Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23.09.2016

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FG Baden-Württemberg Urteil vom 23.9.2016, 13 K 1913/13
Zulassungsbescheinung ist ein verbindlicher Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO für
die Finanzverwaltung bei der Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Kraftfahrzeugsteuerbescheides vom 30. Juli 2008 für die Steuernummer
xx-xx xxx/x.
2 Die Klägerin ist im Kraftfahrzeughandel tätig. Für aus dem Ausland importierte Fahrzeuge benötigte diese
regelmäßig neue Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II, da diese Fahrzeuge über solche nicht
verfügten. Um diese zu erhalten, beantragte sie jeweils bei der Zulassungsstelle X die Zuteilung eines
Saisonkennzeichens (sogenannte Registrierzulassungen).
3 Aufgrund der sehr hohen Anzahl von so zugelassenen Fahrzeugen wurde das Zulassungsverfahren zur
Verwaltungsvereinfachung – welche letzten Endes auch im Interesse der Klägerin lag – nicht
ordnungsgemäß durchgeführt. Es wurden vielmehr Kennzeichen für die Klägerin „reserviert“ und diese dann
immer wieder für von der Klägerin zugelassene Kraftfahrzeuge verwendet. Die Fahrzeuge wurden in der
Regel angemeldet und sofort wieder abgemeldet. Die Zulassungsbescheinigung wurde erstellt und sodann in
unmittelbarem Anschluss auch die Abmeldung eingetragen. Zumindest teilweise wurde das so beschriebene
Zulassungsverfahren in der Vergangenheit auch gänzlich ohne geprägte Nummernschilder durchgeführt.
Diese Praxis wurde durch das Regierungspräsidium Y mit Schreiben vom 7. Juli 2008 beanstandet. Das
Schreiben des Regierungspräsidiums hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
4
„Eine „Scheinzulassung“ findet keine Grundlage im Straßenverkehrsrecht.
Die Zulassungsbehörde des X-Kreises wird daher angewiesen, Fahrzeugen, die vorher in einem anderen
Staat zugelassen waren,
keine „Tages-/Kurzzeitzulassungen“ mit anschließender Außerbetriebsetzung ohne Aushändigung der
Zulassungsdokumente Teil I und II und Abstempelung der Kennzeichenschilder bzw.
keine Zulassung mit Saisonkennzeichen nach § 9 Absatz FZV ohne Aushändigung der
Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II und Abstempelung der Kennzeichenschilder
zu erteilen.
Sofern Außerbetriebsetzungen der Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen vor Beginn des Betriebszeitraums
vorgenommen wurden, wird die Zulassungsbehörde des X-Kreises angewiesen, die Zulassung
zurückzunehmen, die Zulassungsbescheinigungen einzuziehen und dem Kraftfahrtbundesamt zu melden.
Das Landratsamt X wird angewiesen, keine derartigen Scheinzulassungen mehr vorzunehmen und uns
über den Vollzug bis zum 15. Juli 2008 zu berichten.“
5 Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 an das Regierungspräsidium Y meldete das Landratsamt X den tatsächlichen
Vollzug der Weisung vom 7. Juli 2008.
6 Für das streitgegenständliche Fahrzeug beantragte die Klägerin am 21. Juli 2008 die Zuteilung eines
Saisonkennzeichens für einen Tag, welches antragsgemäß zugeteilt wurde. Gleichzeitig beantragte sie die
Abmeldung des Fahrzeuges. Die An- und die Abmeldung wurden in die Zulassungsbescheinigung
eingetragen. Sodann erhielt die Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II von der Behörde
ausgehändigt.
7 Das streitgegenständliche Kennzeichen wurde nach der beanstandeten alten Verwaltungspraxis für die
Klägerin erstmals und einmalig am 24. September 2007 verwendet. Danach wurde es erst wieder für das
streitgegenständliche Fahrzeug am 21. Juli 2008 und ab diesem Zeitpunkt fortlaufend für eine Vielzahl von
auf Antrag der Klägerin zugelassenen Fahrzeugen eingesetzt.
8 Aufgrund der Mitteilung über die Zulassung erließ das Finanzamt Z am 28. Juli 2008 einen Bescheid über
Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 21. Juli 2008 bis 31. Mai 2009 über 104 EUR. Am 30. Juli 2008 erließ
es einen geänderten Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer für den 21. Juli 2008 i.H.v. 10 EUR. Hierbei ging es
von einer Mindestdauer der Steuerpflicht nach § 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetztes (KraftStG) von einem
Monat aus.
9 Der hiergegen erhobene Einspruch vom 29. August 2008, welcher sich gegen den Ansatz der Mindeststeuer
nach § 5 KraftStG richtete, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2008 durch das
Finanzamt Z als unbegründet zurückgewiesen.
10 Mit ihrer hiergegen am 22. Dezember 2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
11 In Hinblick auf das damals noch vor dem Bundesfinanzhof anhängige Verfahren II R 32/10 hat das Gericht im
Einverständnis mit den Beteiligten mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 das Ruhen des Verfahrens
angeordnet.
12 Mit Verfügung vom 19. Mai 2013 ist das Verfahren wieder aufgenommen worden.
13 Nach Aufforderung durch das Gericht trägt die Klägerin nunmehr ergänzend vor, für das
streitgegenständliche Fahrzeug sei ihr kein Kennzeichen ausgehändigt worden, da überhaupt kein
Kennzeichen geprägt worden sei. Ein Kennzeichen habe in körperlicher Form nicht existiert. Am
24. September 2007 sei der Klägerin das Kennzeichen zur weiteren Verwendung mitgeteilt worden, ohne
dass hierfür ein Kennzeichenschild geprägt und abgestempelt worden sei. Da das Kennzeichen bereits für die
Klägerin „reserviert“ gewesen sei, sei die Vorlage eines geprägten Kennzeichenschildes nicht mehr verlangt
worden. Letzteres ergebe sich aus einem Schreiben des Landratsamts X vom 30. Januar 2013, welches –
auszugsweise – folgenden Wortlaut hat:
14 „[Es sind neue Kennzeichen erforderlich]…da offenbar aufgrund mehrerer Verfahrensumstellungen, […],
sowie unvollständiger Kennzeichenkontingente und möglicher Überforderungen der […] Mitarbeiter ein
großes Durcheinander herrscht […].
Interne Überprüfungen haben ergeben, dass […] Zulassungen ohne die dazu gehörenden
Kennzeichenschilder getätigt [wurden].
Für diese Tageszulassungen stehen dem Straßenverkehrsamt bekanntermaßen eine Vielzahl von
Kennzeichenschildern mehrerer Kontingente, sowohl als Saison Kennzeichen geprägt, als auch als
Normalkennzeichen zur Verfügung.
Die Verfahrenspraxis zu Be- und Entstempeln von Kennzeichenschildern war in den zurückliegenden
Jahren entsprechend interner Anordnungen bzw. Verständigungen und rechtlicher Bewertungen
unterschiedlich gehandhabt worden.
So wurden ab Mitte 2008 nach Anordnung […] Kennzeichenschilder einmalig gestempelt, bei oder nach
Abmeldung von der Zulassungsbehörde eingezogen und in hiesigen Büroräumen verwahrt worden. Eine
Entstempelung musste nicht erfolgen; […]. Daraus resultiert, dass bei späteren Zulassungen auf die
gleichen bereits gesiegelten Kennzeichen die Kennzeichenschilder bei allen darauf folgenden
Zulassungsvorgängen nicht mehr herangezogen wurden.
In den Jahren zuvor wurden die Zulassungen von Saisonkennzeichen außerhalb des Betriebszeitraums
sogar ohne Kennzeichensiegelung getätigt.“
15 Die neuen Anweisungen vom Juli 2008 seien möglicherweise für neu zugeteilte Kennzeichen angewandt
worden. Aus dem Schreiben ergebe sich jedoch, dass dies für alte Kennzeichen – wie das vorliegende – nicht
der Fall gewesen sei.
16 Da kein Kennzeichen körperlich vorhanden gewesen sei, könne ein solches auch nicht mit einem Siegel
versehen worden sein. Eine Zulassung sei daher für das Fahrzeug nicht erfolgt. Unter Bezugnahme auf ein
Urteil des Senats (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. März 2008 13 K 218/06, EFG 2008, 993) führt die
Klägerin aus, es handle sich um eine reine Registrierzulassung, welche keine Kraftfahrzeugsteuer auslöse.
Eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr sei zu keinem Zeitpunkt
gegeben gewesen, so dass auch keine Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr erfolgt sei.
17 Höchst hilfsweise werde an der Rechtsauffassung festgehalten, dass – entgegen der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 18. April 2012 II R 32/10, BFHE 240, 413, BStBl II 2013, 516) – das
Kraftfahrsteuergesetz in der bis zum 5. November 2008 geltenden Fassung eine tageweise Berechnung der
Kraftfahrzeugsteuer vorgesehen habe.
18 Auf Hinweis des Berichterstatters, dass es sich bei der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II um einen
Grundlagenbescheid handeln könnte, an den der Beklagte gebunden wäre, hat die Klägerin erklärt, sie halte
die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Grundlagenbescheidqualität der Zulassungsbescheinigung
(BFH, Beschluss vom 25. November 2009 II B 105/09) für unzutreffend. § 7 KraftStG regle lediglich wer
Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer sei; ein Grundlagenbescheid liege deshalb aber nicht vor. Die
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 7 Nr. 1 KraftStG sei eine bloße Behauptung ohne jegliche
Begründung. § 2 Abs. 2 S. 2 KraftStG enthalte eine Vorschrift zu Grundlagenbescheiden. Dies zeige, dass
dem Gesetzgeber bewusst gewesen sei, dass es Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden gebe.
Mangels ausdrücklicher Anordnung eines Grundlagenbescheides im Kraftfahrzeugsteuergesetz hinsichtlich
der Zulassungsbescheinigung könne daher gerade kein Grundlagenbescheid angenommen werden.
19 Ferner sprächen §§ 3, 5 und 6 der Kraftfahrzeugsteuerdurchführungsverordnung (KraftStDV) gegen
Grundlagenbescheide, da diese Vorschriften lediglich eine Mitwirkung der Zulassungsstelle regelten. Nach §
6 KraftStDV könnten sich die zur Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zuständigen Behörden das Fahrzeug
vorführen lassen und den Fahrzeugbrief, den Fahrzeugschein sowie den Steuerbescheid vorlegen lassen.
Dies zeige, dass die Behörde an keine Bescheide gebunden sei, sondern in eigener Zuständigkeit prüfen
müsse.
20 Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Kraftfahrzeugsteuer mit der Steuernummer xx-xx xxx/x vom 30. Juli 2008 und die
Einspruchsentscheidung vom 28. November 2008 ersatzlos aufzuheben.
21 Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungen,
die Klage abzuweisen.
22 Ergänzend trägt er vor, die Vergabe eines bestimmten Kontingents an Kennzeichen mache nur dann Sinn,
wenn Nummernschilder auch in körperlicher Form existierten. Denn hierdurch habe der Klägerin die
fortwährende neue Prägung von Kennzeichen erspart werden sollen. Ohne die Anforderung eines
körperlichen Kennzeichens hätte auch willkürlich jedes beliebige Kennzeichen vergeben werden können. Die
pauschale Behauptung der Klägerin, das streitgegenständliche Kennzeichen habe in körperlicher Form nicht
existiert, sei unzutreffend. Im Übrigen könnten aus der erstmaligen und einmaligen Verwendung des
Kennzeichens am 24. September 2007 keine Rückschlüsse auf die nach Änderung der Verwaltungspraxis neu
beginnende Vergabeserie des Kennzeichens ab dem 21. Juli 2008 gezogen werden.
23 Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts Münster (FG Münster, Urteil vom 24.
Januar 2012 13 K 1071/09 Kfz, EFG 2012, 1393) der Auffassung, ein Be- und Entstempeln des Kennzeichens
sei entgegen dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.
März 2008 13 K 218/06, EFG 2008, 993) keine Voraussetzung für die Zulassung eines Kraftfahrzeuges zum
öffentlichen Verkehr.
24 Im Übrigen werde nunmehr dem Hinweis des Berichterstatters gefolgt, wonach die Zulassungsbescheinigung
einen Grundlagenbescheid darstelle.
25 Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die
gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Akten (ein Band Rechtsbehelfsakte, ein Band
Gerichtsakte Verfahren 13 K 1358/14) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
27 1. Steuergegenstand der Kraftfahrzeugsteuer ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen
Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Merkmale dieses Tatbestandes sind nicht erst dann
verwirklicht, wenn mit dem Fahrzeug eine öffentliche Straße tatsächlich befahren wird, sondern schon
dann, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften über das Zulassungsverfahren für
Kraftfahrzeuge zum Verkehr zugelassen worden ist. Denn mit der Zulassung hat der Halter das Recht
erlangt, das Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Betrieb zu setzen. Alleine an dieses Recht knüpft das
Gesetz die Steuer, und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug auch tatsächlich im Straßenverkehr
genutzt wird oder genutzt werden darf (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18. April
2012 II R 32/10, BFHE 240, 413, BStBl II 2013, 516).
28 2. Die Frage, ob ein Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Bestimmungen über das Zulassungsverfahren
für Kraftfahrzeuge zum Verkehr zugelassen worden ist, wird durch die Zulassungsbescheinigung Teil I
und Teil II verbindlich für die Finanzbehörde festgestellt. Die Zulassungsbescheinigung stellt insoweit
einen Grundlagenbescheid dar. Soweit der Senat mit Urteil vom 5. März 2008 13 K 218/06, EFG 2008,
993, hinsichtlich der Frage, ob ein Fahrzeug zum Verkehr zugelassen worden ist, ein eigenständiges
Prüfungsrecht der Finanzverwaltung angenommen hat, hält er an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest.
29 a) Grundlagenbescheide sind alle Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide und anderen
Verwaltungsakte, soweit sie für die Festsetzung einer Steuer bindend sind. Nach ständiger
Rechtsprechung fallen unter den Begriff „anderer Verwaltungsakt“ auch Verwaltungsakte anderer
Behörden als der Finanzbehörden (vgl. BFH, Urteile vom 18. April 1980 III R 34/78, BFHE 130, 441, BStBl
II 1980, 682 und vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245). Inwieweit
solche anderen Verwaltungsakte Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung
(AO) sind, hängt von dem Umfang ihrer Verbindlichkeit auch für die Festsetzung von Steuern ab.
30 Ein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO liegt zunächst vor, wenn die Bindungswirkung ausdrücklich
gesetzlich angeordnet ist. Die Bindung der Finanzbehörden an die Entscheidung einer anderen
(ressortfremden) Behörde kann sich aber auch mittelbar aus dem Gesetz ergeben, z.B. dann, wenn dieses
die Behörde zu rechtsgestaltenden Verwaltungsakten ermächtigt (vgl. Banniza in:
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 238. Lieferung 05.2016, § 171 AO, Rn. 207).
31 Darüber hinaus können Grundlagenbescheide ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung dann
vorliegen, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht
selbst nachzuprüfen vermag (BFH, Urteile BFH vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BStBl II 1986, 245,
BFHE 145, 545; vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; vom 20. August 2009 V
R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15).
32 b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Zulassungsbescheinigung um einen
Grundlagenbescheid sowohl für die Feststellung dahingehend, auf wen ein Fahrzeug zugelassen wurde,
als auch dahingehend, dass ein Fahrzeug überhaupt zugelassen worden ist.
33 § 7 Nr. 1 KraftStG bestimmt, dass Steuerschuldner der Kraftfahrzeugsteuer diejenige Person ist, auf die ein
inländisches Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung geklärt,
dass aufgrund des klaren Wortlauts des § 7 Nr. 1 KraftStG die Zulassungsbescheinigung Teil I
(Fahrzeugschein) als Grundlagenbescheid verbindlich feststellt, auf welche Person ein Fahrzeug zugelassen
wurde und mithin welche Person Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer ist (vgl. BFH, Beschluss vom 25.
November 2009 II B 105/09, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2004 8 K 5747/02 Verk, EFG
2005, 637; FG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2011 2 K 63/11, juris).
34 Wenn jedoch die Zulassungsbescheinigung verbindlich feststellt, auf wen ein Fahrzeug zugelassen ist, so
muss dies erst recht für die Frage gelten, ob ein Fahrzeug zugelassen worden ist. Denn die Feststellung, auf
wen ein Fahrzeug zugelassen ist, setzt denklogisch voraus, dass ein Fahrzeug überhaupt zugelassen ist.
35 Darüber hinaus ist die Zulassungsbehörde insoweit auch zum Erlass rechtsgestaltender Verwaltungsakte
berechtigt. Denn das Ausstellen der Zulassungsbescheinigung stellt nach § 3 Abs. 1 S. 3 der
Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) Teil der Zulassung dar und begründet insoweit das Recht zur Nutzung
eines Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen.
36 Letztlich spricht auch der Umstand, dass es sich bei der Zulassungsbescheinigung Teil I um eine öffentliche
Urkunde handelt, welche öffentlich beglaubigt, dass das darin nach seinen Merkmalen bezeichnete
Kraftfahrzeug unter Zuteilung des angegebenen amtlichen Kennzeichens zum öffentlichen Verkehr
zugelassen ist (vgl. Hentschel/Koenig/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FZV Rn. 5 mwN.), für das
Vorliegen eines Grundlagenbescheides. Mit der Zulassungsbescheinigung bescheinigt die Behörde, dass sie
alle Voraussetzungen und Verfahrenshandlungen, welche für eine Zulassung des Fahrzeugs erforderlich
sind, geprüft und durchgeführt hat. Die Ausstellung der Zulassungsbescheinigung stellt mithin zugleich den
Abschluss des Zulassungsverfahrens dar und beglaubigt dessen ordnungsgemäße Durchführung. Viele der im
Rahmen der Zulassung durchzuführenden Prüfungen (z.B. ob das Fahrzeug einem genehmigten Typ im
Sinne des § 3 Abs. 1 S. 2 FZV entspricht) kann die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht
durchführen. Aus tatsächlichen Gründen kann sie ebenso wenig kontrollieren, ob das Zulassungsverfahren
ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob das Kennzeichen
ordnungsgemäß abgestempelt, ob und wann die Zulassungsbescheinigung ausgehändigt und ob ein
Kennzeichen tatsächlich zugeteilt (und nicht nur in die Fahrzeugpapiere eingetragen) wurde. Letzteres zeigt
gerade auch der vorliegende Fall: Bei einem Massenverfahren wie der Zulassung von Kraftfahrzeugen kann
selbst in Fällen, in denen es unstreitig zu Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Zulassung gekommen ist,
bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides kaum mehr nachvollzogen werden, ob bei einem
konkreten Fahrzeug tatsächlich alle Verfahrensschritte korrekt eingehalten wurden. Die Finanzbehörde ist
in diesem Fall vielmehr auf den öffentlichen Glauben der Zulassungsbescheinigung dahingehend, dass das
Fahrzeug zum öffentlichen Verkehr zugelassen und hierbei alle erforderlichen Verfahrenshandlungen
eingehalten worden sind, angewiesen.
37 c) Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht § 6 KraftStDV gerade nicht gegen die Annahme eines
Grundlagenbescheides. Vielmehr zeigt der Umstand, dass sich die Behörde auch Fahrzeugschein und
Fahrzeugbrief (nunmehr Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II) vorlegen lassen kann, dass diesen
Dokumenten für das Besteuerungsverfahren eine gewisse Bindungswirkung zukommen muss. Denn
anderenfalls wäre nicht erklärlich, zu welchem Zweck diese Vorlage erfolgen sollte.
38 3. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob es für die Frage, ob ein Fahrzeug zum Verkehr
zugelassen wurde, darauf ankommt, dass ein körperliches Kennzeichen vorhanden und dieses mit einem
Siegel gestempelt wurde (so FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. März 2008 13 K 218/06, EFG 2008,
993) oder ob dies zumindest nach alter Rechtslage (§ 3 FZV i.d.F. bis 30. Juni 2012) für eine
verkehrsrechtliche Zulassung nicht erforderlich war (so FG Münster, Urteil vom 24. Januar 2012 13 K
1071/09 Kfz, EFG 2012, 1393). Ebenso kann dahinstehen, ob für das Fahrzeug ein körperliches
Kennzeichen vorhanden war und ob dieses individuell für das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem
Siegel versehen worden ist.
39 Denn durch Ausfertigung der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II wurde durch die Zulassungsbehörde
verbindlich festgestellt, dass die Zulassung vollständig erfolgt ist. An dieser Beurteilung ändert sich auch
nichts dadurch, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausstellung der Zulassungsbescheinigung
auch wieder die Abmeldung in die Zulassungsbescheinigungen eingetragen wurde. Bei der Eintragung der
Abmeldung handelt es sich lediglich um einen weiteren Hoheitsakt, der der Ausfertigung der
Zulassungsbescheinigung zeitlich und rechtlich folgt und zur Beendigung der Steuerpflicht führt.
40 4. Ebenso ist es für die rechtliche Beurteilung irrelevant, ob die Klägerin die Zulassungsbescheinigung erst
nach Eintragung der Abmeldung ausgehändigt bekommen hat. Selbst in diesem Fall wäre die zuvor
erfolgte Ausfertigung der Zulassungsbescheinigung für die Finanzverwaltung bindend, denn ein solcher
Vorgang würde allenfalls bedeuten, dass die Zulassungsbescheinigung und die Abmeldung der Klägerin
zeitgleich bekannt gegeben worden wären. An der Wirksamkeit der Zulassungsbescheinigung ändert sich
hierdurch nichts.
41 Insoweit weist der Senat ergänzend darauf hin, dass selbst bei einer fehlenden Aushändigung der
Zulassungsbescheinigung Teil I dieser Umstand die Zulassung nicht nichtig machen würden. Es handelt sich
dabei nicht um einen Verstoß gegen das Erfordernis der Urkundenaushändigung gem. § 44 Abs. 2 Nr. 2
VwVfG. Denn unter diese Regelung fallen keine Verwaltungsakte, bei denen die Ausstellung einer Urkunde
nur Legitimations- oder Beweiszwecken dient (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 44 Rn. 37). Die
Aushändigung des Fahrzeugscheins bildet keinen unerlässlichen Teil der Zulassung selbst, sondern dient
lediglich als Zulassungsnachweis (Hentschel/Koenig/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FZV Rn. 2;
FG Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2004 – 8 K 5747/02 Verk –, juris mwN).
II.
42 Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass das streitgegenständliche Kennzeichen das erste einer neuen
Vergabeserie war. Aus der einmaligen Vergabe des Kennzeichens im Jahr 2007 vermag der Senat keine
zwingenden Rückschlüsse dahingehend zu ziehen, dass das Kennzeichen körperlich nicht existent gewesen
sei. Nach den Ausführungen des Landratsamtes sei zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zulassung
zumindest einmalig ein Kennzeichen körperlich angefordert und gestempelt worden. Eine „vollständige“
Zulassung erscheint daher im vorliegenden Fall als nicht fernliegend.
III.
43 Das Finanzamt hat die Steuer zutreffend gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für den Mindestzeitraum von
einem Monat festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 18. April 2012 II
R 32/10, BFHE 240, 413, BStBl II 2013, 516), der sich der Senat anschließt, findet die Mindeststeuer nach §
5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für den Streitzeitraum auch für Saisonkennzeichen Anwendung. Denn im
Streitzeitraum gab es keine spezielle Regelung für die Dauer der Steuerpflicht von Saisonkennzeichen.
Daher war nach dem Wortlaut der allgemeinen Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG die Steuer für einen
Mindestzeitraum von einem Monat festzusetzen.
IV.
44 Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO
zuzulassen.