Urteil des FG Baden-Württemberg vom 28.04.2010

FG Baden-Württemberg: berufliche vorsorge, systematische sammlung des bundesrechts, schweizer recht, bger, fzg, öffentlich, bundesgesetz über die freizügigkeit, pensionskasse

FG Baden-Württemberg Urteil vom 28.4.2010, 3 K 1464/08
Steuerbarkeit und Steuerbefreiung der Barauszahlung einer Schweizer Pensionskasse
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 6. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2008 wird die
Einkommensteuer auf ..EUR festgesetzt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Klageverfahrens zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500
EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der
Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Kläger sind seit dem xx.xx. 2005 Eheleute (s. die Heiratsurkunde vom xx.xx. 2005, Bl. 2 der Einkommensteuerakten Sonderakte
Einkommensteuer 2005 -im Folgenden: ESt-Akten S), die für den Veranlagungszeitraum 2005 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen
veranlagt werden. Sie hatten im Streitjahr in X/.... ihren Wohnsitz und ihre ständige Wohnstätte.
2
Die am xx.xx. 1965 geborene Klägerin war nach einer zuvor in der Schweiz abgeschlossenen Berufsausbildung als Grafikerin seit dem xx.xx.
1991 im öffentlichen Dienst des Kantons Y beschäftigt (s. das Schreiben der Pensionskasse Y vom 1. April 2001; § 9 des Personalgesetzes vom
17. November 1999, Systematische Gesetzessammlung Z-Stadt -SG- 162.100, www.gesetzessammlung.bs.ch). Ihr Arbeitgeber war der Kanton Y
(... department -im Folgenden: Arbeitgeber- s. dessen Schreiben vom 23. Oktober 2000 und 24. Juli 2001). Sie wurde in Teilzeit (gemäß
Stundenzuteilung) als Fachlehrkraft an der ... schule Z (Schule für ... -im Folgenden: Schule für ...-; vgl. das Gesetz betreffend die ... schule Z vom
20. Dezember 1962, SG 421.100) angestellt (Hinweis auf die Arbeitsverträge vom 11. Dezember 2000 und 1. November 2002). Im Januar des
Streitjahres hatte die Klägerin eine 28 % Stelle, ab dem 1. Februar eine 20 % Stelle (s. den Lohnausweis vom 31. Dezember 2005; s. auch die
Angaben zum Beschäftigungsgrad lt. der Information über den Stand der Vorsorge per 01.02.2005). Zum yy.yy. 2005 schied die Klägerin aus
dem Dienstverhältnis aus. Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin nicht mehr berufstätig.
3
Seit dem xx.xx. 1990 war die Klägerin bei dem Unternehmen A in Z (im Folgenden: Unternehmen A) hauptberuflich beschäftigt (Hinweis auf den
Arbeitsvertrag vom 29. August 1990). Zum yy.yy. 1995 schied die Klägerin aus diesem Arbeitsverhältnis aus. Hinsichtlich der Beschäftigung der
Klägerin in der Schweiz im Zeitraum 1991-1995 wird auf ..Bezug genommen.
4
Die Klägerin trat mit Beginn ihrer Tätigkeit beim Unternehmen A in die Stiftung P ein, die die berufliche Vorsorge u.a. für die Arbeitnehmer ihres
(damaligen) Arbeitgebers (des Unternehmens A) durchführte.
5
Es handelt sich bei dieser Stiftung um eine (privatrechtlich organisierte) Personalfürsorge bzw. -vorsorgestiftung (Grüninger in: Z er Kommentar,
Honsell Vogt Geiser [Hrsg.], Zivilgesetzbuch, I,3. Aufl., 2006, -im Folgenden: BSK ZGB I-Bearbeiter- Art. 89 1 ff.; Riemer/Riemer-Kafka, Das Recht
der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl., 2006, § 2 B. II., S. 31 ff.; vgl. zu Sammelstiftungen: Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 3 Rn. 1 ff.).
6
Die Klägerin war zum xx.xx. 1991 (dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses mit der Schule für ...) nicht in die Pensionskasse des Z er
Staatspersonals -Pensionskasse Stadt Z (im Folgenden: K)- eingetreten, weil sie wegen ihrer Tätigkeit für das Unternehmen A einen Antrag auf
Ausschluss aus dieser Versicherung aufgrund anderweitiger Hauptbeschäftigung gestellt hatte und dem auch entsprochen worden war (s. das
Schreiben der K vom 1. April 2010, Bl. 171 der FG-Akten).
7
Zum xx.xx. 1995 mit der Beendigung ihrer Tätigkeit beim Unternehmen A schied die Klägerin aus der Stiftung P aus. Gleichzeitig trat sie in die K
ein. Die Austrittsleistung/Freizügigkeitsleistung von 7.701,30 CHF (s. das Schreiben der Stiftung P vom 29. Mai 1996, Bl. 100 der FG-Akten) aus
der Stiftung P gemäß Art. 2 Abs. 1 des am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 17. Dezember 1993 -Freizügigkeitsgesetz (FZG)- (Systematische Sammlung des Bundesrechts -SR
831.42- www.admin.ch) wurde von der K als Eintrittsleistung entgegengenommen (Art. 9 Abs. 1 FZG; s. hierzu die Ausführungen des
erkennenden Senats zum Schweizer Recht beim Wechsel eines Arbeitgebers in der Schweiz im Tatbestand des Urteils vom 17. Dezember 2009
3 K 154/07 -nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH.Az.: VI R 20/10- juris, Rn. 33-41).
8
Die Klägerin und ihr Arbeitgeber leisteten Beiträge im Rahmen der beruflichen Vorsorge an die K (Hinweis auf die Streitjahr geltende Fassung
des Gesetzes betreffend die Pensionskasse Y -Pensionskassengesetz vom 20. März 1980, in Kraft getreten am 1. Juli 1980, mit späteren
Änderungen, SG 166.100 [im folgenden: PKG]). Die Beiträge der Klägerin beliefen sich für den Zeitraum xx.xx. 1995 - 31. Juli 2005 auf 18.872,40
CHF, diejenigen ihres Arbeitgebers auf 25.949,55 CHF (insgesamt demnach: 44.821,95 CHF). In den Beiträgen des Arbeitgebers sind auch
Verwaltungskosten- und Risikobeiträge enthalten. Eine genauere Differenzierung ist nach der Auskunft der K vom 1. April 2010 nicht (mehr)
möglich (Bl. 171 der FG-Akten).
9
Für das Personal der öffentlichen Hand bestehen in der Schweiz öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen (vgl. die Übersicht in
Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 1 Rn. 34, 35 und 70-72, dieselben, § 2 Rn. 118-123; Helbling, Carl, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl., 2006 -im
folgenden: Helbling- Tz. 3.13; Stauffer, Berufliche Vorsorge, 2005 -im Folgenden: Stauffer I- Rn. 251 ff.). Diese öffentlich-rechtlichen
Einrichtungen dienen grundsätzlich nur der beruflichen Vorsorge für Arbeitnehmer von Bund, Kantonen und Gemeinden und anderen öffentlich-
rechtlichen Arbeitgebern (wie Anstalten und Betrieben des Bundes; Helbling, a.a.O., Tz. 3.13; Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 2 Rn. 5). Alle diese
Vorsorgeeinrichtungen haben -abgesehen vom am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Gesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge vom 25. Juli 1982 (BVG; Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 831.40, www.admin.ch)- ihre eigenen
Rechtsgrundlagen im öffentlichen Recht (Gesetze, Verordnungen) sowie ihre individuellen -ebenfalls öffentlich-rechtlichen- Statuten bzw.
Reglemente (Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 1 Rn. 70-72; dieselben, a.a.O., § 2 Rn. 5).
10 Der Erlass der entsprechenden Bestimmungen über die Leistungen, die Organisation, die Verwaltung und Finanzierung, die Kontrolle und das
Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen zu den Arbeitgebern, zu den Versicherten und zu den Anspruchsberechtigten durch
die hierzu berufenen Gemeinwesen (Gebietskörperschaften) wird in Art. 50 Abs. 2 BVG ausdrücklich geregelt (Stauffer I, Rn. 251 und 252; zu den
Unterschieden zu privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen: Urteile des Schweizerischen Bundesgerichts -BGer- vom 26. November 2001
2A.100/2000, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGer -BGE- 128 II 24, betreffend die Pensionskasse der Stadt Zürich; vom 21.
November 2008 9C_476/2008, BGE 135 V 13, betreffend die Pensionskasse der Stadt Luzern, www.bger.ch; umfassend hierzu: Riemer/Riemer-
Kafka, a.a.O., § 2 Rn. 122).
11 Das FZG und das BVG haben für registrierte öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen -wie die K- (im obligatorischen und überobligatorischen
Bereich) spezifische allgemeine bundesrechtliche Regelungen gebracht, die grundsätzlich dieselben sind wie diejenigen für die registrierten
privatrechtlich organisierten Vorsorgeeinrichtungen (Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 2 Rn. 118-123, mit weiteren Nachweisen).
12 Der Kanton Y unterhält in Übereinstimmung mit den zuvor dargelegten Grundsätzen die K als Vorsorgeeinrichtung mit eigener
Rechtspersönlichkeit (s. § 1 Abs. 1 der Übergangsordnung zum Pensionsgesetz des Z er Staatspersonals vom 20. November 1984 -UeO- SG
166.100) in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt (§ 1 Abs. 1 PKG; Stand 1. Januar 2008). Die K bezweckt die berufliche Vorsorge
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staates und der angeschlossenen Institutionen und schützt die Versicherten und deren Angehörige
gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Tod und Invalidität (§ 1 Abs. 2 PKG). Seit dem Inkrafttreten des BVG zum 1. Januar 1985 führt sie die
obligatorische Vorsorge gemäß dem BVG durch und unterliegt den maßgebenden Bundesgesetzen über die berufliche Vorsorge (§ 1 Abs. 3 Satz
1 PKG). Sie ist im Register für die berufliche Vorsorge des Kantons Y eingetragen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 PKG). Die K garantiert in jedem Fall die
Mindestleistungen gemäß BVG (§ 1 Abs. 4 PKG, Stand: 1. Januar 2008). Sie ist nach dem Leistungsprimat aufgebaut (vgl. hierzu: Helbling,
a.a.O., Tz. 4.33; Stauffer I, a.a.O., Rn. 289 ff.).
13 Die Rechtsbeziehungen zwischen der K und den Vorsorgenehmern/Destinatären/Dienstnehmern richten sich im Obligatoriumsbereich in erster
Linie nach dem BVG, im überobligatorischen Bereich nach Art. 65 Abs. 1 BVG und Art. 342 Abs. 1 Buchstabe a des Obligationenrechts vom 30.
März 1911 (OR) und im Übrigen in beiden Bereichen nach dem öffentlichen Recht. Darüber hinaus ist in beiden Bereichen das FZG und die
Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 3. Oktober 1994 -
Freizügigkeitsverordnung, FZV- (SR 831.425) anzuwenden (Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 2 Rn. 123 und § 4 Rn. 29 ff.).
14 Die Grundlage des öffentlich-rechtlichen Vorsorgeverhältnisses zwischen den Dienstnehmern und der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung
ist im Obligatoriumsbereich das Gesetz (BVG, FZG u.a.). Das gilt auch für die Rechtsverhältnisse zwischen den Dienstnehmern und der öffentlich-
rechtlichen Vorsorgeeinrichtung im Bereich der weitergehenden (z.B. überobligatorischen) beruflichen Vorsorge. Die Rechtsbeziehungen
zwischen der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung und dem Versicherten werden in der überobligatorischen beruflichen Vorsorge nicht
durch einen Vorsorgevertrag, sondern unmittelbar durch das Gesetz begründet (Hinweis auf 4 ff. PKG; Verordnung über die berufliche Vorsorge
vom 22. Februar 2005, SG 166.100; Verordnung über die Wahl des ersten Verwaltungsrates der Pensionskasse Y vom 15. März 2005, SG
166.300). Das dem öffentlichen Recht unterstehende Vorsorgeverhältnis zwischen dem Dienstnehmer und der Vorsorgeeinrichtung weist keine
vertraglichen Elemente auf (BGer, Urteile vom 2. Februar 1993 in Sachen Kanton Zürich [Beamtenversicherungskasse] gegen B und
Versicherungsgericht des Kantons Zürich, BGE 119 V 142, Erwägungen zu 5. b; vom 17. Mai 2005 B 33/03, www.bger.ch). Im Rahmen der
öffentlich-rechtlichen Vorsorgeverhältnisse kommt den Statuten, soweit sie deren Rechtsgrundlage bilden, der Charakter von Gesetzesrecht zu
(vgl. hierzu: Walser, Weitergehende berufliche Vorsorge in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, Ulrich Meyer
[Hrsg.]. 2. Aufl., -im Folgenden: Meyer/Bearbeiter- N. § 11 [S. 2113]).
15 Die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen sind nach den Regeln über die Gesetzesauslegung auszulegen (Larenz/Canaris, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 1995, Kapitel 4), d.h. die Grundsätze über die Auslegung von Verträgen sind nicht maßgebend (Riemer/Riemer-
Kafka, a.a.O., § 4 Rn. 31; zu den Unterschieden insbesondere: Larenz/Canaris, a.a.O., Kapitel 4, Ziff. 2., Buchstabe g).
16 Gleichwohl ist den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz generell in ihren Rechtsbeziehungen (u.a.) zu den
Dienstnehmern keine hoheitliche Gewalt eingeräumt. Sie haben daher nicht die Befugnis, über Rechte und Pflichten der Versicherten und
anderer Vorsorgebeteiligter Verfügungen (Verwaltungsakte) zu erlassen, die formell rechtskräftig werden können (BGer, Sentenza del 31 luglio
nella causa N. contro pensioni dei dipendenti dello Stato e Tribunali assicurazioni del Cantone Ticino, BGE 115 V 224, Erwägungen zu 2. [S.
229]). Ihre Entscheide im Einzelfall sind lediglich „Stellungnahmen“. Es läuft somit auch keine Frist zur Einreichung einer Klage beim kantonalen
Gericht (BGer, Sentenza del 31 luglio nella causa Cassa cantonale pensioni dei Grigoni contro E. e Tribunale amministrativo del Cantone dei
Grigoni, BGE 115 V 239, Erwägungen zu 2. [S. 242]; Meyer/Brühwiler, a.a.O., M. § 16, II. [S. 2027]).
17 Die Klägerin erhielt -im Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens- mit ihrem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zum yy.yy. 2005 und dem -
vorliegend unstreitigen- endgültigen Verlassen der Schweiz gemäß § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG (der dem Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a FZG
entspricht) am 6. Oktober 2005 eine Austrittsleistung als Barauszahlung in Höhe von 62.581,85 CHF überwiesen (nach Erstattung der von der K
an die Eidgenössische Steuerverwaltung -ESTV- abgeführten Quellensteuer von 2.622,50 CHF an die Klägerin [s. den Antrag vom 18.
September 2006 auf Rückerstattung der Quellensteuer auf Kapitalleistungen von Vorsorgeeinrichtungen mit Sitz in der Schweiz, Bl. 48 der ESt-
Akten S]; zur Steuerpflicht der Barauszahlung im Inland nach Art. 21 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
vom 1xx.xx. 1971 [BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519 -DBA-Schweiz 1971-]: Hinweis in diesem Zusammenhang auf die Senatsurteile vom 24.
September 2009 3 K 4130/08 -nicht rechtskräftig, Revision eingelegt, BFH.Az.: I R 92/09- juris und vom 28. April 2010 3 K 4156/08, nicht
rechtskräftig, Entscheidungsgründe zu B. II.; Entscheid der Steuerrekurskommission Y vom 21. Februar 2008, StE 2009 A 31.1 Nr. 10,
www.steuerverwaltung.bs.ch). Das in dem oben genannten Betrag enthaltene BVG-Altersguthaben beträgt 14.510,80 CHF (s. das Schreiben der
K vom 31. Juli 2005, Bl. 41-43 der ESt-Akten S; s. auch die Versicherungsausweise vom 9. Februar 1998 - 28. Februar 2005, Bl. 101-109 der FG-
Akten). Aus dem Überobligatorium stammen demzufolge 48.071,05 CHF. Auf das Schreiben der K vom 27. April 2010 wird Bezug genommen.
18 Die Klägerin hat seit der Beendigung ihrer Tätigkeit in der Schweiz keine steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mehr erzielt.
Die Barauszahlung diente der Finanzierung von Aufwendungen für das (damals) von den Klägern selbstgenutzte Gebäude in S.
19 Zum maßgeblichen Schweizer Recht hinsichtlich der Freizügigkeitsleistungen und dabei insbesondere zur Barauszahlung hat der erkennende
Senat für das Streitjahr folgende Feststellungen getroffen (vgl. hierzu umfassend: Tzn. 2.20-2.31 des Gutachtens vom 21. November 2008 von ... -
im Folgenden: Gutachten-):
20 Anders als im deutschen Recht zur betrieblichen Altersversorgung (und zur gesetzlichen Rentenversicherung) gibt es im Schweizer Recht die
Freizügigkeitsleistungen/Austrittsleistungen (vgl. zu diesen Begriffen: Fn. 32 des Gutachtens; Hinweis im Übrigen auf das Senatsurteil vom 28.
April 2010 3 K 4156/08, nicht rechtskräftig, Entscheidungsgründe zu A. I. 4.; Bundesrätliche Botschaft zu einem Bundesgesetz in der beruflichen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992 -im Folgenden Botschaft I- Bundesblatt der Schweizerischen
Eidgenossenschaft -BBl.- 1992, 533, zu Tz. 324 [S. 545]).
21 Nach dem in allen drei sprachlichen Fassungen übereinstimmenden Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 FZG haben Versicherte, welche die
Vorsorgeeinrichtung verlassen,
bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall)
de libre passage)“; italienisch: „prima che insorga un caso di previdenza (caso di libero passagio)“- Anspruch auf eine Austrittsleistung und dies
sowohl im Bereich der obligatorischen als auch im Bereich der überobligatorischen beruflichen Vorsorge (Stauffer I, a.a.O., Rn. 1041; Botschaft I,
BBl. 1992, 533, zu Tz. 63 [S. 570 ff.]; vgl. insbesondere zum für Grenzgänger bedeutsamen Anspruch auf Barauszahlung nach Art. 5 Abs. 1
Buchstabe a FZG [= § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG]; Gutachten, Tzn. 2.20-2.31). Unter dem Eintritt des Vorsorgefalles ist nebst Invalidität und Tod
das Erreichen der Altersgrenze zu verstehen (Art. 1 Abs. 2 FZG).
22 Nach dem klaren Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 FZG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 FZG besteht ein Anspruch auf eine Austrittsleistung, wenn ein
Versicherter die Vorsorgeeinrichtung verlässt, bevor er das reglementarische Rentenalter erreicht hat (BGer, Urteil vom 23. Mai 2003 in Sachen
BSV gegen Winterthur Pensionskasse für das Personal betreffend R., BGE 129 V 381, Erwägungen zu 4.4.; vgl. zur Berechnung der
Austrittsleistung: Stauffer I, a.a.O., Rn. 1112 ff.; Mitteilungen des Bundesamts für Sozialversicherungen -BSV- über die Berufliche Vorsorge -im
Folgenden: MBSV- vom 10. Juli 1987, Rn. 25). Der mit diesen Regelungen im FZG angestrebte Zweck ist, dem Versicherten bei einem
Stellenwechsel den Weiteraufbau einer beruflichen Vorsorge zu ermöglichen (BGer, Urteil in BGE 129 V 381, Erwägungen zu 4.3.).
23 Da die Freizügigkeitsleistung dem Vorsorgezweck erhalten bleiben soll, darf sie - im Gegensatz zu den Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenleistungen (bei welchen sich nur die Frage stellt, ob Renten- oder Kapitalauszahlungen zu erfolgen haben [s. Art. 37 BVG in der
Fassung ab dem 1. Januar 2005])- grundsätzlich nicht bar ausbezahlt werden (Helbling, a.a.O., Tz. 6.13). Das gilt sowohl für die obligatorische
Vorsorge als auch für die überobligatorische Vorsorge (Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 7 Rn. 112; Helbling, a.a.O., Tzn. 5.3 und 16.33).
24 Vom Barauszahlungsverbot gibt es drei Ausnahmen (Recht auf Barauszahlung, von dem jedoch kein Gebrauch gemacht werden muss). Sie
gelten nur bis zum Eintritt eines Risikos (BGer, Urteil vom 25. November 1991 BGE 117 V 303, Erwägungen zu 2. d). Sie sind abschließend in §
20 Abs. 3 Buchstaben a-c PKG (= Art. 5 Abs. 1 Buchstaben a-c FZG) aufgezählt: Der Versicherte verlässt die Schweiz endgültig (Buchstabe a),
der Versicherte nimmt eine selbständige Erwerbstätigkeit auf und untersteht nicht mehr der obligatorischen Vorsorge (Buchstabe b), die
Austrittsleistung beträgt weniger als ihr Jahresbeitrag (Buchstabe c).
25 Das Recht auf Barauszahlung (vgl. zur Form der Geltendmachung: BGer, Urteil vom 12. Januar 1995 in Sachen S. [Rekurs], BGE 121 III 31,
Erwägungen zu C. 2.; Cardinaux, Basile, Das Personenfreizügigkeitsabkommen und die schweizerische berufliche Vorsorge, Dissertation,
Freiburg im Üechtland -im Folgenden: Cardinaux- Rn. 342; Helbling, a.a.O., S. 268, Darstellung 6D) im hier ausschließlich interessierenden Fall
des endgültigen Verlassens der Schweiz (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a FZG; § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG) betrifft insbesondere die in der Schweiz
arbeitenden Grenzgänger, u.a. diejenigen, die -wie die Klägerin- ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben (im IV. Quartal 2005:
36.213 Personen; im II. Quartal 2010: 47.914 Personen; s. die Quartalsdaten des Bundesamts für Statistik -BFS- zu den ausländischen
Grenzgängern nach Wohnsitzstaat und Geschlecht, www.bfs.admin.ch), und die in ihren Wohnsitzstaat ausreisen (in der Regel wohl:
zurückkehren, d.h. Rückwanderer; Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 7 Rn. 117). Diesen soll mit der Barauszahlung der Aufbau einer Existenz
ermöglicht werden, sei es in Form eines eigenen Geschäftes, sei es durch Erwerb von Grund- oder Wohneigentum oder dergleichen (Botschaft
des Bundesrates an die Bundesversammlung über die freiwillige Personalfürsorge [Änderung von Bestimmungen des Obligationenrechts] vom
24. März 1976, -im Folgenden: Botschaft II- BBl 1976 I S. 1272, zu 3.). Ob dies tatsächlich der Fall ist, muss die Vorsorgeeinrichtung nicht prüfen.
Wohl aus Überlegungen der Praktikabilität wird insoweit der Vorsorgeschutz hintangestellt (Cardinaux, a.a.O., Rn. 339).
26 Allerdings haben die Vorsorgeeinrichtungen (Pensionskassen) zu prüfen (BGer, Urteil vom 29. Juni 2001 in Sachen W. gegen
Einwohnergemeinde Olten und Regierungsrat des Kantons Solothurn, BGE 127 I 97, Erwägungen zu 3. c), ob der Versicherte den Willen hat, die
Schweiz „definitiv“ (BGer, Urteil vom 23. April 1986 in Sachen X. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich, BGE 112 Ib 1. Erwägungen zu 3.)
bzw. „effektiv“ (Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 7 Rn. 117) endgültig zu verlassen.
27 Bei Ausländern (wie z.B. bei Grenzgängern mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland) soll sich das endgültige Verlassen des Schweiz
aus dem Erlöschen der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung ergeben (s. Art. 9 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung
der Ausländer vom 26. März 1931, SR 142.201; Botschaft I, BBl. 1976 I S. 239). Der Versicherte hat dies durch fremdenpolizeiliche Dokumente zu
beweisen (BGer, Urteil in BGE 127 I 97, Erwägungen zu 2.). Indessen besteht gerade bei deutschen Staatsangehörigen im Hinblick auf die ihnen
-nach dem am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen (BGBl II 2002, 1692) Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 -FZA - (BGBl II 2001, 810 ff.)-
eingeräumten Rechte (s. Art. 7 des Anhangs I des FZA zu abhängig beschäftigten Grenzgängern) keinerlei Gewissheit, dass sie nicht innert
kurzer Zeit nach der Barauszahlung in die Schweiz (zur Arbeitsaufnahme) zurückkehren. Bei einer Wiederaufnahme einer unselbständigen
Tätigkeit in der Schweiz ist die Barauszahlung nicht als Eintrittsleistung in die (neue) Pensionskasse einzubringen. Eine Barauszahlung stellt im
Übrigen auch kein Rückkehrhindernis dar (BGer, Urteil in BGE 112 Ib 1, Erwägungen zu 2. und 3.; Cardinaux, a.a.O., Rn. 339-342, mit
umfangreichen Nachweisen).
28 Wegen der Maßnahmen, die insbesondere das BSV ergriffen hat, um einen Missbrauch in Bezug auf den Anspruch auf Barauszahlung zu
verhindern, wird auf dessen Mitteilungen über die Berufliche Vorsorge Nr. 1 Rn. 4 und 5; Nr. 78, Rn. 463; Nr. 96 Rn. 567 Tz. 2.1 verwiesen (s.
auch Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 7 Rn. 120; s. auch Art. 5a FZG in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung: Stauffer, Die berufliche
Vorsorge, 2. Aufl., 2006, -im Folgenden: Stauffer II- FGZ Art. 5a; zur Frage der Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Barauszahlung: BGer,
Urteil vom 22. Januar 2007 B 93/06 in Sachen L. gegen Vorsorgeeinrichtung der Versicherungs-Gruppe X. sowie Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen, BGE 133 V 205, Erwägungen zu C. 4.3.).
29 Zur -für im Inland wohnhafte Grenzgänger maßgeblichen- Rechtslage nach dem 31. Mai 2007 wird auf Art. 25 Buchstabe f Abs. 1 Buchstabe a
und Abs. 2 FZG hingewiesen (Cardinaux, a.a.O., Rn. 1432).
30 Die Geltendmachung des Anspruchs auf Barauszahlung und das endgültige Verlassen der Schweiz führt zur Fälligkeit und auch zur Pfändbarkeit
der Forderung auf Barauszahlung gemäß § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG (Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a FZG; BGer, Urteile vom 26. August 1994, BGE
120 III 75, Erwägungen zu 1. a; vom 12. Januar 1995, BGE 121 III 31, Erwägungen zu C. 2. b). Im Übrigen hat das Bundessozialgericht -BSG-
entschieden, dass ein Arbeitnehmer (vom 5. Juni bis 31. Dezember 2004) keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 190 Abs. 1 Nr. 5
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG)
vom 24. März 1997 (BGBl I 594) gehabt habe, weil er nicht -wie für Bezug von Arbeitslosenhilfe erforderlich- bedürftig gewesen sei, weil ein
Guthaben auf einem Freizügigkeitskonto von 33.299,74 EUR zu seinem verwertbaren Vermögen zu zählen sei, obwohl er dessen Auszahlung
nicht verlangt hatte (Urteil vom 4. März 2009 B 11 AL 2/07 R, juris; s. zur eingeschränkten Pfändbarkeit von Freizügigkeitsleistungen die
schweizerische Lehre und Rechtsprechung: Riemer/Riemer-Kafka, a.a.O., § 7 Rn. 122; Stauffer II, a.a.O., Art. 39 BVG; Stauffer I, a.a.O., Rn. 929-
932, jeweils mit umfangreichen Nachweisen).
31 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die in § 20 Abs. 3 PKG (Art. 5 Abs. 1 FZG) genannten Barauszahlungsgründe auch zum vorzeitigen
Bezug des Vorsorgekapitals der Säule 3a berechtigen (Art. 3 Abs. 2 Buchstabe d der Versordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für
Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen -BVV3- [SR 831.461.3]).
32 In der am 16. Januar 2006 beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) eingereichten Einkommensteuererklärung machten die Kläger keine Angaben
zur Austrittsleistung (Barauszahlung) der K.
33 In dem im vorliegenden Klageverfahren angegriffenen Einkommensteuerbescheid vom 6. November 2006 berücksichtigte das FA die
Austrittsleitung als „Jahresbetrag der Rente“ mit 40.365 EUR (= 62.581,85 CHF x 64,50 v.H. [durchschnittlicher Umrechnungskurs]), wobei es die
Hälfte dieser Rente als steuerfrei beurteilte (Hinweis auf § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 ff. der im Streitjahr geltenden
Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 2005- in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes -AltEinKG- vom 5. Juli 2004 [BGBl I 2004,
1427]).
34 Der Einspruch blieb erfolglos (s. die Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2008).
35 Mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Klage bringen die Kläger vor, die Austrittsleistung aus der K sei nicht einkommensteuerpflichtig. Wegen
der hierzu dargelegten Gründe wird auf die Schriftsätze vom 25. März und 11. Juni 2008 verwiesen.
36 Die Kläger beantragen: den Einkommensteuerbescheid vom 6. November 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2008
unter Wegfall der Austrittsleistung/Barauszahlung zu ändern, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
37 Das FA beantragt: die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
38 Zur Begründung verweist es im wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 3. Juni 2008.
39 Am 22. März 2010 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes statt. Auf die
hierzu den Beteiligten bekanntgegebene Niederschrift wird Bezug genommen.
40
Dem Senat lagen folgende Akten vor:
1 Band Einkommensteuerakten Bd.
1 Band Einkommensteuerakten Bd. II
1 Band Einkommensteuerakten Sonderakte Einkommensteuer 2005
Entscheidungsgründe
41 Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA die Barauszahlung von 62.581,85 CHF der K der Einkommensteuer unterworfen. Zwar handelt es
sich um eine (steuerbare) sonstige Einnahme im Sinne von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG 2005 (siehe nachfolgend
zu 1.). Diese ist jedoch nach § 3 Nr. 3 EStG 2005 steuerfrei (siehe nachfolgend zu 2.).
42 1. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG 2005 sind Leibrenten und andere Leistungen (siehe nachfolgend zu aa), die
aus der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht werden (siehe nachfolgend zu bb), sonstige Einkünfte (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 4. Februar
2010 X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253).
43 aa) Der Begriff „Leibrenten“ wurde durch das AltEinKG um den Begriff „andere Leistungen“ erweitert, um gerade Einnahmen aus
Pensionskassen aufgrund von „Teilkapitalisierungen“, die ansonsten nicht steuerbar wären, der Einkommensteuer unterwerfen zu können
(Bundestags-Drucksache -BT-Drs.- 15/3004, S. 19, zu Nummer 12).
44 Demzufolge handelt es sich bei der Barauszahlung im Sinne des § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG durch die K an die Klägerin um eine andere
Leistung im Sinne von § 22 Nr.1 Satz 3 Buchstabe a EStG 2005. Denn infolge der Geltendmachung der Barauszahlung und des endgültigen
Verlassens der Schweiz durch die Klägerin wurde dieser die Austrittsleistung/Freizügigkeitsleistung nicht in Form einer Rente, sondern in
kapitalisierter Form ausgezahlt. Die bis dahin vorhandenen bloßen Anwartschaften (BGer, Urteil in Sachen A. gegen Sammelstiftung X. u.a., BGE
132 V 127, Erwägungen zu C. 6.3.2.; s. „anwartschaftliche Leistungen“ im Vorsorgeausweis per 01.01.2005 vom 10. Februar 2005), die die
Finanzierungsgrundlage für allfällig künftig entstehende Versicherungsleistungen bildeten (BGer, Urteil vom 19. Oktober 2001 in Sachen S.
gegen Stadt Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, BGE 127 V 315, Erwägungen zu 3. b), wurden mit dem Barwert (Art. 16
Abs. 1 FZG; § 19 Abs. 2 PKG) der erworbenen (Freizügigkeits-)Leistungen nach dem Grundsatz des Leistungsprimats, dem die K unterliegt,
angesetzt und an die Klägerin ausgezahlt.
45 bb) Diese Leistung wurde auch -wie für die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG 2005 notwendig- aus der
gesetzlichen Rentenversicherung erbracht. Dies gilt sowohl für den Teil der Barauszahlung, der aus dem Obligatorium stammt (das sog. BVG-
Altersguthaben von 14.510,80 CHF), als auch für den Teil in Höhe von 48.071,05 CHF, der aus dem Überobligatorium stammt (s. die
Austrittsabrechnung der K vom 4. Oktober 2005).
46 Zur gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG 2005 zählen auch ausländische
Rentenversicherungen. In diesem Zusammenhang gilt nichts anderes als bei den Kapitalabfindungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung
in § 3 Nr. 3 EStG 2005 und den Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG 2005 (s. die
Senatsurteile vom 28. April 2010 3 K 4156/08 und 3 K 1285/08, nicht rechtskräftig, jeweils mit weiteren Nachweisen).
47 Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der K ist im Wege der rechtsvergleichenden Qualifizierung (vgl. hierzu: BSG-Urteile vom 21. Juli
2009 B 7/7a AL 36/07 R, juris; vom 18. Dezember 2008 B 11 AL 32/07, R, juris) sowohl im Obligatorium als auch im Überobligatorium mit dem
zwischen einem Versicherten und dem Versicherungsträger bestehenden Rechtsverhältnis, in der deutschen Rentenversicherung vergleichbar.
Es handelt sich jeweils um ein öffentlich-rechtliches gesetzliches Schuldverhältnis zwischen einer öffentlich-rechtlich organisierten
Vorsorgeeinrichtung/Versorgungseinrichtung und einem versicherten Arbeitnehmer (BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 142/09, BFH/NV
2010, 1275 in Verbindung mit den Feststellungen des erkennenden Senats zum Schweizer Recht lt. S. 6 ff. des Tatbestandes), dass in erster
Linie darauf gerichtet ist, dem Versicherten beim Eintritt der Risiken Tod, Invalidität und Alter durch Zahlung einer Rente (sog. Primat der
Rentenleistung, Stauffer I, a.a.O., Rn. 639) neben den Leistungen aus der ersten Säule die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in
angemessener Form zu ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 Buchstabe a der Eidgenössischen Bundesverfassung vom 18. April 1998 -BV- SR 101; Art.
1 Abs. 1 BVG; Art. 30 PKG [Altersrücktritt], Art. 31 PKG [Invalidität] und Art. 38 PKG [Hinterlassenenleistungen]). In Zahlen ausgedrückt bedeutet
dies, dass aus der ersten und der zweiten Säule zusammen ein Renteneinkommen in Höhe von ungefähr 60 % des letzten Bruttolohns oder 70
% des entgangenen Nettolohns angestrebt wird (Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterbliebenen- und
Invalidenvorsorge vom 18. April 1984 -BVV2-, SR 831.441.1; Cardinaux, a.a.O., Rn. 218).
48
Aus dem Umstand, dass
- beim Altersrücktritt dem Versicherten ein Viertel seines BVG-Altersguthabens als einmalige Kapitalabfindung ausgerichtet werden kann (Art. 37 Abs. 2 BVG),
- zu Gunsten des Versicherten vor Eintritt des Vorsorgefalls (§ 2 Abs. 1 FZG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 FZG) ein Anspruch auf eine
Austrittsleistung/Freizügigkeitsleistung (u.a. -wie im Streitfall- in Gestalt eines Kapitalbezugs bzw. auf Verpfändung der Freizügigkeitsleistung zur Förderung des Erwerbs
von Wohneigentum [§ 20 Buchstabe b PKG]) entstehen kann,
- die Ansprüche auf die Austrittsleistung/Freizügigkeitsleistung dem Erbrecht unterfallen können (BGer, Urteil in Sachen V. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich I 549/02 vom 17. März 2003, BGE 129 III 305, Erwägungen zu 3.2.),
- das Rechtsverhältnis im Überobligatorium einem privatversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnis funktional vergleichbar ist(BGer, Urteil vom 19. November 2004 B 96/02
in Sachen X. und Y. gegen Winterthur-Columna, Stiftung für die Zusatzvorsorge und Kantonsgericht Z-Landschaft, BGE 131 V 27, Erwägungen zu C. 2.1.)
49 und des Weiteren, dass „eine Kapitalisierung mit den Zielen des Alterseinkünftegesetzes -Versorgung im Alter durch eine lebenslange Rente-
unvereinbar ist“ (Myßen, Neue Wirtschafts-Briefe Fach-NWB F- 3, 13095 [13103]; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 10 Rn. E
364, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt nicht, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der K nicht demjenigen in der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist. Entscheidend für diese Annahme des erkennenden Senats ist die Administrierbarkeit und
Praktikabilität der steuerlichen Vorschriften in Bezug auf die Besteuerung der Leistungen einer Schweizerischen Pensionskasse (BFH-Urteil in
BFH/NV 2010, 1253).
50 2. Die andere Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG 2005) in Gestalt der
Barauszahlung nach § 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG unterliegt jedoch nicht der Einkommensteuer, weil sie nach § 3 Nr. 3 EStG 2005 steuerfrei ist.
51 a) Die Steuerbefreiung im Sinne des § 3 Nr. 3 EStG 2005 setzt eine Kapitalabfindung, also die Zahlung in einer Summe (aus der gesetzlichen
Rentenversicherung) voraus. Diese Leistung muss zur Abgeltung von gesetzlichen Rentenversicherungsansprüchen erfolgen (BFH-Urteil vom
15. Dezember 1995 VI R 50/65, BStBl II 1995, 169; Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer- und
Körperschaftsteuer, § 3 Nr. 3 Rn. 4 [Lfg. 196]; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 3, Rn. B 3/12; vgl. zur Abfindung für die
Abgeltung einer betrieblichen Rentenanwartschaft: BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/87, BStBl II 1991, 723). Der einmaligen Leistung muss
der Verzicht auf einen Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüberstehen (Frotscher/Kuhlmann, Kommentar zum
EStG, § 3 Nr. 3 Rn. 29 [106. Lfg. 9/2001]).
52 b) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen einer Kapitalabfindung vor. Durch die auf gesetzlicher Grundlage beruhende Geltendmachung der
Barauszahlung (§ 20 Abs. 3 Buchstabe a PKG) und deren Überweisung sind sämtliche Ansprüche der Klägerin gegenüber der K erloschen (vgl.
hierzu: Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom
26. Februar 1992, BBl. 1992, 237 [S. 249] Tz. 133.2; Schreiben der K vom 4. Oktober 2005). Dies geschah durch eine einmalige Zahlung im
Oktober des Streitjahres. Durch diese einmalige Zahlung wurde Geld aus dem kollektiven Anlageprozess der K entzogen. Die Klägerin hat
dadurch ihre Anwartschaften (vgl. BGer, Urteil in BGE 127 III 315, Erwägungen zu D. 3. b) auf allfällig künftig entstehende
Versicherungsleistungen gegen die K (also ihre Versorgungsansprüche) verloren (Cardinaux, a.a.O., Rn. 1374).
53 c) Wegen der weiteren -in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden- Rechtsgrundsätze wird auf die Ausführungen in den Senatsurteilen 3
K 4156/08 (Entscheidungsgründe zu B. II. 2.) und 3 K 1258/08 (Entscheidungsgründe zu C. II.) verwiesen.
54 d) Da die Barauszahlung steuerfrei ist, bedarf es keiner Entscheidung des erkennenden Senats dazu, ob sie ggf. tarifbegünstigt zu besteuern ist
(BFH-Urteile vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BStBl II 2004, 493; vom 28. Juli 1993 XI R 4/93, BFH/NV 1994, 165; in BStBl II 1991, 723).
55 3. Da die Barauszahlung insgesamt auf einer öffentlich-rechtlichen, gesetzlichen Grundlage erfolgte, kommt hinsichtlich des Teils, der aus dem
Überobligatorium stammt, die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 (in Verbindung mit § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG 2005) nicht zur
Anwendung. Diese Vorschrift setzt eine (versicherungs-) vertragliche Abmachung voraus (s. Senatsurteil 3 K 1258/08, Entscheidungsgründe zu
C.; zur Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG bei Leistungen einer Pensionskasse: BT-Drs. 16/2712, S. 51, linke Spalte zu Buchstabe b).
56 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im
Kostenpunkt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung.
57 5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Die Kläger
konnten die Hilfe eines sachkundigen Bevollmächtigten zu ihrer Vertretung für unentbehrlich halten (BFH-Beschluss vom 21. September 1967 VI
B 2/67, BStBl II 1968, 181).
58 6. Die Revision war zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).