Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: wohnung, berufliche tätigkeit, gerichtsakte, fotokopie, beweismittel, haus, einspruch, auflage, eltern, miete

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2003
Aktenzeichen:
5 K 5230/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 1 EStG
2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 S 2
EStG 2002, § 76 Abs 1 S 1 FGO,
§ 76 Abs 1 S 2 FGO, § 76 Abs 1
S 3 FGO
Zur Sachaufklärungspflicht des Gerichts bei fehlendem oder
unvollständigem Klägervortrag
Leitsatz
Lebt der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort mit seinem Lebenspartner zusammen, so
liegen die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nur dann vor, wenn sich aus
den Umständen klar ergibt, dass der andere Hausstand der Haupthausstand ist, der den
Mittelpunkt seiner Lebensführung bildet.
Der Steuerpflichtige hat diese Umstände substantiiert darzulegen. Kommt er dem trotz
Aufforderung nicht nach, so ist das Gericht trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht
verpflichtet, den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger war beim Ingenieurbüro X in M als technischer Leiter angestellt und hatte
seinen Wohnsitz in M. Die Lebensgefährtin des Klägers wohnte in O bei M in einer
abgeschlossenen Wohnung im Haus ihrer Eltern, für die sie an ihre Eltern Miete zahlte.
Etwa im Jahr 2001 nahm die Lebensgefährtin des Klägers eine berufliche Tätigkeit in P
auf. Die entstandenen Aufwendungen machte sie im Rahmen einer doppelten
Haushaltsführung als Werbungskosten geltend, die das für ihre Veranlagung zuständige
Finanzamt auch anerkannte.
Ab Mai 2003 wurde der Kläger technischer Leiter der Niederlassung P des Ingenieurbüros
X. Auf die in Fotokopie zur Gerichtsakte gereichte schriftliche Bestätigung des
Ingenieurbüros vom 2.4.2003 wird Bezug genommen (Bl. 14 der Gerichtsakte). Mit
Vertrag vom 15.4.2003 mieteten der Kläger und seine Lebensgefährtin eine 141,14 m²
große Wohnung in P. Das Mietverhältnis sollte am 1.6.2003 beginnen. Auf den ebenfalls
in Fotokopie zur Akte gereichten Mietvertrag wird verwiesen (Bl. 24 ff der Gerichtsakte).
Am 25.9.2003 meldete der Kläger bei der Gemeinde O einen Wohnsitz unter der
Anschrift seiner Lebensgefährtin an. Auf die Fotokopie der Anmeldebestätigung wird
Bezug genommen (Bl. 32 ff der beigezogenen Einkommensteuerakte).
Mit der Einkommensteuererklärung 2003 machte der Kläger Mehraufwendungen für
doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 14.511,00 € als Werbungskosten bei
seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Auf die Aufstellung auf Bl. 9
der Einkommensteuerakten wird verwiesen. Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom
4.8.2006 (Bl. 22 ff in der Einkommensteuerakten) berücksichtigte der Beklagte die
Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht. Gegen diesen Bescheid legte
der Kläger Einspruch ein. Am 20.11.2006 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid
(Bl. 46 ff der Einkommensteuerakten), mit dem er Umzugskosten in Höhe von 1.734,00
€ als Werbungskosten berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger erneut
Einspruch ein. Mit der Einspruchsentscheidung vom 22.5.2007 (Bl. 59 ff der
Einkommensteuerakten) setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2003 erneut herab.
Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung berücksichtigte er jedoch weiterhin
nicht als Werbungskosten, weil der Kläger in P in einer dafür geeigneten Wohnung mit
seiner Lebensgefährtin bereits im Jahr 2003 einen eigenen Hausstand unterhalten habe.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, dass er seinen Wohnsitz zum 1.6.2003 nach O
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Mit der Klage macht der Kläger geltend, dass er seinen Wohnsitz zum 1.6.2003 nach O
verlegt habe. Seine Lebensgefährtin habe dort eine abgeschlossene eigene Wohnung
gehabt. Diese habe er, der Kläger, aus eigenem Recht genutzt. Nach dem Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 12.9.2000 (VI R 165/97, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2001, 29)
reiche es aus, wenn die Wohnung allein von dem Lebenspartner angemietet worden sei,
der den dauernden Aufenthalt des Steuerpflichtigen, verbunden mit einer finanziellen
Beteiligung an der Haushaltsführung, dulde. Das sei hier der Fall.
Da er, der Kläger, auch weiterhin teilweise in M tätig gewesen sei, habe keine
Veranlassung bestanden, die Wohnung in O aufzugeben, zumal nicht gewiss gewesen
sei, ob der Standort in P dauerhaft Bestand haben würde. Hinzu sei gekommen, dass er,
der Kläger, auch selbstständig tätig gewesen sei. Dies habe er ausschließlich von O aus
realisiert.
Die Wohnung in P habe er genutzt, um seiner Tätigkeit in P nachgehen zu können. Da
die Wohnung sehr groß gewesen sei, werde nur die Hälfte der Mietkosten als
Werbungskosten angesetzt. Auf die Berechtigung auf Bl. 12 der Gerichtsakte wird
verwiesen. Am Wochenende sei er mit dem von seinem Arbeitgeber gestellten Pkw von P
nach O gefahren. Die Kosten dafür habe der Arbeitgeber übernommen.
die Einkommensteuer 2003 unter Änderung des
Bescheides vom 20.11.2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
22.5.2007 dahingehend neu festzusetzen, dass weitere Werbungskosten
bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 8.126,00 €
berücksichtigt werden.
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass bei einer doppelten Haushaltsführung der Ort des eigenen
Hausstandes und der Beschäftigungsort auseinanderfallen müssten. Das sei hier nicht
der Fall, weil der Kläger die Wohnung in P gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin
angemietet und bewohnt habe.
Mit Verfügung vom 23.7.2010 hat das Gericht den Kläger gemäß § 79b Abs. 2
Finanzgerichtsordnung - FGO - aufgefordert, bis zum 31.8.2010 Beweismittel vorzulegen
und Zeugen zu benennen, die die behauptete doppelte Haushaltsführung belegen. Auf
den daraufhin eingegangenen Schriftsatz vom 31.8.2010 (Bl. 40 ff. der Gerichtsakte
(wird Bezug genommen.
Neben der Verfahrensakte hat dem Gericht die beim Beklagten geführte
Einkommensteuerakte (blattiert bis Bl. 69) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2003 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der
Beklagte hat die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung zutreffend nicht als
Werbungskosten berücksichtigt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - sind auch als
Werbungskosten zu berücksichtigen die notwendigen Mehraufwendungen, die einem
Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten
Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die
doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach Satz 2 der Vorschrift liegt eine
doppelte Haushaltsführung nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem
er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort
wohnt. Entscheidend ist dabei, dass die Einrichtung dieses zweiten Haushalts am
Beschäftigungsort konkreten beruflichen Zwecken dient (Schmidt/Drenseck, EStG, 29.
Auflage München 2010, § 9 Rdnr. 148). Das ist im Regelfall anzunehmen, wenn der
Steuerpflichtige am Beschäftigungsort allein wohnt, während seine Familie die
ursprüngliche Wohnung weiter benutzt (Drenseck, am angegebenen Ort - aaO -, Rdnr.
142). Lebt der Steuerpflichtige - wie im vorliegenden Fall - am Beschäftigungsort mit
einem Partner zusammen, so liegen die Voraussetzungen für eine doppelte
Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nur dann vor, wenn sich aus
den Umständen klar ergibt, dass der andere Hausstand der Haupthausstand ist, der den
Mittelpunkt seiner Lebensführung bildet und an dem er sich - mit Unterbrechungen
durch den Aufenthalt am Beschäftigungsort - regelmäßig aufhält (vgl. Bundesfinanzhof -
BFH -, Urteil vom 6.10.1994 - V R 136/89, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1995, 184;
Drenseck aaO Rdnr. 142). Dies hat der Senat nicht feststellen können.
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Der Kläger hat trotz der gesetzten Ausschlussfrist keine Umstände im Einzelnen
dargelegt, aus denen sich ersehen lässt, dass der Mittelpunkt seiner Lebensführung
nach wie vor in M und Umgebung lag. Er hat diesbezüglich im Schriftsatz vom 31.8.2010
lediglich auf die Meldebescheinigung über die Begründung des Wohnsitzes in O
verwiesen, die allerdings über die tatsächlichen Verhältnisse nichts aussagt. Auch die
Tatsache, dass der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt hat, lässt nicht den
zwingenden Schluss zu, dass der tatsächliche Mittelpunkt seiner Lebensführung in M und
Umgebung war. Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger
vorgetragen hat, Kunden betreut zu haben, die dort ansässig gewesen seien. Dies hätte
er auch von einer für Besuchszwecke in O vorgehaltenen Wohnung aus bewerkstelligen
können, ohne dass sich dort der Mittelpunkt seiner Lebensführung hätte befinden
müssen. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der anwesende
Prozessbevollmächtigte nur Mutmaßungen etwa zum Freundeskreis und zu eventuellen
Arztbesuchen des Klägers anstellen können. Die beigezogenen Steuerakten sind
insoweit ebenfalls unergiebig.
Der Senat war nicht gehalten, die als Zeugin zur mündlichen Verhandlung geladene
Lebensgefährtin des Klägers zu der Frage zu vernehmen, wo sich der Mittelpunkt der
Lebensführung befunden hat. Zum einen hat der Prozessbevollmächtigte in der
mündlichen Verhandlung erklärt, die Zeugin solle dazu vernommen werden, dass es sich
bei dem Haus in O um ein Zweifamilienhaus handele, dass sie dort Miete gezahlt habe
und dass der Kläger die Kosten für die Haushaltsführung mitgetragen habe. Diese
Fragen waren nicht beweiserheblich, weil sie als wahr unterstellt werden können, ohne
dass sich daraus ein Aufschluss über den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung
des Klägers ergibt.
Zum anderen war der Senat nicht gehalten, die Lebensgefährtin zu den einzelnen
Umständen der Lebensführung des Klägers zu vernehmen. Das Gericht erforscht nach
§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt zwar von Amts wegen. Dieser
Amtsermittlungsgrundsatz erfährt allerdings dann eine Einschränkung, wenn der Kläger
im finanzgerichtlichen Verfahren nicht hinreichend mitwirkt. Dies lässt sich aus § 76 Abs.
1 Satz 2 und Satz 3 FGO ableiten, wonach das Gericht die Beteiligten bei der
Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen hat und wonach diese ihre Erklärungen
über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich
auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten
Tatsachen zu erklären haben. Eine solche mangelnde Mitwirkung kann auch darin
bestehen, dass der Kläger zu entscheidungserheblichen Umständen gar nicht oder nur
unsubstantiiert vorträgt und damit lediglich Behauptungen ohne jegliche tatsächliche
Grundlage aufstellt. Das Gericht ist in diesen Fällen nicht gehalten, den Sachverhalt von
sich aus weiter aufzuklären (s. dazu Gräber, FGO, 7. Auflage München 2010, § 76 Rdnr.
29 zu Behauptungen und Beweisanträgen ins Blaue hinein und
Ausforschungsbeweisanträgen). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Der rechtskundig
vertretene Kläger hat - wie bereits ausgeführt - trotz der mit einer Ausschlussfrist
versehenen Aufforderung des Gerichts vom 23.7.2010, Beweismittel vorzulegen und
Zeugen zu benennen, die die behauptete doppelte Haushaltsführung belegen, keine
konkreten Umstände vorgetragen, die auf einen Mittelpunkt der Lebensführung in M und
Umgebung hätten schließen lassen und die das Gericht im Rahmen einer
Beweisaufnahme hätte überprüfen können. Hierzu war der Prozessbevollmächtigte auch
in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts,
diese Pflicht des Klägers zur Mitwirkung durch eigene Ermittlungen zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung
mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.
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