Urteil des EuGH vom 07.09.2016

Verordnung, Geistiges Eigentum, Form, Beschwerdekammer

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
7. September 2016(
*
)
„Rechtsmittel – Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Unionsmarke – Bildmarke mit einem Wortbestandteil in japanischer Sprache und
dem Bild eines Koalas, der einen kleinen Koala trägt, in einem Baum – Widerspruch des Inhabers der älteren nationalen dreidimensionalen Marke
KOALA-BÄREN und der älteren nationalen Bildmarke KOALA – Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke – Benutzung der Marke in einer Form, die
nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird – Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a und
Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Teils offensichtlich unzulässiges und teils offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel“
In der Rechtssache C‑586/15 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 11. November 2015,
Lotte Co. Ltd
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Nestlé Unternehmungen Deutschland GmbH
Klägerin im ersten Rechtszug,
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Beklagter im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie des Richters A. Rosas (Berichterstatter) und der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit
Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Lotte Co. Ltd, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 15. September 2015, Nestlé
Unternehmungen Deutschland/HABM – Lotte (Darstellung eines Koalas) (T‑483/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:635, im Folgenden: angefochtenes
Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht der Klage der Nestlé Unternehmungen Deutschland GmbH stattgegeben und die Entscheidung der Vierten
Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 3. September 2012 (Sache R 2103/2010‑4) zu einem
Widerspruchsverfahren zwischen der Nestlé Schöller GmbH & Co. KG und Lotte (im Folgenden: streitige Entscheidung) aufgehoben hat.
Rechtlicher Rahmen
Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) wurde durch die am 13. April
2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) aufgehoben und
ersetzt. Da der Zeitpunkt der in Rede stehenden Anmeldung, hier der 1. August 2007, für die Feststellung des anwendbaren materiellen Rechts
maßgebend ist, gelten für den vorliegenden Rechtsstreit jedoch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 und die
materiell-rechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 40/94.
Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) bestimmte:
„Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,
b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren
oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt
die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“
Art. 15 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 15 der Verordnung Nr. 207/2009) lautete:
„(1) Hat der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren,
gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen
Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass
berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
(2) Folgendes gilt ebenfalls als Benutzung im Sinne des Absatzes 1:
a) Benutzung der Gemeinschaftsmarke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die
Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird;
…“
Art. 43 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009) sah vor:
„(2) Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen,
dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der
Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft,
ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke
seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere
Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der
Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.
(3) Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe a mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an
die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 1. August 2007 meldete Lotte gemäß der Verordnung Nr. 40/94 beim EUIPO eine Unionsmarke an.
Die Anmeldung wurde im
Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 04/2008 vom 28. Januar 2008 veröffentlicht.
Am 23. April 2008 erhob Nestlé Schöller, jetzt Nestlé Unternehmungen Deutschland, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der
Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der fraglichen Marke für die in der Anmeldung bezeichneten Waren.
Der Widerspruch wurde auf die Gefahr einer Verwechslung gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009) mit zwei älteren nationalen Marken, einer unter der Nr. 1123092 eingetragenen dreidimensionalen Marke und einer unter
der Nr. 1141758 eingetragenen Bildmarke, gestützt.
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Auf Antrag von Lotte forderte das EUIPO Nestlé Schöller mit Schreiben vom 13. März 2009 gemäß Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 der
Verordnung Nr. 207/2009) auf, die ernsthafte Benutzung dieser älteren Marken nachzuweisen. Mit Schreiben vom 6. Mai 2009 legte Nestlé Schöller
mehrere Arten von Beweisen vor.
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Mit Entscheidung vom 30. September 2010 gab die Widerspruchsabteilung des EUIPO dem Widerspruch statt. Sie stellte fest, dass Nestlé Schöller
den Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke Nr. 1123092 nicht erbracht habe. Hinsichtlich der älteren Marke Nr. 1141758 sei der
Nachweis dagegen erbracht worden, und zwischen dieser Marke und der angemeldeten Marke bestehe eine Verwechslungsgefahr.
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Am 26. Oktober 2010 legte Lotte gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 und 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim
EUIPO Beschwerde ein und machte geltend, Nestlé Schöller habe die Benutzung der beiden älteren Marken nicht nachgewiesen.
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Mit der streitigen Entscheidung hob die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung des Amtes auf und wies
den Widerspruch von Nestlé Schöller zurück, da diese den Nachweis der ernsthaften Benutzung nach Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung
Nr. 207/2009 weder für die ältere Marke Nr. 1123092 noch für die ältere Marke Nr. 1141758 erbracht habe.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
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Mit Klageschrift, die am 5. November 2012 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Nestlé Unternehmungen Deutschland Klage auf Aufhebung der
streitigen Entscheidung. Zur Begründung ihrer Klage machte sie zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten wurde ein Verstoß gegen den Anspruch
auf rechtliches Gehör und mit dem zweiten ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt. In
Beantwortung einer Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen übersandte das EUIPO dem Gericht mit Schreiben vom 3. Juni 2014 mehrere Kopien der
von Nestlé Schöller mit Schreiben vom 6. Mai 2009 vorgelegten Beweise für die ernsthafte Benutzung der älteren Marken.
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Das Gericht hat den ersten Klagegrund zurückgewiesen. Zum zweiten Klagegrund hat das Gericht in Rn. 56 des angefochtenen Urteils an den
Normzweck des Erfordernisses, dass die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sein müsse, und in Rn. 57 dieses Urteils an die Nachweise erinnert,
die nach Regel 22 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl.
1995, L 303, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1041/2005 der Kommission vom 29. Juni 2005 (ABl. 2005, L 172, S. 4) geänderten Fassung
erforderlich seien. In den Rn. 58 bis 60 des Urteils hat das Gericht an die Kriterien für die Prüfung einer ernsthaften Benutzung erinnert, nämlich die
Benutzung der Marke entsprechend ihrer Hauptfunktion, die umfassende Beurteilung sämtlicher relevanter Faktoren und das Vorliegen konkreter und
objektiver Umstände, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen.
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Zu der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke hat das Gericht in Rn. 65 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Nestlé
Unternehmungen Deutschland in ihrer Klage die Beurteilung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO im Hinblick auf die unterscheidungskräftigen
Bestandteile dieser Marke, die Form ihrer Benutzung und die Erheblichkeit dieser Benutzung gerügt habe.
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Das Gericht hat als Erstes die unterscheidungskräftigen Bestandteile der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke geprüft und in Rn. 71
des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO einen Beurteilungsfehler in Bezug auf den Ausdruck „Koala-
Bären“ begangen habe, da sie nicht berücksichtigt habe, dass der Durchschnittsverbraucher ein Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen werde,
die ihm eine konkrete Bedeutung vermittelten oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich seien, und dass der Verbraucher regelmäßig dem ersten Teil
einer Marke eine höhere Aufmerksamkeit widme. In Rn. 72 dieses Urteils ist es davon ausgegangen, dass die Unterscheidungskraft dieser Marke, die
im Gesamteindruck dominierend sei, aus der sechseckigen Form der Schachtel, dem Wort „Koala“ und der Abbildung stilisierter Koalas in ihrem
natürlichen Lebensumfeld bestehe.
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Als Zweites hat das Gericht die Form geprüft, in der die unter der Nr. 1123092 eingetragene ältere Marke benutzt worden ist. Hierzu hat es auf den
Zweck von Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 hingewiesen, der es vermeide, eine strikte Übereinstimmung zwischen
der verwendeten Form der fraglichen Marke und derjenigen, in der diese Marke eingetragen worden sei, vorzuschreiben. Im Rahmen seiner Prüfung
hat das Gericht in Rn. 90 des angefochtenen Urteils u. a. festgestellt, dass die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO einen Beurteilungsfehler
begangen habe, indem sie davon ausgegangen sei, dass die Abbildungen aus den mit „2003“ und „2005“ gekennzeichneten Produktkatalogen, die
in Anlage 3 zum Schreiben vom 3. Juni 2014 als „2A“, „5A“ und „5B“ identifiziert worden seien, in der Wahrnehmung des Publikums einen
unterscheidungskräftigen Gesamteindruck erzeugten, der von dem der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke abweiche.
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Als Drittes hat das Gericht den Umfang der Benutzung der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke hinsichtlich der Waren geprüft, die in
den in der vorstehenden Randnummer genannten mit „2003“ und „2005“ gekennzeichneten Produktkatalogen identifiziert werden. Insoweit ist das
Gericht in Rn. 110 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO zu Unrecht weder den Umfang
noch die Dauer der ernsthaften Benutzung dieser Marke in Bezug auf die mit „2A“ und „5A“ in der Anlage 3 zum Schreiben vom 3. Juni 2014
identifizierten Waren geprüft habe. Deshalb hat das Gericht entschieden, dass die streitige Entscheidung aufzuheben sei.
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Zu der unter der Nr. 1141758 eingetragenen älteren Marke hat das Gericht in Rn. 117 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Vierte
Beschwerdekammer des EUIPO zu Recht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die ernsthafte Benutzung dieser Marke rechtlich nicht hinreichend
nachgewiesen worden sei, und daher den Widerspruch von Nestlé Unternehmungen Deutschland, soweit er auf diese Marke gestützt werde, zu Recht
zurückgewiesen habe.
Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof
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Lotte beantragt,
– in der Hauptsache, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung abzuweisen;
– hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;
– Nestlé Unternehmungen Deutschland die Kosten aufzuerlegen.
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Nestlé Unternehmungen Deutschland beantragt,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen;
– Lotte die Kosten aufzuerlegen.
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Das EUIPO beantragt,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– die Klage gegen die streitige Entscheidung abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;
– Nestlé Unternehmungen Deutschland die Kosten sowohl des Verfahrens im ersten Rechtszug als auch des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
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Nach Art. 181 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof ein ganz oder teilweise offensichtlich unzulässiges oder offensichtlich unbegründetes
Rechtsmittel jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch Beschluss, der mit
Gründen zu versehen ist, zurückweisen.
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Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin einen einzigen Rechtsmittelgrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 15
Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 rügt, der die Benutzung der Marke in einer Form betrifft, die von der Eintragung nur in
Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft dieser Marke beeinflusst wird. Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes
macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe bei der Untersuchung der unterscheidungskräftigen Bestandteile der unter der
Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke einen Rechtsfehler begangen. Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht sie einen
Rechtsfehler des Gerichts bei der Beurteilung der Form, in der diese Marke benutzt worden sei, geltend.
Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Rechtsfehler bei der Untersuchung der unterscheidungskräftigen Bestandteile der unter der
Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke
Vorbringen der Parteien
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Mit dem ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht erstens vor, die unterscheidungskräftigen
Bestandteile der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke nicht im Einzelnen geprüft, sondern sich auf eine Zusammenfassung der
Argumente der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO beschränkt zu haben. Zweitens habe das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Urteils die
Rechtsprechung zur Untersuchung der unterscheidungskräftigen Bestandteile einer Marke im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr
angeführt, obschon diese Rechtsprechung auf die Untersuchung der unterscheidungskräftigen Bestandteile der älteren Marke bei der Prüfung von
deren ernsthafter Benutzung nicht anwendbar sei. Drittens wirft Lotte dem Gericht vor, es sei in Rn. 72 des angefochtenen Urteils davon
ausgegangen, dass die Unterscheidungskraft der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke, die im Gesamteindruck dominierend sei, aus
der sechseckigen Form der Schachtel, dem Wort „Koala“ und der Abbildung stilisierter Koalas in ihrem natürlichen Lebensumfeld bestehe. Sie führt
verschiedene Argumente an, um darzulegen, dass dies nicht der Fall sei.
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Nestlé Unternehmungen Deutschland macht geltend, dass das Rechtsmittel unzulässig sei, da es darauf abziele, die tatsächliche Beurteilung der
unterscheidungskräftigen Bestandteile der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke einer Überprüfung durch den Gerichtshof zu
unterziehen. Im Übrigen habe das Gericht keinen Fehler bei seiner Beurteilung der unterscheidungskräftigen Bestandteile dieser Marke begangen.
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Das EUIPO hält das Rechtsmittel für zulässig, soweit mit ihm die Grundsätze beanstandet würden, die das Gericht herangezogen habe, um
festzustellen, ob eine zur Begründung des Widerspruchs geltend gemachte Form der Benutzung der älteren Marke trotz Abweichungen von der
eingetragenen Form gemäß Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 akzeptiert werden könne. Seiner Ansicht nach hat das
Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es die in Rn. 69 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung auf die Beurteilung der
ernsthaften Benutzung der älteren Marke übertragen und damit inkorrekte Kriterien angewandt habe.
Würdigung durch den Gerichtshof
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Aus den Vorschriften, die das Verfahren vor den Unionsgerichten regeln, insbesondere aus Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen
Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts, ergibt sich, dass der Rechtsstreit grundsätzlich von den Parteien bestimmt und begrenzt wird
(Urteil vom 10. Dezember 2013, Kommission/Irland u. a., C‑272/12 P, EU:C:2013:812, Rn. 27). Daraus folgt, dass das Gericht die streitige
Entscheidung nicht von Amts wegen kontrolliert, sondern im Hinblick auf die von den Parteien vorgetragenen Gründe. Das Gericht hat somit keinen
Rechtsfehler begangen, indem es die Argumente der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO zusammengefasst hat, bevor es in Rn. 65 des
angefochtenen Urteils die Beurteilungsfehler beschrieben hat, die Nestlé Unternehmungen Deutschland der Beschwerdekammer entgegenhält.
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Wie aus der genannten Rn. 65 hervorgeht, betraf eine dieser Rügen die Beurteilung der unterscheidungskräftigen Bestandteile der unter der
Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke. Hierzu ist anzumerken, dass eine solche Untersuchung offensichtlich der Untersuchung der ernsthaften
Benutzung der fraglichen Marke vorausgehen muss, da nach Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 als ernsthafte
Benutzung die Benutzung der Unionsmarke in einer Form gilt, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die
Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Die Form der Benutzung der fraglichen Marke ist nämlich mit Blick auf deren Unterscheidungskraft
zu prüfen, um festzustellen, ob diese Unterscheidungskraft beeinflusst wird.
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Daher hat das Gericht im Rahmen der Beantwortung des Vorbringens von Nestlé Unternehmungen Deutschland zur Beurteilung des
Wortbestandteils „Koala-Bären“, der einer der Bestandteile ist, die die Unterscheidungskraft der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke
ausmachen, durch die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO in Rn. 69 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei die Rechtsprechung angeführt, die
die Art und Weise betrifft, in der der Durchschnittsverbraucher ein Wortzeichen wahrnimmt.
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Als das Gericht die Form geprüft hat, in der die unter der Nr. 1123092 eingetragene ältere Marke benutzt wurde, hat es zunächst in den Rn. 73 und
74 des angefochtenen Urteils auf die Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 hingewiesen. Das Gericht
hat unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung in u. a. den Rn. 80, 85, 89 und 94 des angefochtenen Urteils und somit rechtsfehlerfrei die
Würdigung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO betreffend den Nachweis einer ernsthaften Benutzung dieser älteren Marke im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 überprüft.
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Zur Beanstandung der Bestandteile, die das Gericht als die Unterscheidungskraft der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke
ausmachend identifiziert hat, ist festzustellen, dass es sich um ein Argument handelt, das sich auf Tatsachenfeststellungen bezieht, deren
Überprüfung dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht zusteht.
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Da die Argumente, aus denen der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes besteht, offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet
sind, ist dieser Teil zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Rechtsfehler bei der Beurteilung der Form, in der die unter der Nr. 1123092 eingetragene ältere
Marke benutzt wurde
Vorbringen der Parteien
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Mit dem zweiten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes rügt Lotte, das Gericht habe in Rn. 81 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt,
dass die in den Auszügen aus den Produktkatalogen 2003 und 2005 enthaltenen Abbildungen eine rechtserhaltende Benutzung der unter der
Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke darstellten.
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Sie macht geltend, das Gericht habe sich im Verhältnis zu Rn. 74 des angefochtenen Urteils widersprochen, da es in Rn. 80 dieses Urteils
festgestellt habe, dass bestimmte der unter der Nr. 1123092 eingetragenen älteren Marke hinzugefügte Wort- und Bildbestandteile „nicht zu
vernachlässigen“ seien, wohingegen es in Rn. 74 des Urteils eine Rechtsprechung zu im Handelsverkehr verwendeten Zeichen anführe, die von der
Form des eingetragenen Zeichens nur in „geringfügigen Bestandteilen“ abwichen, womit die beiden Zeichen als insgesamt gleichwertig betrachtet
werden könnten.
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Nestlé Unternehmungen Deutschland und das EUIPO beantragen die Zurückweisung des zweiten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes.
Würdigung durch den Gerichtshof
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Insoweit genügt es, festzustellen, dass das Gericht in Rn. 80 des angefochtenen Urteils auf „Hinzufügungen“ verwiesen hat, die „zwar teilweise nicht
zu vernachlässigen“ seien. Die Feststellung, dass Hinzufügungen „teilweise“ nicht zu vernachlässigen sind, kann jedoch keine Folgen für den
Gesamteindruck bewirken. Daher hat das Gericht unter Bezugnahme auf die u. a. in Rn. 74 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung in
Rn. 80 widerspruchsfrei die Feststellung treffen können, dass die fraglichen Hinzufügungen die Unterscheidungskraft der unter der Nr. 1123092
eingetragenen älteren Marke nicht verändert hätten.
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Des Weiteren ist festzustellen, dass Lotte im Rahmen ihres Rechtsmittels zahlreiche Argumente tatsächlicher Art ausführt. Wie indes in Rn. 33 des
vorliegenden Beschlusses in Erinnerung gerufen worden ist, ist der Gerichtshof nicht dafür zuständig, im Rahmen eines auf Rechtsfragen
beschränkten Rechtsmittels die Tatsachenfeststellungen des Gerichts zu überprüfen.
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Daraus folgt, dass der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet und
daher zurückzuweisen ist.
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Folglich ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kosten
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Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende
Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
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Da Nestlé Unternehmungen Deutschland beantragt hat, Lotte zur Tragung der Kosten zu verurteilen, und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist,
sind Lotte außer ihren eigenen Kosten die Kosten von Nestlé Unternehmungen Deutschland aufzuerlegen. Da Nestlé Unternehmungen Deutschland
keine Verurteilung des EUIPO zur Kostentragung beantragt hat, können dem EUIPO nur seine eigenen Kosten auferlegt werden.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Lotte Co. Ltd trägt außer ihren eigenen Kosten die Kosten von Nestlé Unternehmungen Deutschland GmbH.
3. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) trägt seine eigenen Kosten.
Unterschriften
*
Verfahrenssprache: Deutsch.