Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: gesetzlicher vertreter, zwangsgeld, körperschaft, form, erstellung, geschäftsführer, anfang, abgabenordnung, kopie, original

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 K 8497/05 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 328 Abs 1 S 1 AO, § 5 AO, §
102 FGO, § 242 Abs 3 HGB, § 34
Abs 1 S 1 AO
Zwangsgeldfestsetzung wegen Nichteinreichung von Bilanzen:
Pflicht auch bei nur einem Geschäftsvorfall, Begründung
Leitsatz
Vorlagepflicht bezüglich der Gewinn- und Verlustrechnung
1. § 60 Abs. 1 Satz 2 AO statuiert eine unbedingte Verpflichtung von buchführungspflichtigen
Steuerpflichtigen zur Einreichung einer jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung beim
Finanzamt.
2. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung seitens des Steuerpflichtigen kann das Finanzamt
ein Zwangsgeld androhen und ggf. festsetzen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem Jahr 1991 alleiniger Geschäftsführer einer im Jahr … gegründeten
… (künftig: GmbH). Die GmbH war seinerzeit Komplementärin mehrerer
Kommanditgesellschaften, die aber alle einige Jahre später aufgelöst wurden.
Dem Beklagten lagen bis Anfang Mai 2005 keine Jahresabschlüsse der GmbH für die
Jahre 1993 bis 2002 vor.
Im Jahr 2003 wurde die GmbH selbst als werbendes Unternehmen wieder aktiv. Sie
erwarb in X. einen Teil eines Immobilienobjekts "Y.". Dieses bestand darin, dass
Eigentumswohnungen zum Zwecke des altengerechten Wohnens errichtet werden
sollten. Der diesbezügliche Kaufvertrag wurde jedoch im Folgejahr von der GmbH wegen
Schlechterfüllung seitens der Verkäuferin rückgängig gemacht.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2005 drohte der Beklagte dem Kläger u. a. die Festsetzung
eines Zwangsgeldes in Höhe von 200,- € für den Fall an, dass er der Aufforderung
seitens des Beklagten vom 9. September 2004, den Jahresabschluss 2003 der GmbH
vorzulegen, nicht binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses Bescheids nachkommen
würde.
Mangels Reaktion des Klägers auf diesen Bescheid setzte der Beklagte mit weiterem
Bescheid vom 4. Februar 2005 u.a. ein Zwangsgeld in Höhe von 200,- € wegen
Nichteinreichung des Jahresabschlusses 2003 der GmbH gegenüber dem Kläger fest.
Gleichzeitig drohte er für den Fall, dass der Jahresabschluss 2003 der GmbH nicht binnen
zwei Wochen nach Erhalt dieses neuen Bescheids vorgelegt werden würde, die
Festsetzung eines erneuten Zwangsgeldes in Höhe von 500,- € an.
Am 8. Februar 2005 reichte die GmbH beim Beklagten die Körperschaft- und die
Gewerbesteuererklärung 2003 (erklärter Steuerbilanzgewinn: jeweils 0,- €) sowie eine
Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos (§ 27 Abs. 2
Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -), des durch Umwandlung von Rücklagen
entstandenen Nennkapitals (§ 28 Abs. 1 Satz 3 KStG), des Körperschaftsteuerguthabens
(§ 37 Abs. 2 Satz 3 KStG) sowie des Endbetrags i. S. des § 36 Abs. 7 KStG ein.
Gleichzeitig legte sie eine Bilanz zum 31. Dezember 2003 sowie eine "Ermittlung des
Warenbestandes; Handelsware: Y. in X. vor. Die Bilanz weist nur folgende Positionen auf:
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Die außerdem eingereichte "Ermittlung des Warenbestandes; Handelsware: Y. in X."
weist folgende Einzelpunkte auf:
In einem Begleitschreiben vom 3. Februar 2005 begründete der Kläger die
Nichteinreichung einer Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2003 wie folgt: " Die
Vorräte (Unfertige Erzeugnisse) sind Handelsware, da die Veräußerung geplant war. Die
Vorräte wurden gemäß Anlage mit --.--,- € eingekauft. Das ist der einzige
Geschäftsvorgang in 2003, so dass keine G+V-Rechnung erstellt wurde".
Unter dem 11. Februar 2005 schrieb der Beklagte Folgendes an den Kläger: " Sehr
geehrter Herr A., die Steuererklärungen sind am 08.02.2005 leider unvollständig im
Finanzamt eingegangen. Ich muss Sie bitten, einen vollständigen Jahresabschluss
einzureichen. Der erklärte Verlust i. H. v. -.--,- € ist nicht nachvollziehbar. Die letzte hier
vorliegende Bilanz zum 31.12.1992 weist eine Bilanzsumme i. H. v. --.--,- aus (darin
enthalten sind "ausstehende Einlagen" i. H. von -.-- DM). Es ist deshalb für die Zeiträume
1993-2002 zumindest eine zusammengefasste Bilanz sowie Gewinn- und
Verlustrechnung einzureichen, da eine Überprüfung des Bilanzzusammenhangs sonst
unmöglich ist. ….."
Mit Bescheid vom 30. März 2005 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger ein
Zwangsgeld in Höhe von 500,- € wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses der
GmbH für das Jahr 2003 fest. Gleichzeitig drohte er dem Kläger die Festsetzung eines
weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 900,- € für den Fall an, dass der Jahresabschluss der
GmbH für 2003 nicht binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses weiteren Bescheids
vorgelegt werden würde.
Mit Bescheid vom 22. April 2005 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger ein
Zwangsgeld in Höhe von 900,- € wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses der
GmbH für das Jahr 2003 fest. Gleichzeitig drohte er dem Kläger die Festsetzung eines
weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 1.200,- € für den Fall an, dass der Jahresabschluss
der GmbH für 2003 nicht binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses weiteren Bescheids
vorgelegt werden würde.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2005 reichte der Kläger Bilanzen der GmbH auf den 31.
Dezember 1993 bis 31. Dezember 2002 sowie eine Zusammenstellung "Buchungen in
1993" und eine Bilanz mit der Überschrift "Vortrag zum 31.12.1992" beim Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2005 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger u. a. ein
Zwangsgeld in Höhe von 1.200,- € im Hinblick darauf fest, dass der Jahresabschluss der
GmbH für 2003 ihm immer noch nicht vorlag. Hiergegen legte der Kläger fristgerecht
Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung
vom 3. November 2005 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der
Kläger als gesetzlicher Vertreter der Klägerin gemäß §§ 242 und 264 des
Handelsgesetzbuches - HGB - verpflichtet sei, für den Schluss eines jeden
Geschäftsjahres einen Jahresabschluss aufzustellen. Nach § 242 Abs. 3 HGB gehöre zu
einem vollständigen Jahresabschluss eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung.
Letztere sei jedoch trotz mehrfacher Aufforderung für das Jahr 2003 bislang nicht bei
ihm, dem Beklagten, eingereicht worden. Eine von Amts wegen gemäß § 367 Abs. 2
Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - erneut vorgenommene Prüfung der Sach- und
Rechtslage habe ergeben, dass die Zwangsgeldfestsetzung unter Berücksichtigung aller
Umstände keine sachlichen, rechtlichen oder rechnerischen Fehler aufweise.
Zuvor hatte der Beklagte unter dem 26. Juli 2005 Folgendes an den Kläger geschrieben:
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Zuvor hatte der Beklagte unter dem 26. Juli 2005 Folgendes an den Kläger geschrieben:
"… Bereits mit Schreiben vom 11.02.2005 und 31.05.2005 wurden Sie aufgefordert, den
Jahresabschluss 2003 zu vervollständigen und die Gewinn- und Verlustrechnung
nachzureichen. Sie führen in Ihrem Schreiben an, dass eine Gewinn- und
Verlustrechnung mangels Aufwendungen und Einnahmen nicht erstellt worden sei. Laut
der mit Schreiben vom 03.02.2005 eingereichten "Ermittlung des Warenbestandes"
beinhaltet der Erwerb der Y. in X. jedoch nicht nur einen einzigen Geschäftsvorgang.
Bereits mit meinem Schreiben vom 31.05.2005 hatte ich darauf hingewiesen. Die bis
zum 04.07.2005 angekündigte Stellungnahme zu den noch offenen Fragen ist bisher
nicht erfolgt. Ihr Einspruch ist deshalb unbegründet. Bitte reichen Sie bis zum
12.08.2005 die Honorarrechnungen der … vom -.-.2003 und -.-.2003 in Kopie ein sowie
die Gewinn- und Verlustrechnung. Nach diesem Termin werde ich das
Zwangsgeldverfahren fortführen."
Daraufhin hat Rechtsanwalt B. namens und im Auftrag der GmbH, vertreten durch A. als
Geschäftsführer, mit beim FG Berlin am 22. November 2005 eingegangenem Schriftsatz
Klage erhoben und folgenden Antrag für die mündliche Verhandlung angekündigt:
Aufhebung des Bescheids vom 8. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
3. November 2005. Eine Begründung der Klage sollte in einem gesonderten Schriftsatz
erfolgen. Dem einen Tag später beim FG eingegangenen Original des Schriftsatzes war
eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 sowie eine vom Kläger
unterschriebene Prozessvollmacht vom 22. November 2005 zugunsten von
Rechtsanwalt B. beigefügt, in der als Vollmachtgeberin die GmbH bezeichnet ist.
Das FG Berlin erfasste die Klage als Klage der GmbH gegen den Beklagten wegen
"Zwangsgeldfestsetzung" und teilte den Prozessbeteiligten dies sowie das Aktenzeichen
(8 K 8497/05) am 25. November 2005 schriftlich mit.
Während des Klageverfahrens, am 16. Dezember 2005, reichte der Kläger eine Gewinn-
und Verlustrechnung für 2003 beim Beklagten ein, die folgende Positionen aufweist:
Mit beim FG Berlin am 24. März 2006 eingegangenem Schriftsatz regte Rechtsanwalt B.
an, das Rubrum des Klageverfahrens insoweit zu ändern als Kläger nicht die GmbH,
sondern deren Geschäftsführer sei. Aufgrund eines "Lapsus" bei der Anfertigung der
Klageschrift sei übersehen worden, dass der Kläger nicht richtig bezeichnet worden sei.
Von Anfang an sei gemeint gewesen, dass Kläger des Verfahren nur A. persönlich sein
solle, da nur gegenüber diesem Zwangsgelder im Sinne von §§ 328 ff. AO 1977 hätten
festgesetzt werden können.
Das Verlangen des Beklagten nach Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung sei
ermessenswidrig. Dem Beklagten seien bereits vor dem 8. Juni 2005 alle Einzelheiten
des Geschäftsjahres 2003 vorgelegt worden. Diese Einzelheiten seien in den
Steuererklärungen zutreffend erfasst worden.
den Bescheid vom 8. Juni 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 24. März 2006 angeführt, dass er den
"einzigen" Geschäftsvorfall ausführlich nachgewiesen habe. Die entsprechenden Belege
habe er beigefügt. Das sei jedoch nicht der Fall. Der mit Schreiben vom 3. Februar 2005
eingereichten Bilanz seien außer der Anlage "Ermittlung des Warenbestandes" keine
weiteren Belege oder Erläuterungen beigefügt gewesen. Nach ihm, dem Beklagten,
vorliegenden Unterlagen, habe die GmbH im Streitjahr 2003 nicht nur eine einzige
Immobilie erworben. Vielmehr seien Kaufverträge sowohl mit der Stadt X. als auch mit
einem Herrn C. abgeschlossen worden, wobei der Kläger zu einem wesentlichen Teil
auch selbst Erwerber der Immobilien geworden sei. Die eingereichte Bilanz weise einen
Fehlbetrag in Höhe von-.--,- € aus, der anhand der von der GmbH eingereichten
Steuererklärungen und sonstigen Unterlagen nicht habe nachvollzogen werden können.
Außerdem sei aus der Anlage "Ermittlung des Warenbestandes" ersichtlich, dass die
GmbH im Streitjahr 2003 diverse Einzelrechnungen (u.a. Honorarrechnungen der …)
erhalten habe.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Steuerakten betr. die GmbH
(StNr.: …) sowie ein Band Zwangsgeldakte betr. … vorgelegen, auf deren Inhalt wegen
der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug
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der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug
genommen wird.
Entscheidungsgründe
A. Die Klage ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -
sind Rechtbehelfe eines Steuerpflichtigen in entsprechender Anwendung des § 133 des
Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und
zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt. Die Bezeichnung des Beteiligten in
der Klageschrift ist nicht allein für die Beteiligtenstellung maßgebend; vielmehr kommt
es darauf an, welcher Sinn der Beteiligtenbezeichnung bei objektiver Würdigung des
Erklärungsinhalts beizumessen ist (vgl. dazu nur BFH-Beschluss vom 29. November
1995 X B 328/94, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1996, 322 m.w.N.). Vor allem wenn die
Angaben in der Klageschrift zur Person des Klägers oder des Beklagten widersprüchlich
erscheinen, kann auch noch nach Ablauf der Klagefrist durch Auslegung festgestellt
werden, was tatsächlich gewollt ist (vgl. dazu Stöcker, in: Gosch/Beermann, Steuerliches
Verfahrensrecht, § 65 FGO Rz. 33; Dumke, in: Schwarz, FGO, § 65 Rz. 13, jeweils m.w.N.).
Im vorliegenden Fall war zwar in der Klageschrift vom 22. November 2005 als Klägerin
einzig und allein die GmbH angegeben. Dem Original der Klageschrift war jedoch die
maßgebliche Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 3. November 2005 beigefügt,
aus der hervorgeht, dass sich das vorangegangene Verwaltungsverfahren betreffend die
Zwangsgeldfestsetzung ausschließlich auf die natürliche Person mit Namen "A."
bezogen hat und dass deshalb nur ein von dieser Person geführter Rechtsbehelf wegen
des Erfordernisses der subjektiven Klagebefugnis i. S. von § 40 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - zu einer Sachentscheidung des Gerichts über die
erhobene Anfechtungsklage führen kann. Eine zielführende Interpretation der
Klageschrift ergibt daher, dass Kläger von Anfang an nur die natürliche Person "A." sein
sollte (vgl. dazu auch die ergebnisidentischen Ausführungen des früheren
Prozessbevollmächtigten der Klägerseite in dessen Schriftsatz vom 24. März 2006).
B. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8. Juni 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Nach § 328 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer
Handlung - hier: der Einreichung einer Gewinn- und Verlustrechnung - gerichtet ist, mit
Zwangsmitteln erzwungen werden; die dementsprechende Entscheidung liegt im
Ermessen der Finanzbehörde. Das Gericht kann deshalb nur prüfen, ob das Finanzamt
bei Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der
Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO).
Die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung verletzt den Kläger im Streitfall nicht in seinen
Rechten, weil Ermessensfehler im Sinne von § 102 FGO nicht erkennbar sind. Die
Festsetzung des streitbefangenen Zwangsgeldes ist durch das Gericht weder dem
Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
a.) Ihrer Rechtsnatur nach handelt es sich bei den in § 328 AO 1977 vorgesehenen
Zwangsmitteln um in die Zukunft gerichtete Beugemittel. Es ist nicht ihr Zweck, in der
Vergangenheit begangenes Unrecht zu sühnen. Zwangsmittel haben keinen
Strafcharakter; sie setzen kein Verschulden des Steuerpflichtigen voraus (so zutreffend
Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 328 AO Rz. 27 m.w.N.).
Zur Anwendung des Zwangsmittels genügt es demnach, dass der Kläger als
gesetzlicher Vertreter der GmbH i. S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 objektiv der
Anordnung zur fristgerechten Abgabe der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr
2003 nicht nachgekommen ist.
b.) Die Verpflichtung der GmbH zur fristgerechten Abgabe einer Gewinn- und
Verlustrechnung für das Jahr 2003 ergibt sich aus § 31 Abs. 1 KStG i. V. m. § 150 Abs. 4
Satz 1 AO 1977 und § 60 Abs. 1 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
(EStDV; vgl. dazu allgemein: Birkenfeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-
Großkommentar, § 25 Rdnr. D 53). Gemäß § 238 Abs. 1 HGB ist die GmbH als
Gewerbetreibende i. S. von § 6 Abs. 1 HGB verpflichtet, Bücher zu führen, die den
Grundsätzen der doppelten Buchführung entsprechen (vgl. dazu nur Schreiber, in:
Blümich, EStG/KStG/GewStG. § 5 EStG Rz. 117). Damit ist sie steuerrechtlich auch
verpflichtet, der Finanzbehörde neben der jährlichen Bilanz auch eine Gewinn- und
Verlustrechnung einzureichen: § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV ist nämlich nach Sinn und
Zweck der Vorschrift nicht so zu verstehen, dass er die Vorlagepflicht hinsichtlich der
Gewinn- und Verlustrechnung davon abhängig machen würde, ob der Steuerpflichtige
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Gewinn- und Verlustrechnung davon abhängig machen würde, ob der Steuerpflichtige
die (zwingende) gesetzliche Verpflichtung zu doppelter Buchführung in concreto
(kontinuierlich) einhält oder nicht.
Entgegen der Auffassung des Klägers entfällt die Pflicht der GmbH zur Erstellung und
Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2003 beim Beklagten nicht
deshalb, weil sich in jenem Jahr nur ein einziger Geschäftsvorfall ereignet habe, dessen
Bedeutung für das Einkommen der Körperschaft i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG von der
GmbH durch die Informationen im Rahmen der den Jahressteuererklärungen beigefügten
Anlage "Ermittlung des Warenbestandes" hinreichend umfassend dargelegt worden sei.
Wie der Beklagte in seiner Klageerwiderung vom 3. Mai 2006 für das Gericht
überzeugend ausgeführt hat (ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten
wäre), haben sich im Streitfall nicht nur ein einziger, sondern mehrere Geschäftsvorfälle
ereignet, die Auswirkungen auf den steuerlichen Gewinn oder Verlust der GmbH haben
könnten (z.B. auch Leistungsbeziehungen zur …).
Auch wenn das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung angesichts der gesetzlichen
Gewinnermittlungsbestimmung in § 4 Abs. 1 EStG i. V. m. § 31 Abs. 1 KStG bzw. § 7
Satz 1 GewStG keine unmittelbare Bedeutung für die Höhe der ggf. festzusetzenden
Körperschaft- oder Gewerbesteuer hat, ist es ein legitimes Anliegen der Finanzbehörde,
die Plausibilität der Angaben des Steuerpflichtigen in der Bilanz durch Vergleich mit den
Angaben in der dazugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung zu überprüfen (z. B. durch
Vergleich bestimmter Aufwandsgruppen in Form eines sog. internen Betriebsvergleichs,
vgl. dazu Weber-Grellet, Bilanzsteuerrecht, 8. Aufl., S.10). Ferner sind in einer Gewinn-
und Verlustrechnung - im Gegensatz zu vom Steuerpflichtigen selbst konzipierten
"Anlagen" zu seinen Jahressteuererklärungen - die erfolgswirksamen Geschäftsvorfälle
vollständig zu erfassen. Bei Einreichung einer inhaltlich nicht vollständigen Gewinn- und
Verlustrechnung kann sich ein Steuerpflichtiger oder dessen gesetzlicher Vertreter
daher unter Umständen wegen Steuerhinterziehung i. S. von § 370 AO 1977 strafbar
machen oder muss mit empfindlichen Sanktionen seiten des Staates (z.B. hohen
Geldbußen) wegen leichtfertiger Steuerverkürzung i. S. von § 378 AO 1977 rechnen. Dies
erhöht auf ihn den Druck zur Einreichung wahrheitsgemäßer Erklärungen bei der
Finanzbehörde, was der Gesetzgeber mit den vorgenannten Bestimmungen auch von
vorneherein beabsichtigt hat. Schließlich kann die Finanzbehörde anhand einer
vorgelegten (vollständigen) Gewinn- und Verlustrechnung besser überprüfen, ob und ggf.
mit welchem Steuersatz einzelne erfolgswirksame Geschäftsvorfälle
umsatzsteuerpflichtig sind oder den Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug i. S. von § 15
Abs. 1 UStG berechtigen.
Ein Ausnahmefall, in dem die Kapitalgesellschaft - entgegen der eindeutigen Regelung
für "normale" GmbH’s in § 264 Abs. 1 HGB und mangels Anwendbarkeit der
Ausnahmebestimmungen in § 264 Abs. 3 und 4 HGB - von der Erstellung einer Gewinn-
und Verlustrechnung in der Form des § 275 HGB im Zusammenhang mit der
erforderlichen zeitnahen ( vgl. § 264 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HGB) Erstellung des
Jahresabschlusses hätte absehen können, ist daher nicht gegeben.
c.) Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes gibt unter Ermessensgesichtspunkten
ebenfalls keinen Anlass zu Beanstandungen (vgl. dazu allgemein § 329 AO 1977).
d.) Form- oder Verfahrensfehler der angefochtenen Steuerverwaltungsakte sind
ebenfalls nicht erkennbar. Das streitgegenständliche Zwangsgeld ist zuvor gegenüber
dem Kläger ordnungsgemäß angedroht worden (vgl. § 332 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).
Angesichts der umfangreichen Korrespondenz mit dem Kläger ist es auch unschädlich,
dass der Beklagte die Erwägungen, die zum Erlass des Bescheids vom 8. Juni 2005
geführt haben, in der angefochtenen Einspruchsentscheidung nicht - wie sonst bei
Ermessensentscheidungen notwendig - vollständig offen gelegt hat: Die diesbezüglichen
Erwägungen des Beklagten waren dem Kläger aus der umfangreichen Vorkorrespondenz
hinreichend detailliert bekannt oder zumindest auch ohne eine detaillierte Begründung
der Zwangsgeldfestsetzung in den angefochtenen Steuerverwaltungsakten für ihn ohne
weiteres erkennbar (Gedanke des § 121 Abs.2 Nr. 2 AO 1977; BFH-Urteil vom 28. April
1983 IV R 255/82, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1983, 621 sowie Kruse, in: Tipke/Kruse,
a.a.O., § 5 AO Rz. 70, jeweils m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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