Urteil des EUGöD vom 27.04.2015

Berufsausbildung, Europäische Kommission, Verfahrensordnung, Unterbrechung

BESCHLUSS DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN
DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Dritte Kammer)
27. April 2015
)
„Öffentlicher Dienst – Bediensteter auf Zeit – Dienstbezüge – Familienzulagen –
Versagung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder – Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von
Anhang VII des Statuts – Kind von 18 bis 26 Jahren, das sich in Schul- oder
Berufsausbildung befindet – Erziehungszulage – Art. 3 Abs. 1 von Anhang VII des
Statuts – Kind, das regelmäßig und vollzeitlich eine Schule oder Hochschule
besucht – Unterbrechung des Studiums – Offensichtlich unbegründete Klage“
In der Rechtssache F‑90/14
betreffend eine Klage gemäß Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den
EAG-Vertrag gilt,
Ronald Meyer,
Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts, wohnhaft in Tallinn (Estland), Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H.-R. Ilting,
Kläger,
gegen
Europäische Kommission,
Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DAS GEREICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Van Raepenbusch (Berichterstatter), der
Richterin M. I. Rofes i Pujol und des Richters E. Perillo,
Kanzlerin: W. Hakenberg,
folgenden
Beschluss
Beschluss
1
Mit Klageschrift, die am 4. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, beantragt Herr Meyer die Aufhebung der Entscheidung der
Europäischen Kommission, die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder,
die er für seine Tochter Marie Isabel erhielt, ab dem 1. September 2013
einzustellen.
Rechtlicher Rahmen
2
Art. 67 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in seiner Fassung vor
Inkrafttreten der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1023/2013 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung des Statuts der
Beamten der Europäischen Union und der Beschäftigungsbedingungen für die
sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bestimmt:
„(1) Die Familienzulagen umfassen:
b) die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder;
c) die Erziehungszulage.
…“
3
Art. 2 von Anhang VII des Statuts sieht vor:
„(1) Der Beamte erhält nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 für jedes
unterhaltsberechtigte Kind eine [monatliche] Kinderzulage …
(2) Als unterhaltsberechtigtes Kind gilt das eheliche, das uneheliche oder das an
Kindes Statt angenommene Kind des Beamten oder seines Ehegatten, wenn es von
dem Beamten tatsächlich unterhalten wird.
(3) Die Zulage wird gewährt:
a) ohne weiteres für ein Kind unter achtzehn Jahren;
b) auf begründeten Antrag des Beamten für ein Kind von achtzehn bis
sechsundzwanzig Jahren, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet.
…“
4
Art. 3 von Anhang VII des Statuts bestimmt:
„(1) Der Beamte erhält unter den Voraussetzungen der allgemeinen
„(1) Der Beamte erhält unter den Voraussetzungen der allgemeinen
Durchführungsbestimmungen für jedes mindestens fünf Jahre alte
unterhaltsberechtigte Kind im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 dieses Anhangs, das
regelmäßig und vollzeitlich eine gebührenpflichtige Primar- oder Sekundarschule
bzw. eine Hochschule besucht, eine Erziehungszulage in Höhe der ihm durch den
Schulbesuch entstandenen Kosten …
…“
5
Nach Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen
Bediensteten der Europäischen Union in ihrer Fassung vor Inkrafttreten der
Verordnung Nr. 1023/2013 gelten für die Bediensteten auf Zeit Art. 67 des Statuts
sowie die Art. 2 und 3 von Anhang VII des Statuts entsprechend.
Sachverhalt
6
Der Kläger ist Bediensteter auf Zeit der Europäischen Agentur für das
Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts (eu-LISA). Er erhielt von seinem Dienstantritt am 1. Februar 2013
an für seine am 22. November 1990 geborene Tochter Marie Isabel eine Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder. Nach Art. 72 des Statuts war seine Tochter ab diesem
Zeitpunkt auch dem gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen.
7
Am 18. November 2013 teilte der Kläger seiner Verwaltung mit, dass seine
Tochter am 8. Juli 2013 einen „Bachelor“ in Museumskunde (im Folgenden:
Bachelor) erhalten habe und beabsichtige, ihre Ausbildung „zum nächstmöglichen
Zeitpunkt“ mit einem Master in „Kulturmanagement“ (im Folgenden: Master)
fortzusetzen. Der Masterstudiengang finde von August 2014 bis Juni 2016 statt.
8
Am 4. Februar 2014 stellte das Amt für die Feststellung und Abwicklung
individueller Ansprüche (PMO) die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte
Kinder, die der Kläger für seine Tochter erhalten hatte, mit Wirkung vom 1.
September 2013 ein und teilte dem Kläger mit, dass die seit diesem Zeitpunkt
rechtsgrundlos gezahlten Beträge zurückgefordert würden (im Folgenden:
angefochtene Entscheidung).
9
Am 12. Februar 2014 legte der Kläger gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts
Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ein. Zur Begründung seiner
Beschwerde machte er geltend, dass der zweijährige Masterstudiengang erst im
August 2014 beginne, da der vorhergehende zweijährige Studiengang 2012
begonnen habe. In der Wartezeit habe sich seine Tochter vor allem zur
Vorbereitung auf ihr künftiges Masterstudium für einen Estnischkurs
eingeschrieben, und sie durchlaufe seit September 2013 ein unentgeltliches
Praktikum am deutschen Gymnasium in Tallinn (Estland).
10
Die Beschwerde wurde mit Entscheidung vom 4. Juni 2014 zurückgewiesen (im
Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).
Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).
Anträge der Parteien
11
Der Kläger beantragt,
– die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;
– die Kommission zu verpflichten, seine Tochter Marie Isabel ununterbrochen
ab dem 1. September 2013 als unterhaltsberechtigtes Kind anzuerkennen und
aus diesem Grund ununterbrochen und rückwirkend ab diesem Zeitpunkt für
seine Tochter die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder weiter zu gewähren
und die Krankheitskosten zu übernehmen.
12
Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zur Entscheidung des Gerichts, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu
entscheiden
13
Nach Art. 81 der Verfahrensordnung, der die Bestimmungen des zur Zeit der
Klageerhebung geltenden Art. 76 der Verfahrensordnung übernimmt, kann das
Gericht, wenn eine Klage ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig ist oder ihr
zur Gänze oder in Teilen offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, jederzeit die
Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
ohne das Verfahren fortzusetzen.
14
Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch die Verfahrensunterlagen für
ausreichend informiert und beschließt gemäß Art. 81 der Verfahrensordnung, ohne
Fortsetzung des Verfahrens durch mit Gründen versehenen Beschluss zu
entscheiden.
Zum Klagegegenstand
15
Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt ein Aufhebungsantrag, der formal gegen
die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, in dem
Fall, dass diese Entscheidung keinen eigenständigen Gehalt hat, dass das Gericht
mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. in
diesem Sinne Urteil Vainker/Parlament, 293/87, EU:C:1989:8, Rn. 8).
16
Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Zurückweisung der
Beschwerde keinen eigenständigen Gehalt hat, ist der Antrag gegen die
Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde als gegen die angefochtene
Entscheidung gerichtet zu verstehen.
Entscheidung gerichtet zu verstehen.
Zum Aufhebungsantrag
Vorbringen der Parteien
17
Der Kläger stützt seine Klage auf eine Verletzung von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von
Anhang VII des Statuts, die er im Wesentlichen damit begründet, dass die
Kommission für die Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder die
Einschreibung seiner Tochter für den Masterstudiengang im Studienjahr 2014 hätte
berücksichtigen müssen.
18
Er macht geltend, die Kommission habe die Voraussetzung nach Art. 2 Abs. 3
Buchst. b von Anhang VII des Statuts, dass sich das Kind „in Schul- oder
Berufsausbildung befindet“, unzutreffend im Sinne der nur für die Erziehungszulage
nach Art. 3 Abs. 1 dieses Anhangs vorgesehenen Voraussetzung ausgelegt, dass
das Kind „regelmäßig und vollzeitlich eine … [S]chule bzw. eine Hochschule
besucht“. Diese Auslegung, wonach die Voraussetzung für die Gewährung der
Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder gemäß Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang
VII des Statuts mit der Voraussetzung für die Gewährung einer Erziehungszulage
nach Art. 3 Abs. 1 dieses Anhangs gleichwertig sein solle, sei rechtsfehlerhaft.
19
Der Kläger führt hierzu aus, dass seine Tochter ihr Studium nach Erlangung des
Bachelor im Juli 2013 und bis zum Beginn des Masterstudiengangs im August 2014
ungewollt unterbrochen habe. Die Unterbrechung sei nämlich durch die Organisation
des zweijährigen Masterstudiengangs, für den sie sich habe einschreiben wollen,
bedingt gewesen, der erst 2014 anfange, nachdem der vorangehende Studiengang
bereits 2012 begonnen habe. Eine solche Ausbildung sei als ein zweiter
Studiengang, der den ersten Studiengang, die Vermittlung des Wissenstands zur
Vorbereitung des Bachelor, fortsetze, Bestandteil der Berufsausbildung seiner
Tochter. Da eine solche Ausbildung daher notwendig und sachdienlich sei, müsse
seine Tochter trotz der Unterbrechung ihres Studiums als in einer Schul- oder
Berufsausbildung befindlich im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII
des Statuts angesehen werden, was somit seinen fortdauernden Anspruch auf
Gewährung der Kinderzulage für unterhaltsberechtigte Kinder begründe.
20
Hinzu komme, dass seine Tochter mit Erfüllung der Voraussetzungen für den
weiteren Erhalt der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder auch die
Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 1 des Statuts erfülle. Da Art. 72 des Statuts nach
Art. 28 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der
Europäischen Union auf Bedienstete auf Zeit entsprechend anwendbar sei, hätte
seine Tochter auch dem gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen
bleiben müssen.
21
Die Kommission beantragt im Wesentlichen unter Berufung auf zwei Argumente,
den Klagegrund zurückzuweisen.
22
Zunächst sei nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII des
22
Zunächst sei nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII des
Statuts die Weiterzahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder nach dem 18.
Lebensjahr eines Kindes davon abhängig, dass dieses sich tatsächlich in Schul-
oder Berufsausbildung befinde, was sich aus dem mit Gründen versehenen Antrag
des beamteten Elternteils ergeben müsse. Der Zweck dieser Zulage bestehe darin,
die Eltern bei der Finanzierung des Unterhalts eines Kindes, das sich aufgrund der
Absolvierung einer Ausbildung nicht selbst unterhalten könne, zu unterstützen. Ein
solcher Zweck sei nicht mehr erfüllt, wenn das Kind keine derartige Ausbildung
mehr durchlaufe. Der Kläger könne die Zulage für den Unterhalt seiner Tochter, die
ihr Studium für fast ein Jahr tatsächlich unterbrochen habe, nicht mehr erhalten, da
davon auszugehen sei, dass sie sich selbst unterhalten könne. Da Vorschriften,
durch die Ansprüche auf finanzielle Leistungen begründet würden, eng auszulegen
seien, könne der Umstand, dass die Unterbrechung des Studiums ungewollt
gewesen sei, keinen Anspruch auf Zahlung der fraglichen Zulage begründen.
23
Hinzu komme, dass die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder in der Praxis
automatisch gezahlt werde, wenn für dieses Kind eine Erziehungszulage gewährt
werde, und dass die Versagung der einen Zulage automatisch zur Versagung der
anderen Zulage führe. Art. 2 von Anhang VII des Statuts über die Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder könne nämlich nicht unabhängig von Art. 3 dieses
Anhangs über die Erziehungszulage ausgelegt werden. Insbesondere sei zur
Beurteilung des Begriffs „Schul- oder Berufsausbildung“ in Art. 2 Abs. 3 Buchst. b
dieses Anhangs, der die Zahlung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder nach
dem 18. Lebensjahr des betreffenden Kindes davon abhängig mache, dass es als
unterhaltsberechtigt im Sinne dieser Vorschrift angesehen werde, letztlich auf das
Kriterium des regelmäßigen und vollzeitlichen Besuchs einer Lehranstalt gemäß
Art. 3 Abs. 1 von Anhang VII des Statuts über die Gewährung einer
Erziehungszulage abzustellen. Zwar könne eine Zulage für unterhaltsberechtigte
Kinder auch im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung außerhalb einer
Lehranstalt gewährt werden, die beispielsweise zu einem anerkannten Abschluss
führe, doch müsse eine solche Ausbildung mit einer bestimmten Dauerhaftigkeit
oder Regelmäßigkeit einhergehen.
24
Überdies sei der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 72 des Statuts
unzulässig, da er nicht im Rahmen der Beschwerde geltend gemacht worden sei,
und jedenfalls verfrüht, da der Kläger für seine Tochter nicht den Anschluss an das
gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem nach dieser Vorschrift beantragt habe.
Würdigung durch das Gericht
25
Es ist zunächst festzustellen, dass das unterhaltsberechtigte Kind im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 von Anhang VII des Statuts – gleich, ob es sich um das eheliche, das
uneheliche oder das an Kindes Statt angenommene Kind des Beamten oder seines
Ehegatten handelt – einen Anspruch auf Zahlung der Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder begründet, sofern es von dem Beamten tatsächlich
unterhalten wird und darüber hinaus eine der in den Abs. 3 und 5 dieser Vorschrift
unterhalten wird und darüber hinaus eine der in den Abs. 3 und 5 dieser Vorschrift
genannten Voraussetzungen erfüllt. Das unterhaltsberechtigte Kind muss für die
Begründung eines Anspruchs auf Zahlung der Zulage nach Maßgabe dieses Art. 2
daher entweder erstens unter 18 Jahren sein oder zweitens 18 bis 26 Jahre alt sein
und sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder drittens dauernd gebrechlich
sein oder an einer schweren Krankheit leiden, die es ihm unmöglich macht, seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten. In jedem dieser drei Fälle ist die Anstellungsbehörde
nach dem Statut in dem Sinne gebunden, dass sie die Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder zu gewähren hat, wenn sie das Vorliegen dieser
Voraussetzungen feststellt, und im gegenteiligen Fall zu versagen hat (vgl. in
diesem Sinne Urteil Brems/Rat, T‑75/89, EU:T:1990:88, Rn. 23). Art. 2 Abs. 3 und 5
von Anhang VII des Statuts betrifft mit anderen Worten die Fälle, in denen das Kind
des Beamten ohne Weiteres einen Anspruch auf die Zulage für unterhaltsberechtigte
Kinder begründet, weil in diesen Bestimmungen davon ausgegangen wird, dass das
betroffene Kind allein deshalb tatsächlich von dem Beamten unterhalten wird, weil
es minderjährig, Student, dauernd gebrechlich oder krank ist (Urteil Rat/Brems,
C‑70/91 P, EU:C:1992:201, Rn. 5).
26
Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung der Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder einem sozialen Zweck entspricht, der durch die Kosten
gerechtfertigt ist, die wegen des Vorhandenseins des Kindes und wegen dessen
tatsächlichen Unterhalts aktuell und konkret anfallen (vgl. in diesem Sinne und
entsprechend hinsichtlich des Steuerfreibetrags für unterhaltsberechtigte Kinder
Urteile Sorasio-Allo u. a./Kommission, 81/79, 82/79 und 146/79, EU:C:1980:270,
Rn. 15 und 16, und Schwedler/Parlament, C‑132/90 P, EU:C:1991:452, Rn. 14).
27
Daher kann die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder für ein Kind von 18 bis 26
Jahren, wenn die Zahlung dieser Zulage im Rahmen von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von
Anhang VII des Statuts verlangt wird, nur unter der Voraussetzung, dass dieses
Kind tatsächlich eine Schul- oder Berufsausbildung durchläuft, die wirklich Bestand
hat, und nur für die tatsächliche Dauer dieser Ausbildung gezahlt werden (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kschwendt/Kommission, T‑545/93, EU:T:1995:137, Rn. 81 bis
83). Befindet sich das Kind weder in einer Schul- noch in einer Berufsausbildung
und ist daher imstande, zu arbeiten und somit über ein Einkommen zu verfügen, so
dass es nicht als gegenüber dem Beamten unterhaltsberechtigt angesehen werden
kann, würde die Gewährung einer solchen Zulage die Tragweite von Art. 2 Abs. 3
Buchst. b von Anhang VII des Statuts verkennen. Der bloße Umstand, dass das
Kind über 18 Jahren sein Studium unterbricht, ist dagegen kein Hindernis dafür,
dass es bei der tatsächlichen Wiederaufnahme seines Studiums die Zahlung dieser
Zulage wieder begründet, vorausgesetzt, dass es die sonstigen Anforderungen an
die Gewährung der fraglichen Zulage weiterhin erfüllt.
28
Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Zahlung der Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder, die sie für die Tochter des Klägers gewährt hatte, mit
der Begründung eingestellt, dass weder aufgrund des Umstands, dass diese mit
Blick auf den im August 2014 beginnenden Masterstudiengang einen Estnischkurs
besuche, noch des Umstands, dass sie ein unentgeltliches Praktikum am
besuche, noch des Umstands, dass sie ein unentgeltliches Praktikum am
deutschen Gymnasium in Tallinn absolviere, angenommen werden könne, dass sie
sich in Schul- oder Berufsausbildung im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von
Anhang VII des Statuts befinde.
29
Es ist jedoch festzustellen, dass der Kläger in seiner Klageschrift nicht geltend
gemacht hat, dass der von seiner Tochter besuchte Sprachkurs oder das
unentgeltliche Praktikum am deutschen Gymnasium in Tallinn entgegen der
Auffassung der Kommission als Schul- oder Berufsausbildung im Sinne von Art. 2
Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII des Statuts zu betrachten sei. Insoweit hat er
nämlich lediglich ohne weitere Erläuterungen darauf hingewiesen, dass die
Ausführungen der Kommission „zum Vorliegen einer Berufsausbildung … irrelevant“
seien, da diese allein aufgrund der Absicht seiner Tochter, sich für den
Masterstudiengang einzuschreiben, hätte annehmen müssen, dass seine Tochter
eine Schul- oder Berufsausbildung durchlaufe. In Ermangelung jeglicher
tatsächlicher Fortsetzung einer Berufsausbildung der Tochter des Klägers, die das
18. Lebensjahr am 22. November 2008 erreicht hatte, konnte jedoch jedenfalls keine
Unterhaltsverpflichtung des Klägers ihr gegenüber angenommen werden, da
aufgrund ihrer bloßen Absicht, eine Berufsausbildung aufzunehmen – wobei diese
im Übrigen fast ein Jahr nach Einreichung des Zulagenantrags liegen sollte –, nicht
davon ausgegangen werden konnte, dass sie sich in einer Ausbildung im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII des Statuts befinde.
30
Dieser Schluss kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die
Unterbrechung des Studiums ungewollt gewesen sei und in der Ausbildung der
Tochter des Klägers eine „Zwangspause“ dargestellt habe. Insoweit genügt nämlich
der Hinweis, dass die Tochter des Klägers während der Wartezeit für die Aufnahme
des gewünschten Universitätsstudiengangs ihre Ausbildung durch ein
Aufbaustudium hätte vervollständigen können, das einen Anspruch auf die Zulage
für unterhaltsberechtigte Kinder hätte begründen können.
31
Der Kläger fügt jedoch hinzu, dass die Kommission die Voraussetzungen für die
Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder für ein Kind über 18 Jahren,
das eine Schul- oder Berufsausbildung im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von
Anhang VII des Statuts durchlaufe, nicht nach den Kriterien für die Gewährung der
Erziehungszulage gemäß Art. 3 Abs. 1 dieses Anhangs hätte beurteilen dürfen.
32
Die Kommission hielt es zwar für richtig, die Vorschriften über die Gewährung der
Erziehungszulage anzuwenden, um die Voraussetzungen für die Gewährung einer
Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder im Fall eines Kindes über 18 Jahren zu
beurteilen, das eine Schul- oder Berufsausbildung durchläuft. So hielt sie den
Sprachkurs, den die Tochter des Klägers besuchte, nicht für eine
„Schulausbildung“, da die insgesamt 48 Unterrichtsstunden, verteilt über den
Zeitraum von September bis Dezember 2013, nicht als regelmäßiger und
vollzeitlicher Besuch einer Lehranstalt angesehen werden könnten, und übernahm
damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erziehungszulage.
damit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erziehungszulage.
33
Dagegen hat die Kommission nicht nach Maßgabe der Vorschriften für die
Gewährung einer Erziehungszulage festgestellt, dass das unentgeltliche Praktikum
am deutschen Gymnasium in Tallinn keine „Berufsausbildung“ sei, sondern einer
solchen Beurteilung entgegengehalten, dass dieses Praktikum nicht zum Curriculum
einer beruflichen Qualifikation gehöre, die auf einen bestimmten Beruf vorbereitete.
34
In jedem Fall hat der Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht die von der Kommission
vorgenommene Beurteilung der Stundenzahl des Sprachkurses und des Praktikums
seiner Tochter in Abrede gestellt, sondern lediglich auf die von seiner Tochter
beabsichtigte Einschreibung für den Masterstudiengang abgestellt. Selbst wenn die
Kommission nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass eine Schul- oder
Berufsausbildung im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII voraussetze,
dass das Kind die Ausbildung in einer Lehranstalt vollzeitlich besuche, hätte ein
solcher Umstand daher keinen Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits.
35
Der Kläger fügt schließlich hinzu, dass die angefochtene Entscheidung gegen
Art. 72 des Statuts verstoße, da seine Tochter, die als unterhaltsberechtigtes Kind
betrachtet werden müsse, weiterhin dem gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem
angeschlossen sein müsse. Ein solcher Klagegrund geht jedenfalls ins Leere, da die
angefochtene Entscheidung, in der es nicht um Ansprüche der Tochter des Klägers
aus dem gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem ging, nicht aufgrund dieser
Vorschrift getroffen worden ist. Zudem ist ein solcher Klagegrund, der zum ersten
Mal in der Klageschrift vorgetragen worden ist, unzulässig, da er nicht im
Vorverfahren geltend gemacht worden ist und die Anstellungsbehörde in ihrer
Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zu dieser Frage keine
Stellung genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Moschonaki,
T‑476/11 P, EU:T:2013:557, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Schließlich greift dieser Klagegrund seinem Wortlaut nach offensichtlich nicht
durch, da die Tochter des Klägers, wie ausgeführt, nicht als unterhaltsberechtigtes
Kind im Sinne von Art. 2 von Anhang VII des Statuts angesehen werden kann.
36
Vorsorglich ist hinzuzufügen, dass der Kläger, wenn er weiterhin für seine über
18–jährige Tochter während der Unterbrechung ihres Studiums die Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder erhalten wollte – sollte er dies für zulässig und
begründet gehalten haben –, nach Art. 2 Abs. 4 von Anhang VII des Statuts ihre
Gleichstellung als unterhaltsberechtigtes Kind im Sinne von Art. 2 Abs. 2 dieses
Anhangs hätte beantragen und „erhebliche Auslagen“ hätte geltend machen müssen,
die der Unterhalt seines Kindes für ihn bedeutet habe (vgl. in diesem Sinne Urteil
Rat/Brems, EU:C:1992:201, Rn. 7 und 8).
37
Im Übrigen steht Art. 2 Abs. 3 Buchst. b von Anhang VII des Statuts, wie
ausgeführt, der Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder für ein Kind
im Alter von 18 bis 26 Jahren nach einer Unterbrechung seines Studiums nicht
entgegen. Vorausgesetzt, dass der Kläger seine Tochter weiterhin tatsächlich
unterhält und dass diese immer noch die in dieser Vorschrift vorgesehenen
unterhält und dass diese immer noch die in dieser Vorschrift vorgesehenen
Altersanforderungen erfüllt, könnte ihm daher von der tatsächlichen Einschreibung
seiner Tochter für den Masterstudiengang an eine solche Zulage wieder gewährt
werden.
38
Nach alledem konnte die Kommission, ohne die Regelung von Art. 2 Abs. 3
Buchst. b von Anhang VII des Statuts zu verkennen, die Zahlung der Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder an den Kläger einstellen. Der Antrag auf Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung ist daher zurückzuweisen.
Zu den Verpflichtungsanträgen
39
Da es sich im vorliegenden Fall um eine Streitsache vermögensrechtlicher Art
handelt, bei der der Unionsrichter gemäß Art. 91 Abs. 1 Satz 2 des Statuts über
eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verfügt, sind die Anträge, die
Anstellungsbehörde „zu verpflichten“, die Tochter des Klägers ab dem 1. September
2013 als unterhaltsberechtigtes Kind anzuerkennen, ihm die Zulage für
unterhaltsberechtigte Kinder zu gewähren und für seine Tochter weiterhin die
Aufwendungen im Krankheitsfall zu ersetzen, für zulässig zu erklären (Urteile
Vienne/Parlament, T‑15/93, EU:T:1993:108, Rn. 41, und Infante Garcia-
Consuegra/Kommission, F‑10/12, EU:F:2013:38, Rn. 47).
40
Da jedoch der Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
zurückgewiesen worden ist, ist diesen Anträgen nicht stattzugeben.
41
Aus den vorstehenden Gründen ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
42
Nach Art. 101 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei, vorbehaltlich
der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der
Verfahrensordnung, ihre eigenen Kosten und wird auf Antrag zur Tragung der
Kosten der Gegenpartei verurteilt. Nach Art. 102 Abs. 1 der Verfahrensordnung
kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende
Partei ihre eigenen Kosten trägt, aber nur zur Tragung eines Teils der Kosten der
Gegenpartei und gar nicht zur Tragung dieser Kosten zu verurteilen ist.
43
Aus den Gründen des vorliegenden Beschlusses ergibt sich, dass der Kläger mit
seiner Klage unterlegen ist. Außerdem hat die Kommission ausdrücklich beantragt,
dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Da die Umstände des vorliegenden Falles die
Anwendung von Art. 102 Abs. 1 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, trägt der
Kläger seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten der Kommission zu
tragen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Dritte Kammer)
(Dritte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Meyer trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten
der Europäischen Kommission zu tragen.
Luxemburg, den 27. April 2015
Die Kanzlerin
Der Präsident
W. Hakenberg
S. Van
Raepenbusch
Verfahrenssprache: Deutsch.