Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: vorsteuerabzug, aufteilung, bemessungsgrundlage, aufrundung, unternehmer, konzept, eugh, ausschluss, form, bruttoertrag

1
2
Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1997, 1998, 1999,
2000
Aktenzeichen:
2 K 1061/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 15 Abs 4 UStG 1993, § 15 Abs
4 UStG 1999, Art 17 Abs 5 UAbs
1 EWGRL 388/77, Art 19 Abs 1
UAbs 2 EWGRL 388/77, § 1 Abs 1
Nr 1 UStG 1993
Allgemeine Schätzungsgrundsätze - Zulässige Methoden der
Vorsteueraufteilung bei Bankgeschäften
Leitsatz
Bei Aufteilung der Vorsteuern aus Eingangsumsätzen für banktypische Geschäfte nach § 15
Abs. 4 UStG 1997 unter Zugrundelegung von Margen gemäß dem BMF-Schreiben vom
12.04.2004 IV A 5 - S 7306 5/05 (Neues Konzept für die Vorsteueraufteilung bei
Kreditinstituten) und somit nach einer anderen Schätzungsmethode als nach dem Verhältnis
der zum Vorsteuerabzug berechtigenden zu den Gesamtumsätzen kann ein Kreditinstitut
nicht beanspruchen, dass der errechnete Pro-rata-Satz gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der
6. EG-Richtlinie auf einen vollen Prozentsatz aufzurunden sei, sofern dies gegenüber der
Rundung auf zwei Dezimalstellen nach dem Komma zu erheblichen steuerlichen
Auswirkungen führt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Sparkasse. Sie führte in den Streitjahren 1997 bis 2000 ganz
überwiegend steuerfreie Umsätze aus banktypischen Geschäften aus, die einen
Vorsteuerabzug ausschließen. Für 1997 hatte sie zunächst mit im Jahre 1998
eingegangener Umsatzsteuererklärung eine Umsatzsteuer von 79.988,60 DM und mit
geänderter Erklärung im Jahre 2000 eine Umsatzsteuer von 80.166,69 DM angemeldet.
Der Beklagte folgte diesen Umsatzsteuererklärungen ebenso wie denen für die
Folgejahre, die ab 1999 bei ihm eingingen, sodass sie insoweit als Festsetzungen unter
Vorbehalt der Nachprüfung galten.
Von 2003 bis 2004 erfolgte eine Außenprüfung für die Streitjahre. Dabei kam es zu
einigen nachfolgend nicht streitigen Feststellungen mit umsatzsteuerlicher Auswirkung.
Daneben beantragte die Klägerin während der Prüfung eine Aufteilung der Vorsteuern
aus gemischt verwendeten Eingangsumsätzen nach § 15 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz –
UstG - anhand eines Bankenschlüssels nach den Grundsätzen, die das
Bundesministerium für Finanzen – BMF – in seinem Schreiben vom 12. April 2004 IV A 5
– S 7306 – 5/05 (Umsatzsteuer-Rundschau -UR-2005, 574) als „Neues Konzept für die
Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“ veröffentlicht hatte. Danach errechnete sie das
Aufteilungsverhältnis der Vorsteuern aus dem Verhältnis, in dem die Margen aus den im
Kalenderjahr bilanzierten Ertrags- und Aufwandspositionen aus den banktypischen
Geschäftsfeldern, in denen ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen (Kredit-, Devisen- und
Wertpapier-Handel, Avalgeschäften und sonstigen Geschäften in Zusammenhang mit
steuerfreien Umsätzen, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. a, b und e
UStG) oder nicht ausgeschlossen ist (Kreditgeschäfte gegenüber Empfängern im
Drittlandsgebiet, § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG), zu
den Umsätzen aus steuerpflichtigen Depotgebühren und zu anderen steuerpflichtigen
Umsätzen standen. Die Margen aus den zum Vorsteuerabzug berechtigenden und nicht
berechtigenden Kreditgeschäften ermittelte sie, indem sie die Gesamtmarge aus den
Kreditgeschäften nach den Anteilen der Kreditvolumina aufteilte, die auf Geschäfte mit
Kreditempfängern in Drittländern und Kreditgeschäfte mit anderen Empfängern
entfielen. Sie kam so für die aufzuteilenden Vorsteuern zu Anteilen abzugsfähiger
Vorsteuern (Pro-rata-Sätzen) für 1997 und 1998 von 0,54 %, für 1999 von 0,75 % sowie
3
4
5
6
7
Vorsteuern (Pro-rata-Sätzen) für 1997 und 1998 von 0,54 %, für 1999 von 0,75 % sowie
für 2000 von 1,35 %. Die Pro-rata-Sätze für die ersten drei Jahre rundete sie schließlich
auf 1,00 % und den für das Jahr 2000 auf 2,00 % auf. Im Einzelnen wird auf die
Berechnungen in dem vom Beklagten überlassenen Heftungsvorgang „BP-Akte
Bankenschlüssel“ verwiesen, die sich für 1997 wie folgt und für die anderen Jahre nach
entsprechender Berechnungsmethode darstellten:
Die Außenprüferin sah gemäß Tz. 15 des Außenprüfungsberichts zwar die Ermittlung der
auf zwei Stellen nach dem Komma gerundeten Pro-rata-Sätze durch die Klägerin als
sachgemäß und richtig berechnet an und legte sie ihren Prüfungsfeststellungen für den
Vorsteuerabzug insoweit zugrunde. Der Aufrundung auf jeweils einen vollen Prozentsatz
folgte sie dabei entsprechend den Verwaltungsvorgaben zur Anwendung des „Neuen
Konzepts für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“ des BMF jedoch nicht, sondern
beließ es bei den unter Rundung auf zwei Dezimalstellen nach dem Komma errechneten
Pro-rata-Sätzen, was an Stelle der von der Klägerin insoweit als abzugsfähig begehrten
Vorsteuern, die sie für die vier Streitjahre insgesamt mit 101.977,78 DM errechnet hatte,
nur zu einem abzugsfähigen Vorsteueranteil von 67.422,71 DM und somit zu einem
Unterschied von insgesamt 34.555,07 DM führte.
Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen mit Änderungsbescheiden vom 25.
August 2004, in denen er für 1997 eine Umsatzsteuer von 38.439,43 € (= 75.181,00
DM), für 1998 von ./. 22.756,58 € (= ./. 44.508,00 DM), für 1999 von 33.151,14 € (=
64.838,00 DM) und für 2000 von 38.783,53 € (= 75.854,00 DM) festsetze.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Die Grundsätze der Vorsteueraufteilung seien
in Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) - 6. EG-Richtlinie -
verbindlich vorgegeben. Hierzu gehöre, dass nach Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 der 6.
EG-Richtlinie eine Aufrundung des Pro-rata-Satzes auf volle Prozentpunkte zu erfolgen
habe, ohne dass die Mitgliedstaaten hiervon abweichen dürften. Demgemäß seien die
Pro-Rata-Sätze vorliegend für 1997, 1998 und 1999 auf 1,00 und für 2000 auf 2,00
aufzurunden.
Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Regelungen über die
Aufteilung von Vorsteuern in § 15 Abs. 4 UStG und in Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und
2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie seien inhaltlich unterschiedlich
ausgestaltet. In der Regelung des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie sei
die Vorsteueraufteilung nach einem reinen Umsatzsteuerschlüssel vorgesehen. Nur
wenn dieser der Vorsteueraufteilung zugrunde gelegt werde, sei Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-
Richtlinie mit der Folge der Aufrundung des Pro-rata-Satzes auf einen vollen Prozentsatz
anzuwenden. Nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 der 6. EG-Richtlinie sei jedoch dem
nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt worden, von der
Aufteilungsmethode des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie abzuweichen.
Von diesem Recht habe der deutsche Gesetzgeber in Ausschöpfung seines
Ermessensspielraums nach Artikel 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie
in Form der Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG Gebrauch gemacht, wonach die
nicht unmittelbar zum Vorsteuerabzug berechtigenden oder nicht berechtigenden
Ausgangsumsätzen zuzuordnenden Vorsteuern nach dem Prinzip der „wirtschaftlichen
Zuordnung" zu den einzelnen den Vorsteuerabzug tragenden oder ihn ausschließenden
Umsatzgruppen im Wege sachgerechter Schätzung aufzuteilen seien. Eine
Aufrundungsregelung wie in Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie habe der
deutsche Gesetzgeber dabei nicht vorgesehen. Vorliegend habe die Klägerin die von ihr
begehrte Vorsteueraufteilung zulässigerweise in Anwendung des für Banken nach den
Grundsätzen einer sachgerechten Zuordnung aufgestellten „Neuen Konzepts für die
Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten" des BMF vorgenommen, das eine wirtschaftliche
Zuordnung vorsehe. Im Zuge dieses Konzepts sei keine Aufrundung auf einen vollen
Prozentsatz vorgesehen. Sie würde dem Gedanken der wirtschaftlichen Zuordnung
widersprechen, weil sie vom zunächst gefundenen sachgerechten Schätzungsergebnis
wie der Sachverhalt zeige in durchaus beträchtlichem Ausmaß abwiche.
Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, zum einen folge sie mit ihrer
Aufteilungsmethode Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie, sodass
8
9
10
11
12
13
14
15
Aufteilungsmethode Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie, sodass
sich die Ermittlung des Pro-rata-Satzes somit nach Art. 19 der 6. EG-Richtlinie richte.
Denn, soweit Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie, auf den Art. 17 Abs. 5
Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie verweise, zur Bildung des Pro-rata-Satzes auf das
Verhältnis der zum Vorsteuerabzug berechtigenden zu den Gesamtumsätzen abstelle,
seien dem die jeweiligen Umsätze in Höhe der aus Art. 11 der 6. EG-Richtlinie
abzuleitenden Besteuerungsgrundlagen zugrunde zu legen. Bei den hier für die
Vorsteueraufteilung heranzuziehenden Bankgeschäfte seien diese
Besteuerungsgrundlagen und dem entsprechend auch die nach § 10 UStG zu
ermittelnden Bemessungsgrundlagen jedoch gerade typischerweise aus den erzielten
Bruttoerträgen zu ermitteln. Der Europäische Gerichtshof – EuGH - habe demgemäß
etwa in der Rechtssache vom 14. Juli 1998 C-172/96 First National Bank of Chicago für
Devisengeschäfte ausgesprochen, dass insofern der Bruttoertrag der von der Bank
während eines bestimmten Zeitraums getätigten An- und Verkaufsgeschäfte den nach
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie für die Bestimmung der
Besteuerungsgrundlage erheblichen Wert der Gegenleistung bilde. Ähnliches habe der
Bundesfinanzhof – BFH - mit Urteil vom 04. Dezember 1996 I R 151/93
(Bundessteuerblatt - BStBl-II 1997, 327) für Kredit-, Scheck- und Wechselgeschäfte
ausgeführt. Mit seinem Abstellen auf Margenverhältnisse bei banktypischen Geschäften
folge daher auch das „Neue Konzept für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“ des
BMF den grundsätzlichen Vorgaben der Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 i.V.m. Art.
19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie.
Zum anderen sei die Aufrundungs-Regelung des Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 der 6. EG-
Richtlinie als Richtlinienvorgabe bei der Vorsteueraufteilung für die Mitgliedstaaten auch
dann verbindlich, wenn im nationalen Rahmen eine andere als die in Art. 17 Abs. 5
Unterabsätze 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie vorgesehene
Aufteilungsmethode gewählt werde, sodass sich der Steuerpflichtige im Falle von
Umsetzungsdefiziten unmittelbar hierauf berufen könne.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Bescheide vom 25. August 2004 in Form der
Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2006 die festgesetzten
Umsatzsteuern für 1997 und 1998 um jeweils 3.208,02 € (= 6.274,35 DM),
für 1999 um 3.869,60 € (= 7.568,28 DM) und für 2000 um 7.382,08 € (=
14.438,09 DM) zu mindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er meint insbesondere zum Vorbringen der Klägerin, wonach bei den banktypischen
Geschäften die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG bzw. die aus Art. 11 Teil A
Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie abzuleitenden Besteuerungsgrundlage durch den
Bruttoertrag bestimmt werde, dies gelte nur in Bezug auf besondere Devisengeschäfte,
bei denen vom Leistenden kein gesondertes Entgelt in Form von Provisionen
ausgewiesen werde. Dagegen bestimme sich auch für die anderen banktypischen
Geschäfte die Bemessungsgrundlage nur danach, was der Leistungsempfänger
aufwende, um die Leistung zu erhalten. Die Margen, die die Klägerin in Anwendung des
„Neuen Konzepts für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten" des BMF der
Vorsteueraufteilung zugrunde gelegt habe, bestimmten sich dagegen nicht nach dem
Aufwand des Leistungsempfängers, sondern durch Gegenüberstellung von Erträgen und
Aufwandspositionen der Klägerin aus dem jeweiligen Geschäftszweig. So seien etwa für
die Ermittlung der Margen bei den Kreditgeschäften einerseits die von den
Kreditnehmern erhaltenen Zinserträge, andererseits die durch die Refinanzierung
entstandenen Zinsaufwendungen wie auch sonstige Aufwandspositionen der Klägerin
miteinander verrechnet worden. Zudem seien etwa auch in dem Konzept bei der
Ermittlung der Margen aus Kreditgeschäften mit Empfängern in Drittländern Abschläge
vorgesehen, was sich mit den Grundsätzen einer Vorsteueraufteilung nach einem
Umsatzschlüssel nicht vereinbaren lasse.
Dem Gericht haben drei Bände Steuerakten zur für die Klägerin geführten
Steuernummer des Beklagten … (Umsatzsteuerakten, Betriebsprüfungsakte Band II,
Vertragsakte) sowie ein Heftungsvorgang des Beklagten „BP-Akte Bankenschlüssel“
vorgelegen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf
den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Akten verwiesen.
16
17
18
19
20
21
22
23
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
Der Beklagte hat die Vorsteueraufteilung dem Gesetz gemäß vorgenommen. Er war
insbesondere nach den Grundsätzen für eine sachgemäße Schätzung gehalten, den
Pro-rata-Satz wie geschehen und nicht im Wege einer Aufrundung zu ermitteln.
a) Er geht zu Recht davon aus, dass es sich bei dem von der Klägerin gewählten
Verfahren nach dem „Neuen Konzept für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten"
des BMF um eine in Ansehung des § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UStG sachgerechte
Schätzung zur Vorsteueraufteilung handelte.
Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder
innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch
genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den
Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht
abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen
wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge
im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 UStG).
Die Klägerin verwendete die den von ihr aufgeteilten Vorsteuern zugehörigen
Eingangsleistungen, bei denen eine bestimmte Zuordnung zu einzelnen
steuerpflichtigen oder steuerfreien Umsätzen nach den Absätzen 1 bis 3 des § 15 UStG
nicht möglich war, für den Bereich ihrer banktypischen Geschäfte, die überwiegend einen
Vorsteuerabzug ausschlossen, jedoch in einem geringen Anteil zum Vorsteuerabzug
berechtigten. Nach § 15 Abs. 4 UStG war somit der Teil der Vorsteuerbeträge nicht
abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Bankgeschäften
wirtschaftlich zuzurechnen war.
Die nicht abziehbaren Teilbeträge der gemischt verwendeten Aufwendungen kann der
Unternehmer im Wege der sachgerechten Schätzung ermitteln. Es ist Sache des
Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt. Das Finanzamt kann lediglich
nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht war (BFH; Urteil vom 5. Februar 1998 V R
101/96 (BStBl II 1998, 492). § 15 Abs. 4 UStG gibt keine Kriterien für eine „sachgerechte
Schätzung” vor. Aus Satz 1 der Regelung ergibt sich lediglich das Erfordernis einer
„wirtschaftlichen Zurechnung” von Vorsteuerbeträgen zu den mit der bezogenen
Leistung ausgeführten Umsätzen. Der BFH hat den Begriff der wirtschaftlichen
Zuordnung anhand der Vorgaben des gemeinschaftsrechtlichen
Mehrwertsteuersystems, insbesondere der Regelungen in Art. 17 Abs. 5 und Art. 19 der
6. EG-Richtlinie ausgelegt. Danach ist ein Aufteilungsverfahren im Sinne des § 15 Abs. 4
UStG als sachgerecht anzuerkennen, das objektiv nachprüfbar nach einheitlicher
Methode die beiden „Nutzungsteile” eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw.
einer sonstigen Leistung nach dem Verhältnis der damit ausgeführten steuerfreien und
steuerpflichtigen Umsätze zurechnet. Auch die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach
dem Verhältnis der Ausgangsumsätze ist als eine sachgerechte Schätzung im Sinne des
§ 15 Abs. 4 UStG anzuerkennen. Denn in Fällen gemischter, d.h. zum Vorsteuerabzug
berechtigender und nicht berechtigender Verwendung geht die 6. EG-Richtlinie in Art. 17
Abs. 5 und Art. 19 als Regel-Aufteilungsmaßstab von einem Umsatzschlüssel aus (BFH
Urteile vom 17. August 2001 V R 52/00, V R 75/00, V R 28/01, V R 32/01, Sammlung der
nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV-2002, 225).
Jedoch kann der Unternehmer entsprechend den dargelegten Grundsätzen, solange
keine Einschränkung durch nationale Gesetzesregelungen besteht, die Aufteilung auch
nach anderen Methoden wirtschaftlicher Zuordnung, etwa unter wirtschaftlicher
Zuordnung gemischt verwendeter Gegenstände oder sonstiger Leistungen nach
Ertragsfaktoren der ihnen zuzuordnenden unterschiedlichen Verwendungsumsätze, wie
der BFH schon in seinem Urteil vom 5. Februar 1998 V R 101/96 (BStBl II 1998, 492)
aufgezeigt hat. Der BFH hat dazu ausgeführt, gemeinschaftsrechtlich sei in Art. 17 Abs.
5 der 6. EG-Richtlinie für die Vorsteueraufteilung Folgendes vorgegeben:
„Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für
Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf
Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist
der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der
erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die
Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt. Jedoch können die
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt. Jedoch können die
Mitgliedstaaten
a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen
besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte
Aufzeichnungen geführt werden.
b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen
besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte
Aufzeichnungen zu führen.
c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der
Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen
vorzunehmen.
d) ...
e)...”
Der deutsche Gesetzgeber habe die danach in erster Linie vorgesehenen
Aufteilungsmethoden nach einem Umsatzschlüssel nur bis zum Jahr 1989 (beschränkt
auf § 15 Abs. 5 UStG 1980) übernommen. Die (seit 1. Januar 1990 ausschließlich
geltende) Zurechnungsmethode des § 15 Abs. 4 UStG 1980 entspreche der des Buchst.
c der Richtlinienbestimmung (Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines
Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen).
Diesen Grundsätzen, die der BFH nachfolgend in ständiger Rechtsprechung bestätigt
hat, folgt auch der erkennende Senat. Danach ergibt sich die Zulässigkeit des von der
Klägerin beschrittenen Schätzungsverfahrens daraus, dass nach den in Anwendung des
„Neuen Konzepts für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“ des BMF vorgegeben
Grundsätzen ein insgesamt nachvollziehbarer und für die Hauptfelder der banktypischen
Geschäfte gleichmäßiger Maßstab für die Bestimmung des Maßes des Verbrauchs der
mit Vorsteuern belasteten gemischt verwendeten Eingangsumsätze nachvollziehbar
gegeben ist. Die Grundsätze des Konzepts sind dabei in Abstimmung mit den
Verbänden der Banken entwickelt und – soweit ersichtlich – inhaltlich von diesen keiner
grundlegenden Kritik unterzogen worden. Wie auch in dem weiter oben angegebenen
Schreiben des BMF zur Veröffentlichung des Konzepts ausgeführt wird, wird allerdings die
Aufteilung für die überwiegenden banktypischen Geschäftsfelder nicht, wie die Klägerin
meint, nach einem Umsatzschlüssel, sondern nach Ertragsfaktoren unter Bildung und
Inverhältnissetzung von spezifischen Margen aus den Geschäftsfeldern vorgenommen.
Dies machen etwa die Ausführungen des BMF-Schreibens hinsichtlich des
Kreditgeschäfts deutlich:
„Für die Vorsteuerzuordnung bzw. für die Bestimmung des Vorsteuerverbrauchs bei
der Ausführung von Finanzumsätzen stellt sich die Frage, mit welchem Wert
vorsteuerbelasteter Sachaufwand in die Umsätze einfließt und ob aus der Umsatzgröße
für die Gesamtleistung des Kreditinstituts Rückschlüsse auf diesen Wert gezogen werden
können.
In den nachfolgenden Fällen kommt eine Marge als Bemessungsgrundlage in
Betracht:
4.2 Kreditgeschäfte
Das Hauptgeschäft von Kreditinstituten ist auf der Aktivseite die Vergabe von
Krediten und auf der Passivseite die Beschaffung von Mitteln für die Herausgabe der
Kredite. Den erhaltenen Zinseinnahmen aus den herausgelegten Krediten stehen
Refinanzierungskosten für die Mittelaufnahmen gegenüber. Der Überschuss aus den
Zinseinnahmen und den Refinanzierungskosten ist die Marge. Für das Kreditgeschäft ist
festzustellen, dass die Umsatzgröße weitestgehend von Eingangsleistungen bestimmt
wird, die nicht vorsteuerbelastet sind (Refinanzierung). Aussagekräftig ist vielmehr eine
Marge, die durch diese Geschäfte erzielt wird. Mit dieser Marge werden abgedeckt:
Zur Berücksichtigung möglicher Zinsänderungsrisiken werden zu jedem
Bilanzstichtag Zinsertragsbilanzen erstellt, aus denen die durchschnittliche Verzinsung
der Aktiv- und der Passivseite eines Kreditinstituts zu ersehen ist. Die sich aus der
durchschnittlichen Verzinsung ergebende Durchschnittsmarge kann typisierend für alle
Kreditgeschäfte in eine Verhältnisrechnung eingehen. Dabei können Besonderheiten in
36
37
38
39
40
41
Kreditgeschäfte in eine Verhältnisrechnung eingehen. Dabei können Besonderheiten in
der Kreditstruktur angemessen berücksichtigt werden.
Die Kreditgrößenstruktur ist bei den Instituten unterschiedlich. Bei einem Vergleich
der Kreditvolumen wird nach den Erfahrungen der Bp deutlich, dass Kredite in Drittländer
inländische Kredite deutlich übersteigen. Die Margen sind in der Regel u.a. auch wegen
des erhöhten Risikos höher. Betragsmäßig höheren absoluten Margen haften allerdings
regelmäßig keine höheren Sachaufwendungen an, wodurch kein der absoluten Marge
entsprechender Vorsteuerverbrauch eintritt. Folgerichtig ist eine Kürzung um einen
Abschlag geboten. Dieser kann sich an der Anzahl der abgeschlossenen Kredite
orientieren.“
Die Klägerin ist diesen Vorgaben zur Aufteilung bei den Kreditgeschäften nach Margen
wie auch den gleichgearteten zu den anderen Geschäftsfeldern im Grundsatz gefolgt
und hat insbesondere bei den Kreditgeschäften die Margen unter Bildung der Differenz
aus den Jahres-Zinserträgen und dem Jahres-Refinanzierungszinsaufwand gebildet. Sie
hat dabei wie auch vom Beklagten bestätigt eine sachgemäße Zuordnung für den
gedachten Verbrauch der aufzuteilenden Vorsteuern unter Berücksichtigung der
hauptsächlichen ertragswirksamen Faktoren für die einzelnen banktypischen
Geschäftsfelder vorgenommen.
Bei dieser Art der Zuordnung nach Ertragsfaktoren handelte es sich ersichtlich nicht –
wie von der Klägerin vorgetragen - um einen Umsatzschlüssel im Sinne von Art. 17 Abs.
5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie. Denn ein solches Verfahren wäre, wie gerade die
Ausführungsregeln der Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 2 und 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie
zeigen, nur dann gegeben, wenn die Zuordnung nach dem Verhältnis der zum
Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zu den Gesamtumsätzen erfolgt wäre.
Umsätze sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die
ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Dem entspricht die Definition in Art. 2 der 6. EG-Richtlinie. Schon daraus wird deutlich,
dass für den – auch bei banktypischen Geschäften gegebenen Regelfall – für die
Bestimmung des Umfangs der von einem Unternehmer ausgeführten Umsätze auf die
von ihm gegenüber seinen Leistungsempfängern ausgeführten Ausgangsleistungen und
nicht – wie bei der von der Klägerin vorgenommenen Aufteilungsrechnung auf das
Verhältnis der Erträge aus diesen Leistungen zu den für ihre Ausführung eingegangenen
Aufwendungen abzustellen ist. Dies wird weiter auch dadurch deutlich, dass für die für
einen Umsatzschlüssel erforderliche Bestimmung der Höhe der jeweiligen
Umsatzgruppen auf den in § 10 Abs. 1 UStG geregelten Begriff der
Bemessungsgrundlage bzw. den ihr entsprechenden Begriff der Besteuerungsgrundlage
nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a 6. EG-Richtlinie abzustellen ist.
Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG grundsätzlich das Entgelt.
Entgelt ist nach Satz 2 der Vorschrift alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um
die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Für die
Vorsteueraufteilung nach einem Umsatzschlüssel wäre danach ersichtlich keine
Gegenüberstellung von im Verhältnis des Unternehmers zu seinen
Leistungsempfängern erzielten Erträgen mit den für die Ausgangsleistungen
eingegangenen Aufwendungen zugrunde zu legen.
Dass die vorbezeichneten Grundsätze für die Ermittlung der Umsatzhöhe nach dem
Entgelt auch für die banktypischen Geschäfte gelten, hat der BFH insbesondere für den
Bereich der Kreditgeschäfte klargestellt. In seinem – auch von der Klägerin angeführten
Urteil vom 04. Dezember 1996 I R 151/93 (Bundessteuerblatt - BStBl-II 1997, 327) heißt
es hierzu demgemäß unter II A 2. b aa:
„Bei der Gewährung eines Kredits gegen Entgelt besteht die Leistung des
Kreditgebers in der Überlassung von Kapital auf Zeit und das Entgelt in den vom
Kreditnehmer entrichteten Zinsen und Kreditnebenkosten (s. BFH-Urteil vom 21. Juli
1988 V R 201/83, BFHE 154, 261; Philipowski in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr.8 Anm.12
f.; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, 1992/1995, II Rz.195 f.). Die Rückzahlung der
Kreditsumme ist keine Entgeltzahlung. Sie ist keine Gegenleistung für die
Kapitalüberlassung ...“
Zwar hat die Klägerin unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 14. Juli 1998 C-172/96 First
National Bank of Chicago zu Recht vorgetragen, dass für Devisengeschäfte, bei denen
keine konkreten Gebühren für den Devisenan- und –verkauf vereinbart oder in Rechnung
gestellt werden, sondern bei denen die Bank ihren Ertrag aus dem so genannten
Spread, d.h. der Differenz der in einem Zeitraum getätigten An- und Verkäufe von
Devisen, erhält, nach Ansicht des EuGH die Besteuerungsgrundlage im Sinne von Art. 11
der 6. EG-Richtlinie in dem Bruttoertrag der betreffenden Geschäfte dieses Zeitraums
42
43
44
45
46
47
48
49
50
der 6. EG-Richtlinie in dem Bruttoertrag der betreffenden Geschäfte dieses Zeitraums
liege. Diese Entscheidung bezog sich aber ersichtlich nur auf den ihr vorgegebenen
Sonderfall, bei dem entgegen den ansonsten für die Ermittlung der
Bemessungsgrundlage bzw. Besteuerungsgrundlage heranziehbaren
Entgeltsvereinbarungen nicht zu ermitteln ist, was der jeweilige Leistungsempfänger
aufwendet, um die Devisen-Leistung zu erhalten.
b) Da das hier von der Klägerin gewählte Verfahren der Vorsteueraufteilung somit nicht
der in Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 1 der 6. EG-
Richtlinie entsprach, kam auch die für die Bildung des Pro-rata-Satzes vorgesehene
Aufrundungsregelung des Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie nicht zur
Anwendung. Aufgrund der speziellen Verweisungsnorm des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 2
der 6. EG-Richtlinie, die unmittelbar an die Grundsatzregelung des Art. 17 Abs. 5
Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie anschließt, ist vielmehr schon durch die Wortlaut-
Auslegung der Normen ersichtlich, dass die Regelung des Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2
der 6. EG-Richtlinie gerade nicht für Fälle gelten kann, in denen Mitgliedstaaten aufgrund
der Ausnahmeregelungen des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 Buchst.n a bis e der 6. EG-
Richtlinie ein anderes Verfahren der Vorsteueraufteilung praktizieren. Dies hat auch der
EuGH in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2008 Rs. C-488/07 Royal Bank of
Scotland unter den Tz. 17 ff. bestätigt:
„17. Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie legt die Regelung fest, die auf das Recht
auf Vorsteuerabzug dann anwendbar ist, wenn sich die Mehrwertsteuer auf Gegenstände
und Dienstleistungen bezieht, die vom Steuerpflichtigen „sowohl für Umsätze verwendet
werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als
auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht“. In diesem Fall ist der
Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nur für den Teil
der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten – besteuerten –
Umsätze entfällt (Urteile Abbey National, Randnr. 37, und vom 27. September 2001,
Cibo Participations, C-16/00, Slg. 2001, I-6663, Randnr. 34).
18. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie auf der Grundlage eines Pro-rata-Satzes zu berechnen, der nach Art. 19 der
Sechsten Richtlinie festgelegt wird.
19. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie lässt jedoch Abweichungen von
dieser Regel zu, indem er die Mitgliedstaaten ermächtigt, eine der anderen in diesem
Unterabsatz aufgeführten Methoden zur Bestimmung des Rechts auf Vorsteuerabzug
vorzusehen, nämlich die Festlegung eines besonderen Pro-rata-Satzes für jeden
Tätigkeitsbereich, einen Vorsteuerabzug nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines
Teils der Gegenstände und Dienstleistungen zu einer bestimmten Tätigkeit oder unter
bestimmten Voraussetzungen sogar den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug.
20. Diese Bestimmung enthält zu der Frage, nach welcher Methode die
Mitgliedstaaten den in dieser Weise ermittelten Abzugsbetrag zu runden haben, keine
spezifische Vorschrift.
21. Entgegen der Auffassung der Royal Bank of Scotland ist die Rundungsregel des
Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar, wenn ein bestimmter
Anwendungsfall einer besonderen Regelung nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser
Richtlinie unterliegt.
22. Wie sich klar aus dem Wortlaut der Art. 17 Abs. 5 und 19 Abs. 1 der Sechsten
Richtlinie ergibt, verweist die letztgenannte Bestimmung nur auf den Pro-rata-Satz des
Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 dieser Richtlinie und legt damit nur für
den in dieser Bestimmung bezeichneten Pro-rata-Satz eine detaillierte
Berechnungsregel fest.
23. Dieses Ergebnis folgt auch aus der Systematik der fraglichen Bestimmungen.
Während Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 2 für die Berechnung des Abzugsbetrags als Regel die
Anwendung von Art. 19 vorsieht, ermächtigt Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3, der mit dem
Wort „jedoch“ beginnt, die Mitgliedstaaten, mehr oder weniger umfangreiche
Ausnahmen von dieser Regel vorzusehen, darunter sogar den Ausschluss des Rechts
auf Vorsteuerabzug.
24. Dies wird schließlich auch durch den Zweck von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3
Buchst. a bis d der Sechsten Richtlinie bestätigt, nach dem, wie die Kommission geltend
gemacht hat, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Tätigkeiten des
Steuerpflichtigen den Mitgliedstaaten ermöglicht werden soll, zu präziseren Ergebnissen
zu gelangen. Die Mitgliedstaaten müssen daher präzisere Rundungsregeln als die nach
51
52
53
zu gelangen. Die Mitgliedstaaten müssen daher präzisere Rundungsregeln als die nach
Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie anwenden können. Sie aus Gründen
der Vereinfachung zu zwingen, Rundungen nach der letztgenannten Methode
vorzunehmen, obwohl diese weniger präzise ist, würde dem Zweck dieser Ausnahmen
zuwiderlaufen.“
Dementsprechend ist im vorliegenden Fall die Frage nach dem richtigen
Aufrundungsmaßstab nach eigenständigen nationalen Kriterien zu entscheiden. Eine
ausdrückliche gesetzliche Vorgabe existiert hierfür nicht. Die Vorgaben zur Anwendung
des „Neuen Konzepts für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten“ des BMF, nach
denen sich der Beklagte gehalten sieht, eine Rundung des Pro-rata-Satzes auf zwei
Dezimalstellen nach dem Komma vorzunehmen, haben für das Gericht keine
Vorgabewirkung, da sie keine gesetzliche Regelung darstellen. Es kann dahinstehen, ob
allein deswegen, weil die Klägerin selbst die Vorsteueraufteilung nach diesem Konzept
ausgerichtet hat, sie selbst verpflichtet war, die sachgerechte Schätzung im Sinne von §
15 Abs. 4 Satz 2 UStG unter Berücksichtigung auch der Rundungsvorgaben der
Finanzverwaltung vorzunehmen. Denn jedenfalls lässt sich nur das vom Beklagten
vertretene Ergebnis mit den von der Rechtsprechung zur Schätzungsvorschrift des § 162
AO entwickelten Grundsätzen vereinbaren. Ziel einer jeden Schätzung ist es danach, in
einem Akt des Schlussfolgerns aus Anhaltspunkten diejenigen Tatsachen zu ermitteln,
die die größtmögliche erreichbare Wahrscheinlichkeit für sich haben. Das
Schätzungsergebnis soll dem wahren Sachverhalt möglichst nahe kommen (Urteile des
BFH vom 11. März 1999 V R 78/98, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE - 188,
160; vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226; vom 10.
Oktober 1986 VI R 12/83, BFH/NV 1987, 698; vgl. auch Klein, Kommentar zur AO, 8. Aufl.,
§ 162 Rn. 29). Bezogen auf die Vorsteueraufteilung führt dies dazu, dass nur die vom
Beklagten vertretene Rundungsregel zu hinreichend präzisen und dem gedachten
Verbrauch der mit Vorsteuer belasteten gemischt verwendeten Eingangsleistungen
hinreichend entsprechenden Ergebnissen führt. Denn schon die Verhältnisse bei der
Klägerin, bei der die von ihr begehrte Rundung annähernd zu einer Verdoppelung der
zuvor präzise errechneten Pro-rata-Sätze mit Auswirkungen von fast 35.000 DM für die
vier Streitjahre führen würde, macht deutlich, dass insoweit dem Ziel einer größtmöglich
erreichbaren Wahrscheinlichkeit nicht entsprochen würde. Dabei wäre im Extremfall
sogar eine Verhundertfachung des zuvor errechneten Pro-rata-Satzes bei einer
Aufrundung von 0,01 % auf 1 % möglich, was angesichts möglicherweise aufzuteilender
hoher Vorsteuerbeträge in Bankensektor zu unhaltbaren Ergebnissen führen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Von einer Zulassung der Revision sieht das Gericht nach § 115 Abs. 2 FGO ab. Zwar
dürfte es sich hier um die erste finanzgerichtliche Entscheidung zum Streitthema
handeln. Jedoch ergeht sie in Anwendung der gesicherten allgemeinen Vorgaben der
angegebenen Rechtsprechung des BFH und EuGH zu den Fragen der zulässigen
Methoden der Vorsteueraufteilung wie auch der allgemeinen Schätzungsgrundsätze.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum