Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: unechte rückwirkung, grundsteuer, eigentumswohnung, rechtssicherheit, gemeinde, haushalt, sammlung, einspruch, steuertarif, dispositionen

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2002
Aktenzeichen:
3 K 2287/04 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 3 GrStG, Art 20 Abs 3
GG, § 1 Nr 2 HG2002/2003VsG
BE, § 3 HG2002/2003VsG BE
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Erhöhung des
Grundsteuerhebesatzes
Tatbestand
Der Beklagte setzte gegen den Kläger für die von ihm im Jahre … erworbene
Eigentumswohnung … für das Jahr 2002 mit Bescheid vom -. Juni 2002 Grundsteuer in
Höhe von --,- € fest und berücksichtigte dabei den nach § 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Satz 1 des
Vorschaltgesetzes zum Haushaltsgesetz 2002/2003 vom 29. April 2002 (Gesetz- und
Verordnungsblatt für Berlin -GVBl.- 2002, Seite 129) geltenden Grundsteuerhebesatz
von 660 v. .H.
Mit seinem dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch machte der Kläger vergeblich
geltend, die durch das Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz 2002/2003 zum 1. Januar
2002 rückwirkend in Kraft getretene Erhöhung des Hebesatzes von 600 auf 660 v. H. für
… Grundbesitz sei wegen Verletzung des Grundsatzes des Rückwirkungsverbots
rechtswidrig.
Mit Einspruchsentscheidung vom … - auf die der Senat im Übrigen Bezug nimmt (vgl. Bl.
23 f EW.-A.) - wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Das
Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz sei rechtmäßig. Nach § 25 Abs. 3
Grundsteuergesetz -GrStG- habe der Hebsatz bis zum 30. Juni 2002 rückwirkend erhöht
werden dürfen. Diese Frist sei vom Gesetzgeber eingehalten worden, denn das Gesetz
sei am 29. April 2002 beschlossen und am 8. Mai 2002 im GVBl. veröffentlicht worden.
Ein Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- verankerte
Rückwirkungsverbot liege nicht vor. Die Hebesatzerhöhung um 10 v. H. sei überdies
maßvoll und bewirke keine unverhältnismäßige Belastung der Grundeigentümer. Für die
Eigentumswohnung des Klägers betrage der Grundsteuererhöhungsbetrag für das
gesamte Jahr lediglich -,- €.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass
hinsichtlich der rückwirkenden Erhöhung der Grundsteuer zumindest für die ersten
beiden Quartale des Jahres 2002 (15. Februar und 15. Mai) eine verfassungsrechtlich
unzulässigen Rückwirkung des Gesetzes vorliege.
Mit Schriftsatz vom … (Bl. 14 Streitakte) hat die Prozessbevollmächtigte die zugleich im
Namen des Herrn … (Eigentumswohnung …) und der … (Eigentumswohnungen …)
erhobene Klage wegen Grundsteuer 2002 und der Kläger seine Klage betreffend die
Eigentumswohnung … (Steuernummer …) zurückgenommen. Daraufhin hat der
Berichterstatter diese Verfahrensteile durch Beschluss vom … (Bl. 16 f Streitakte) zum
Zwecke der Einstellung nach § 73 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- abgetrennt und
unter dem Aktenzeichen … nach § 72 Abs. 2 FGO eingestellt.
Verbleibender Streitgegenstand dieses Verfahrens ist somit lediglich noch die
Grundsteuer (1. und 2. Quartal 2002 für die Wohnung …).
unter Änderung des
Grundsteuerbescheides für 2002 vom -. Juni 2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom … die Grundsteuer für 2002 auf --,- €
festzusetzen.
die Klage abzuweisen.
Er hält die Rechtslage für eindeutig und verweist auf die Gründe seiner
Einspruchsentscheidung vom ….
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Dem Senat hat bei seiner Entscheidung die Einheitswert- und Grundsteuerakte zur
Steuer-Nr. … vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über
die Streitsache entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angegriffene Steuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1
FGO).
Die mit der Steuerfestsetzung erfolgte Anhebung des Hebsatzes von 600 auf 660 v. H.
entspricht den einfachgesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der mit § 1 Nr. 2 i. V.
m. § 3 des Vorschaltgesetzes zum Haushaltsgesetz 2002/2003 für Berlin vom 29. April
2002 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 beschlossenen Erhöhung des
Grundsteuerhebesatzes. Ebenso steht das Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz
2002/2003 für Berlin im Einklang mit der einfachgesetzlichen Rechtslage. Aus § 25 Abs. 3
GrStG ergibt sich die Befugnis der hebesatzberechtigten Gemeinde, den Beschluss über
die Änderung des Hebesatzes bis (spätestens) zum 30. Juni des betreffenden
Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Diese Frist ist
im Streitfall eingehalten worden, denn der Beschluss über die Erhöhung des Hebesatzes
ist mit dem Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz 2002/2003 vor Ablauf des 30. Juni
2002 bereits am 29. April 2002 gefasst worden. Für die Rechtswirksamkeit der Änderung
des Hebesatzes kommt es dagegen weder auf den Zeitpunkt der förmlichen
Veröffentlichung des Änderungsbeschlusses bzw. -gesetzes (im Streitfall erfolgte die
Veröffentlichung des Vorschaltgesetzes zum Haushaltsgesetz 2002/2003 bereits am 8.
Mai 2002 im GVBl. Berlin) noch auf den Zeitpunkt einer etwaigen Genehmigung durch
die Aufsichtsbehörde an. Die in § 25 Abs. 3 GrStG enthaltene Fristbestimmung bezieht
sich allein auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des zuständigen Gemeinde- bzw.
Stadtparlaments (vgl. Troll/Eisele, Kommentar zum GrStG, 9. Aufl., Anm. 7 zu § 25, Seite
376).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die für die hebeberechtigte Kommune durch § 25
Abs. 3 GrStG eröffnete (befristete) Möglichkeit einer rückwirkenden Erhöhung des
Grundsteuerhebesatzes nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Nach Auffassung des
Senats wirkt diese Regelung rechtsstaatlich nicht in unzulässiger Weise zurück.
Das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet Messbarkeit und damit
Kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit legislativer Maßnahmen. Damit verbietet Art. 20
Abs. 3 GG in einem gewissen Umfang rückwirkende Belastungen sowie die rückwirkende
Beendigung von Begünstigungen. Von einer solchen „echten Rückwirkung“ belastender
gesetzlicher Regelungen, die grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig ist, wird
gesprochen, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit
angehörende Tatbestände eingreift. Abzugrenzen hiervon ist die unechte Rückwirkung,
die dann vorliegt, wenn ein Gesetz auf in der Vergangenheit begründete, auf Dauer
angelegte und noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt (so die Terminologie des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG-, vgl. z. B. Beschluss vom 28. November 1984, 1 BvR 1157/82, Amtliche
Sammlung von Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 68, 287; Bundessteuerblatt -
BStBl.- II 1985, 181). Letztgenannte Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Der
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber je nach Lage der Verhältnisse im
einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfG, Entscheidung vom 23.
März 1971, 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, BStBl. II 1971, 439 m. w. N. zur
Rechtsprechung des BVerfG). In der Regel verdrängt aber das öffentliche Interesse an
„Reformgesetzen“ das Vertrauensinteresse des Betroffenen an der Fortgeltung der
früheren Rechtslage (z. B. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1978, 2 BvR 71/76 zur
gesetzlichen Änderung der Wohnungsbauprämie für laufende Bausparverträge, BVerfGE
48, 404; BStBl. II 1978, 553).
Nach der Definition des 2. Senats des BVerfG entfaltet eine Rechtsnorm dann
Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs hinsichtlich der
Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die
Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (so genannte „Rückbewirkung von
Rechtsfolgen“), während eine „tatbestandliche Rückanknüpfung“ darin liegt, dass der
Tatbestand zwar in der Vergangenheit liegt, die Rechtsfolgen hingegen erst zu einem
Zeitpunkt eintreten, der nach dem Zeitpunkt des Gültigwerdens des Gesetzes liegt (vgl.
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Zeitpunkt eintreten, der nach dem Zeitpunkt des Gültigwerdens des Gesetzes liegt (vgl.
insoweit die Darstellung im Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Dezember 2003, IX R
46/02, zur Problematik der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz -EStG- durch das
Steuerentlastungsgesetz -StEntlG- 1999/2000/2002, BStBl. II 2004, 284).
Dabei bestehen zwischen den Begriffspaaren „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ und
„tatbestandliche Rückanknüpfung“ einerseits und „echter“ bzw. „unechter Rückwirkung“
andererseits keine sachlichen Differenzen mehr (so BFH, a. a. O. m. w. N. zur
Rechtsprechung des BVerfG).
Für die Abgrenzung der echten von der unechten Rückwirkung eines Gesetzes kommt es
nicht auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer an (BFH a. a. O. m. w. N. zur
Rechtsprechung des BVerfG). Entscheidend ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
vielmehr, ob die durch eine Steuerrechtsnorm hervorgerufene steuerliche Wirkung
geeignet ist, eine wirtschaftliche Disposition zu veranlassen, die ohne diesen Vorteil so
nicht vorgenommen würde (Mellinghoff, Finanzrundschau -FR- 2000, 627 f). Ob der
Bürger im Hinblick auf eine bestehende Rechtslage tatsächlich Dispositionen getroffen
hat, ist für die hier interessierende Abgrenzungsproblematik nicht relevant.Denn der
Gesetzgeber greift mit der „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ nicht nur in Dispositionen
des Steuerpflichtigen ein, sondern er verstößt zusätzlich auch gegen das
verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit. Dieses Gebot enthält als Ausprägung
des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG ein objektives Element (BFH a. a. O.).
Ob durch die in § 25 Abs. 3 GrStG vorgesehene befristete Möglichkeit einer
rückwirkenden Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes eine echte Rückwirkung (die
„Rückbeziehung von Rechtsfolgen“) oder lediglich eine „unechte Rückwirkung“
(„tatbestandliche Rückanknüpfung“) begründet werden sollte, kann der Senat letztlich
dahingestellt sein lassen.
Für eine „echte Rückwirkung“ des § 25 Abs. 3 GrStG spricht, dass die Grundsteuer
entsprechend dem in § 9 Abs. 1 GrStG enthaltenen Stichtagsprinzip nach den
Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres entsteht. Die Stichtagsverhältnisse sind
insbesondere maßgebend für den Umfang der Steuerpflicht und der etwaigen
Steuerfreiheit und für die anzuwendende Steuermesszahl (Troll/Eisele, a. a. O., Anm. 2
zu § 9). Gleiches gilt für den nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung -AO-
festzustellenden Einheitswert, der nach dem Bewertungsgesetz im
Veranlagungszeitpunkt i. S. d. §§ 16 bis 18 GrStG für den Steuergegenstand maßgebend
ist.
Für eine unechte Rückwirkung spricht demgegenüber, dass die durch § 25 Abs. 3 GrStG
eröffnete Möglichkeit einer rückwirkenden Änderung des Hebesatzes für den
Steuerpflichtigen erkennbar einen Schwebezustand schafft, der es ausschließt, dass der
Steuerbürger berechtigterweise darauf vertrauen darf, die Grundsteuer werde sich im
laufenden Jahr nicht erhöhen (vgl. Verwaltungsgericht -VG- Düsseldorf, Urteil vom 17.
November 1988, 11 K 5427/87, Zeitschrift für Kommunalfinanzen -ZKF- 1989, 156).
Dieser sich auf die Höhe der Grundsteuer beziehende Schwebezustand spricht dafür,
dass bis zum Ablauf des 30. Juni noch kein abgeschlossener Tatbestand im Sinne einer
„echten Rückwirkung“ vorliegt. Für die Unvollkommenheit des Tatbestands spricht
außerdem die Überlegung, dass der Grundsteuerhebesatz in seiner Struktur einem
Steuertarif gleicht. In Bezug auf gesetzliche Erhöhungen des Steuertarifs während eines
Veranlagungszeitraums geht das BVerfG jedoch von einer „tatbestandlichen
Rückanknüpfung“ aus, die dann mit dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus
folgenden Vertrauensschutz vereinbar ist, wenn sich die Erhöhung des Steuertarifs
während eines Veranlagungszeitraums in maßvollen Grenzen hält (Urteil vom 19.
Dezember 1961, 2 BvR 1/60, BVerfGE 13, 274). Das BVerfG folgert dies aus dem
Umstand, dass der Bürger angesichts der Erfordernisse der öffentlichen Finanzwirtschaft
nicht darauf vertrauen könne, dass der zu Beginn eines Veranlagungszeitraums
geltende Steuertarif bis zu dessen Ende unverändert bestehen bliebe.
Letztlich kann indes offen bleiben, ob § 25 Abs. 3 GrStG eine „echte“ oder „unechte
Rückwirkung“ begründet. Denn auch bei Vorliegen einer „echten Rückwirkung“ wäre § 25
Abs. 3 GrStG in seiner konkreten Ausgestaltung als rechtsstaatlich unbedenklich
anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG gilt das Vertrauensschutzprinzip auch
bei rückwirkend belastenden Gesetzen nicht ausnahmslos. Derartige Gesetze sind dann
nicht rechtsstaatswidrig, wenn das öffentliche Interesse zwingend dem
Vertrauensinteresse vorgeht oder wenn der Vertrauenstatbestand nicht bestand. So
liegt der Fall hier.
Während des laufenden Erhebungszeitraums konnte der Grundsteuerpflichtige nicht
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Während des laufenden Erhebungszeitraums konnte der Grundsteuerpflichtige nicht
darauf vertrauen, dass es uneingeschränkt bei dem bisherigen Hebesatz von 600 v. H.
verbleiben wird (so ausdrücklich im Hinblick auf die Gewerbesteuer; BFH, Beschluss vom
18. August 2004, I B 8/04, BStBl. II 2005, 143; Urteil des BVerwG vom 5. März 1973, VII C
44.68, BStBl. II 1971, 443). Gemessen an dem Interesse des Steuerpflichtigen an der
Kalkulierbarkeit der Grundsteuerbelastung (insbesondere für gewerbliche Betriebe) hat
der Gesetzgeber die Frist für eine nachträgliche Erhöhung des Hebesatzes äußerst kurz
gehalten (zu den gesetzgeberischen Motiven Troll/Eisele a.a.O., Anm. 1 zu § 25). Aus
Gründen des Erfordernisses einer geordneten öffentlichen Finanzwirtschaft konnte er
andererseits nicht generell auf eine rückwirkende Änderungsmöglichkeit der Hebesätze
verzichten. Trotz des Gebotes einer vorausschauenden Finanzplanung der Gemeinde
und Städte muss es den Kommunen deshalb unter zeitlich engen Voraussetzungen
möglich sein, eine rückwirkende Hebesatzerhöhung zu beschließen. Andernfalls würde
ihnen die Möglichkeit genommen, während des laufenden Haushaltsjahres auf nicht
vorhersehbare Entwicklungen und Belastungen für den kommunalen Haushalt durch
(moderate) Erhöhungen des Grundsteueraufkommens adäquat zu reagieren. Würde
man den Kommunen hingegen ein solches Recht zur rückwirkenden Erhöhung des
Hebesatzes (aus rechtsstaatlichen Erwägungen) generell absprechen, wären die
Kommunen letztlich darauf beschränkt, unvorhergesehene Finanzierungslücken im
Haushalt mit Hilfe neuer, teurer Schuldaufnahmen auf den allgemeinen Finanzmärkten
zu schließen. Dies hätte weitere Verwerfungen im Haushalt zur Folge, denn die
Kommunen müssten auf eine solche in Gang gesetzte Schuldenspirale mit weiteren
Erhöhungen der kommunalen Steuern (insbesondere Gewerbe- und Grundsteuern) und
Abgaben reagieren, um den erhöhten Finanzierungsbedarf decken zu können. Auf die
(Grund-) Steuerpflichtigen kämen in diesem Fall möglicherweise noch höhere (Grund-
)Steuerbelastungen zu als dies im Falle einer während des laufenden Haushaltsjahres
rückwirkend erfolgten (zinsfreien) Grundsteuererhöhung der Fall wäre. Zur Verhinderung
solcher Szenarien stellt § 25 Abs. 3 GrStG deshalb einen am Gebot der Rechtssicherheit
gemessenen schonenden und mithin gerechten Ausgleich zwischen den
widerstreitenden Interessen des Steuerpflichtigen an einer verlässlichen Steuerplanung
und der Kommunen an einer geordneten Haushaltsführung her. Diese
Abwägungskriterien gelten gleichermaßen auch für etwaigen mit einer rückwirkenden
Grundsteuererhöhung verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand (insbesondere bei
vermietetem Grundbesitz). Allerdings dürfte sich ein solcher verwaltungsmäßiger
Mehraufwand ohnehin in Grenzen halten, zumal auch andere Bewirtschaftungskosten (z.
B. Energiekosten) je nach Marktgegebenheiten laufenden Veränderungen unterliegen
dürften. Zudem wird der Vermieter ohnehin erst nach Ablauf des Zeitraums, in dem er
noch mit einer rückwirkenden Erhöhung der laufenden Grundsteuer zu rechnen hat, die
Bewirtschaftungskosten endgültig ermitteln und abrechnen können.
Dass die vorliegende Hebesatzerhöhung in Höhe 60 v. H. (entspricht 10 v. H. des
bisherigen Hebesatzes von 600 v. H.) auch unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung
noch als angemessen anzusehen ist, wird vom Kläger selbst nicht in Zweifel gezogen.
Hieran bestehen auch für den erkennenden Senat keine Zweifel. Insoweit nimmt das
Gericht auf die zutreffenden Erwägungen im Urteil des FG Berlin vom 6. Oktober 2004 -2
K 2386/02- Bezug (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 390; die hiergegen
eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 4. August
2005, II B 145/04, als unzulässig verworfen, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter
Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 2054).
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