Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.09.1993

FG Berlin-Brandenburg: ddr, begriff des waldes, dingliches recht, wirtschaftliche einheit, forstwirtschaft, verkehrswert, kaufpreis, steuerbefreiung, besoldung, eigentum

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2002
Aktenzeichen:
3 K 2099/05 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 S 1 Nr 6 GrStG vom
13.09.1993, § 2 Abs 1 MauerG, §
19 Abs 4 BewG 1991, § 68 Abs 1
S 1 FlurbG, § 125 Abs 2 BewG
1991
(Verfahren zur Geltendmachung eines Anspruchs auf
Grundsteuerbefreiung - Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr.
6 S. 2 GrStG für Grundbesitz der Religionsgesellschaften, die
Körperschaften des öffentlichen Rechts sind - Erwerbsanspruchs
i.S.v. § 2 Abs. 1 MauerG - Auszusetzende Forstbetriebe -
Steuerlicher Begriff des Forstbetriebs)
Tatbestand
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1
Nr. 6 Grundsteuergesetz - GrStG - für ein von ihr im Jahre 2001 zurückerworbenes
Mauergrundstück im Beitrittsgebiet.
Die Klägerin - eine … Kirchengemeinde - ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts
organisiert.
Sie war bis 1964 Eigentümerin zweier vormals im Grundbuch von … verzeichneter
Flurstücke mit einer Gesamtgröße von etwa - - . - - - m². Zum Zwecke der Errichtung
und des Ausbaus von Sperranlagen zwischen Berlin (West) und der DDR wurden beide
Grundstücke im Jahre 1964 nach Maßgabe des Verteidigungsgesetzes der DDR in
Eigentum des Volkes überführt (so genannte Mauergrundstücke). Für den Verlust ihres
Grundstückseigentums erhielt die Klägerin von der DDR seinerzeit eine
Entschädigungsleistung. Nach der Wende bemühte die Klägerin sich zunächst vergeblich
beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (kurz: AROV) um Rückübertragung der
Eigentumsrechte an dem Mauergrundstück nach Maßgabe des Vermögensgesetzes. Mit
Bescheid vom … März 1998 - auf den der Senat im Übrigen Bezug nimmt (Bl. 50 f
Streitakte) - lehnte das AROV eine Rückübertragung ab. Aufgrund notariellen Vertrages
vom … Oktober 2001 und Lastenwechsel zum … Dezember 2001 erwarb die Klägerin
das Mauergrundstück nach Maßgabe der Bestimmungen des
Mauergrundstücksgesetzes - MauerG - vom 15. Juli 1996 käuflich von der Bundesrepublik
Deutschland (Bundesfinanzverwaltung) zum Kaufpreis von - - . - - - DM. Dieser Kaufpreis
entsprach 1/4 des zum Kaufzeitpunkt durch Sachverständigengutachten ermittelten
Verkehrswerts in Höhe von - - - . - - - DM. Beide Flurstücke wurden im Grundbuch auf die
Klägerin umgeschrieben und sind dort jeweils als „Unland“ bezeichnet.
Mit Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2002 vom … August 2004 nahm der Beklagte
für beide Grundstücksflächen als wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2
Bewertungsgesetz - BewG - eine Nachfeststellung auf die Klägerin vor und ordnete diese
dem Grundvermögen zu. Er stellte den Einheitswert in der Grundstücksart unbebautes
Grundstück auf - - . - - - € (- - . - - - m² * 2,50 DM) fest. Hinsichtlich der Größe der
seinerzeit nicht amtlich vermessenen Grundstücksflächen erging der Bescheid vorläufig
gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung - AO -. In dem zusammengefassten
Bescheid setzte der Beklagte zugleich den Grundsteuermessbetrag im Wege der
Nachveranlagung auf - - -, - - € fest. Mit gesonderten Bescheiden, jeweils vom … August
2004, setzte der Beklagte außerdem die Grundsteuer für die Jahre 2002 bis 2004 fest.
Gegen sämtliche Bescheide legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein.
Zur Begründung machte sie geltend:
Beide Flurstücke seien als Pfarrland zu betrachten und deshalb von der
Grundsteuererhebung befreit. Zum Nachweis legte sie dem Beklagten Ablichtungen aus
ihren Lagebüchern aus dem Jahr 1942 vor - auf die der Senat im Übrigen Bezug nimmt
(Bl. 48 f EW.-Akte). Danach habe es sich bei dem heutigen Flurstück … um eine
Teilfläche des früheren Flurstücks … gehandelt, das in ihrem Lagebuch als
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Teilfläche des früheren Flurstücks … gehandelt, das in ihrem Lagebuch als
„Pfarrvermögen“ bezeichnet sei. Hinsichtlich des vormaligen Flurstücks … - das heute
zum Flurstück … gehöre - habe es sich ausweislich der Eintragung im Lagebuch um
„Kirchenland“ gehandelt.
Die Einsprüche blieben erfolglos.
Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom … Februar 2005 lehnte der
Beklagte eine Grundsteuerbefreiung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG
ab.
Zur Begründung führte er aus:
Die Voraussetzungen für die geltend gemachte Steuerbefreiung lägen nicht vor. Bei den
streitigen Grundstücksflächen habe es sich zum Stichtag 1. Januar 2002 nicht - wie
vorgetragen - um bewirtschaftetes Pfarrland, sondern um nicht privilegiertes
(brachliegendes) Unland gehandelt. Der hohe Verkehrswert spreche dafür, dass es sich
bei den streitigen Flächen um Bauerwartungsland oder Rohbauland handele, abgesehen
davon seien die Flurstücke im maßgebenden Flächennutzungsplan ebenso nicht als
Pfarrland ausgewiesen.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt, mit der sie weiterhin eine
Grundsteuerbefreiung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG begehrt.
Ihr vorinstanzliches Vorbringen ergänzend und vertiefend trägt sie vor:
Bei dem Grundstück handele es sich um ein so genanntes fiktives Dienstgrundstück im
Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 30. Juli 1965, III 1/63 U
(Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1965, 566). Entgegen den Ausführungen des Beklagten
stellten die streitigen Grundstücksflächen weder Bauerwartungs- noch Rohbauland dar,
vielmehr seien die betreffenden Flächen im maßgebenden Flächennutzungsplan als
Trassenerwartungsland ausgewiesen, weil geplant sei, in diesem Bereich die
Autobahnverbindung … zu bauen. Eine anderweitige Bebaubarkeit des Areals sei
ausgeschlossen. Es handele sich nicht um brachliegendes Unland. Vielmehr würden die
betreffenden Flächen von ihr - der Klägerin - als Waldgrundstück wirtschaftlich genutzt.
Der Baumbewuchs sei schon vor dem Jahr 2000 vorhanden gewesen. Zum Zwecke einer
späteren Holzernte würden die betreffenden Flächen von ihr aufgeforstet und
bewirtschaftet. Dass die Flurstücke im Grundbuch dennoch nicht als Wald- bzw.
Wiesenfläche, sondern als Unland verzeichnet seien, beruhe allein auf dem Umstand,
dass beide Flurstücke im Zeitpunkt der Grundbucheintragung noch nicht amtlich
vermessen gewesen seien.
Nachdem der frühere Berichterstatter des Finanzgerichts - FG - Berlin der Klägerin mit
Schreiben vom 19. Januar 2006 - auf das ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 115 f
Streitakte) - aufgegeben hatte, ihre Behauptung, das Streitgrundstück sei bereits zum
maßgebenden Stichtag als Waldgrundstück bewirtschaftet worden, näher zu präzisieren
und unter Beweis zu stellen, hat die Klägerin dem Gericht ein Schreiben der … Forsten
vom 7. März 2006 (in Kopie) vorgelegt, auf das der Senat wegen der weiteren
Einzelheiten im Übrigen Bezug nimmt (Bl. 128 Streitakte). Darin wird ausgeführt, dass
sich nach der Beseitigung der innerdeutschen Grenzanlagen auf den
Mauergrundstücksflächen eine mit Forstpflanzen bestockte Grünfläche habe entwickeln
können. Seit mindestens 2000 sei von einem Wald im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gesetzes
zur Erhaltung und Pflege des Waldes - LWaldG - auszugehen. Die Klägerin sei deshalb zur
Einhaltung der aus diesem Gesetz folgenden Bestimmungen verpflichtet.
Nachdem die Klägerin ihre Klage wegen Grundsteuer für 2002 bis 2004 in der
mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, ist das Verfahren insoweit abgetrennt
und unter dem Aktenzeichen 3 K 3041/10 gemäß § 72 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -
FGO - eingestellt worden.
Die Klägerin beantragt nunmehr, den zusammengefassten Einheitswert- und den
Grundsteuermessbetragsbescheid auf den 1. Januar 2002 vom … August 2004 sowie die
dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom … Februar 2005 ersatzlos aufzuheben;
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, den Rechtsstreit zu vertagen, um
der Klägerin Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1
Satz 1 Nr. 6 GrStG ergänzend vorzutragen und Nachweise zu erbringen.
die Klage abzuweisen
Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor: Dass die Klägerin das Grundstück zum
Stichtag 1. Januar 2002 als Pfarrland bewirtschaftet habe, sei von ihr nicht nachgewiesen
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Stichtag 1. Januar 2002 als Pfarrland bewirtschaftet habe, sei von ihr nicht nachgewiesen
worden. Nicht erkennbar sei ferner, dass die streitigen Flächen zum Stichtag einem
Stellenfonds der Klägerin zugeordnet gewesen seien, dessen Erträge zur Besoldung und
Versorgung ihrer Geistlichen und Kirchendiener sowie ihrer Hinterbliebenen bestimmt
seien. Unbeachtlich sei, wie das Grundstück im Jahre 1942 genutzt worden sei;
maßgebend seien stattdessen die Nutzungsverhältnisse zum Bewertungsstichtag.
Gegen eine Steuerprivilegierung spreche, dass sie - die Klägerin - das Streitgrundstück
erst im Jahre 2001 aufgrund eines Kaufvertrages zurückerworben habe. Anders als im
Fall einer Flurbereinigung, bei der die neue Grundstücksfläche als Ersatz für die bisherige
Grundstücksfläche übertragen werde, sei die Klägerin für die zu DDR-Zeiten nach dem
Verteidigungsgesetz der DDR erfolgte Enteignung ihres Grundstücks in Geld entschädigt
worden.
Soweit die Klägerin im Klageverfahren erstmals vortrage, dass sie die streitigen
Grundstücksflächen als Waldgrundstück nutze, vermag er - der Beklagte - ihr nicht zu
folgen. Gegen diesen Vortrag spreche, dass beide Flurstücke im Grundbuch als Unland
verzeichnet seien. Diese Bezeichnung sei auch noch bei der im Jahre 2005 erfolgten
Flurstückszerlegung beibehalten worden. Die Klägerin sei den Nachweis schuldig
geblieben, dass sie die Flurstücke bereits vor dem 1. Januar 2002 aufgeforstet habe.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung ein Band Einheitswert- und Grundsteuerakten
des Beklagten zur Steuernummer … vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Soweit die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Grundsteuerbefreiung für ihren
Grundbesitz im Wege der Anfechtungsklage sowohl gegen den Einheitswert- als auch
den Grundsteuermessbetragsbescheid verfolgt, bestehen gegen die Zulässigkeit der
Klage keine Bedenken.
Die Grundsteuerbefreiung kann sowohl im Verfahren gegen die Einheitswerte als auch im
Verfahren gegen die Grundsteuermessbeträge entschieden werden, da der Beklagte die
Entscheidung über die Grundsteuerbefreiung nicht ausdrücklich dem
Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat (vgl. Urteile des BFH vom 24. Juli 1985, II R
227/82, BStBl. II 1986, 128 und vom 22. Oktober 1986, II R 214/84, Sammlung amtlich
nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1988, 19).
Deshalb ist es unschädlich, dass die Klägerin sowohl den Einheitswert- als auch den
Grundsteuermessbetragsbescheid angefochten hat.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der angefochtene Einheitswert- bzw. Grundsteuermessbetragsbescheid auf den 1.
Januar 2002 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und
verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Aufhebung des Einheitswertes- bzw.
Steuermessbetragsbescheides auf den 1. Januar 2002 zu.
1.
Im Streitfall wird der Einheitswert für Zwecke der Grundsteuerfestsetzung benötigt (§ 19
Abs. 4 BewG). Der Beklagte hat eine Grundsteuerbefreiung für den
streitgegenständlichen Grundbesitz der Klägerin zu Recht abgelehnt. Die
Voraussetzungen einer Grundsteuerbefreiung nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
GrStG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrStG in der durch das Standortsicherungsgesetz -
StandOG - vom 13. September 1993 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1993, 1569 f)
geltenden Fassung ist Grundbesitz der Religionsgesellschaften, die Körperschaften des
öffentlichen Rechts sind, und der jüdischen Kultusgemeinden von der Grundsteuer
befreit, wenn der Grundbesitz am 1. Januar 1987 und im Veranlagungszeitpunkt zu
einem nach Kirchenrecht gesonderten Vermögen, insbesondere einem Stellenfonds
gehört, dessen Erträge ausschließlich für die Besoldung und Versorgung der Geistlichen
und Kirchendiener sowie ihrer Hinterbliebenen bestimmt sind.
Für die Grundsteuerbefreiung entsprechenden Grundbesitzes in den neuen
Bundesländern genügt es, dass neben der Zugehörigkeit zum kirchenrechtlichen
Sondervermögen im aktuellen Feststellungs- bzw. Veranlagungszeitpunkt, diese zu
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Sondervermögen im aktuellen Feststellungs- bzw. Veranlagungszeitpunkt, diese zu
irgendeinem früheren Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1987 zu einem Stellenvermögen
gehörten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 GrStG). Mit dieser den Grundtatbestand
erweiternden Ausnahmeregelung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers dem
Umstand Rechnung getragen werden, dass kirchlicher Grundbesitz in den neuen
Bundesländern zu DDR-Zeiten besonderen staatlichen Eingriffen ausgesetzt war (vgl.
Troll/Eisele, GrStG, 9. Auflage 2006, § 3 Anm. 59 a. E.). Die durch das StandOG
eingeführte Neuregelung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur
Vorgängerregelung (BFH-Urteil vom 13. Mai 1987, BStBl. 1987 II, S. 722). Danach waren
Dienstgrundstücke nur privilegiert, wenn der entsprechende Grundbesitz unmittelbar
zum Unterhalt des Stelleninhabers bestimmt war und dieser über dessen Nutzungsart
und Erträgnisse selbst befinden konnte. Bei einem Fortbestand der Vorgängerregelung
hätte diese (enge) Auslegung des BFH dazu geführt, dass die Grundsteuerbefreiung für
Dienstgrundstücke weitgehend ins Leere gelaufen wäre. Denn im Allgemeinen dient
heute kirchlicher Grundbesitz nicht mehr unmittelbar dem Unterhalt des
Stelleninhabers, auch wenn er zu dem der Besoldung des Stelleninhabers gewidmeten
Vermögen gehört und seine Erträge auch tatsächlich für seine Besoldung verwendet
werden (vgl. Troll/Eisele, a.a.O. § 3 Tz. 59). Nach der heutigen weiter gefassten
Gesetzesfassung ist hingegen lediglich erforderlich, dass der betreffende Grundbesitz
zum aktuellen Stichtag sowie bezüglich des im Streitfall gegebenen Grundbesitzes im
Beitrittsgebiet, dass dieser zu irgendeinem früheren Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1987
zu einem Stellenvermögen gehörte (Troll/Eisele a.a.O.). Daraus folgt aber auch, dass
nach dem Stichtag 1. Januar 1987 erworbener Grundbesitz in keinem Fall mehr
steuerbefreit ist, selbst wenn er durch Tausch oder Ersatzkauf erworben wurde (vgl. BFH-
Urteil vom 10. Juli 2002, II R 22/00, BFH/NV 2003, 202); insoweit ist also das
Steuerbefreiungsprivileg für kirchlichen Grundbesitz aus Gründen der
Besitzstandswahrung (siehe Glier, GrStG-Kommentar, 2009, § 3 Seite 6 b) beschränkt
auf bis zum 1. Januar 1987 angeschafften (Alt-)Grundbesitz.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegen die Voraussetzungen der
Steuerbefreiungsvorschrift nicht vor.
Denn die Klägerin hat den streitigen Grundbesitz jedenfalls erst nach dem Stichtag 1.
Januar 1987 im Jahre 2001 aufgrund notariellen Kaufvertrages erworben, sodass es sich
um von der Befreiungsvorschrift nicht erfassten (nicht privilegierten) (Neu-)Grundbesitz
handelt. Dementsprechend kam auch keine Vertagung des Rechtsstreits in Betracht.
Dass die Klägerin ihr früheres - in Volkseigentum der DDR überführtes -
Grundstückseigentum nach Maßgabe der Vorschriften des MauerG zurückerworben hat,
führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat versteht die für das Beitrittsgebiet
geltende Sonderregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 GrStG dahingehend, dass
die Steuerbefreiung (jedenfalls in Bezug auf die hier in Rede stehenden
Mauergrundstücke) voraussetzt, dass der Grundbesitz bis spätestens 1. Januar 1987 in
das (wirtschaftlichen) Eigentum der Kirche gelangt und (ununterbrochen) bis zum
maßgebenden Veranlagungszeitpunkt (hier: 1. Januar 2002) in deren (wirtschaftlichem)
Eigentum verblieben ist. Für diese einschränkende Auslegung spricht, dass die zum
Zwecke der Errichtung und des Erhalts der innerdeutschen Grenzanlagen erfolgten
Grundstücksenteignungen nicht gezielt gegen die Kirchen in der DDR gerichtet waren.
Von diesen Enteignungsmaßnahmen waren vielmehr alle Grundstückseigentümer
gleichermaßen betroffen, sofern deren Grundstücke zur Errichtung und zum Ausbau der
innerdeutschen Grenzanlagen benötigt wurden.
Der Streitfall kann auch nicht mit einer Landabfindung im Sinne des FlurbG verglichen
werden. Bei einer Flurbereinigungsmaßnahme wäre die Zuteilung einer Ersatzfläche
nach dem Stichtag des 1. Januar 1987 für die Gewährung der Steuerbefreiung
unschädlich (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) (vgl. hierzu: BFH-Urteile vom 9. Juli 1971, III R
30/70 und 10. Juli 2002, II R 22/00, BStBl. II 1971, 785; BFH/NV 2003, 102; Troll/Eisele,
a.a.O.). Denn die neue Grundstücksfläche tritt - unter Fortsetzung des Eigentums - als
Surrogat an die Stelle der hingegebenen Flächen. Ein solcher Fall der dinglichen
Surrogation liegt indes im Streitfall nicht vor. Obgleich der Klägerin hinsichtlich der
streitigen Fläche ein Erwerbsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland als
Rechtsnachfolgerin der DDR nach Maßgabe der Vorschriften des MauerG zustand, ist
das Streitgrundstück der Klägerin nicht als dinglich wirkender Ersatz für die seinerzeit
erfolgte Enteignung zugefallen. Der Grundstückserwerb beruhte vielmehr auf einem
selbstständigen kausalen und dinglichen Rechtsgeschäft. Bei dem Erwerbsanspruch i. S.
v. § 2 Abs. 1 MauerG handelt es sich also nicht um ein sich am (neuen) Grundstück
fortsetzendes dingliches Recht, sondern lediglich um einen obligatorischen Anspruch auf
Erwerb des für Zwecke des Mauerbaus in Volkseigentum der DDR überführten
Grundbesitzes (vgl. zur Rechtsnatur des Anspruchs z. B. Bundesverwaltungsgericht -
BVerwG - Urteil vom 23. November 2006, 3 C 6/06, Entscheidungen des
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BVerwG - Urteil vom 23. November 2006, 3 C 6/06, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - 127, 188).
Der Einwand der Klägerin, im Streitfall sei von einem fiktiven Dienstgrundstück
auszugehen, geht fehl. Fiktiver Dienstgrundbesitz hat für das aktuelle Recht keine
Bedeutung; es handelt sich um eine Fiktion, die im Rahmen früherer
Vorgängervorschriften von Relevanz war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. Juli 1971, III R
30/70, BStBl. II 1971, 785).
2.
Abgesehen davon hat die Klägerin weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen,
dass der streitige Grundbesitz sowohl vor der Überführung in Volkseigentum der DDR als
auch nach dem Rückerwerb im Jahre 2001 zu einem Stellenfonds gehörte. Gegen eine
solche Zugehörigkeit spricht - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - dass die streitigen
Flächen im Grundbuch als Unland bezeichnet worden sind. Der Senat folgt insoweit nicht
dem Vortrag der Klägerin, dass diese Grundbuchbezeichnung darauf beruhte, dass die
betreffenden Flurstücke seinerzeit noch nicht amtlich vermessen waren. Gegen diesen
Vortrag spricht, dass die Klägerin in ihrer nach dem Stichtag am 6. Januar 2004 beim
Beklagten abgegebenen Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar
2002 (sie Bl. 29 f EW.-Akte) auf Seite 2 des amtlichen Vordrucks unter der Rubrik
„Angaben zur Nutzung des Grundstücks“ selbst erklärt hat, dass es sich um Unland,
also um nicht nutzbare Flächen, handelt. Des Weiteren ist für den Senat nicht
nachvollziehbar, ob die streitigen Flurstücke zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt vor
der Enteignung im Jahre 1964 tatsächlich zu einem Stellenfonds gehörten. Die von der
Klägerin vorgelegten Lagebücher sind nicht so aussagekräftig, dass der Senat hierauf
die nötige Überzeugungskraft stützen könnte, zumal die streitigen Grundstücksflächen
dort lediglich als Ackerflächen verzeichnet sind.
3.
Der von der Klägerin geltend gemachte Aufhebungsanspruch könnte im Hinblick auf den
festgestellten Einheitswert des Weiteren auch aus der für den Grundbesitz im
Beitrittsgebiet geltenden Sondervorschrift des § 125 Abs. 2 BewG hergeleitet werden.
Indes sieht der Senat die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall für nicht erfüllt
an, Nach § 125 Abs. 2 BewG werden für Betriebe der Land und Forstwirtschaft für
Zwecke der Grundsteuererhebung keine Einheitswerte gesondert festgestellt (§ 179 AO),
sondern Ersatzwirtschaftswerte ermittelt, die im Messbetragsverfahren als
unselbstständige Besteuerungsgrundlage in einem vereinfachten Verfahren ermittelt
werden. Im Streitfall ist indes nicht von einem Betrieb der Forstwirtschaft auszugehen;
der Beklagte hat das Streitgrundstück insoweit zu Recht dem Grundvermögen
zugeordnet. Offen bleiben kann dabei, ob die im Einheitswertbescheid vorgenommene
Zuordnung zum Grundvermögen überhaupt noch wegen etwaiger Bestandskraft (zur
selbständigen Verwaltungsakteigenschaft der Artfeststellung siehe BFH-Urteil vom 5.
Mai 1999, II R 44/96, BFH/NV 2000,8) korrigierbar ist. Selbst wenn man nach den
Grundsätzen der Rechtsschutz gewährenden Auslegung von einer rechtzeitigen
Anfechtung auch der Artfeststellung ausginge, handelt es sich bei dem streitigen
Grundbesitz zum Stichtag 1. Januar 2002 jedenfalls nicht um einen Betrieb der Land und
Forstwirtschaft im Sinne von § 125 Abs. 2 BewG i. V. m. § 33 Abs. 1 BewG.
Die Abgrenzung zwischen Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichem
Vermögen im Beitrittsgebiet richtet sich einerseits nach § 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG i.V.m. §
51 des Bewertungsgesetzes der DDR - BewG DDR - und andererseits nach § 33 Abs. 1
BewG, der auch für Grundbesitz im Beitrittsgebiet Anwendung findet.
Ob die Streitflächen bezogen auf den streitigen Stichtag absehbar (absehbar ist ein
Zeitraum von sechs Jahren) für die Schaffung einer Autobahntrasse in Anspruch
genommen werden sollten und deshalb nach § 51 BewG DDR anderen als land- und
forstwirtschaftlichen Zwecken dienen würden, kann offen bleiben.
Denn das Grundstück der Klägerin diente jedenfalls zum maßgebenden Stichtag keinen
land- und forstwirtschaftlichen Zwecken i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 1 BewG.
Unter Land- und Forstwirtschaft versteht man nämlich die planmäßige Nutzung des
Grund und Bodens zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse sowie die
unmittelbare Verwertung dieser Erzeugnisse, einschließlich der erzeugten Pflanzen und
Tiere selbst (Rössler/Troll, a.a.O., § 33 Tz. 3 m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH). Für die
Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen kommt es nach § 33 Abs. 1
Satz 1 BewG darauf an, ob die Wirtschaftsgüter dauernd einem Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Das setzt eine gewisse planmäßige und
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Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Das setzt eine gewisse planmäßige und
ständige Bewirtschaftung voraus. Der Wille des Eigentümers muss darauf gerichtet sein,
einen angemessenen Nutzen in Form eines nachhaltig erzielbaren Rohertrags zu
erwirtschaften (Rössler/Troll a.a.O.). Dabei kommt der Zweckbestimmung durch den
Eigentümer oder einen sonstigen Verfügungsberechtigten entscheidende Bedeutung zu.
Dabei weist allerdings die Forstwirtschaft gegenüber der Landwirtschaft Besonderheiten
auf. Denn während bei der Landwirtschaft die planmäßige Nutzung des Grund und
Bodens durch Fruchtziehung in der Regel Jahr für Jahr der Jahreszeit entsprechende
Arbeiten erfordert und jedes Jahr Erträge erwirtschaftet werden können, liegen die
Verhältnisse bei der Forstwirtschaft insofern anders, als zwischen der (planmäßigen)
Aufforstung einer Waldfläche und der Holzernte je nach Umtriebszeit (das ist der zu
erwartende Zeitraum von der Bestandsbegründung bis zur Endnutzung) mehrere
Jahrzehnte vergehen können (BFH-Urteil vom 18. November 2009, II R 30/08, juris).
Ertrag- bzw. bewertungssteuerrechtlich handelt es sich um sogenannte „auszusetzende
Forstbetriebe“. Zu solchen auszusetzenden Forstbetrieben gehören insbesondere
Bauernwaldungen. Diese Kleinwälder zeichnen sich dadurch aus, dass es sich um
Baumpflanzungen weniger Altersklassen auf geringen Flächengrößen handelt, die nach
der Aufforstung in der Regel über viele Jahre hinweg keine direkten Nutzungen bis zur
Holzernte ermöglichen. Auch derartige Bauernwaldungen erfüllen nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung den Begriff des Forstbetriebes, da sich infolge des
natürlichen Wachstums ein ständiger jährlicher Wertzuwachs vollzieht.
Wendet man die vorliegenden Grundsätze auf den Streitfall an, liegen die
Voraussetzungen für die Annahme eines (auszusetzenden) Forstbetriebes in Bezug auf
den streitigen Grundbesitz nicht vor.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 FGO) ist der Senat nicht davon
überzeugt, dass im Streitfall zum maßgebenden Stichtag ein auszusetzender
Forstbetrieb vorlag. Selbst wenn man der Klägerin darin folgte, dass ihr Grundbesitz
bereits bei Erwerb im Jahre 2001 bewaldet gewesen war - wofür das von ihr vorgelegte
Schreiben der … Forsten Anhalt bietet - fehlt es jedenfalls an einer objektiv erkennbaren
Zwecksetzung, das Grundstück als Forstgrundstück zu nutzen. Gegen eine solche
Zwecksetzung spricht schon die Tatsache, dass der fragliche Wald nicht durch gezielte
Aufforstungsmaßnahmen der Klägerin bzw. des Voreigentümers, sondern offenbar
vollständig durch Naturverjüngung entstanden ist. Die Naturverjüngung, bei der es sich
um durch Samenflug oder Aufschlag entstandenen Baumbewuchs handelt, ist zwar eine
forstwirtschaftlich anerkannte kostengünstige Methode zur Gewinnung neuer
Baumbestände. Gleichwohl dürfte der ausschließlich mit dem Mittel der Naturverjüngung
bewerkstelligte Waldbau keine geeignete Methode zur Erlangung eines wirtschaftlich
verwertbaren Baumbestandes darstellen, wenn es sich - wie im Streitfall - um einen
ehemaligen Mauerstreifen handelt. Ungeachtet der fehlenden gezielten
Aufforstungsmaßnahmen spricht gegen eine ernst zu nehmende Absicht der Klägerin,
den Grundbesitz zum Stichtag einer nachhaltigen forstwirtschaftlichen Nutzung
zuzuführen jedoch der Umstand, dass die Klägerin - wie oben bereits ausgeführt - in
ihrer beim Beklagten am 6. Januar 2004 abgegebenen Steuererklärung keine Angaben
zu einer etwaigen forstwirtschaftlichen Nutzung der Flächen gemacht hat. Diese Angabe
wird zudem - wie der Beklagte mit Recht hervorhebt - auch durch die entsprechenden
Bezeichnungen beider Flurstücke im Grundbuch bestätigt. Nicht in Einklang zu bringen
ist ferner der Umstand, dass der Verkehrswert des Grundstücks umgerechnet etwa 20
DM pro Quadratmeter betragen hat. Der Verkehrswert sowie der von der Klägerin
aufgewandte Kaufpreis dürften den Wert für ein reines Waldgrundstück um ein
Mehrfaches überschreiten. Die Gesamtumstände deuten vielmehr darauf hin, dass es
der Klägerin bei ihrer Kaufentscheidung weniger um eine forstwirtschaftliche Nutzung des
Areals als vielmehr darum ging, das Grundstück zu einem erheblich unter dem
Verkehrswert liegenden Kaufpreis zu erwerben. Nicht unberücksichtigt bleiben darf
ferner, dass die Klägerin die angebliche forstwirtschaftliche Nutzung erst in einem späten
Stadium des Verfahrens nach Erhebung der Klage erstmals vorgebracht hat. Soweit die
Klägerin einwendet, dass eine forstwirtschaftliche Nutzung daraus folge, dass sie wegen
des Waldes auf ihrem Grundstück die aus den einschlägigen Bestimmungen des
Landeswaldgesetzes folgenden Verpflichtungen zu erfüllen hat, ergibt sich keine andere
Beurteilung. Die Klägerin übersieht insoweit, dass der Begriff des Waldes im Sinne des
Landes- bzw. Bundeswaldgesetzes die besondere Sozialbindung von Wäldern (Art. 14
des Grundgesetzes - GG -) konkretisiert, so dass dieser wegen der unterschiedlichen
Zweckrichtung nicht mit dem steuerlichen Begriff des Forstbetriebs deckungsgleich ist
(vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 29. Aufl., § 13 Tz. 7).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Revisionsgründe im Sinne von § 115
Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.
43 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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