Urteil des EUGöD vom 05.06.2012

Genehmigung, Klagegrund, Europäische Kommission, Soziale Sicherheit

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)
5. Juni 2012(
)
„Öffentlicher Dienst – Beamte – Soziale Sicherheit – Schwere Krankheit –
Übernahme von Zahnersatzkosten – Erstattungshöchstbetrag – Einrede der
Rechtswidrigkeit – Vertrauensschutz“
In der Rechtssache F‑14/11
betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV, der nach Art. 106a EA auch für den
EAG-Vertrag gilt,
AW,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Heimburger, J. Schlenker, R. Bakker
und U. Thanner,
Kläger,
gegen
Europäische Kommission,
Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Van Raepenbusch sowie der Richter
H. Kreppel (Berichterstatter) und R. Barents,
Kanzler: J. Tomac, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28.
Februar 2012
folgendes
Urteil
1
Mit Klageschrift, die am 17. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts
eingegangen ist, hat AW beantragt, die Entscheidungen der Europäischen
Kommission, mit denen auf die Erstattung für seine Tochter aufgewendeter
Zahnersatzkosten ein Erstattungshöchstbetrag angewandt wurde, aufzuheben und
die Kommission zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten zu ersetzen.
Rechtlicher Rahmen
2
Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im
Folgenden: Statut) bestimmt:
„In Krankheitsfällen wird dem Beamten, seinem Ehegatten – sofern dieser nicht
nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in
derselben Höhe erhalten kann –, seinen Kindern und den sonstigen
unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Anhang VII Artikel 2 nach einer von
den Organen der Union im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des
Statutsbeirats beschlossenen Regelung Ersatz der Aufwendungen bis zu 80 v. H.
gewährleistet. Dieser Satz wird für die folgenden Leistungen auf 85 % angehoben:
Beratungen und Besuche, chirurgische Eingriffe, Krankenhausbehandlung,
Arzneimittel, Röntgenuntersuchungen, Analysen, Laboruntersuchungen und ärztlich
verordnete prothetische Apparate mit Ausnahme von Zahnprothesen. Im Falle von
Tuberkulose, Kinderlähmung, Krebs, Geisteskrankheiten und anderen von der
Anstellungsbehörde als vergleichbar schwer anerkannten Krankheiten sowie für
Untersuchungen zur Früherkennung und im Falle der Entbindung erhöht er sich auf
100 v. H. …“
3
Art. 72 Abs. 3 des Statuts bestimmt:
„Übersteigen die nicht ersetzten Aufwendungen in einem Zeitraum von zwölf
Monaten ein halbes Monatsgrundgehalt des Beamten oder ein halbes Ruhegehalt,
so gewährt die Anstellungsbehörde eine Sondererstattung; hierbei sind die
Familienverhältnisse des Betreffenden unter Zugrundelegung der Regelung nach
Absatz 1 zu berücksichtigen.“
4
Zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 72 des Statuts
haben die Organe eine Gemeinsame Regelung zur Sicherstellung der
Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Union erlassen. Die derzeit
geltende Fassung dieser Regelung (im Folgenden: Gemeinsame Regelung) ist seit
1. Dezember 2005 in Kraft.
5
Durch Art. 1 der Gemeinsamen Regelung wird für die Organe der Union ein
gemeinsames Krankheitsfürsorgesystem (im Folgenden: GKFS) geschaffen.
6
Art. 20 („Allgemeine Vorschriften für Erstattungen“) der Gemeinsamen Regelung
bestimmt in Abs. 1 Unterabs. 1:
„Um das finanzielle Gleichgewicht des [GKFS] zu erhalten und dem Grundsatz der
sozialen Sicherung in Artikel 72 des Status gerecht zu werden, können in den
allgemeinen Durchführungsbestimmungen für bestimmte Leistungen
Erstattungshöchstgrenzen festgelegt werden.“
7
Art. 20 Abs. 6 der Gemeinsamen Regelung lautet:
„Gemäß Artikel 72 Absatz 1 des Statuts werden bei Tuberkulose, Kinderlähmung,
Krebs, Geisteskrankheiten und anderen, von der Anstellungsbehörde nach
Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle [des Amts für die
Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO)] als vergleichbar
schwer anerkannten Krankheiten die Kosten zu 100 % erstattet.
Diese Stellungnahme erfolgt auf der Grundlage der in den allgemeinen
Durchführungsbestimmungen nach Anhörung des Ärztebeirats festgelegten
allgemeinen Kriterien.
Die Kosten der in den allgemeinen Durchführungsbestimmungen vorgesehenen
Untersuchungen zur Früherkennung sowie die Kosten von Entbindungen werden
ebenfalls zu 100 % erstattet.
Um das finanzielle Gleichgewicht des [GKFS] zu erhalten und dem Grundsatz der
sozialen Sicherung gemäß Artikel 72 des Status gerecht zu werden, können jedoch
auf bestimmte Leistungen besondere Erstattungshöchstgrenzen angewandt werden,
die in den allgemeinen Durchführungsbestimmungen festgelegt sind.“
8
In Art. 24 („Sondererstattungen“) der Gemeinsamen Regelung heißt es:
„(1) Sondererstattungen können gemäß Artikel 72 Absatz 3 des Statuts für den
Teil der nicht erstatteten Kosten gewährt werden, sofern diese Kosten die folgenden
Sätze nicht überschreiten:
– 50 % der Kosten, die 100 % der Erstattungshöchstgrenzen gemäß Artikel 20
Absatz 1 und Absatz 6 Unterabsatz 4 entsprechen
…“
9
In Art. 27 („Vorherige Genehmigung“) der Gemeinsamen Regelung heißt es:
„Kann die Erstattung aufgrund dieser Regelung nur nach vorheriger Genehmigung
erfolgen, so trifft die Anstellungsbehörde oder die von ihr bezeichnete
Abrechnungsstelle ihre Verfügung nach folgendem Verfahren:
a) Die angeschlossene Person reicht den Antrag auf vorherige Genehmigung
zusammen mit einer Verordnung und/oder einem Kostenvoranschlag des
behandelnden Zahnarztes oder Arztes bei der Abrechnungsstelle ein; diese
legt den Antrag gegebenenfalls dem Vertrauenszahnarzt oder dem
Vertrauensarzt vor, der seine Stellungnahme der Abrechnungsstelle binnen
Vertrauensarzt vor, der seine Stellungnahme der Abrechnungsstelle binnen
zwei Wochen übermittelt.
b) Die Abrechnungsstelle entscheidet über den Antrag, wenn sie dazu befugt ist,
oder übermittelt ihre Stellungnahme und gegebenenfalls die Stellungnahme des
Vertrauenszahnarztes oder Vertrauensarztes der Anstellungsbehörde zur
Entscheidung. Die angeschlossene Person wird von der Entscheidung
unverzüglich unterrichtet.
c) Anträge auf Kostenerstattung für genehmigungspflichtige Leistungen werden
nicht berücksichtigt, wenn die Genehmigung nicht vor Erbringung der
Leistungen beantragt wurde. Eine Ausnahme kann in Fällen medizinisch
begründeter Dringlichkeit gemacht werden, wenn die Dringlichkeit als solche
vom Vertrauensarzt der Abrechnungsstelle anerkannt wird.“
10
Schließlich lautet Art. 52 Abs. 1 der Gemeinsamen Regelung:
„Die Organe übertragen der Kommission gemäß Artikel 72 Absatz 1 Unterabsatz 3
des Statuts die Befugnis, durch allgemeine Durchführungsbestimmungen die
Vorschriften für die Kostenerstattungen festzulegen mit dem Ziel, das finanzielle
Gleichgewicht des [GKFS] zu erhalten und dem in Artikel 72 Absatz 1 Unterabsatz 1
des Statuts verankerten Grundsatz der sozialen Sicherung zu entsprechen.“
11
Die in Art. 52 der Gemeinsamen Regelung vorgesehenen allgemeinen
Durchführungsbestimmungen (im Folgenden: ADB) wurden von der Kommission
durch Beschluss vom 2. Juli 2007 erlassen.
12
Kapitel 5 („Zahnpflege, -behandlung und -ersatz“) von Titel II der ADB enthält acht
Ziffern; diese sind überschrieben mit „Zahnbehandlung und präventive Pflege“,
„Parodontitis“, „Zahnregulierung“, „Gnathologie“, „Zahnersatz“, „Implantologie“,
„Schwere Krankheit“ und „Sonderbestimmungen“.
13
Ziff. 1 („Zahnbehandlung und präventive Pflege“) des Kapitels 5 von Titel II der
ADB lautet:
„Die Kosten für die präventive Mund- und Zahnpflege, Röntgenuntersuchungen,
Zahnbehandlungen und chirurgische Eingriffe werden mit einem Satz von 80 % bis
maximal 750 [Euro] pro Kalenderjahr und Berechtigtem erstattet, sofern die
Leistungen durch dazu von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden befugte
Personen erbracht werden.
Im Fall einer schweren Krankheit wie beispielsweise Krebs, insulinabhängige
Diabetes, Valvulopathie (von Dentalherden ausgehende Infektion zahnferner
Gewebe), die Auswirkungen auf die Mundhöhle haben, werden die Kosten nach
gemeinsamer befürwortender Stellungnahme des Vertrauensarztes und des
Vertrauenszahnarztes zu 100 % bis maximal 1 500 [Euro] erstattet. Dieser Betrag
gilt auch für die erschwerte Behandlung bei einem hyperaktiven Kind und einer
Schwangeren.
Schwangeren.
Dieser Betrag deckt alle nachstehend aufgeführten Leistungen ab:
– Beratung
– intraorale Röntgenuntersuchung
– Panorama-Röntgenaufnahme und Teleröntgenographie in der Zahnarztpraxis
…,
– Fluoridierung,
– Versiegelung von Zahnfissuren und Grübchen,
– Zahnsteinentfernung,
– Zahnfüllung …,
– Rekonstitution, Stumpfaufbau (Schraube oder Stift), Inlays und
Kunststoffverblendungen,
– Devitalisierung und Wurzelkanalfüllung,
– normale Extraktion, Abszesseröffnung, Entfernung von Knochensplittern,
– chirurgische Extraktion, retinierter Zahn, Wurzelspitzenresektion,
Wurzelamputation, Frenektomie …,
– Lokal- oder Regionalanästhesie.
Die in dieser Liste nicht aufgeführten Leistungen können nach Stellungnahme des
Vertrauenszahnarztes mit einem Satz von 80 % oder 100 % im Fall einer schweren
Krankheit innerhalb des jährlichen Erstattungshöchstbetrags erstattet werden.“
14
Ziff. 5 („Zahnersatz“) des Kapitels 5 von Titel II der ADB bestimmt:
„Die Kosten für Zahnersatz werden nach vorheriger Genehmigung auf Vorlage eines
Kostenvoranschlags und nach Stellungnahme des Vertrauenszahnarztes mit einem
Satz von 80 % im Rahmen der in nachstehender Tabelle aufgeführten
erstattungsfähigen Höchstbeträge erstattet. Bei Notfällen, in denen die Vorlage
eines Kostenvoranschlags nicht möglich ist, werden lediglich die Kosten für den
provisorischen Zahnersatz erstattet.
Art der Leistung
Höchstbetrag
([EUR])
1. a) Festsitzende Prothesen
Gold- oder Keramikinlay, gegossener Stumpfaufbau
250
Gusskrone, Teleskopkrone, Metall-Keramik-Krone oder
250
Gusskrone, Teleskopkrone, Metall-Keramik-Krone oder
Element, Keramikverblendschalen
250
Befestigung (Dolder-Steg: pro Pfeilerzahn)
250
Provisorische Krone oder Brücke …
30
b) Reparatur festsitzender Prothesen
Herausnahme oder Wiedereinsetzen fester Elemente (je
Element)
50
Reparatur von Kronen oder Brückenelementen (mit
Ausnahme von provisorischen Kronen und Elementen)
je Element
90
2. a) Herausnehmbarer Zahnersatz
Kunststoffbasis, Aufbissschiene (mit Ausnahme der
Bleaching-Schiene)
200
Zahn oder Klammer auf Kunststoffbasis
50
Vollprothese oben oder unten
800
Provisorische Kunststoffbasis
90
Zahn oder Klammerprovisorium auf Kunststoffbasis
30
Gegossene Metallbasis (mit Klammern)
400
Zahn auf gegossener Metallbasis (maximal 10)
100
b) Reparatur von herausnehmbarem Zahnersatz
Reparatur einer Kunststoffbasis, Hinzufügen (Ersetzen)
eines Zahnes oder einer Klammer auf Kunststoff- oder
Metallbasis …
60
Unterfütterung (Teil- oder Vollbasis / Kunststoff- oder
Metallbasis
150
Die Genehmigung für die Erneuerung von herausnehmbarem oder festsitzendem
Zahnersatz, der bereits von der [GKFS] erstattet wurde, kann erst nach Ablauf von
sechs Jahren erteilt werden. Die Erstattung erfolgt gemäß vorstehenden
Bedingungen.
In Ausnahmefällen, vor allem im Falle eines traumatischen Unfalls oder bei
In Ausnahmefällen, vor allem im Falle eines traumatischen Unfalls oder bei
schwerer Krankheit (zum Beispiel Kieferkrebs), die die Mundhöhle betreffen oder
sich auf diese auswirken, so dass das Tragen des eingesetzten Zahnersatzes
unmöglich wird, können die Fristen für die Erneuerung nach Stellungnahme des
Vertrauenszahnarztes und Vorlage einer ausführlichen ärztlichen Begründung sowie
eines Kostenvoranschlags verkürzt werden.“
15
Schließlich sieht Ziff. 7 („Schwere Krankheit“) des Kapitels 5 von Titel II der ADB
vor:
„Im Falle einer schweren Krankheit, die Auswirkungen auf die Mundhöhle hat,
werden die Kosten für die unter den Ziffern 2 bis 6 vorgesehenen Behandlungen
nach gemeinsamer Stellungnahme des Vertrauensarztes und des
Vertrauenszahnarztes mit einem Satz von 100 % bis zum Doppelten des für die
einzelnen Leistungen geltenden Höchstbetrags erstattet.“
Sachverhalt
16
Im Lauf des Jahres 2008 ließ der Kläger dem PMO einen Kostenvoranschlag
sowie einen Behandlungsplan eines Zahnarztes für die Behandlung seiner Tochter
zukommen, die damals 15 Jahre alt war und an einer Zahnerkrankung leidet.
17
Das PMO forderte den Kläger daraufhin auf, ein „unabhängiges Gutachten“
erstellen zu lassen und dann einen neuen Kostenvoranschlag vorzulegen.
18
Mit Schreiben vom 30. September 2009 übermittelte der Kläger dem PMO ein
Gutachten eines Zahnarztes der Universitätsklinik Aachen (Deutschland) sowie
einen detaillierten Kostenvoranschlag dieses Arztes für die Behandlung der
Zahnerkrankung seiner Tochter. Im selben Schreiben stellte der Kläger beim PMO
einen Antrag auf Anerkennung der Zahnerkrankung seiner Tochter als schwere
Krankheit im Sinne von Art. 20 Abs. 6 der Gemeinsamen Regelung.
19
Mit Entscheidung vom 13. Oktober 2009 gab das PMO dem Antrag auf
Anerkennung als schwere Krankheit statt. Diese Entscheidung trug folgenden
Untertitel: „100%-ige Erstattung von Krankheitskosten (bei schweren Krankheiten
nach Artikel 72 Absatz 1 des Statuts)“.
20
Am 6. Januar, 13. Januar, 20. Januar, 24. Februar, 8. März und 10. März 2010
unterzog sich die Tochter des Klägers einer Zahnersatzbehandlung (bei der 22
provisorische Kronen eingesetzt wurden). Diese Behandlung wurde ohne Einholung
einer vorherigen Genehmigung durchgeführt, da der Kläger der Ansicht war, es liege
ein Fall von Art. 27 Buchst. c der Gemeinsamen Regelung vor, wonach in Fällen
medizinisch begründeter Dringlichkeit die Kosten für genehmigungspflichtige
Leistungen erstattet werden können, auch wenn die Genehmigung nicht vor
Erbringung der Leistungen beantragt wurde.
21
Am 24. Februar 2010 stellte der Kläger beim PMO einen Antrag auf Genehmigung
der in der vorigen Randnummer beschriebenen Zahnersatzbehandlung.
der in der vorigen Randnummer beschriebenen Zahnersatzbehandlung.
22
Die am 6. und 13. Januar 2010 angefallenen Zahnersatzkosten (sechs
provisorische Kronen) waren Gegenstand eines Erstattungsantrags vom 19. Januar
2010 in Höhe von 1 410 Euro.
23
Mit Entscheidung vom 3. Juni 2010, die in Form einer Abrechnung vom 4. Juni
2010 erging, erklärte sich das PMO nur bereit, diese Kosten in Höhe von 360 Euro
zu erstatten, wobei es einen Erstattungshöchstbetrag von 30 Euro für jede
provisorische Krone ansetzte, der aufgrund der schweren Krankheit der Tochter des
Klägers auf 60 Euro für jede provisorische Krone verdoppelt wurde. In derselben
Entscheidung lehnte es das PMO ab, dem Kläger die in Art. 72 Abs. 3 des Statuts
vorgesehene Sondererstattung zu gewähren.
24
Die am 20. Januar, 24. Februar, 8. März und 10. März 2010 angefallenen
Zahnersatzkosten (sechzehn provisorische Kronen) waren Gegenstand eines
Erstattungsantrags vom 18. März 2010 in Höhe von 3 760 Euro (sechzehn
provisorische Kronen). Am selben Tag stellte der Kläger auch einen Antrag auf
Erstattung der am 10. März 2010 angefallenen Zahnbehandlungskosten in Höhe von
280 Euro.
25
Mit Entscheidung vom 28. Mai 2010, die in Form einer Abrechnung vom 1. Juni
2010 erging, erklärte sich das PMO nur bereit, die Zahnersatzkosten in Höhe von
960 Euro zu erstatten, d. h. in Höhe des in Randnr. 23 erwähnten Höchstbetrags
von 60 Euro für jede provisorische Krone. Bei den am 10. März 2010 angefallenen
Zahnbehandlungskosten wurde die Erstattung auf 90 Euro beschränkt. Schließlich
wurde in der genannten Entscheidung die Anwendung von Art. 72 Abs. 3 des Statuts
ebenfalls abgelehnt.
26
Mit Entscheidung vom 4. Juni 2010, die am 11. Juni 2010 bestätigt wurde, erteilte
das PMO förmlich die am 24. Februar 2010 vom Kläger beantragte Genehmigung für
die 22 provisorischen Kronen seiner Tochter. Das PMO beschränkte die Erstattung
dieser Zahnersatzkosten jedoch auf 1 320 Euro, d. h. den Höchstbetrag von 60 Euro
für jede provisorische Krone, obwohl der Kläger in seinem Antrag auf vorherige
Genehmigung angegeben hatte, dass diese Kosten sich auf 5 170 Euro beliefen.
Dagegen erklärte sich das PMO in der Entscheidung bereit, die am 10. März 2010
angefallenen Zahnbehandlungskosten in der beantragten Höhe von 280 Euro zu
erstatten.
27
Mit Schreiben vom 30. Juli 2010 reichte der Kläger gemäß Art. 90 Abs. 2 des
Statuts Beschwerde gegen die Erstattungsentscheidungen des PMO vom 28. Mai
und 3. Juni 2010 sowie gegen die am 11. Juni 2010 bestätigte Entscheidung vom 4.
Juni 2010 ein.
28
Mit Entscheidung vom 24. November 2010 wies die Anstellungsbehörde die
Beschwerde teilweise zurück und führte aus, dass auf den Kläger zu Recht der in
den ADB vorgesehene Erstattungshöchstbetrag angewandt worden sei. Die
den ADB vorgesehene Erstattungshöchstbetrag angewandt worden sei. Die
Anstellungsbehörde wandte hingegen zugunsten des Betroffenen Art. 72 Abs. 3 des
Statuts an und gewährte ihm eine zusätzliche Sondererstattung von 30 Euro für jede
provisorische Krone.
29
Inzwischen hatte der Kläger am 25. Oktober 2010 einen weiteren
Erstattungsantrag gestellt, und zwar für die am 31. Mai und am 30. November 2009
angefallenen Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung (insgesamt 400 Euro),
für die am 17. September und am 3. Oktober 2009 angefallenen Kosten einer
psychologischen Untersuchung (insgesamt 265 Euro), für die am 23. März 2010
angefallenen Kosten einer Konsultation und eines Arztbesuchs (30 Euro) sowie für
die am 22. Juni 2010 angefallenen Kosten für Analysen und Untersuchungen (91,90
Euro). Mit Entscheidung des PMO vom 24. November 2010, die in Form einer
Abrechnung vom 25. November 2010 erging, wurde der Erstattungsbetrag auf
959,89 Euro festgesetzt.
30
Mit Schreiben vom 14. April 2011, also nach Erhebung der vorliegenden Klage,
beantragte der Kläger die Erstattung der für die definitiven Kronen seiner Tochter
angefallenen Kosten in Höhe von 20 800 Euro. Nachdem das PMO diesen Antrag
zunächst zurückgewiesen hatte, da der Betroffene vor der Behandlung keinen
Kostenvoranschlag eingereicht habe, erklärte es sich schließlich mit Entscheidung
vom 16. September 2011 bereit, Kosten in Höhe von 13 000 Euro zu erstatten.
Gegen diese Entscheidung reichte der Betroffene am 30. November 2011
Beschwerde ein.
Verfahren und Anträge der Parteien
31
Am 17. Februar 2011 ist die vorliegende Klage erhoben worden.
32
Der Kläger beantragt,
– die Erstattungsentscheidungen des PMO vom 28. Mai, 3. Juni und 24.
November 2010, soweit darin den Anträgen auf Erstattung der angefallenen
Zahnbehandlungskosten nur teilweise stattgegeben wurde, sowie die am 11.
Juni 2010 bestätigte Entscheidung vom 4. Juni 2010 aufzuheben;
– die Kommission zu verurteilen, an ihn 4 251,49 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 % zu zahlen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
33
Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
34
Die Bemühungen des Berichterstatters um eine gütliche Beilegung des
Rechtsstreits blieben erfolglos.
Rechtsstreits blieben erfolglos.
Rechtliche Würdigung
Zum Antrag auf Aufhebung der Erstattungsentscheidung des PMO vom 24.
November 2010
35
Nach Art. 91 Abs. 2 des Statuts ist eine Klage nur zulässig, wenn bei der
Anstellungsbehörde zuvor eine Beschwerde im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts
innerhalb der dort vorgesehenen Frist eingereicht und diese Beschwerde
ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist.
36
Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass gegen die
Erstattungsentscheidung des PMO vom 24. November 2010 keine Beschwerde
eingereicht wurde. Der Antrag auf Aufhebung dieser Entscheidung ist daher als
unzulässig zurückzuweisen.
Zu den Anträgen auf Aufhebung der Erstattungsentscheidungen des PMO vom 28.
Mai und 3. Juni 2010 und der am 11. Juni 2010 bestätigten Entscheidung des PMO
vom 4. Juni 2010 sowie auf Ersatz der entstandenen Kosten
37
Zur Stützung der genannten Anträge erhebt der Kläger eine Reihe von Rügen, die
sich im Wesentlichen in drei Klagegründe unterteilen lassen, mit denen erstens eine
Verletzung der ADB, zweitens die Rechtswidrigkeit der ADB und drittens ein
Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend gemacht werden.
Zum ersten Klagegrund: Verletzung der ADB
– Vorbringen der Parteien
38
Der Kläger wirft dem PMO vor, die ADB fehlerhaft angewandt und in seinem Fall
zu Unrecht den dort vorgesehenen Erstattungshöchstbetrag herangezogen zu
haben. Die Krankheit seiner Tochter zähle nämlich nicht zu den Krankheiten, für die
in den ADB solche Höchstbeträge vorgesehen seien. Insbesondere sei nach den
ADB die Anwendung dieser Höchstbeträge allein auf schwere Krankheiten
beschränkt, „die die Mundhöhle betreffen oder sich auf diese auswirken“; dies treffe
auf die Krankheit seiner Tochter nicht zu.
39
Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.
– Würdigung durch das Gericht
40
Nach Art. 72 Abs. 1 des Statuts wird dem Beamten, seinem Ehegatten – sofern
dieser nicht nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen
derselben Art und in derselben Höhe erhalten kann –, seinen Kindern und den
sonstigen unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Anhang VII Art. 2 des
Statuts in Krankheitsfällen Ersatz der Aufwendungen bis zu 80 % gewährleistet,
wobei sich dieser Satz im Fall von Tuberkulose, Kinderlähmung, Krebs,
wobei sich dieser Satz im Fall von Tuberkulose, Kinderlähmung, Krebs,
Geisteskrankheiten und anderen als vergleichbar schwer anerkannten Krankheiten
auf 100 % erhöht. Die Bestimmung verweist jedoch bezüglich der
Erstattungsvoraussetzungen auf die Gemeinsame Regelung.
41
In Art. 20 Abs. 6 Unterabs. 4 der Gemeinsamen Regelung heißt es aber
hinsichtlich der Kosten im Fall von Tuberkulose, Kinderlähmung, Krebs,
Geisteskrankheiten und anderen als vergleichbar schwer anerkannten Krankheiten:
„Um das finanzielle Gleichgewicht des [GKFS] zu erhalten und dem Grundsatz der
sozialen Sicherung gemäß Artikel 72 des Status gerecht zu werden, können … auf
bestimmte Leistungen besondere Erstattungshöchstgrenzen angewandt werden, die
in den [ADB] festgelegt sind.“
42
Insoweit sehen die ADB in Titel II Kapitel 5 Ziff. 5 vor, dass die Kosten für
Zahnersatz „mit einem Satz von 80 % im Rahmen der in [einer] Tabelle aufgeführten
erstattungsfähigen Höchstbeträge erstattet“ werden, wobei der
Erstattungshöchstbetrag für eine provisorische Krone nach dieser Tabelle 30 Euro
beträgt. Außerdem sieht Ziff. 7 dieses Kapitels der ADB vor: „Im Falle einer
schweren Krankheit, die Auswirkungen auf die Mundhöhle hat, werden die Kosten
für die [u. a. in Ziff. 5] vorgesehenen Behandlungen nach gemeinsamer
Stellungnahme des Vertrauensarztes und des Vertrauenszahnarztes mit einem Satz
von 100 % bis zum Doppelten des für die einzelnen Leistungen geltenden
Höchstbetrags erstattet.“
43
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Kosten, deren Erstattung der Kläger
beantragt hat, 22 provisorische Kronen für seine Tochter betrafen. Es kann auch
nicht ernsthaft bestritten werden, dass diese Zahnersatzkosten aufgrund der
Zahnerkrankung entstanden sind, an der die Tochter des Klägers leidet und die mit
der in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Entscheidung des PMO vom
13. Oktober 2009 als schwere Krankheit anerkannt wurde.
44
In strikter Anwendung der Ziff. 5 und 7 des Kapitels 5 von Titel II der ADB hat
daher das PMO, das insoweit keinen Ermessensspielraum hatte, auf die
Erstattungsanträge des Klägers den allgemeinen Erstattungshöchstbetrag für
provisorische Kronen angewandt und ihn unter Berücksichtigung der schweren
Krankheit der Tochter des Klägers auf 60 Euro für jede provisorische Krone
verdoppelt.
45
Hätte, wie der Kläger geltend macht, die schwere Krankheit seiner Tochter keine
„Auswirkungen auf die Mundhöhle“ im Sinne von Titel II Kapitel 5 Ziff. 7 der ADB, so
wäre im Übrigen die Folge nicht die Erstattung der gesamten Zahnersatzkosten,
sondern die Anwendung des allgemeinen, ohne Vorliegen einer schweren Krankheit
geltenden Erstattungshöchstbetrags von 30 Euro für jede provisorische Krone.
46
Der erste Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der ADB
– Vorbringen der Parteien
47
Für den Fall, dass die für die provisorischen Kronen seiner Tochter angefallenen
Zahnersatzkosten nach Ansicht des Gerichts in den Anwendungsbereich der ADB
fallen, die einen Erstattungshöchstbetrag vorsehen, macht der Kläger im
Wesentlichen geltend, diese seien rechtswidrig. Er führt aus, in Anbetracht der
Höhe der von ihm zu tragenden Kosten würde durch die Anwendung des
Erstattungshöchstbetrags der in Art. 72 des Statuts verankerte Grundsatz der
sozialen Sicherung verletzt. Aufgrund der Seltenheit der Krankheit seiner Tochter
hätte eine Erstattung der gesamten für die provisorischen Kronen angefallenen
Kosten für das GKFS nur sehr begrenzte finanzielle Folgen gehabt und hätte die
Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts des GKFS nicht gefährdet.
48
Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.
– Würdigung durch das Gericht
49
Der in Art. 72 Abs. 1 des Statuts genannte Satz von 100 % bildet lediglich die
Obergrenze des Betrags, der u. a. bei schwerer Krankheit erstattungsfähig ist; er
bedeutet jedoch nicht, dass den angeschlossenen und mitangeschlossenen
Personen in allen Fällen eine Erstattung von 100 % zu gewähren ist (Urteil des
Gerichts erster Instanz vom 12. Juli 1991, Pincherle/Kommission, T‑110/89,
Randnr. 25). Da die Mittel des GKFS zudem auf die Beiträge der angeschlossenen
Personen und der Organe beschränkt sind und da sein finanzielles Gleichgewicht
zwingend eine Korrelation von Ausgaben und Beiträgen voraussetzt, sind die
Organe, soweit im Statut Erstattungshöchstbeträge fehlen, befugt, solche
Höchstbeträge in den Durchführungsbestimmungen zu Art. 72 Abs. 1 des Statuts
festzulegen, wobei sie jedoch nicht die Grenzen überschreiten dürfen, die ihrer
Befugnis durch den Grundsatz des sozialen Schutzes, der dieser Bestimmung des
Statuts zugrunde liegt, gesetzt sind (Urteile des Gerichts erster Instanz vom 25.
Februar 1992, Barassi/Kommission, T‑41/90, Randnr. 33, und vom 26. Oktober
1993, Reinarz/Kommission, T‑6/92 und T‑52/92, Randnr. 74).
50
Im vorliegenden Fall sind dem Kläger zwar für jede provisorische Krone Kosten
entstanden, die deutlich über dem in seinem Fall angewandten
Erstattungshöchstbetrag von 60 Euro liegen. Für jede dieser Kronen wurden ihm
nämlich zwischen 205 und 285 Euro in Rechnung gestellt.
51
Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, dass die ADB, indem sie den
Erstattungshöchstbetrag für eine provisorische Krone bei schwerer Krankheit auf
60 Euro festsetzen, gegen den Grundsatz der sozialen Sicherung verstoßen, der
Art. 72 des Statuts zugrunde liegt. Abgesehen davon, dass sich aus einem solchen
Grundsatz kein Anspruch einer mitangeschlossenen Person auf Erstattung der ihr
entstandenen Krankheitskosten in einem im Vorhinein festgelegten Umfang und
unabhängig von dem Preis, den der Erbringer der betreffenden ärztlichen Leistungen
verlangt, ableiten lässt, hat der Kläger nicht nachgewiesen oder auch nur behauptet,
verlangt, ableiten lässt, hat der Kläger nicht nachgewiesen oder auch nur behauptet,
dass die von den Zahnärzten in den Mitgliedstaaten üblicherweise verlangten Preise
für provisorische Kronen mit dem in den ADB vorgesehenen
Erstattungshöchstbetrag von 60 Euro nichts gemein haben.
52
Bei der Beurteilung der Frage, ob der in den ADB für eine provisorische Krone im
Fall einer schweren Krankheit vorgesehene Höchstbetrag von 60 Euro im Hinblick
auf den Grundsatz der sozialen Sicherung rechtmäßig ist, ist überdies auch Art. 72
Abs. 3 des Statuts zu berücksichtigen, der bestimmt: „Übersteigen die nicht
ersetzten Aufwendungen in einem Zeitraum von zwölf Monaten ein halbes
Monatsgrundgehalt des Beamten oder ein halbes Ruhegehalt, so gewährt die
Anstellungsbehörde eine Sondererstattung; hierbei sind die Familienverhältnisse
des Betreffenden unter Zugrundelegung der [Gemeinsamen] Regelung zu
berücksichtigen.“
53
Im vorliegenden Fall hat das PMO unstreitig zugunsten des Klägers Art. 72 Abs. 3
des Statuts angewandt und entschieden, ihm für jede provisorische Krone neben
dem Betrag von 60 Euro – dem in Kapitel 5 Ziff. 5 und 7 der ADB vorgesehenen
Höchstbetrag – weitere 30 Euro als Sondererstattung zu gewähren, d. h. insgesamt
90 Euro für jede provisorische Krone.
54
Wenn der Kläger schließlich geltend macht, dass aufgrund der Seltenheit der
Krankheit seiner Tochter die Erstattung der gesamten für die provisorischen Kronen
angefallenen Kosten die Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts des GKFS nicht
gefährdet hätte, so kann dieses Argument nicht durchgreifen, da der Kläger, wie
bereits ausgeführt, nicht nachgewiesen hat, dass es ihm unmöglich war, sich an
einen Zahnarzt zu wenden, der für die provisorischen Kronen Preise in Rechnung
gestellt hätte, die dem Erstattungshöchstbetrag der ADB entsprechen.
55
Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
– Vorbringen der Parteien
56
Der Kläger macht geltend, mit der Entscheidung des PMO vom 13. Oktober 2009,
die Zahnerkrankung seiner Tochter als schwere Krankheit anzuerkennen, sei ihm
uneingeschränkt und ohne daran Bedingungen zu knüpfen die 100%-ige Erstattung
aller mit dieser Erkrankung zusammenhängenden Kosten zugesichert worden.
Deshalb habe die Kommission durch die Anwendung der Erstattungshöchstbeträge
auf seine Kostenerstattungsanträge gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
verstoßen.
57
Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen.
– Würdigung durch das Gericht
58
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht auf Vertrauensschutz an drei
Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen
Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen
präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von
zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben haben. Zweitens müssen diese
Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu
wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften
entsprechen (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 1. März 2007,
Neirinck/Kommission, F‑84/05, Randnr. 79).
59
Im vorliegenden Fall trug die Entscheidung des PMO vom 13. Oktober 2009, mit
der die Zahnerkrankung, an der die Tochter des Klägers leidet, als schwere
Krankheit anerkannt wurde, zwar den Untertitel „100%-ige Erstattung von
Krankheitskosten (bei schweren Krankheiten nach Artikel 72 Absatz 1 des Statuts)“.
In dieser Entscheidung wurde ihr Adressat auch nicht ausdrücklich auf die Existenz
von Erstattungshöchstbeträgen hingewiesen. Schließlich wurde darin auf die
frühere, am 1. Dezember 2005 aufgehobene Fassung der Gemeinsamen Regelung
Bezug genommen.
60
Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass es auf dem Formular für den Antrag auf
Anerkennung als schwere Krankheit, das der Kläger am 30. September 2009
ausgefüllt und unterschrieben hat, hieß: „Die Vorschriften über die Anerkennung als
schwere Krankheit können Sie der Rückseite dieses Formulars entnehmen.“ Auf der
Rückseite des Formulars befand sich folgender Hinweis: „Um das finanzielle
Gleichgewicht des [GKFS] zu erhalten und dem Grundsatz der sozialen Sicherung
gemäß Artikel 72 des Status gerecht zu werden, können … auf bestimmte
Leistungen besondere Erstattungshöchstgrenzen angewandt werden, die in den
[ADB] festgelegt sind.“ Außerdem hat der Kläger bei Stellung seines Antrags auf
Anerkennung als schwere Krankheit mit seiner Unterschrift bestätigt, „von den
geltenden Voraussetzungen und Vorschriften Kenntnis genommen“ zu haben.
61
Unterstellt, das PMO hätte mit der Entscheidung vom 13. Oktober 2009, das
Vorliegen einer schweren Krankheit anzuerkennen, dem Kläger präzise, nicht an
Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen gegeben, dass ihm
die Zahnersatzkosten in vollem Umfang ohne Anwendung eines Höchstbetrags
erstattet würden, hätten diese Zusicherungen für den Kläger jedenfalls kein Recht
auf Vertrauensschutz begründen können, da derartige Zusicherungen nicht mit den
ADB im Einklang gestanden hätten und ein Vertrauensschutz, wie bereits
ausgeführt, voraussetzt, dass die gegebenen Zusicherungen den geltenden
Vorschriften entsprechen.
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Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
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Der Kläger, der vor Erhebung seiner Klage hinreichend über die den
Erstattungsentscheidungen des PMO vom 28. Mai und 3. Juni 2010 und der am 11.
Juni 2010 bestätigten Entscheidung vom 4. Juni 2010 zugrunde liegenden
tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte informiert war, kann somit nicht mit
Erfolg geltend machen, dass diese Entscheidungen rechtswidrig seien.
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Unter diesen Umständen sind die Aufhebungsanträge und infolgedessen auch der
Antrag auf Kostenersatz zurückzuweisen.
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Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
66
Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei
vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels ihres Zweiten Titels
auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 Abs. 2 kann das
Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur
Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu
verurteilen ist.
67
Aus den Gründen des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der Kläger mit seiner
Klage unterlegen ist. Außerdem hat die Kommission ausdrücklich beantragt, ihm die
Kosten aufzuerlegen. Auch wenn der Kläger in dem von ihm ausgefüllten und
unterschriebenen Formular für die Anerkennung als schwere Krankheit auf das
Bestehen besonderer Erstattungshöchstbeträge hingewiesen wurde, wurden jedoch
in der Entscheidung über die Anerkennung der schweren Krankheit vom 13. Oktober
2009, die den Untertitel „100%-ige Erstattung von Krankheitskosten (bei schweren
Krankheiten nach Artikel 72 Absatz 1 des Statuts)“ trägt, diese Höchstbeträge nicht
erwähnt, und zudem wurde auf eine Gemeinsame Regelung Bezug genommen, die
zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht mehr in Kraft war. Auch wenn
diese Entscheidung für den Kläger keinen Vertrauensschutz begründen konnte, war
sie deshalb aufgrund ihres lapidaren und teilweise unzutreffenden Inhalts gleichwohl
geeignet, bei ihm die Vorstellung zu wecken, dass ihm die gesamten aufgrund der
Zahnerkrankung seiner Tochter anfallenden Kosten erstattet werden könnten. Das
Gericht hält die Anwendung von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung deshalb für
gerechtfertigt und entscheidet daher, den unterlegenen Kläger nicht zur Tragung der
Kosten der Kommission zu verurteilen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage von AW wird abgewiesen.
2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Van Raepenbusch
Kreppel
Barents
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juni 2012.
Die Kanzlerin
Der Präsident
W. Hakenberg
H. Kreppel
Verfahrenssprache: Deutsch.