Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.04.2007

FG Baden-Württemberg: einkünfte, vergleichsrechnung, ausländische steuer, ultra petita, steuerfestsetzung, einspruch, kapitalvermögen, verfügung, veranlagung, verwaltungsakt

FG Baden-Württemberg Urteil vom 26.4.2007, 3 K 60/07; 11 K 256/04
Wirksamkeit eines gegen den Steuerpflichtigen und seinen verstorbenen Ehegatten gerichteten Einkommensteuer-
Zusammenveranlagungsbescheids - Familienleistungsausgleich - Günstigerprüfung unter Berücksichtigung der Fünftel-Regelung für
außerordentliche Einkünfte
Tatbestand
1
(Überlassen von Datev)
2
Der am 3. Februar 1938 geborene Kläger wird mit seiner am 22. Juni 2000 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden auch: die Erblasserin) für das
Jahr 2000 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Rechtsnachfolger nach der Erblasserin wurden der Kläger zu 1/2 und die
gemeinsamen Kinder S (geb. am 24. August 1972), B (geb. am 21. Dezember 1973) und C (geb. am 07. Juli 1977) zu je 1/6 (Hinweis auf den
Erbschein des Notariats X - Nachlassgericht - vom 21. Juli 2000, Bl. 71 der FG-Akten).
3
Die Töchter befanden sich im Streitjahr noch in Ausbildung (Hinweis auf Zeile 107 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung, (Bl. 29
Rückseite der Einkommensteuerakten) und Anlage Kinder (Bl. 32/2000 der Einkommensteuerakten)).
4
Durch den (ursprünglichen) Bescheid vom 12. November 2001 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer 2000 nach
einem zu versteuernden Einkommen von 159.154 DM nach der Splittingtabelle auf 31.716 DM fest. Kinderfreibeträge berücksichtigte das FA für
die Töchter B und C und im Übrigen rechnete es das für die beiden Töchter gezahlte Kindergeld in Höhe von 6.480 DM nach § 36 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung - EStG - der Einkommensteuer hinzu. Im Bescheid versteuerte das FA
auf Antrag (Zeile 45 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung (Bl. 38/Rs der Einkommensteuerakten)) den vom Kläger erzielten
Veräußerungsgewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 140.000 DM (= 200.000 DM ./. 60.000 DM (Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F.))
nach der sog. Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - StEntlG 1999/2000/2002 -
vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304). Die Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung), nach der die gebotene steuerliche
Freistellung des Existenzminimums für die insoweit allein in Betracht kommenden Töchter B und C nicht bereits durch das ausgezahlte
Kindergeld, sondern erst durch die Kinderfreibeträge bewirkt wurde, wurde (nach den Angaben des FA) wie folgt durchgeführt (Bl. 90-92 der
Einkommensteuerakten):
5
Berechnung ohne Kinder
DM
DM
DM
DM
Einkommen
172.978
Kinderfreibetrag
zu versteuerndes Einkommen
172.978
./. Außerordentliche Einkünfte (E 34 Abbs. 2 Nr. 1 EStG)
140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
32.978
Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)
1.432
Einkünfte (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
140.000
hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
28.000
+ zu versteuerndes (verbleibendes Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
32.978
Summe
60.978
Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte:
8.874
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte:
1.432
Unterschied
7.442
Betrag x 5
37.210
Gesamt
38.642
6
Berechnung mit einem Kind
DM
DM
DM
Einkommen
172.978
Kinderfreibetrag (für B)
6.912
zu versteuerndes Einkommen
166.066
./. außerordentliche
140.000
Einkünfte (§ 34 abs. 2 Nr. 1 EStG)
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
26.066
Einkommensteure für laufende Einkünfte:
außerordentliche Einkünfte
140.000
hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
28.000
+zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
26.066
Summe
54.066
Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte
6.936
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte:
Unterschied
6.936
Betrag
34.680
Einkommensteuer (für laufende und außerordentliche) Einkünfte
34.680
+ Kindergeld für 1. Kind (B)
3.240
Gesamt
37.920
Einkommensteuer (ohne Kinderfreibetrag)
38.642
günstiger
mit Kinderfreibetrag
Berechnung mit 2 Kindern
DM
DM
DM
zu versteuerndes Einkommen mit 1 Kind
166.066
Kinderfreibetrag (für 2. Kind)
6.912
zu versteuerndes Einkommen
159.154
außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)
140.000
zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der nichtbegünstigten Einkünfte
19.154
Einkommensteuer
außerordentliche
140.000
Einkünfte hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
28.000
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
19.154
Summe
47.154
Einkommensteuer
5.064
./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte
Unterschied
5.064
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
25.320
Einkommensteuer (für laufende und außerordentliche Einkünfte)
25.320
+ Kindergeld (für B und C)
6.480
Gesamt
31.800
Einkommensteuer (ohne Kinderfeibetrag)
37.920
günstiger
mit Kinderfreibetrag
7
Der Bescheid vom 12. November 2001 wurde dem Kläger bekannt gegeben. Die Gesamtrechtsnachfolge nach seiner im Streitjahr verstorbenen
Ehefrau wurde nicht berücksichtigt. Im Übrigen wurde der an den Kläger gerichtete Bescheid formell bestandskräftig, weil kein Einspruch
eingelegt wurde.
8
Am 12. Februar 2003 gab das FA einen auf die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - gestützten
Einkommensteueränderungsbescheid zur Post. Dabei berücksichtigte es die im Grundlagenbescheid vom 21. Januar 2003 festgestellten
Einkünfte aus Kapitalvermögen von 2.485 DM (= 3.575 DM (Einnahmen) ./. 1.090,14 DM (Werbungskosten) - Bl. 55/2000 der
Einkommensteuerakten -).
9
Das FA setzte die Einkommensteuer im Änderungsbescheid nach einem zu versteuernden Einkommen von 175.463 DM nach der Splittingtabelle
auf 39.106 DM fest ("Mehr"steuer gegenüber dem ursprünglichen Bescheid: 7.390 DM). Kinderfreibeträge berücksichtigte das FA nicht mehr, weil
die Günstigerprüfung ergeben habe, dass die Freistellung des Existenzminimums der Kinder B und C bereits durch das ausgezahlte Kindergeld
bewirkt worden sei. Die Günstigerrechnung wurde wie folgt durchgeführt:
10 Berechnung ohne Kinder
DM
DM
DM
Einkommen
175.463
Kinderfreibetrag zu versteuerndes Einkommen
175.463
./. außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)
140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
35.463
Einkommensteuer für laufende Einkünfte:
2.048
außerordentliche Einkünfte
140.000
Hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
28.000
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
35.463
Summe
63.463
Eikommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen zuzüglich eines Fünftels der
außergewöhnlichen Einkünfte:
9.584
./. Einkommensteuer für (laufende) Einkünfte:
2.048
Unterschied
7.536
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG) Einkommensteuer für außerordentliche Einkünfte
37.680
Einkommensteuer (insgesamt)
39.728
Berechnung mit 1 Kind
Einkommen
175.463
Kinderfreibetrag (für B)
6.912
Zu versteuerndes Einkommen
168.551
./. außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)
140.000
Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
28.551
Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)
374
außerordentliche Einkünfte
140.000
Hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
28.000
+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:
28.551
Summe
56.551
Einkommensteuer für außerordentliche Einkünfte:
7.624
./. Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)
374
Unterschied
7.250
Betrag x 5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)
36.250
Einkommensteuer
36.624
+ Kindergeld für B
3.240
Festzusetzende Einkommensteuer
39.863
Ohne Kinderfreibetrag
39.728
günstiger
ohne
Kinderfreibetrag
11 Der Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. Februar 2003 enthält keinen Hinweis auf die Gesamtrechtsnachfolge nach der im Streitjahr
verstorbenen Ehefrau des Klägers. Im Übrigen wurden die im Feststellungsbescheid vom 21. Januar 2003 angesetzten steuerfreien Einnahmen
unter Progressionsvorbehalt (§ 32 b EStG) in Höhe von 368,22 DM nicht berücksichtigt. Schließlich ermäßigte das FA die tarifliche
Einkommensteuer durch den Steuerabzug für ausländische Einkünfte in Höhe von 622 DM (im ursprünglichen Bescheid: 84 DM).
12 Mit seinem form- und fristgerecht erhobenen Einspruch macht der Kläger geltend, die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums
sei im Streitfall durch den Ansatz von zwei Kinderfreibeträgen zu bewirken. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Rechtsbehelfsentscheidung
vom 10. Februar 2004 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führt aus: Der Familienleistungsausgleich erfolge nach §
31 Satz 1 EStG durch die Zahlung von Kindergeld oder durch den Abzug von Kinderfreibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG. Während des laufenden
Kalenderjahres erfolge der Ausgleich stets durch die Zahlung von Kindergeld (§ 31 Satz 3 EStG). Werde die gebotene steuerliche Freistellung
durch das Kindergeld für das einzelne Kind nicht in vollem Umfang bewirkt, seien bei der Veranlagung nach Ablauf des Kalenderjahres die
Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG). Dies sei der Fall, wenn der Abzug von Kinderfreibeträgen zu einer
Einkommensteuerminderung führe, die höher sei als das Kindergeld. In diesem Fall sei das Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer
hinzuzurechnen, und es erhöhe somit die festzusetzende Einkommensteuer (§§ 31 Satz 5, 2 Abs. 6 Satz 2, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG).
13 Ob im Einzelfall das Kindergeld oder die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG günstiger seien, werde im Rahmen der Veranlagung von Amts
wegen geprüft (sog. Günstigerprüfung). Bei der Günstigerprüfung sei stets auf das einzelne Kind abzustellen. Dies ergäbe sich aus der
Formulierung in § 31 Satz 1 EStG, derzufolge die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines
Kindes (sog. Einzelbetrachtungsweise) entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder das Kindergeld bewirkt werde. Die
Reihenfolge der Kinder bestimme sich nach deren Alter. Das älteste Kind sei stets das erste. Bei zusammen zu veranlagenden Ehegatten seien
für jedes gemeinsame Kind die verdoppelten Freibeträge des § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG mit dem Kindergeld zu vergleichen.
14 Im vorliegenden Fall sei die Günstigerprüfung vom EDV-Referat der Oberfinanzdirektion (im Folgenden: OFD) nochmals überprüft worden. Es
träfen Einkünfte, die nach der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG ermäßigt zu besteuern seien, mit der Günstigerprüfung zusammen.
Von der Programmiergruppe der OFD sei für das erste Kind die Steuerermäßigung durch den Ansatz des Kinderfreibetrages ermittelt worden. Sei
die Steuerermäßigung dabei höher als das erhaltene Kindergeld, so werde das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung des
Kinderfreibetrages errechnet. Sei wie im vorliegenden Fall das Kindergeld höher, so werde (auch) für die weitere Berechnung das zu
versteuernde Einkommen nicht um den Kinderfreibetrag für das erste Kind gekürzt, d.h. für das zweite Kind entspräche die Berechnung
derjenigen für das erste Kind:
15 zu verst. Einkommen ohne Kinder:
DM
DM
175.463
ESt nach Tabelle + § 34 EStG Günstigerprüfung für das 1. Kind:
39.728
zu verst. Einkommen mit 1 Kinderfreibetrag
168.551
FSt nach Tabelle + § 34 EStG
36.624
Differenz d.h. weniger als 3.240 DM Kindergeld
3.104
16 Folglich sei für das erste Kind das Kindergeld günstiger. Da die Berechnung für das zweite Kind der Berechnung für das erste Kind entspräche,
sei auch für das zweite Kind das Kindergeld günstiger (Hinweis auf das Amtliche Einkommensteuerhandbuch 2003 zu § 31 EStG R 175 Abs. 1
Satz 3 Halbsatz 2). Damit sei die Günstigerprüfung korrekt vorgenommen worden. Nach Aktenlage habe sich bei der Steuerberechnung
(Günstigerprüfung) im ursprünglichen Bescheid eine außergewöhnlich günstige Konstellation beim Zusammentreffen von Günstigerprüfung mit
der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG ergeben. Die aus dem Änderungsbescheid sich ergebende vergleichsweise hohe
Einkommensteuernachzahlung basiere jedoch ebenfalls auf der zutreffenden Anwendung der zuvor dargelegten Berechnungsgrundsätze.
17 Mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, nach der im Streitfall die gebotene steuerliche
Freistellung des Existenzminimums für seine beiden Kinder nicht bereits durch das ausgezahlte Kindergeld bewirkt worden sei, sondern durch
die Kinderfreibeträge für die beiden Töchter zu bewirken sei. Das FA lege die steuerlichen Vorschriften über den Familienleistungsausgleich (§
31 EStG) falsch aus, indem es stets davon ausgehe, dass bei der Günstigerprüfung auf das einzelne Kind abzustellen sei. In der Regel führe dies
zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis, als wenn die durch die Summe der Kinderfreibeträge erzielte Steuerersparnis einerseits und die
Summe des insgesamt ausgezahlten Kindergeldes andererseits miteinander verglichen würden. Durch die Berechnung des FA werde aber im
vorliegenden Fall die Regelung des § 31 Satz 4 EStG ad absurdum geführt. Sie verwandele sich zu einer "Ungünstigerprüfung". Die Regelung
des § 31 Satz 4 EStG a.F. solle sicherstellen, dass die als Kindergeld gewährte Steuervergütung auch dann nicht zurückgezahlt werden müsse,
wenn sich nach Ablauf des Jahres und Durchführung der Einkommensteuerveranlagung herausstelle, dass die tatsächliche Zahlung des
Kindergeldes höher sei als es zur Sicherung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erforderlich gewesen wäre. Der
Kläger verweist insoweit auf das Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 14. Oktober 2002 1 K 925/98, rechtskräftig (EFG 2003, 169). Aus dem
angegriffenen Änderungsbescheid ergäbe sich eine Einkommensteuer von 39.106 DM. Der ursprüngliche Steuerbescheid habe eine
Einkommensteuerschuld von 31.716 DM ausgewiesen. Nach der Berechnung des FA würden die zusätzlich im Änderungsbescheid angesetzten
Einkünfte von 2.485 DM eine Mehrsteuer in Höhe von 7.390 DM bewirken, was einem Grenzsteuersatz von 297 v.H. entspräche und dem
verfassungsmäßigen Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in extremer Weise
widerspreche.
18 Der Kläger beantragt,
19 den - an ihn gerichteten - Einkommensteueränderungsbescheid für 2000 vom 12. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.
Februar 2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 34.590 DM festgesetzt wird.
20 Das FA beantragt,
21 die Klage abzuweisen.
22 Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und in den Schriftsätzen vom 11. Mai 2004
und vom 30. Januar 2007 (Bl. 19 und 57 der FG-Akten). Im Übrigen verweist es auf die Verfügung der OFD Cottbus vom 09. Februar 2004 S 2280
- 9 - St 212 (Bl. 81 der FG-Akten). Werde danach die gebotene steuerliche Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines
Kindes durch das gezahlte Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, seien gemäß § 31 Satz 4 EStG bei der Veranlagung die Kinderfreibeträge
nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen. Bei der durchzuführenden Vergleichsberechnung werde - so die Auffassung der Finanzverwaltung - das
jeweils zugrunde zu legende zu versteuernde Einkommen nur bei Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vermindert. Sei bei einem
älteren Kind das Kindergeld günstiger als der für dieses Kind angesetzte Freibetrag, werde bei der Vergleichsberechnung für das nachfolgende
Kind das gleiche zu versteuernde Einkommen (das nicht um Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG geminderte zu versteuernde Einkommen)
angesetzt. Aufgrund dieser Berechnungsschritte könne es in Fällen mit. Einkünften nach § 34 EStG (Tarifermäßigung unter Anwendung der
Fünftelregelung) im Vergleich zu Fällen ohne solche Einkünfte zu schlechteren steuerlichen Ergebnissen kommen. Deshalb sei auf
Bundesebene geprüft worden, ob das zu versteuernde Einkommen in diesen Fällen bei jedem Kind um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG zu
vermindern sei, unabhängig davon, ob beim älteren Kind diese Freibeträge aufgrund der Vergleichsberechnung tatsächlich abgezogen worden
seien. Nach dem Ergebnis der Erörterung zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder werde die Auffassung vertreten,
dass an der bestehenden Regelung zur Günstigerprüfung zwingend festzuhalten sei. In den meisten Fällen sei die bestehende Günstigerprüfung
steuerlich günstiger als eine hiervon abweichende Günstigerprüfung, bei der beispielsweise eine Gegenüberstellung der insgesamt für die
betreffenden Kinder zu gewährenden Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG mit dem für diese Kinder insgesamt gewährten Kindergeld
vorgenommen werde. Soweit bei der Einkommensteuerveranlagung tarifbegünstigte Einkünfte nach § 34 EStG berücksichtigt worden seien und
nunmehr eine von der programmierten Festsetzung abweichende Festsetzung begehrt und dies mit der Feststellung eines günstigeren
steuerlichen Ergebnisses begründet werde, wenn eine nach § 31 Satz 4 EStG abweichende Günstigerprüfung durchgeführt werde, seien
entsprechende Änderungsanträge oder Einsprüche abzulehnen bzw. als unbegründet zurückzuweisen.
23 Bei der Einkommensteuerschuld lt. dem vorgenannten Klageantrag sind nunmehr die unter dem Progressionsvorbehalt stehenden Einkünfte lt.
dem Grundlagenbescheid vom 21. Januar 2003 berücksichtigt (Bl. 55 der Einkommensteuerakten). Die Steuerberechnung erfolgte insoweit
einvernehmlich zwischen den Beteiligten (Hinweis auf die Schriftsätze vom 29. März und vom 5. April 2007). Dabei wurde die ausländische
Steuer auf Antrag des Klägers bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abgezogen (Hinweis auf § 34c Abs. 2 EStG) und diese
verminderten sich infolgedessen um 622 DM ("Mehr"steuer gegenüber dem ursprünglichen Bescheid: 2.874 DM).
24 Am 12. März 2007 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes statt. Auf die
den Beteiligten hierzu bekannt gegebene Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 74-77 der FG-Akten).
25 Dem Senat lagen vor:
26 1 Bd. Einkommensteuerakten Bd. VI StNr. ....
Entscheidungsgründe
27 Die Klage ist begründet.
28 1. Die Erbinnen nach der im Streitjahr verstorbenen Ehefrau des Klägers, deren Töchter Stephanie, B und C (Hinweis auf den Erbschein vom 21.
Juli 2000, Bl. 71 der FG-Akten) waren nicht zum finanzgerichtlichen Verfahren (notwendig) beizuladen (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -
FGO -).
29 Wenn im Fall der Zusammenveranlagung nur einer der Ehegatten Klage erhebt, bedarf es auch dann nicht der Beiladung des anderen gemäß §
60 Abs. 3 FGO, wenn man nicht von übereinstimmenden Interessen der Beteiligten ausgehen kann (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl.
BFH-Beschluss vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BStBl. II 1972, 287; BFH-Urteile vom 12. August 1977 VI R 61/75, BStBl. II 1977, 870; vom 11.
April 1989 VIII R 219/84, BFH/NV 1989, 755). Gleiches gilt, wenn an die Stelle eines Ehegatten dessen Erben gerückt sind; auch in diesem Fall
geht die Verbindung zwischen den Beteiligten nicht über die Gesamtschuldnerschaft (§ 44 AO 1977) hinaus. Die Gesamtschuldnerschaft schließt
aber unterschiedliche Steuerfestsetzungen nicht aus (BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793; BFH-Beschluss in BStBl. II
1972, 287).
30 2. Der streitige Einkommensteueränderungsbescheid vom 12. Februar 2003 ist wirksam geworden. Er ist (insbesondere) zutreffend adressiert.
31 Nach § 119 Abs. 1 AO 1977 muss ein Verwaltungsakt, darunter ein Steuerbescheid, inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dazu gehört die
Angabe des Steuerschuldners (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Das war im Streitfall allein der Kläger; er ist in dem streitigen Bescheid benannt.
32 Der dem Kläger bekannt gegebene Bescheid ist allerdings auch an P (die im Streitjahr verstorbene Ehefrau des Klägers) adressiert (s. Angaben
im Kopf des Bescheides zu "Für ..."). Das beeinträchtigt seine Wirksamkeit gegenüber dem Kläger jedoch nicht.
33 Bei den äußerlich zusammengefassten Einkommensteuerbescheiden im Rahmen der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) handelt es sich um
zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige Verwaltungsakte (BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BStBl. II 1986, 545 zu 1. a bb).
Ein gemäß § 155 Abs. 3 AO 1977 zusammengefasster Bescheid kann auch nach dem Tode eines der Ehegatten gegenüber dem überlebenden
Ehegatten und den Erben des Verstorbenen erlassen werden (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 1986, 545). Neben den an den Kläger gerichteten
Einkommensteueränderungsbescheid tritt die Steuerfestsetzung gegenüber (der verstorbenen) P. Ob der an die verstorbene Ehefrau des
Klägers gerichtete Bescheid auch ohne einen Zusatz über die eingetretene Rechtsnachfolge inhaltlich bestimmt ist, kann offen bleiben. Jeder der
zusammengefassten Bescheide kann für sich beurteilt werden (BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 l R 52/05, BFH/NV 2006, 1243).
34 Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist nur der Bescheid, der auch Gegenstand der Einspruchsentscheidung war (§ 44 Abs. 2 FGO).
Die Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2004 richtet sich lediglich an den Kläger. Es fehlt ein Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als
Rechtsnachfolger seiner Ehefrau (wie übrigens auch im Bescheid vom 12. Februar 2003). Im Ergebnis geht es hier wie im BFH-Urteil in BStBl. II
1986, 545 (ebenso im BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 793) nur um den Bescheid, in dem der Kläger als Gesamtschuldner gemäß § 44 Abs. 1 AO
1977 in Anspruch genommen wird. An der inhaltlichen Bestimmtheit dieses Bescheids bestehen keine Zweifel.
35 Gegen die Wirksamkeit des an den Kläger gerichteten Einkommensteueränderungsbescheides kann - wie bereits erwähnt - nicht mit Erfolg
eingewandt werden, dass die an die verstorbene Ehefrau des Klägers nach deren Tod gerichtete Steuerfestsetzung unwirksam ist (vgl. BFH-
Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl. II 1993, 174, 1. a). Die gegenüber dem Kläger ergangene Steuerfestsetzung bleibt in solchen Fällen
regelmäßig wirksam (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 16. Aufl., § 122 AO 1977, Tz. 8. a). Dies ergibt sich
aus dem in § 125 Abs. 4 AO 1977 enthaltenen Rechtsgedanken, wonach bei Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes der Verwaltungsakt im
Ganzen (nur dann) nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht
erlassen hätte. Dieser Rechtsgedanke ist auch auf selbständige, in einem zusammengefassten Bescheid verbundene Verwaltungsakte
anwendbar. Danach ist der wirksame "Teil" eines zusammengefassten Einkommensteuerbescheides nur dann nichtig, wenn der nichtige Teil so
wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Bescheid ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Das ist bei Einkommensteuerbescheiden
gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten regelmäßig nicht der Fall. Zusammenveranlagte Ehegatten sind nach § 44 Abs. 1 AO 1977
Gesamtschuldner der Einkommensteuer. Sie schulden nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 jeweils die gesamte Leistung. Bei derartigen
Bescheiden ist deshalb davon auszugehen, dass das FA den Bescheid auch ohne den nichtigen Teil erlassen hätte (Hinweis in diesem
Zusammenhang auf den BFH-Beschluss vom 29. Juli 1998 II R 64/95, BFH/NV 1998, 1455 zu 2.).
36 Der streitige Einkommensteueränderungsbescheid ist auch wirksam bekannt gegeben worden (§§ 122 Abs. 1, 155 Abs. 1 AO 1977). Da es hier
nur um den Bescheid geht, der sich unmittelbar an den Kläger richtet und nicht um denjenigen, der sich an dessen verstorbene Ehefrau richtet,
genügt es, wenn er dem Kläger bekannt gegeben worden ist (BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 793; in BStBl. II 1986, 545 zu 1. b).
37 3. Der angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid ist rechtswidrig. Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr
2000 sind für die insoweit allein in Betracht kommenden Kinder des Klägers, B und C, die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG
anzusetzen (von jeweils 6.912 DM, insgesamt 13.824 DM), weil das dem Kläger für die beiden Kinder zustehende Kindergeld (von jeweils 3.240
DM, insgesamt 6.480 DM - vgl. § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG -) geringer ist, als die steuerliche Entlastung, die sich bei Abzug der Kinderfreibeträge
ergibt.
38 Nach § 31 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung wird die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes
(einschließlich des Betreuungsbedarfs) alternativ (BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 88/98, BStBl. II 2005, 594) durch die Freibeträge nach §
32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach §§ 66 ff. EStG bewirkt. Kindergeld und Kinderfreibetrag können nach Einführung des
steuerlichen Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250, BStBl. I
1995, 438) nicht mehr - wie nach früherem Recht - kumulativ, sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden
(Bundestagsdrucksache 13/1558, S. 139; Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 31 Rn. A 1). Der Kinderfreibetrag ist
bei der Einkommensteuerveranlagung nur dann abzuziehen, wenn die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Existenzminimums des
Kindes nicht in vollem Umfang durch das während des Kalenderjahres gezahlte Kindergeld erreicht wird (§ 31 Satz 4 EStG). Ein Wahlrecht des
Steuerpflichtigen besteht insoweit nicht. Ergibt die nach § 31 Satz 4 EStG vorzunehmende Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung),
dass die Steuerentlastung durch den Abzug des Kinderfreibetrages geringer ist als das dem Steuerpflichtigen zuzurechnende Kindergeld, so ist
die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das Kindergeld bewirkt (§ 31 Satz 1,
2. Alternative EStG; BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 76/00, BFH/NV 2005, 856).
39 Ob das während des Kalenderjahres als Steuervergütung gezahlte Kindergeld in ausreichendem Umfang die Freistellung des Einkommens in
Höhe des Existenzminimums bewirkt, ergibt sich allein aus der Höhe des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) und dem Ergebnis der Günstigerprüfung
(BFH-Beschluss vom 30. November 2004 VIII R 51/03, BFH/NV 2005, 443 zu V.d.). Die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung)
besteht in der Gegenüberstellung der Differenz der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne Freibeträge nach § 32 Abs. 6
EStG und der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG einerseits und dem
Anspruch auf Kindergeld andererseits (Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 31 Rn. B 30, m.w.N.). Ist der Differenzbetrag größer als
das während des Jahres gezahlte Kindergeld, sind die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung
abzuziehen und das Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen (§ 31 Satz 4 EStG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG; vgl.: Plenker,
Der Betrieb - DB - 1996, 2095). Demzufolge verbleibt es bei dem dem Steuerpflichtigen für den Veranlagungszeitraum gezahlten Kindergeld,
wenn dieses höher ist als die steuerliche Entlastung durch den Ansatz des Kinderfreibetrags (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 856 zu 2. d) bzw. wenn
es die Wirkung der jeweils in Betracht kommenden Freibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) mindestens erreicht (Blümich/Oepen, Kommentar zu EStG,
KStG, GewStG und Nebengesetzen, EStG § 31 Rn. 92).
40 Nach § 32 Abs. 6 EStG wird "für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag ... abgezogen". Daraus wird gefolgert, dass
die Prüfung, ob vom Abzug des Kinderfreibetrages abzusehen ist, weil er die Kindergeldentlastung nicht übersteigt, auf das einzelne Kind
bezogen werden muss (Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 21. Aufl., § 31 EStG, Anm. 34;
Jachmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 31 Rn. B 28). Eine zusammengefasste Betrachtungsweise dergestalt, dass das Kindergeld für
mehr als ein Kind ermittelt und mit der steuerlichen Wirkung der Kinderfreibeträge verglichen wird, soll nicht zulässig sein (Greite in:
Korn/Carle/Stahl/Strahl, Kommentar zum EStG, § 31 EStG, Rn. 25; Nolde, Finanz-Rundschau - FR - 1995, 845 zu I.3.; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 18. Dezember 1995 IV B 5 S 2282a - 438/95 II, BStBl. I 1995, 805, Rn. 7).
41 Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat nicht im vorliegenden Fall, in dem die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerrechnung) unter
Berücksichtigung der sogenannten Fünftel-Regelung für außerordentliche Einkünfte im Sinne vom § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG in der für das
Streitjahr geltenden Fassung zu erfolgen hat. Zu einem sachgerechten Ergebnis führt insoweit nur die sogenannte Gesamtbetrachtung (s.o.). Der
Wortlaut des § 31 Satz 4 EStG, der die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung) erforderlich macht, verlangt nicht zwingend, dass bei
der Prüfung, ob vom Abzug eines Kinderfreibetrages abzusehen ist, weil er die Kindergeldentlastung nicht übersteigt, auf das einzelne Kind
abzustellen ist (vgl. hierzu: Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 31 EStG, Rn. 34 (E 26)). Demzufolge hat die Vergleichsrechnung
(Günstigerprüfung) im Streitfall in der Weise zu erfolgen, dass die Differenz der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne
Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG und der Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen abzüglich der Kinderfreibeträge
für die Kinder B und C nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG (von 13.824 DM) einerseits dem für beide Kinder im Streitjahr 2000 an den Kläger
ausbezahlten Kindergeld von 6.480 DM andererseits gegenüber gestellt werden muss. Bei dieser Berechnung wird das steuerliche
Existenzminimum des Klägers nicht bereits durch das im Jahr 2000 für seine Töchter gezahlte Kindergeld von 6.480 DM, sondern erst durch die
bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge von 13.824 DM bewirkt.
42 Die Vergleichsrechnung (sogenannte Günstigerprüfung) bei Steuerpflichtigen mit mehreren Kindern - für jedes Kind einzeln - führt im
vorliegenden Fall, in dem bei der Günstigerprüfung Einkünfte nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG (Tarifglättung im Wege der sogenannten Fünftel-
Regelung) zu berücksichtigen sind, im Vergleich zu Fällen ohne solche Einkünfte nicht nur zu "schlechteren steuerlichen Ergebnissen" (so die
Verfügung der OFD Cottbus vom 09. Februar 2004 S 2280 - 9 - St 212), sondern zu einer verfassungswidrig übermäßigen Belastung (vgl. zu
verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Regelung des § 34 EStG: Siegel in: Deutsches Steuerrecht -DStR - 2007, 978 m.w.N.;
Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433; BFH-Urteil vom 06. Dezember 2006 X R 32/06, BFH/NV 2007, 442). Denn die Vergleichsberechnung, die
für jedes Kind einzeln vorgenommen wird, ergibt, dass die Erhöhung der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um 2.485 DM eine
Einkommensteuerbelastung von 7.390 DM verursacht. Insoweit führt diese Einkommensteuer in verfassungswidrigerweise zu einer die
Steuerquelle (die Beteiligung des Klägers am Y Immobilienfonds-Aktien-Fonds Z) selbst vernichtenden Belastung (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, Beilage zu BFH/NV 2006, 368 zu C. II. 2. b), weil sie eine über die Erträge
hinausgehende Besteuerung verursacht. Die vom Senat vorgenommene Vergleichsrechnung gebietet demzufolge der Grundsatz der
verfassungskonformen Auslegung (Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Tzn. 238-239 mit umfangreichen Nachweisen) der Vorschriften des § 31 Satz 4
EStG und des § 32 Abs. 6 EStG.
43 Auch die vom Kläger vorgelegte Berechnung nach einer Gesamtbetrachtung im Rahmen der Vergleichsrechnung (sogenannte
Günstigerrechnung), der der Senat folgt, führt dazu, dass die steuerliche Mehrbelastung nach dem vorliegenden Urteil von 2.874 DM (= 34.590
DM. (s. Tenor des vorliegenden Urteils) ./. 31.716 DM (Einkommensteuerschuld lt. dem ursprünglichen Bescheid vom 12. November 2001)) den
Betrag von 1.863 DM, um den sich die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen wegen seiner Beteiligung am Y Immobilien-Aktien-Fonds Z
erhöhen, übertrifft. Da der Senat über den vom Kläger gestellten Antrag nicht hinaus gehen kann (ne ultra petita - Gräber/von Groll, FGO,
Kommentar, 6. Aufl., 2006 § 96 Rn. 3 m.w.N.), kann offen bleiben, ob dies zutreffend ist.
44 Dem zuvor dargelegten Ergebnis kann nicht mit Erfolg der übereinstimmende Vortrag der Beteiligten entgegen gehalten werden, dass die
Belastung der Einkünfte des Klägers aus seiner oben genannten Beteiligung nicht bemerkt worden wäre, wenn diese Einkünfte bereits bei der
ursprünglichen Steuerfestsetzung vom 12. November 2001 angesetzt worden wären. Die Annahme einer verfassungswidrigen Steuerbelastung
der hier in Rede stehenden Einkünfte ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen und ist grundsätzlich nicht von ihrer Erkennbarkeit abhängig. Im
übrigen weist der Senat darauf hin, dass ein Steuerbescheid schriftlich zu begründen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (§
121 Abs. 1 AO 1977). Insoweit bestehen Bedenken an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, in dem - wie im vorliegenden Fall - lediglich
das Ergebnis der Günstigerprüfung mitgeteilt wird (s. zu Erläuterungen im angegriffenen Einkommensteueränderungsbescheid), nicht jedoch die
einzelnen Berechnungsschritte.
45 4. Die Revision war zuzulassen, weil der Frage, wie die Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung) durchzuführen ist, wenn Einkünfte zu
berücksichtigen sind, die nach der sogenannten Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu versteuern sind, grundsätzliche Bedeutung
zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
46 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf den §§ 151
Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
47 6. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil die Kläger die
Hilfe eines Bevollmächtigten zur Beurteilung der Rechtslage und zur Vertretung für unentbehrlich halten durfte (BFH-Beschluss vom 21.
Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl. II 1968, 181).