das Fest X finde seit 15 Jahren lediglich nur einmal im Jahr
statt. Die Klägerin erbringe auch die schaustellerische Leistung nicht selbst, sondern
biete lediglich anderen Schaustellern die Möglichkeit, bei ihrer Veranstaltung
aufzutreten.
Dem Gericht haben neben der Verfahrensakte ein Band Umsatzsteuerakten bei seiner
Entscheidung vorgelegen (Bd. II).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin zu Unrecht die Steuerermäßigung
nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG hinsichtlich der Umsätze aus dem Verkauf der
Eintrittskarten versagt. Zugunsten der Klägerin greift einerseits der
Steuerermäßigungstatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) UStG ein, soweit auf der
Veranstaltung Kleinkünstler aufgetreten sind. Im Übrigen kann sich die Klägerin für die
Inanspruchnahme der Steuerermäßigung auf § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a) UStG stützen,
da bei der Veranstaltung Musik aufgeführt worden ist.
Die Klägerin erbringt gegenüber den Besuchern der Veranstaltung eine einheitlich zu
betrachtende Gesamtleistung, für die insgesamt ein Eintrittsgeld erhoben wird. Die
Zahlung des Eintrittsgeldes steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den
dargebotenen künstlerischen und musikalischen Aufführungen, da weitere auf dem
Veranstaltungsgelände in Anspruch genommene Leistungen gesondert bezahlt werden
mussten. Welche Teilleistung der Gesamtveranstaltung letztlich das Gesamtgepräge
gibt, muss nicht entschieden werden, da in jedem Fall ein Steuerermäßigungstatbestand
des § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG eingreift.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die
Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30 UStDV gelten als Leistungen
aus der Tätigkeit als Schausteller im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d) UStG
Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige
Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen
Veranstaltungen.
Bei dem von der Klägerin durchgeführten Fest X handelt es sich um ein Volksfest oder
eine diesem ähnliche Veranstaltung, bei dem es zu Schaustellungen, Musikaufführungen
und unterhaltenden Vorstellungen durch die beauftragten Künstler als Subunternehmer
kommt. Die Klägerin wurde nach dem Gesamtbild der Veranstaltung selbst als
Schausteller im Sinne des Ermäßigungstatbestands tätig.
Schausteller sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat
anschließt, Personen, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen
gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, also von Ort zu Ort ziehen (Urteil
des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25.11.1993, V R 59/91, BStBl II 1994, 336, m.w.N.).
Die Leistungen müssen dabei nicht in eigener Person erbracht werden; vielmehr reicht
es aus, dass diese im eigenen Namen mit Hilfe von Arbeitnehmern oder sonstigen
Erfüllungsgehilfen gegenüber den Besuchern der Veranstaltung ausgeführt werden (BFH-
Urteil vom 18.7.2002, V R 89/01, BStBl II 2004, 88). Die Erbringung der einzelnen
künstlerischen bzw. unterhaltenden Leistungen durch Subunternehmer können damit
der Klägerin zugerechnet werden.
Der Klägerin ist die Schaustellereigenschaft nicht deshalb zu versagen, weil sie seit
Jahren das Fest X nur einmal jährlich am selben Standort veranstaltet. Zwar zieht die
Klägerin mit ihrer Veranstaltung nicht von Ort zu Ort. Sie muss jedoch nach Beendigung
der Veranstaltung den öffentlichen Straßenbereich und andere Veranstaltungsflächen
wieder freigeben und die Bühnen sowie sonstige Aufbauten entfernen. Der Charakter der
Veranstaltung entspricht daher nicht einem ortsfesten Unterhaltungs- oder Freizeitpark,
sondern einer von Ort zu Ort ziehenden Veranstaltung. Dabei kann es nicht
entscheidend darauf ankommen, dass die Veranstaltung tatsächlich nicht den Ort in
dem Sinne wechselt, dass sie in unmittelbaren Anschluss woanders wieder aufgebaut
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dem Sinne wechselt, dass sie in unmittelbaren Anschluss woanders wieder aufgebaut
wird. Ausreichend ist nach Ansicht des Senats, dass sie überhaupt abgebaut und nicht
dauerhaft an einem Ort betrieben wird. Denn die Steuerermäßigungsnorm trägt nach
Ansicht des BFH dem Umstand Rechnung, dass dem Schausteller wegen des ständigen
Ortswechsels notwendigerweise Reise- und Beförderungskosten sowie durch den Abbau,
Aufbau und den schnelleren Verschleiß der Anlagen größere Aufwendungen erwüchsen,
die sich gegenüber dem ortsfesten Leistungserbringer als Wettbewerbsnachteil
erwiesen. Notwendig sei daher, dass der jeweilige Umsatz auf einer ambulanten, d.h.
nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung des Steuerpflichtigen beruhe
(BFH-Urteil vom 25.11.1993, V R 46/91, BFH/NV 1995, 349). Auch die Klägerin unterfällt
mit ihrer Veranstaltung diesem Normzweck, da sie sämtliche Bühnen und sonstigen
Ausstattungen kurzfristig auf- und wieder abbauen muss, womit höhere Kosten für
Beförderung, Transport und Verschleiß im Vergleich zu einer ortsfesten Veranstaltung
verbunden sind.
Hinsichtlich der Musikaufführungen kann die Klägerin die Steuerermäßigung nach § 12
Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a) UStG in Anspruch nehmen, soweit diese nicht bereits vom
Begriff der Schaustellerei erfasst sind. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer
auf 7 % u.a. für Eintrittsberechtigungen für Theater und Konzerte sowie damit
vergleichbare Darbietungen ausübender Künstler.
Unter Konzerten in diesem Sinne sind Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei
denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Aufführende
können einzelne oder mehrere Personen sein. Weitere Voraussetzung ist, dass das
Konzert den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Auch Pop- und
Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts
dargebotenen Musik zu tanzen, können Konzerte sein. Außerdem kann für
"Mischformen" von Theateraufführungen und Konzerten die Steuervergünstigung in
Anspruch genommen werden, wenn eine Vorführung entweder als theaterähnlich oder
als konzertähnlich einzustufen und eine persönlich geistige Schöpfung in der für einen
Urheberrechtsschutz geforderten geistigen Höhe ist (BFH-Urteil vom 18.8.2005, V R
50/04, BStBl II 2006, 101, m.w.N.).
Die Aufführung von Livemusik erfüllt die Anforderungen, die an ein Konzert gestellt
werden. Die Besucher zahlen auch gerade deshalb zumindest einen Teil des
Eintrittsgelds. Soweit bestimmte Aufführungen als theaterähnlich eingestuft werden
können, fallen sie auch unter diese Ermäßigungsvorschrift.
Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des BFH. Eine Abweichung von Rechtsprechung des BFH liegt nach Ansicht
des Senats nicht vor. Lediglich wurde dem Merkmal des ständigen Ortswechsels bei der
Bestimmung des Schaustellerbegriffs unter Berücksichtigung des vom BFH
festgestellten Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm ein geringeres Gewicht
beigemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit
§§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.
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