Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: gesellschaft mit beschränkter haftung, eugh, steuerbefreiung, arbeitsförderung, aktiven, eng, soziale sicherheit, stellensuche, beruf, vergütung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2002, 2003
Aktenzeichen:
2 K 998/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Nr 21 Buchst a UStG 1999, §
4 Nr 21 Buchst b UStG 1999, § 4
Nr 15 UStG 1999, § 4 Nr 22
Buchst a UStG 1999, Art 13 Teil
A Abs 1 Buchst g EWGRL 388/77
(Unmittelbare Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g Richtlinie 77/388/EWG für Maßnahmen der
aktiven Arbeitsförderung nach § 37a SGB III)
Leitsatz
1. Umsätze aus Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung fallen nicht unter § 4 Nr. 21
Buchst. a UStG.
2. Umsätze aus Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung, die im wesentlichen aktive
Unterstützung bei der Stellensuche, der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, die Vor- und
Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen und die Unterweisung und das Training
berufsunabhängiger Fähigkeiten zur Arbeitsaufnahme beinhalten und die nach § 37a SGB III
aufgrund vertraglicher Vereinbarung an das beauftragende Arbeitsamt erbracht und an
dieses abgerechnet werden, sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG steuerfrei.
Tenor
Die Umsatzsteuer für 2002 wird unter Änderung des in Anlage zur
Einspruchsentscheidung ergangenen Bescheides vom 1. Juni 2005 auf Null € festgesetzt.
Die Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 wird unter Änderung des in Anlage zur
Einspruchsentscheidung ergangenen Bescheides vom 1. Juni 2005 dahin geändert, dass
die Umsätze der Klägerin aus den Maßnahmen nach § 37a SGB III i.H.v. 304.832 €
steuerfrei behandelt werden. Die auf diese Umsätze entfallenden Vorsteuerbeträge sind
nicht abziehbar. Soweit im Übrigen steuerpflichtige Umsätze aus sonstigen Leistungen
der Klägerin verbleiben, wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der
Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, die im Bereich der Weiterbildung tätig ist.
In ihrer für das Streitjahr 2002 im September 2003 bei dem Beklagten eingereichten
Umsatzsteuerjahreserklärung erklärte die Klägerin ausschließlich nach § 4 Nr. 21 des
Umsatzsteuergesetzes (in der Fassung der Jahre 2002 und 2003) -UStG- steuerfreie
Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 4.436.861 € und eine Abschlusszahlung von
0,00 €.
Anlässlich einer bei der Klägerin für die Zeiträume 2002 und 2003 durchgeführten
Umsatzsteuersonderprüfung stellte die Prüferin in ihrem Bericht vom 28. Januar 2004
unter der Textziffer 11 fest, dass die Klägerin zur Unterstützung des Arbeitsamtes
vertraglich vereinbarte Leistungen auf der Grundlage des § 37a des Dritten
Sozialgesetzbuches -SGB III- erbracht hat. Da sie die Voraussetzungen eines
Umsatzsteuerbefreiungstatbestandes nicht feststellen könne, betrachte sie diese
Leistungen als umsatzsteuerpflichtig. Für das Streitjahr 2002 ermittelte die Prüferin
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Leistungen als umsatzsteuerpflichtig. Für das Streitjahr 2002 ermittelte die Prüferin
steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 4.097.273,00 €, steuerpflichtige
Umsätze zu 16 v.H. in Höhe von 292.748,00 € und Vorsteuern in Höhe von 11.724,57 €.
Für das Streitjahr 2003 ermittelte die Prüferin steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug
in Höhe von 3.020.936,00 €, steuerpflichtige Umsätze zu 16 v.H. in Höhe von
336.932,00 € (davon 304.832 € aus den Maßnahmen nach § 37a SGB III und 32.100 €
aus sonstigen steuerpflichtigen Erlösen) und Vorsteuern in Zusammenhang mit den
Maßnahmen nach § 37a SGB III in Höhe von 11.707,02 €. Der Beklagte schloss sich dem
Ergebnis der Umsatzsteuersonderprüfung an. Jeweils mit Bescheiden vom 13. Februar
2004 setzte er die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2002 in Höhe von 35.115,11 € und
für das Kalenderjahr 2003 in Höhe von 42.202,10 € fest. Gegen die Bescheide legte die
Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2004 Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens wegen der Besteuerung der aufgrund § 37a SGB III
erbrachten Leistungen reichte die Klägerin im Dezember 2004 bei dem Beklagten eine
Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2003 ein, in der sie die streitigen
Umsätze - dem Grunde nach entsprechend den Feststellungen des Umsatzsteuer-
Sonderprüfungs-berichts, mit geringen Abweichungen in der Höhe - mit 342.769 €,
steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 21 UStG von 3.022.533 €, Vorsteuern von 15.321,04 €
und eine Umsatzsteuerschuld von 39.522 € sowie eine Erstattungsforderung von -
2.680,10 € anmeldete. In den als steuerpflichtig erklärten Umsätzen waren neben den
Umsätzen aus den Lehrgängen nach § 37a SGB III auch sonstige umsatzsteuerpflichtige
Erlöse aus Personalgestellungen und sonstigen Überlassungen von 32.099,65 €
enthalten.
Mit weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Änderungsbescheid vom
10. Februar 2005 wurde die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2003 erklärungsgemäß in
Höhe von 39.522,00 € festgesetzt. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte die
Klägerin eine vom Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg am
20. Januar 2005 gefertigte "Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt" vor (Bl 86
Streitakte). Darin wird der Klägerin bescheinigt, dass die von ihr durchgeführte
Bildungsmaßnahme „Trainingsmaßnahme für Jobvermittlung (Maßnahme-Nummer des
Arbeitsamtes: …) Durchführungszeitraum: vom … bis …“ dazu bestimmt und geeignet
sei, im Sinne des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, ordnungsgemäß auf einen Beruf vorzubereiten
beziehungsweise die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit zu fördern. Ferner enthält die
Bescheinigung den Hinweis, dass die Bescheinigung auch „für entsprechende (nach
Inhalt, Umfang und Ausbildungspersonal weitgehend in gleicher Weise durchgeführte)
Maßnahmen bis 31. Dezember 2007 (Maßnahmebeginn)“ gelten würde. Die Klägerin
vertrat im Einspruchsverfahren die Ansicht, dass es sich bei den folgenden, mit dem
Arbeitsamt … bzw. … geschlossenen, hier streitgegenständlichen Verträgen um
gleichartige Maßnahmen handele:
1. Vertrag vom 10. Januar 2002 mit Ergänzung vom 19. Juli 2002 für die Zeit 21.
Januar 2002 bis 20. Dezember 2002,
2. Vertrag vom 1. Februar 2002 mit Ergänzung vom 15. August 2002 für die Zeit
21. Januar 2002 bis 20. Dezember 2002,
3. Vertrag vom 13. Januar 2003 für die Zeit 13. Januar 2003 bis 12. Januar 2004,
4. Vertrag vom 26. Februar 2003 für die Zeit 3. März 2003 bis 31. August 2003,
5. Vertrag vom 28. Februar 2003 für die Zeit 24. März 2003 bis 5. September 2003.
Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verpflichtete sich die Klägerin im
Wesentlichen zu folgenden Leistungen:
- aktive Unterstützung bei der Stellensuche,
- Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen
- Vor- und Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen,
- Kontrolle der Einhaltung der Meldepflicht,
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- Schulungen über gesetzliche Neuregelungen des SGB III sowie
- Unterweisung und Training berufsunabhängiger Qualifikationen zur Arbeitsaufnahme
(zum Beispiel Sprechen, Aussehen, Auftreten, Bewerbung per Telefon usw.).
Die vereinbarte Vergütung war in jedem Vertrag pauschal abhängig von der monatlichen
Teilnehmerzahl vereinbart. Für eine erfolgreiche Vermittlung eines Teilnehmers in eine
Beschäftigung war nach näherer Bestimmung eine gesonderte Vergütung geschuldet.
Für den Fall, dass der Beklagte der Rechtsauffassung der Klägerin nicht folge, begehrte
die Klägerin die Berücksichtigung weiterer Vorsteuern für 2002 von 2.522,73 € und für
2003 von 4.768,18 €.
Auf die Verträge wird Bezug genommen (Bl. 10 ff der Streitakte).
Anlässlich des Einspruchsverfahrens wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 24.
Februar 2005 an das Landesamt für Soziales und Versorgung zwecks Überprüfung der
Bescheinigung vom 20. Januar 2005. Unter Hinweis auf die in der Bescheinigung
enthaltene Formulierung, dass die Bescheinigung auch für entsprechende (nach Inhalt,
Umfang und Ausbildungspersonal weitgehend in gleicher Weise durchgeführte)
Maßnahmen bis 31. Dezember 2007 (Maßnahmebeginn) gelten solle, bat der Beklagte
um Prüfung, ob die nunmehr vorgelegten Verträge vergleichbare Maßnahmen darstellen
würden. Der Beklagte teilte ferner mit, dass nach seiner Rechtsauffassung Maßnahmen
auf der Grundlage des § 37a SGB III nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 a)
UStG fallen. Einer Gesprächsnotiz vom 4. März 2005 über ein zwischen einem
Bediensteten des Beklagten und einer Bediensteten des Landesamtes für Soziales und
Versorgung geführtes Telefonat lässt sich entnehmen, dass die streitigen Verträge dem
Landesamt bisher nicht vorgelegen hätten. Die in der Bescheinigung enthaltene
Formulierung „für entsprechende Maßnahmen“ sei standardmäßig.
Nach Überprüfung der streitigen Verträge teilte das Landesamt dem Beklagten am 14.
März 2005 mit, dass die Maßnahmen aus den Verträgen „entsprechende Maßnahmen“
im Sinne der Bescheinigung vom 20. Januar 2005 seien und damit die Voraussetzungen
der Steuerbefreiung vorliegen würden.
Zeitgleich hatte sich der Beklagte auch an das Ministerium für Finanzen des Landes
Brandenburg mit der Frage gewandt, wie Leistungen im Zusammenhang mit § 37a SGB
III umsatzsteuerlich zu behandeln seien. Der hierauf ergangene Erlass vom 15. März
2005 weist darauf hin, dass Leistungen nach § 37a SGB III, die ein Dritter erbringt,
umsatzsteuerpflichtig seien. Zwar könne die Leistung des Dritten auch
Fortbildungsmaßnahmen zur Aufnahme eines Berufs beinhalten, diese gingen aber in
die Gesamtleistung Arbeitsvermittlung ein. Die Leistungen des Dritten seien in diesem
Fall nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 21 UStG, weil es sich bei der Gesamtleistung nicht um
unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen handele. Dabei wird als
Sachverhalt zugrunde gelegt, dass das Aufgabengebiet des Dritten
von Arbeitsplätzen auch die Unterstützung des Arbeitslosenhilfebeziehers
bei Bewerbungen umfasst und dass ein Entgelt nur für die erfolgreiche Vermittlung eines
Arbeitslosenbeziehers gezahlt wird. Der Erlass enthält ferner den Hinweis, dass das
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen entsprechend unterrichtet
worden sei.
Für die hier streitigen Verträge wurden vom Landesamt für Soziales und Versorgung
keine weiteren Bescheinigungen ausgestellt.
Die Einspruchsentscheidung erging am 1. Juni 2005. Unter Änderung der Bescheide vom
13. Februar 2004 und vom 10. Februar 2005 wurde die Umsatzsteuer unter
Anerkennung der weiteren geltend gemachten Vorsteuern für das Kalenderjahr 2002 auf
32.592,38 € und für das Kalenderjahr 2003 auf 34.755,82 € festgesetzt. Im Übrigen
wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der
Beklagte aus, dass die Voraussetzungen für den Umsatzsteuerbefreiungstatbestand
gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG nicht vorliegen würden. Nach dieser Regelung seien von
den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender
oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde
bescheinige, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Würden
Leistungen erbracht, die verschiedenartigen Bildungszwecken dienten, so sei der
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Leistungen erbracht, die verschiedenartigen Bildungszwecken dienten, so sei der
Begünstigungsnachweis durch getrennte Bescheinigungen zu führen. Im Streitfall fehle
es an einer Bescheinigung für die einzelnen konkreten Bildungsmaßnahmen. Es sei
lediglich eine Bescheinigung für eine Maßnahme vorgelegt worden, deren Steuerfreiheit
ohnehin unstreitig gewesen sei. Die Bundesanstalt für Arbeit habe insoweit bereits am
22. Januar 2002 der Klägerin bescheinigt, dass damit ordnungsgemäß auf einen Beruf
vorbereitet werde. Auf der Grundlage des § 37a SGB III könne das Arbeitsamt Dritte mit
der Vermittlung oder mit Teilaufgaben der Vermittlung beauftragen. Dabei könne die
Leistung des Dritten auch Fortbildungsmaßnahmen zur Aufnahme eines Berufs
beinhalten. Diese gingen aber in die Gesamtleistung Arbeitsvermittlung als eigentlicher
Vertragsgrundlage ein und dienten somit nicht unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck.
Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Zur
Begründung führt sie aus, es sei zwar zutreffend, dass die Bescheinigung des
Arbeitsamtes vom 22. Januar 2002 lediglich die Maßnahme mit der Nummer … betreffe.
Allerdings sei nach der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dem Landesamt
für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg, vom 20. Januar 2005 diese
Maßnahme und weitere ähnliche Maßnahmen als steuerbegünstigte Maßnahmen
eingestuft worden. Weiterhin habe die zuständige Landesbehörde nach Durchsicht der
Verträge die Auffassung vertreten, dass es sich bei den streitigen Maßnahmen um
entsprechende Maßnahmen im Sinne der Bescheinigung gehandelt habe.
Bei der positiv bescheinigten Maßnahme … handele es sich um eine
„Trainingsmaßnahme zur Jobvermittlung". Allein aus der Bezeichnung der Maßnahme
lasse sich bereits ableiten, dass es sich bei den streitigen Maßnahmen um
entsprechende Maßnahmen im Sinne der Bescheinigung vom 20. Januar 2005 handeln
müsse, da auch in diesen Fällen Trainingsmaßnahmen und Hilfestellungen zur Jobfindung
geleistet würden.
Bei den streitigen Maßnahmen stehe auch keinesfalls die Vermittlung der Teilnehmer im
Vordergrund. Vielmehr sei die Schulung und Vorbereitung der Teilnehmer auf den
Einstieg ins Berufsleben der Kerninhalt der Maßnahmen. Dies manifestiere sich bereits
aus der Tatsache, dass eine Vergütung für die Trainingsmaßnahme an sich gezahlt
werde, ohne dass eine Vermittlung der Teilnehmer Voraussetzung wäre. Die Vergütung
für eine erfolgreiche Vermittlung der Teilnehmer sei lediglich als zusätzliches Entgelt
vereinbart worden. Der Erlass des Finanzministeriums vom 15. März 2005 sei insofern
für die streitigen Maßnahmen nicht einschlägig. Der Erlass stelle lediglich auf die
Vermittlung von Arbeitssuchenden ab, was insbesondere durch die diesem zugrunde
Annahme bekräftigt werde, dass bei derartigen Maßnahmen Entgelte nur im Falle einer
erfolgreichen Vermittlung gezahlt würden.
Zum Nachweis der wirksamen Bevollmächtigung der Klägerin bei Klageerhebung hat die
Klägerin außerdem mit Schreiben vom 27. Februar 2007 die ihrem vormaligen
Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht zur Klageerhebung bestätigt und vorsorglich
seine Erklärungen zur Streitsache genehmigt.
die Umsatzsteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 13.
Februar 2004 und 10. Februar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 1. Juni 2005 zu ändern und die Umsatzsteuer auf 0,00 € festzusetzen.
die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision
zuzulassen.
Nach Ansicht des Beklagten sei die Klage unzulässig, weil der die Klage erhebende
Prozessbevollmächtigte ausweislich der zunächst eingereichten Vollmacht nur für das
Einspruchsverfahren bevollmächtigt gewesen sei.
Die Klage sei außerdem unbegründet. Auf die Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2005
werde Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass nicht beurteilt werden könne,
ob es sich bei den Maßnahmen aus den streitigen Verträgen um entsprechende
Maßnahmen im Sinne der Bescheinigung vom 22. Januar 2005 handele, denn es liege
der Vertrag für die bestätigte Maßnahme nicht vor. In der Bestätigung des Arbeitsamts
… werde der Beginn der Maßnahme mit dem 21. Januar 2002 und das Ende mit dem 12.
April 2002 angegeben. In der Anlage 1 zur Klagebegründung habe die Klägerin zwei
Verträge überreicht, deren Gegenstand die bestätigte Maßnahme sein solle. Der
Vertragszeitraum beider Verträge ende jedoch am 20. Dezember 2002.
Außerdem sei die Klägerin weder im Besitz der vorgeschriebenen Bescheinigungen der
Landesbehörde noch der hilfsweise zugelassenen Bestätigungen des Arbeitsamtes.
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Landesbehörde noch der hilfsweise zugelassenen Bestätigungen des Arbeitsamtes.
Ferner ist der Beklagte der Ansicht, dass es sich bei den streitigen Maßnahmen gerade
nicht um Bildung und Fortbildung im schulischen Bereich i.S.v. § 4 Nr. 21 UStG handele.
Vielmehr gehe es um Maßnahmen, die in den Bereich der Arbeitsvermittlung fielen und
den betroffenen Personen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern sollten.
Mit Beschluss vom 14. September 2007 zum Verfahren 2 V 2025/07 hat das hiesige
Finanzgericht unter Hinweis auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - 6. EG-Richtlinie dem
gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung entsprochen.
Der Beklagte vertritt hierzu ergänzend die Auffassung, dass es sich bei der Klägerin nicht
um eine Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
der 6. EG-Richtlinie handele. Bei der gebotenen engen Auslegung lägen mit den
Leistungen der Arbeitsförderung keine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundenen Dienstleistungen vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Gegen die wirksame Klageerhebung durch den vormaligen Prozessvertreter der
Klägerin bestehen keine Bedenken. Die Klägerin hat die Bevollmächtigung zur
Vertretung im Klageverfahren ausdrücklich mit Schreiben vom 27. Februar 2007
bestätigt. Damit ist dem schriftlichen Nachweis der Bevollmächtigung gemäß § 62 Abs. 6
Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- genügt. Eine schriftliche Bevollmächtigung ist nicht
Voraussetzung für die Vertretungsbefugnis (§ 167 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-).
2. Die Umsatzsteuerfestsetzung für 2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 ist
rechtswidrig, soweit der Beklagte auch hier die Umsätze der Klägerin aus Leistungen
gemäß § 37a SGB III als umsatzsteuerpflichtig behandelt hat. Soweit der Beklagte für
2003 sonstige Leistungen der Klägerin im Bereich der Personalgestellung und sonstigen
Überlassungen i.H.v. 32.100 € - offenbar unstreitig - festgestellt hat, ist die
Umsatzsteuerfestsetzung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Klägerin kann sich für ihre gegenüber den Arbeitsämtern erbrachten Leistungen zur
aktiven Arbeitsförderung unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-
Richtlinie berufen, weil die Voraussetzungen der in Betracht kommenden inländischen
Steuerbefreiungsvorschriften (§ 4 Nr. 21 Buchst. b, § 4 Nr. 15, § 4 Nr. 22a UStG) nicht
erfüllt sind und die Steuerbefreiungsvorschriften der 6. EG-Richtlinie nur unzureichend in
nationales Recht umgesetzt wurden.
a) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen nicht vor. Nach dieser
Vorschrift sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen
privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen
steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf
oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereiten. Nach § 4 Nr. 21 Buchst b UStG sind die unmittelbar dem
Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige
Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Berufsbildende Schulen oder Einrichtungen sind Einrichtungen, die Leistungen erbringen,
die ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der Berufsfortbildung dienen. Sie
müssen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die zur Ausübung bestimmter
beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (vgl. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 18.
Dezember 2003 V R 62/02, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2004, 252;
Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 3. Dezember 1976 VII C 73.75, BStBl II
1977, 334, unter II. 1.). Es spricht viel dafür, kann jedoch im Ergebnis hier dahinstehen,
ob die Klägerin diese Voraussetzung aufgrund der vorliegenden Bescheinigung des
Landesamts für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg vom 20. Januar 2005
erfüllt.
Es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung, dem Erbringen von Leistungen, die
unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen. Das Tatbestandsmerkmal
"unmittelbar" bezieht sich, wie der BFH im Urteil vom 3. Mai 1989 V R 83/84, BStBl II
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"unmittelbar" bezieht sich, wie der BFH im Urteil vom 3. Mai 1989 V R 83/84, BStBl II
1989, 815 zu § 4 Nr. 21 UStG 1980 ausgeführt hat, nicht auf den Inhalt der Leistungen,
sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des
Schulzweckes und Bildungszweckes der Einrichtung eingesetzt werden müssen, d.h. es
dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur
ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken. Nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die
gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen
Ausbildungsträgern zu gewährleisten ist dabei ausreichend, dass die Leistung allein oder
zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung ermöglicht, fördert,
ergänzt oder erleichtert (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 84/98, BStBl II 1999, 578,
unter II. 2. a, aa.). Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck in diesem Sinne dienen
die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nicht, auch wenn sie Anleitung und Hilfe z.B.
im Umgang mit den Medien zur Stellensuche, zum Erstellen der Bewerbungsunterlagen
oder z.B. Verhaltenstraining in Bewerbungsgesprächen beinhalten. Denn hier sind nicht
die Ausbildung von PC-, Schreib- oder Sprachfertigkeiten Ziel der Maßnahmen, sondern
die Unterstützung bei der Arbeitssuche und die Förderung einer Arbeitsaufnahme.
b) Auch die Voraussetzungen anderer Steuerbefreiungsvorschriften des UStG sind nicht
erfüllt. So bestimmt § 4 Nr. 15 UStG, dass -soweit hier einschlägig- die Umsätze der (...),
der gesetzlichen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch
des Sozialgesetzbuchs - SGB II - sowie der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b Abs. 1
SGB II, der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe ... (a) untereinander, (b) an
die Versicherten, die Empfänger von Sozialhilfe oder die Versorgungsberechtigten
steuerfrei sind.
Gesetzliche Träger der Sozialversicherung sind nach § 29 Abs. 1 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch -SGB IV- rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit
Selbstverwaltung. Die Klägerin gehört nicht zu den in der Vorschrift bezeichneten
Unternehmern. Auf andere Unternehmer ist die Vorschrift nicht anwendbar.
c) Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei. Danach
sind unter Bedingungen steuerfrei: "die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände
der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden
Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem
Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind. Die Klägerin zählt nicht zu den
amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und zu den der freien
Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und
Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind. Auch
diese Vorschrift ist auf andere Steuerpflichtige nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 18.
August 2005 V R 71/03, BStBl II 2006, 143 unter II. 2. b).
d) Da es sich bei der Klägerin nicht um eine Einrichtung handelt, deren Einnahmen nur
zur Kostendeckung dienen, findet auch § 4 Nr. 22 Buchstabe a UStG keine Anwendung.
§ 4 Nr. 22 UStG stellt - soweit hier einschlägig - die Vorträge, Kurse und anderen
Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von Einrichtungen, die
gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt
werden, steuerfrei, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet
werden.
Andere der in § 4 UStG geregelten Steuerbefreiungen kommen nicht in Betracht.
e) Die Klägerin kann sich jedoch auf den unmittelbar anwendbaren Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. g der 6. EG-Richtlinie berufen. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie
bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen,
einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem
Charakter anerkannte [‚ recognized as charitable‘] Einrichtungen von der Umsatzsteuer
befreien.
Nach dessen Absatz 2 können die Mitgliedstaaten die Gewährung der unter Absatz 1
u.a. in Buchstabe g) vorgesehenen Befreiung für Einrichtungen, die keine Einrichtungen
des öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der Erfüllung einer oder mehrerer der
folgenden Bedingungen abhängig machen, wie der, dass die betreffenden Einrichtungen
keine systematische Gewinnerzielung anstreben dürfen. Gemäß Abs. 2 Buchstabe b der
Richtlinienvorschrift sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der
Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die
Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder diese im wesentlichen dazu
bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen,
die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden
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die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden
gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
aa) Da die Leistungen der Klägerin -wie ausgeführt- unter keine der hier in Betracht
kommenden Steuerbefreiungen des deutschen UStG fallen, kann sich die Klägerin auf
die Richtlinienvorschrift berufen, da deren Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Ein
Einzelner kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf
Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau
erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften
berufen. Er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie so geartet sind,
dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann.
Ein Mitgliedstaat kann einem Steuerpflichtigen, der beweisen kann, dass er
steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, nicht
entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser
Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
6. EG-Richtlinie zählt die Tätigkeiten, die steuerfrei sind, hinreichend genau und
unbedingt auf (vgl. zur Berufbarkeit: BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl II
2006, 143, unter II. 2. d).
bb) Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
der 6. EG-Richtlinie genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
(1) zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die eng mit der Sozialfürsorge und
der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
(2) zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder
anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im
Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.
Zu (1) Die hier streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin zur aktiven
Arbeitsförderung, die sich an Ausbildungs- und Arbeitsstellensuchende richten und diese
aktiv bei der Stellensuche, dem Erstellen von individuellen Bewerbungsunterlagen, der
Vor- und Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen, usw., unterstützen sind als solche
anzusehen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind.
Die Begriffe der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit sind nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- zur Auslegung der
Steuerbefreiungen des Artikels 13 der 6. EG-Richtlinie eng auszulegen, da sie
Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die
ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die
Auslegung der in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe muss jedoch mit den Zielen
in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des
Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem beruht (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Mai 2005, Kingscrest
Associates Ltd und Montecello Ltd, Rz. 29, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2005, 486, Rz.
29).
Zu den Zielen, die mit den in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben g und h der 6. EG-
Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen verfolgt werden, hat der EuGH in
vorgenanntem Urteil weiter ausgeführt, dass diese Befreiungen dadurch, dass sie für
bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine
günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewähren, darauf abzielen, die Kosten dieser
Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch
nehmen könnte, zugänglicher zu machen (EuGH-Urteil Rs. C-498/03, Kingscrest
Associates, a.a.O., Rz. 30).
Die Klägerin hat die hier streitgegenständlichen Maßnahmen zur Unterstützung der
Ausbildungs- und Arbeitsuchenden bei der Stellensuche im Auftrag der Arbeitsämter …
bzw. … und damit nach deutschem Recht für einen Träger von Sozialleistungen (vgl. § 12
und § 27 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch -SGB I-) im Rahmen der Leistungen der
Arbeitsförderung nach § 37a SGB III i.d.F. für 2002 und 2003 erbracht.So bestimmen die
§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2, 12 und 19 des SGB I, dass zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit
und sozialer Sicherheit u.a. Leistungen der Bildungs- und Arbeitsförderung von den
Agenturen für Arbeit erbracht werden. Diese können zur Unterstützung bei der
Durchführung der hier streitgegenständlichen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung
nach § 37a SGB III beauftragen. Es handelt sich folglich bei den auf dieser
Rechtsgrundlage erbrachten Leistungen der Klägerin nach deutschem Recht um
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Rechtsgrundlage erbrachten Leistungen der Klägerin nach deutschem Recht um
Sozialleistungen, die dazu dienen soziale Sicherheit durch Zugang zu eigener
Erwerbstätigkeit zu fördern.
Zwar stellen die in Art. 13 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen nach
ständiger Rechtsprechung des EuGH eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts
dar und erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition. Daher kann die
Beantwortung der Frage, ob ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen
oder zu befreien ist, grundsätzlich nicht davon abhängen, wie er nach nationalem Recht
qualifiziert wird (vgl. EuGH-Urteil Rs. C-498/03, Kingscrest Associates, a.a.O., Rz. 22, 25,
m.w.N.). Mit anderen Worten ist die Regelung der Leistungen im deutschen
Sozialgesetzbuch nicht maßgeblich für die Richtlinienauslegung insofern, dass sämtliche
dort bestimmten Leistungen auch unter Art. 13 A Buchstabe g der 6. EG-Richtlinie fallen
und eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbundene Leistungen im Sinne
des Gemeinschaftsrechts darstellen. Das deutsche Sozialgesetzbuch ist jedoch Beleg
dafür, dass nach deutschem Rechtsverständnis Maßnahmen der Sozialfürsorge und
sozialen Sicherheit auch aktive Unterstützung und Anleitung Bedürftiger zum (Wieder-
)Einstieg in die Berufstätigkeit umfasst. Zwar kommt bei der gebotenen engen
Auslegung auch eine Beschränkung auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose in
Betracht. Dies lässt sich aber nach Auffassung des Senats weder aus dem Wortlaut,
noch aus dem Sinn und Zweck des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie,
noch - soweit ersichtlich - aus der Rechtsprechung des EuGH und des BFH ableiten. Der
Senat kommt daher zu dem Schluss, dass eine Anwendung der Steuerbefreiung auch
auf Maßnahmen der aktiven Ausbildungs- und Arbeitsförderung als dem
Gemeinwohlzweck der Vorschrift dienender Sozialleistungen geboten ist, um diese
Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, durch reduzierte Kosten
zugänglicher zu machen (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, Sammlung
amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2007, 1604, unter II. 2.
c. bb).
Dass der EuGH z.B. Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen
Versorgung, die körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftigen Personen, von einem
ambulanten Pflegedienst erbracht werden, als unter den Begriff eng mit der
Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen" gemäß
Buchstabe g diese Bestimmung fallend ansieht, ist dem EuGH-Urteil vom 10.
September 2002, Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH gegen Finanzamt
für Körperschaften I in Berlin, Rz. 43, zu entnehmen. Zu den hier streitgegenständlichen
Maßnahmen der aktiven Ausbildungs- und Arbeitsförderung ist jedoch - soweit ersichtlich
- keine einschlägige Rechtsprechung des EuGH vorhanden.
Der BFH hat in einem anderen Urteil z.B. entschieden (BFH-Urteil vom 18. August 2005
V R 71/03, BStBl. II 2006, 143), dass Umsätze aus Legasthenie-Behandlungen, die die
Klägerin für Kinder und Jugendliche aufgrund entsprechender Vereinbarung mit einem
Träger der Sozialversicherung (vgl. § 12 und § 27 SGB I), dem Jugendamt, im Rahmen
der Eingliederungshilfe erbracht und gegenüber dem Träger für die betreffende
Sozialleistung abgerechnet hatte, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie
steuerfrei sind. Nach § 35a des Achten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VIII- haben Kinder
und Jugendliche, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht
sind, Anspruch auf Eingliederungshilfe. Gleichwohl hat der BFH in dieser Entscheidung
zugrunde gelegt, dass Legasthenie grundsätzlich keine Krankheit im
versicherungsrechtlichen Sinne ist. Behandlungsziel sei vielmehr die schulische
Ausbildung und weitere berufliche Qualifikation (vgl. BFH-Urteil V R 71/03, a.a.O., unter II.
1. c). Der BFH begründete die Steuerbefreiung damit, dass die Klägerin Leistungen
erbracht habe, deren Art und Umfang im Sozialgesetzbuch beschrieben werden. Nach §
1 Abs. 1 SGB I soll das Recht des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer
Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und
erzieherischer Hilfe erbringen. Leistungen wie die im zugrunde liegenden Fall von der
Klägerin im Rahmen der Eingliederungshilfe gegenüber dem Jugendamt erbrachten
Leistungen seien danach eng mit der sozialen Fürsorge verbunden (vgl. BFH-Urteil V R
71/03, a.a.O., unter II. 2. d, cc (1)).
Aus diesem BFH-Urteil schloss die Finanzverwaltung, auch andere Umsätze nach dem
SGB VIII als steuerfrei gemäß Art. 13 A Buchst. b der 6. EG-Richtlinie zu behandeln seien,
soweit die Leistungen der Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 SGB VIII) und der Inobhutnahme (§ 42
SGB VIII) gegenüber den Trägern für die betreffenden Sozialleistungen abgerechnet
werden. Begünstigte Unternehmer seien insbesondere Träger der öffentlichen
Jugendhilfe und andere Einrichtungen mit sozialem Charakter. Andere Einrichtungen mit
sozialem Charakter seien z.B. die von der zuständigen Jugendbehörde anerkannten
Träger der freien Jugendhilfe, Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen
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Träger der freien Jugendhilfe, Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen
Rechts sowie die amtlich anerkannten Träger der freien Jugendhilfe, Einrichtungen, die
eine nach SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen oder nach §§ 44 oder 45 Abs. 1 Nr. 1
SGB VIII einer Erlaubnis nicht bedürfen. Eine weitergehende Auslegung des BFH-Urteils
durch analoge Anwendung auf andere Umsätze oder Unternehmer sei weiterhin nicht
zulässig. Das Ministerium für Finanzen des Landes Brandenburg hatte sich
dementsprechend zu den hier streitigen Leistungen der Klägerin auf Grundlage des SGB
III gegen die Anwendbarkeit einer Steuerbefreiung ausgesprochen.
Bei der gebotenen engen Auslegung spricht aus Sicht des Senats viel dafür, dass eng
mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen solche
Leistungen der elementaren Grundsicherung sind, die an Bedürftige erbracht werden,
die körperlich, geistig oder seelisch oder auch in wirtschaftlicher Hinsicht so hilfsbedürftig
sind, dass sie der Fürsorge des Staates notwendigerweise bedürfen. Auch wenn die
Personengruppe, an die sich die Leistungen der Klägerin richten, nicht aufgrund
Krankheit, Behinderung oder wegen ihres Alters der besonderen Fürsorge der
Gesellschaft bedürfen, so befinden sie sich doch aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit und
Abgeschnittenheit von eigener Berufstätigkeit in wirtschaftlicher und sozialer Notlage
und sind auf die Unterstützung der Gesellschaft angewiesen. Zu dieser Unterstützung
gehören nach deutschem Verständnis nicht nur Leistungen zur passiven
Grundversorgung, sondern auch die Unterstützung zur aktiven Selbsthilfe durch
Arbeitsaufnahme, wie in Form der von der Klägerin erbrachten Leistungen. Dabei handelt
es sich um eine Personengruppe, die nach Einschätzung der die Teilnehmer der
Maßnahme zuweisenden Arbeitsämter der Förderung bei dem Umgang mit den Medien
zur Stellensuche, bei dem Erstellen von Bewerbungsunterlagen, bei der Vor- und
Nachbereitung von Bewerbungsgesprächen, usw. bedarf, um auf dem Ausbildungs- bzw.
Arbeitsmarkt eine Chance zu erhalten.
Diese Auslegung widerspricht nicht der vom EuGH in dem EuGH-Urteil in der Rs. C-
498/03, Kingscrest Associates (a.a.O., unter Rz. 30) dargelegten Zielsetzung der
Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie. Denn hiernach
sollen, wie oben ausgeführt, durch diese Steuerbefreiungen für bestimmte im sozialen
Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, die Kosten gesenkt und
dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte,
zugänglicher gemacht werden. Die Leistungen der Klägerin werden im sozialen Sektor,
d.h. im Aufgabenbereich der Arbeitsämter gemäß § 19 SGB I, erbracht und dienen unter
anderem dem Gemeinwohl, weil sie die Arbeitsaufnahme von Mitmenschen fördern, die
bislang auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und dazu beitragen, deren
wirtschaftlicher und sozialer Notlage abzuhelfen.
Zu (2) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen,
dass der Begriff „von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem
Charakter anerkannte Einrichtungen“ in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben g und h
der Sechsten Richtlinie nicht besonders eng auszulegen ist. Dem Gemeinwohlzweck der
Befreiung steht grundsätzlich nicht entgegen, dass es sich um eine Tätigkeit mit
gewerblichem Charakter handelt. Auch der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit
genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht -wie hier die Klägerin- zu
erfassen (vgl. EuGH-Urteil Rs. C-498/03, Kingscrest Associates, a.a.O., Rz. 31, 32, 35 und
40, 43; BFH-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, a.a.O., unter II. 2. (c) (dd) (1) und (2)).
Allerdings räumt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie den Mitgliedsstaaten
ein Ermessen in der Frage ein, ob sie bestimmten Einrichtungen sozialen Charakter
zuerkennen. Der Einzelne kann die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter
nicht schon dadurch erlangen, dass er sich auf diese Bestimmung beruft. Vielmehr ist es
Sache der nationalen Behörden, nach dem Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle
der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der
zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen zu bestimmen, welche Einrichtungen als
Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-
Richtlinie anzuerkennen sind. Bei der Ermessensentscheidung, ob eine Einrichtung als
Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt wird, sind spezifische nationale oder
regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im
Bereich der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen. Außerdem ist der Umstand zu
beachten, ob Gemeinschaften mit den gleichen Tätigkeiten wie die Klägerin wegen des
mit diesen Tätigkeiten verbundenen Gemeinwohlinteresses bereits in den Genuss einer
ähnlichen Steuerbefreiung kommen. Auch kommt dem Umstand rechtserhebliche
Bedeutung zu, ob und welche der Kosten für welche von der Klägerin erbrachten
Leistungen zum großen Teil von durch Gesetz errichteten Krankenkassen oder von
Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, zu denen die privaten
Wirtschaftsteilnehmer, wie die Klägerin, vertragliche Beziehungen unterhalten (EuGH-
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Wirtschaftsteilnehmer, wie die Klägerin, vertragliche Beziehungen unterhalten (EuGH-
Urteile Rs. C-498/03 Kingscrest Associates, a.a.O., Rz. 51; vom 10. September 2002 Rs.
C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler, Rz. 4, 58).
Zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG- Richtlinie hat der BFH in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des EuGH bereits entschieden, dass die Anerkennung eines
Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch aus der Übernahme der
Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der
sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann. So kann für die Anerkennung auch gewürdigt
werden, dass der Leistende die begünstigten Leistungen aufgrund vertraglicher
Vereinbarungen mit Trägern der Sozialversicherung erbracht hat. Maßgebend ist
insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den
Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (BFH-Urteile vom 8. November 2007 V
R 2/06, a.a.O., unter II. 2. (b) (cc) (2); vom 21. März 2007 V R 28/04, a.a.O., unter II. 2. (c)
(dd) (2)). Von diesen Grundsätzen ist auch für andere mit der Fürsorge oder der sozialen
Sicherheit zusammenhängende Leistungen auszugehen.
Die Klägerin ist hier aufgrund der mit den Arbeitsämtern als Träger der Sozialleistungen
zur Arbeitsförderung (§§ 12, 19 SGB I) geschlossenen Verträge tätig geworden und hat
ihre Leistungen an diese abgerechnet. Dies genügt in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung von BGH, um von der Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit
sozialem Charakter auszugehen (vgl. BFH-Urteile vom 8.11.2007 V R 2/06, a.a.O., unter
II. 2. b; vom 18.8.2005 V R 71/03, a.a.O., unter II. 2. d, cc (3)).
Hinsichtlich der in 2003 sonstigen - offenbar unstreitigen - umsatzsteuerpflichtigen
Umsätze der Klägerin in Höhe von 32.100 € ist die Klage unbegründet. Bedenken gegen
die Rechtmäßigkeit sind weder im Vor- noch im Klageverfahren von keiner der Parteien
geltend gemacht worden und auch für den Senat nicht ersichtlich. Da die Klägerin
insoweit verhältnismäßig mit ihrem Klageantrag jedenfalls unter 10% unterliegt, werden
die Kosten insgesamt dem Beklagten auferlegt, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung
mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob die Leistungen der aktiven
Arbeitsförderung der Klägerin nach § 37a SGB III unter Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-
Richtlinie fallen, bislang - soweit ersichtlich - nicht höchstrichterlich geklärt ist und daher
zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erforderlich ist.
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