Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30.11.2016

epilepsie, haushalt, hund, unterbringung

FG Baden-Württemberg Urteil vom 30.11.2016, 2 K 2338/15
Zum Verhältnis von § 33 EStG, § 33b EStG und § 35a EStG (Aufwendungen für einen Epilepsie-
bzw. Anfallswarnhund
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Ausgangspunkt der Finanzstreitsache war die Frage, ob Aufwendungen für die Unterbringung eines
Epilepsie- bzw. Anfallswarnhundes in einer Tierherberge steuerlich als haushaltsnahe Dienstleistungen
i. S. v. § 35a EStG berücksichtigt werden können. Im Laufe des Verfahrens streiten die Beteiligten nunmehr
darüber hinaus, in welchem Verhältnis die Regelungen in § 33 EStG, in § 33b EStG und in § 35a EStG
zueinander stehen und ob die Aufwendungen für die Anschaffung, das Halten und die Unterbringung des
Epilepsie- bzw. Anfallswarnhundes in einer Tierherberge insgesamt unter diesen Normen steuerlich
Berücksichtigung finden können.
2 Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist von Beruf XXX. Die
Ehefrau des Klägers ist schwerbehindert. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt ausweislich des Bescheids
des Landratsamts A - Amt für Soziales und Versorgung - Sachgebiet xxx - vom 11. Mai 2010
(Einkommensteuerakten Seite 213) 100. Es wurden die Merkmale bzw. Merkzeichen G (erhebliche
Gehbehinderung), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung)
festgestellt. Aus dem Bescheid ergibt sich ferner, dass eine Feststellung der Merkmale H (Hilflosigkeit) und RF
(Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) nicht erfolgen konnte, da die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen nicht vorlagen.
3 In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung 2014 machten die Eheleute zunächst Aufwendungen in
Höhe von 725 Euro nur für die Unterbringung ihres Hundes „H“ (einem Hütehund) in einem Tierhotel
(Hundepension) in A als gemäß § 35a EStG begünstigte haushaltsnahe Dienstleistungen geltend
(Einkommensteuerakten Seite 249).
4 Mit Bescheid vom 13. Mai 2015 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA) die Einkommensteuer 2014 fest.
Dabei berücksichtigte er die Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes in der Tierpension A nicht.
Jedoch berücksichtigte das FA einen Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG in Höhe von
924 Euro, obwohl die Ehefrau des Klägers nicht hilflos im Sinne des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG war (vgl. die
Definition des Begriffs „Hilflosigkeit“ in § 33b Abs. 6 Satz 3 und 4 EStG).
5 Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 erhob der Kläger Einspruch. Zur Begründung machte er geltend, dass die
Entscheidung des FA im Widerspruch zum Urteil des FG Düsseldorf vom 4. Februar 2015 15 K 1779/14 E
(EFG 2015, 650) stehe (vgl. nachfolgend das BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 13/15, BStBl II 2016,
47). Die Unterbringung des Hundes sei notwendig gewesen, da seine Frau in den geltend gemachten
Zeiträumen jeweils stationär im Epilepsiezentrum B untergebracht gewesen sei. Da er, der Kläger, als XXX
selbst in Vollzeit berufstätig sei, habe es keine andere Möglichkeit gegeben, den Hund in dieser Zeit adäquat
unterzubringen und zu versorgen. Normalerweise kümmere sich seine Frau um den Hund, der sich im
Streitjahr noch in der Ausbildung zum Assistenzhund befunden habe.
6 Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2015 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet
zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Hund im Streitfall nicht wie bei den von der Rechtsprechung
entschiedenen Fällen im Haushalt, sondern außerhalb des Haushalts in einer Tierpension in A untergebracht
und versorgt worden sei.
7 Mit der am 18. August 2015 erhobenen Klage machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zunächst
geltend, dass sämtliche Aufwendungen für den Hund „H“ als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33
EStG zu berücksichtigen seien. Die Ehefrau des Klägers leide an einer schweren Epilepsie. Sie könne sich nur
im Rollstuhl fortbewegen und sei hilflos im Sinne von § 33b Abs. 6 Satz 1 bzw. 3 EStG. Deshalb stehe ihr
zunächst der Behinderten-Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG in Höhe von 3.700 Euro zu. Das FA
habe bisher jedoch nur den Behinderten-Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe von 1.420 Euro
berücksichtigt. Da die Ehefrau des Klägers aufgrund ihrer schweren Epilepsie hilflos im Sinne von § 33b Abs.
6 Satz 1 bzw. 3 EStG sei, sei zur Vermeidung von gefährlichen Situationen und Zuständen ein
Assistenzhund ausgebildet worden, der sie bei Fahrten im Rollstuhl begleite. Die Hauptaufgabe des Hundes
sei es, im Falle des Herannahens eines epileptischen Anfalls einen am Rollstuhl befestigten Knopf zu drücken
und damit einen Notruf abzusetzen. Der Hund könne aufgrund von Veränderungen des Hautgeruchs und der
Oberflächentemperatur des Körpers einen Epilepsieanfall mehrere Minuten voraussagen. Die Aufwendungen
für den Hund seien für den Kläger und seine Ehefrau unvermeidlich gewesen. Die Gesamtaufwendungen für
den Hund beliefen sich im Jahr 2014 auf 2.506,71 Euro.
8 Mit Schreiben vom 1. Februar 2016 (Gerichtsakten Seite 54), 21. April 2016 (Gerichtsakten Seite 65) und
vom 2. Juni 2016 (Gerichtsakten Seite 75) änderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine
Rechtsauffassung und begehrt nunmehr, dass (weiterhin) nur noch der Behinderten-Pauschbetrag nach 33b
Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe von 1.420 Euro gewährt wird und die angefochtenen Bescheide in der Weise
geändert werden, dass die Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes „H“ in der Tierpension in A
nach § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen angesetzt werden und die verbleibenden
Aufwendungen für den Hund in Höhe von 1.782 Euro (2.507 Euro ./. 725 Euro) gemäß § 33 EStG als
außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Zur Begründung trägt er vor, dass es keinen
Unterschied machen könne, ob das Tier - wie in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen - in der
Wohnung des Steuerpflichtigen oder in einer Tierpension betreut werde. Ausschlaggebend sei, dass ein zum
Haushalt des Steuerpflichtigen gehörendes Tier betreut worden sei. Das Halten des Hundes sei für den
Kläger und seine Ehefrau zwangsläufig erfolgt und führe gegenüber einer Begleitperson zu geringeren
Aufwendungen. Den Nachweis der Zwangsläufigkeit könnten die Kläger nicht nur gemäß den Regelungen in
§ 64 EStDV, sondern mit sämtlichen Beweismitteln erbringen. Falls das Gericht einen Nachweis für
erforderlich halte, werde um einen richterlichen Hinweis gebeten.
9 Im Hinblick auf den zu Unrecht gewährten Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG in Höhe von
924 Euro reduzierte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den geltend gemachten Betrag in Höhe von
1.782 Euro auf 858 Euro.
10 Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 13. Mai 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.
Juli 2015 dahingehend zu ändern, dass
a.) Aufwendungen für die Unterbringung des Hundes „H“ in Höhe von 725 Euro als haushaltsnahe
Dienstleistungen i. S. v. § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG und
b.) weitere Aufwendungen für den Hund „H“ in Höhe von 858 Euro gemäß § 33 EStG als
außergewöhnliche Belastungen
berücksichtigt werden und die Einkommensteuer 2014 entsprechend niedriger festgesetzt wird.
11 Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
12 Zur Begründung trägt es vor, dass bei der Ehefrau des Klägers das für die Inanspruchnahme des erhöhten
Pauschbetrags für Behinderte nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG und des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs.
6 EStG erforderliche Merkzeichen H nicht eingetragen sei (§ 65 Abs. 2 Satz 1 EStDV). Auch sei bisher kein
Bescheid vorgelegt worden, wonach die Ehefrau in Pflegestufe III nach dem SGB XI, dem SGB XII oder
diesen entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen eingestuft worden wäre (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 2
EStDV). Der Steuerpflichtige habe ein Wahlrecht, seine behinderungsbedingten Aufwendungen nach § 33
EStG abzuziehen oder den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG geltend zu machen (vgl. BFH-
Beschluss vom 13. Juli 2011 VI B 20/11, BFH/NV 2011, 1863). Im Streitfall hätten sich die Eheleute für die
Berücksichtigung des Behinderten-Pauschbetrags entschieden. Damit seien auch die Aufwendungen für den
Epilepsiehund abgegolten. Ein Abzug der betreffenden Aufwendungen neben dem Behinderten-Pauschbetrag
komme deshalb nicht in Betracht.
13 Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 und vom 17. Mai 2016 trägt das FA ergänzend vor, dass die
Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 bis 3 EStG bei der Unterbringung eines Tieres in einer Tierpension nicht
erfüllt seien. Im Übrigen seien nach der Rechtsprechung Futter- und Pflegekosten für einen Blindenhund mit
dem Behinderten-Pauschbetrag abgegolten. Nichts anderes könne für einen Epilepsiehund gelten. Schließlich
seien die Aufwendungen für den Epilepsiehund dem Kläger und seiner Ehefrau nicht zwangsläufig
erwachsen. Es fehle an einem Nachweis gemäß § 64 EStDV.
14 Hinsichtlich der Einzelheiten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dem Senat
vorliegenden Steuerakten (1 Band Einkommensteuerakten) Bezug genommen.
15 Am 30. November 2016 fand die mündliche Verhandlung statt (s. Sitzungsniederschrift).
Entscheidungsgründe
16 Die Klage ist nicht begründet.
17 Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2014 vom 13. Mai 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 15. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
18 Es ist zweifelhaft, ob dem Kläger bzw. seiner Ehefrau die Aufwendungen für den Epilepsie- bzw.
Anfallswarnhund zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG erwachsen sind. Die Frage kann indessen
offen bleiben, weil § 33 Abs. 1 EStG im Streitfall durch § 33b EStG verdrängt wird. Darüber hinaus kann der
Kläger auch keine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG für die für die Anschaffung und das Halten des
Epilepsie- bzw. Anfallswarnhundes entstandenen Aufwendungen in Anspruch nehmen, weil auch diese
Aufwendungen durch die Inanspruchnahme des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 1 EStG bereits
als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind (§ 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG).
19 1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen
(außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich
ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die
Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen
(§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen außergewöhnlich,
wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.
Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den
Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (vgl. BFH-
Urteil vom 14. November 2013 VI R 20/12, BStBl II 2014, 456).
20 Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich
unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus
tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall)
geprüft (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 2. September 2015 VI R 33/13, juris und
vom 14. April 2015 VI R 89/13, BStBl II 2015, 703). Indes ist die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten
Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) durch eine Verordnung eines
Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten
Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der
Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder
eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB
V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV). Im Streitfall käme - wie das FA zu Recht ausgeführt hat - für
einen noch nicht fertig ausgebildeten Epilepsie- oder Anfallswarnhund ggf. die Regelung in § 64 Abs. 1 Nr. 2
Buchstabe e) EStDV in Betracht.
21 Speziell auf die Bedürfnisse eines Kranken oder Behinderten ausgebildete Assistenzhunde sind Hilfsmittel im
Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V, die - entgegen der Auffassung des FA - keinen Gebrauchsgegenstand des
täglichen Lebens darstellen (SG Bremen, Urteil vom 24. Mai 2016 S 4 KR 153/15, juris). Jedoch können sie
- je nach den Umständen des Einzelfalls - nur mittelbar oder aber unmittelbar auf den Ausgleich der
Behinderung selbst gerichtet sein. So handelt es sich zum Beispiel bei Blindenführhunden (Hunde, die dafür
ausgebildet sind, maßgebliche Hilfe in einem Grundbedürfnis, nämlich dem Sehen und den damit
verbundenen Tätigkeiten, zu geben) im Unterschied zu Blindenbegleithunden, (deren Tätigkeit sich darauf
beschränkt, dem Blinden dabei zu helfen, Gegenstände aufzunehmen, Strümpfe auszuziehen, Schuhe zu
binden, Schnürsenkel aufzulösen, Schubladen auf- und zuzumachen, Stütze beim Straucheln zu bieten, Hilfe
herbeizuholen und Besorgungen zu tätigen), um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich (LSG Baden-
Württemberg, Beschluss vom 10. Mai 2012 L 11 KR 804/11, juris; zur Beihilfefähigkeit der Aufwendungen
für einen Diabetikerwarnhund vgl. VG Münster, Urteil vom 29. August 2012 5 K 1319/12, juris).
22 Ein ausgebildeter Epilepsie- bzw. Anfallswarnhund bemerkt einige Minuten vor dem Anfall, dass ein solcher
droht und zeigt dies dem Epileptiker an, damit dieser Gefahrensituationen vermeiden kann. Bei Bedarf kann
der Hund - wie im Streitfall - zusätzliche Aufgaben erlernen, wie insbesondere das Betätigen eines Notrufes.
Es handelt sich damit um ein Tier, das nach der Lebenserfahrung ausschließlich von Kranken bzw.
Behinderten angeschafft wird und dessen Ausbildung an der individuellen Erkrankung bspw. der Ehefrau des
Klägers ausgerichtet werden muss.
23 Im Streitjahr war die Ausbildung von „H“ indessen noch nicht abgeschlossen, so dass noch nicht endgültig
absehbar war, ob sie Erfolg haben würde. Auch wenn man bereits kurze Zeit nach der Geburt eines Welpen
feststellen kann, ob dieser die Warnfähigkeit hat (vgl. den Aufsatz: Epilepsiewarn- und Epilepsieanzeigehund
auf der Homepage des Deutschen Assistenzhunde-Zentrums T.A.R.S.Q. http://www.assistenzhunde-
zentrum.de), steht in diesem Alter und damit - wie im Streitfall - zum Zeitpunkt der Anschaffung noch nicht
fest, ob der Hund das Ziel erreichen wird, den Epileptiker bei nahezu allen fokalen Anfällen einige Minuten
im Voraus zu warnen (vgl. den Aufsatz: Der Epilepsie- oder Anfallswarnhund auf der Seite des
Landesverbands Epilepsie Bayern e. V. http://www.epikurier.de). Dies spricht nach Auffassung des Senats
dafür, ihn jedenfalls zum Zeitpunkt der Anschaffung (noch) als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens
im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen. Der Umstand, dass darüber hinaus auch der Epileptiker bereit
und fähig sein muss, eine enge Bindung zu dem Epilepsie- oder Anfallswarnhund aufzubauen und zu
erhalten, spricht nach der Überzeugung des Senats ebenfalls dafür, den Nachweis der Zwangsläufigkeit
seiner Anschaffung gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV zu fordern. Denn scheitert die Ausbildung des
Assistenzhundes, so unterscheidet er sich von keinem anderen Hund, der im Haushalt des Steuerpflichtigen
als Haustier gehalten wird.
24 Entgegen der Rechtsauffassung des FA muss der Kläger die Frage, wie ein Epilepsie- bzw. Anfallswarnhund in
diesem Zusammenhang rechtlich einzuordnen ist, nicht in einem Verfahren vor den Sozialgerichten klären.
Es obliegt dem FA bzw. dem Finanzgericht, diese Frage inzident zu klären.
25 Im Streitfall kann diese Frage letztlich offen bleiben, weil der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3
EStG beansprucht worden ist und damit die Aufwendungen für den Epilepsie- bzw. Anfallswarnhund bereits
steuerlich Berücksichtigung gefunden haben.
26 2. Nach § 33b Abs. 1 EStG kann ein Behinderter wegen Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen
erhöhten Wäschebedarf unter den Voraussetzungen nach § 33b Abs. 2 EStG anstelle einer
Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag).
27 Dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des § 33b Abs. 1 EStG zufolge hat der Steuerpflichtige ein
Wahlrecht, außergewöhnliche Belastungen entweder im Einzelnen nachzuweisen und nach § 33 EStG
abzuziehen, oder den Pauschbetrag nach § 33b EStG geltend zu machen. § 33b EStG soll als
Vereinfachungsregelung laufende und typische, unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende
Kosten als außergewöhnliche Belastung ohne Einzelnachweis abgelten. Der Ansatz des Pauschbetrages
bedeutet eine Erleichterung für den Steuerpflichtigen, der die entsprechenden Aufwendungen nicht
nachzuweisen braucht (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2011 VI B 20/11, juris). Zudem ist regelmäßig eine
Entscheidung über schwierige Abgrenzungsfragen entbehrlich, welche Aufwendungen infolge der
Körperbehinderung erwachsen sind.
28 Entstehen daneben weitere, unregelmäßige, außerordentliche, atypische, mit der Behinderung nur mittelbar
zusammenhängende Kosten, können diese neben dem Pauschbetrag nach § 33 EStG geltend gemacht
werden.
29 Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich bei den Aufwendungen für einen Epilepsie- bzw.
Anfallswarnhund um Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen des täglichen Lebens bzw. für die Pflege i. S. v. § 33b Abs. 1 Satz 1 EStG, da es sich um
laufende und typische Aufwendungen bei einer Epilepsieerkrankung handelt.
30 3. Nimmt der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG in
Anspruch, der ohne Einzelnachweis und ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung gewährt wird, so ist auch
die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen,
soweit die Aufwendungen mit dem Behinderten-Pauschbetrag abgegolten sind.
31 Mit der Inanspruchnahme des Pauschbetrags werden typische, unmittelbar mit der Behinderung
zusammenhängende Kosten des Steuerpflichtigen, insbesondere sämtliche behinderungsbedingten
Aufwendungen für das Vorhalten von Pflegeleistungen, abgegolten (BFH-Urteil vom 4. November 2004 III R
38/02, BStBl 2005, 271, m. w. N.).
32 Aufgrund dieser Abgeltungswirkung sind Aufwendungen nicht nur in dem Umfang, in dem sie sich steuerlich
ausgewirkt haben und damit in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags, sondern soweit die
Abgeltungswirkung des § 33b EStG reicht und damit vollumfänglich i. S. des § 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz
EStG berücksichtigt (BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 VI R 12/12, BStBl II 2014, 970).
33 Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Wahlrecht nach § 33b Abs. 1 EStG Gebrauch gemacht und an Stelle
der Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG den Ansatz des ihr aufgrund
ihres Grades der Behinderung von 100 zustehenden Behinderten-Pauschbetrags begehrt, weswegen dieser
bei der Steuerfestsetzung anzusetzen war. Über den Behinderten-Pauschbetrag hinausgehende
(abgegoltene) behinderungsbedingte Aufwendungen können deshalb nicht noch nach § 35a EStG
berücksichtigt werden.
34 4. Selbst wenn die Aufwendungen für die Unterbringung des Epilepsie- bzw. Anfallswarnhundes „H“ in dem
„Tierhotel“ in A von dem Behinderten-Pauschbetrag nicht mit abgegolten wären, könnten sie steuerlich nicht
als haushaltsnahe Dienstleistungen Berücksichtigung finden.
35 Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen
Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen
für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach § 35a
Abs. 3 EStG sind und in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden
Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG).
36 Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung
des BFH müssen die Leistungen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen oder damit im
Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder
des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen
anfallen (BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, BStBl II 2014, 880, m. w. N.).
37 Der Begriff „haushaltsnah“ ist hierbei als sinnverwandt mit dem Begriff „hauswirtschaftlich“ anzusehen.
Hauswirtschaftliche Tätigkeiten sind solche, die üblicherweise zur Versorgung der dort lebenden Familie in
einem Privathaushalt erbracht werden (BFH-Urteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, a. a. O.). Dazu gehören
jedenfalls das Einkaufen von Verbrauchsgütern, das Kochen, die Wäschepflege, die Reinigung und Pflege der
Räume, des Gartens und auch die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken
Haushaltsangehörigen (BTDrucks 15/91, 19).
38 Auch die Versorgung und Betreuung eines im Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Haustieres
sind haushaltsnahe Dienstleistungen, denn Tätigkeiten wie das Füttern, die Fellpflege, das Ausführen und
die sonstige Beschäftigung des Tieres oder im Zusammenhang mit dem Tier erforderliche Reinigungsarbeiten
fallen regelmäßig an und werden typischerweise durch den Steuerpflichtigen selbst oder andere
Haushaltsangehörige erledigt (BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 13/15, BStBl II 2016, 47).
39 Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers können jedoch Aufwendungen für die „außerhäusliche“
Betreuung eines Epilepsie- oder Anfallswarnhundes nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen i. S. d. § 35a
Abs. 2 Satz 1 EStG anerkannt werden, weil es an jeglichem räumlich-funktionalen Bezug zum Haushalt des
Steuerpflichtigen fehlt.
40 Der Senat verkennt hierbei nicht, dass der Epilepsie- oder Anfallswarnhund bei einer in einem Haushalt
lebenden Familie die engste Bindung zu dem Epileptiker aufbauen muss, damit er allein auf diesen aufpasst
(vgl. den Aufsatz: Epilepsiewarn- und Epilepsieanzeigehund auf der Homepage des Deutschen
Assistenzhunde-Zentrums T.A.R.S.Q. http://www.assistenzhunde-zentrum.de). Deshalb mag es gerade in
der Ausbildungsphase angezeigt sein, den Hund außer Haus und durch Dritte in einem Tierhotel betreuen zu
lassen, wenn der Epileptiker - wie im Streitfall - sich einem stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen
muss.
41 Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist der Begriff „im Haushalt“ räumlich-
funktional auszulegen (BFH-Urteile vom 20. März 2014 VI R 55/12, a. a. O. und VI R 56/12, BStBl II 2014,
882). Dies bedeutet, dass nicht nur ein irgendwie gearteter Zusammenhang zum Haushalt des
Steuerpflichtigen bestehen muss, so dass es nicht darauf ankäme, wo die begünstigte Tätigkeit geleistet
würde. Durch die Verwendung des Begriffs „im Haushalt“ hat der Gesetzgeber eine wesentliche
Einschränkung vorgenommen, die neben dem funktionalen Zusammenhang (ein im Haushalt des
Steuerpflichtigen lebendes Tier) auch einen räumlichen Zusammenhang (wird im Haushalt des
Steuerpflichtigen betreut) erfordert. Dieser räumliche Zusammenhang wird auch beim „Gassi gehen“ noch
gewahrt, da insoweit noch von einem unmittelbaren räumlichen Bezug zum Haushalt ausgegangen werden
kann. Denn das „Gassi gehen“ beginnt und endet typischerweise im Haushalt des Steuerpflichtigen. Bei
einer Unterbringung des Hundes in einem Tierhotel besteht jedoch kein räumlicher Bezug mehr zum
Haushalt des Steuerpflichtigen. Dort tritt insbesondere keinerlei Leistungserfolg ein (vgl. BFH-Urteil vom
3. September 2015 VI R 18/14, BStBl 2016, 272).
42 5. Darüber hinaus hat der Kläger den erforderlichen unbaren Zahlungsvorgang nicht nachgewiesen. Die
Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen setzt voraus, dass der
Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des
Erbringers der Leistung erfolgt ist (§ 35a Abs. 5 Satz 3 EStG). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
nicht vor. Allein durch einen Aufdruck auf der Rechnung (Zahlart: EC-Karte) kann der Nachweis nicht geführt
werden, dass die Zahlung auf das Konto des Empfängers erfolgt ist. So hat der BFH in ständiger
Rechtsprechung zu Barzahlungen, die zur Begleichung der Handwerkerrechnungen erfolgt sind, ausgeführt,
dass die formellen Voraussetzungen der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG ohne Einbindung
eines Kreditinstituts und damit ohne bankmäßige Dokumentation des Zahlungsvorgangs nicht erfüllt sind
(BFH-Urteile vom 30. Juli 2013 VI B 31/13, BFH/NV 2013, 1786; vom 5. März 2009 VI R 43/08, BFH/NV
2009, 1113; vom 20. November 2008 VI R 14/08, BStBl II 2009, 307; vom 20. November 2008 VI R 22/08,
BFH/NV 2009, 736). Zwar stellt eine Bezahlung mittels elektronischem Zahlungsverfahren (EC Cash) ein
bargeldloses Zahlungsverfahren dar, bei dem die Zahlung - wie bei einer Überweisung - vom Konto des
Zahlenden auf das Konto des Erbringers der Leistung bewirkt wird. Jedoch hat der Aufdruck auf der
Rechnung keinen höheren Beweiswert, als die Erklärung, eine Barzahlung erhalten zu haben. Allein der
Umstand, dass mehrere Bankverbindungen des Tierhotels auf der Rechnung angegeben sind, bedeutet nicht
zwangsläufig, dass die Zahlung mittels EC-Karte tatsächlich auf einem dieser Konten gutgeschrieben worden
ist. Eine einfache und leichte Nachprüfung durch die Finanzverwaltung, die der Gesetzgeber mit dieser
Regelung beabsichtigt hat, ist damit nicht gewährleistet. Der Aufdruck auf der Rechnung ist somit
ungeeignet, die formellen Voraussetzung des § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG nachzuweisen. Nichts anderes gilt
für die schriftliche „Bestätigung“ des Tierhotels vom 18. November 2016. Deshalb ist die Vorlage
entsprechender Nachweise des Kreditinstituts (z. B. Kontoauszüge) unerlässlich.