Urteil des EuGH vom 01.12.2005

EuGH: eng, heilbehandlung, kommission, juristische person, steuerbefreiung, verpflegung, vermietung, unterbringung, begriff, regierung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Dritte Kammer)
1. Dezember 2005)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b – Befreiungen – Mit einer
Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundene Umsätze –
Zurverfügungstellung eines Telefons und Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten –
Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Krankenhauspatienten“
In den verbundenen Rechtssachen C-394/04 und C-395/04
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Symvoulio tis
Epikrateias (Griechenland) mit Entscheidungen vom 16. Juni 2004, beim Gerichtshof eingegangen am
17. September 2004, in den Verfahren
Diagnostiko & Therapeftiko Kentro Athinon-Ygeia AE
gegen
Ypourgos Oikonomikon
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.‑P. Puissochet, S. von Bahr,
U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Diagnostiko & Therapeftiko Kentro Athinon-Ygeia AE, vertreten durch K. Karlis, dikigoros,
– der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna, S. Trekli und V. Kyriazopoulos als
Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung, vertreten durch W.‑D. Plessing und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
– der zypriotischen Regierung, vertreten durch A. Miltiadou-Omirou als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als
Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. September 2005
folgendes
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften
der
Mitgliedstaaten
über
die
Umsatzsteuern
Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im
Folgenden: Sechste Richtlinie).
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Diagnostiko & Therapeftiko
Kentro Athinon-Ygeia AE (im Folgenden: Ygeia), einer juristischen Person des Privatrechts, deren
Gesellschaftszweck in der Erbringung von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen
besteht, und dem Ypourgos Oikonomikon (Finanzminister) wegen der Weigerung der Dimosia
Oikonomiki Ypiresia Forologias Anonymon Emborikon Etairion Athinon (für die Besteuerung von
Aktiengesellschaften zuständige Finanzbehörde von Athen), die Zurverfügungstellung eines Telefons
und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten sowie die Unterbringung und
Verpflegung der Begleitpersonen dieser Patienten als mit der Krankenhausbehandlung und der
medizinischen Behandlung eng verbundene Umsätze von der Mehrwertsteuer zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
3 Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den
Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
b) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng
verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen,
welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von
Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen
ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt
werden“.
4 Artikel 13 Teil A Absatz 2 Buchstabe b dieser Richtlinie sieht vor:
„b) Von der in Absatz 1 Buchstaben b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung sind
Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn
– sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich
sind;
– sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch
Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der
Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“
5 Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe d des Gesetzes Nr. 1642/1986 über die Anwendung der Mehrwertsteuer
und andere Bestimmungen (FEK A’ 125) bestimmt:
„Von der Steuer befreit sind:
d) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng
verbundenen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die von Personen
ausgeführt werden, die rechtmäßig tätig sind. Diesen Dienstleistungen werden ferner die
Leistungen gleichgestellt, die in Heilbad‑ und Heilquelleneinrichtungen erbracht werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
6 Nach einer Prüfung der Rechnungsbücher von Ygeia für die Veranlagungszeiträume 1992 und 1993
war die Dimosia Oikonomiki Ypiresia Forologias Anonymon Emborikon Etairion Athinon der Ansicht, dass
die Einnahmen von Ygeia aus der Zurverfügungstellung von Telefonen und der Vermietung von
Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten sowie der Unterbringung und Verpflegung von
Begleitpersonen dieser Patienten der Mehrwertsteuer unterlägen, da diese Leistungen keine mit der
Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundene Umsätze seien. Sie
berichtigte daraufhin mit zwei Bescheiden, die jeweils eines dieser beiden Jahre betrafen, die
Steuerschuld dieser Gesellschaft.
7 Ygeia klagte gegen diese Bescheide beim Dioikitiko Protodikeio Athinon (Verwaltungsgericht erster
Instanz Athen), dann in der Berufungsinstanz beim Dioikitiko Efeteio Athinon (Oberverwaltungsgericht
Athen). Sie begründete ihre Klagen damit, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen zur
Versorgung der Krankenhauspatienten und zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit dritten Personen
und demzufolge durch die Verbesserung ihrer seelischen Verfassung zur schnelleren Genesung der
Patienten beitrügen. Diese Klagen wurden mit der Begründung abgewiesen, die fraglichen
Dienstleistungen seien nicht eng mit der Krankenhausbehandlung verbunden, da sie darauf gerichtet
seien, den Aufenthalt der Patienten in den Krankenanstalten zu erleichtern, ohne zu deren
Behandlung beizutragen.
8 Ygeia erhob Kassationsklagen gegen die Urteile des Dioikitiko Efeteio Athinon beim Symvoulio tis
Epikrateias.
9 Der Symvoulio tis Epikrateias weist in seinen Vorlageentscheidungen darauf hin, dass Ygeia als
juristische Person des Privatrechts hinsichtlich der Krankenhausbehandlungen und der ärztlichen
Heilbehandlungen sowie der mit diesen eng verbundenen Umsätze unstreitig die Voraussetzungen für
eine Befreiung von der Mehrwertsteuer erfülle. Es stelle sich lediglich die Frage, ob die streitigen
Leistungen unter den Begriff der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung
„eng verbundenen Umsätze“ fielen.
10 Das vorlegende Gericht führt dazu aus, dass dieser Begriff in Artikel 13 Teil A Absatz 1 der Sechsten
Richtlinie nicht definiert sei. Nach den in Artikel 13 Teil A Absatz 2 Buchstabe b dieser Richtlinie
genannten Kriterien könne ein Umsatz jedoch als mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen
Heilbehandlung eng verbunden angesehen werden, wenn er zum einen zur Ausübung der Tätigkeiten,
für die Steuerbefreiung gewährt werde, unerlässlich sei und zum anderen nicht dazu bestimmt sei,
dem Erbringer der steuerbefreiten Leistungen zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Im Übrigen habe
der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-45/01 (Dornier, Slg.
2003, I‑12911, Randnrn. 33 bis 35) festgestellt, dass es für die Frage, ob ein Umsatz unter den Begriff
„eng verbundene Umsätze“ falle, darauf ankomme, ob es sich dabei um eine Nebenleistung handele.
Dies erfordere die Feststellung, ob diese Leistung für ihre Empfänger ein Mittel darstelle, um andere
Leistungen unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können, oder ob sie ihren Zweck in
sich trage.
11 Unter diesen Umständen hat der Symvoulio tis Epikrateias in dem Verfahren betreffend den
Veranlagungszeitraum 1992 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende
Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen (Rechtssache C‑394/04):
Sind von unter Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie fallenden Personen
erbrachte Dienstleistungen, die in der Zurverfügungstellung eines Telefons und eines Fernsehgeräts
an Patienten sowie der Verpflegung und Unterbringung von Begleitpersonen von Patienten bestehen,
als mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundene Umsätze im
Sinne der vorstehenden Vorschrift anzusehen, da sie Nebenleistungen zu dieser Behandlung, aber
auch für diese unerlässlich sind?
12 Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1993 hat dieses Gericht beschlossen, das bei ihm anhängige
Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof die vorgenannte Frage beantwortet hat (Rechtssache
C‑395/04).
13 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 2004 sind die Rechtssachen
C‑394/04 und C‑395/04 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer
Entscheidung verbunden worden.
Zur Vorlagefrage
14 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Zurverfügungstellung
eines Telefons und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten durch eine
medizinische Einrichtung im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie,
sowie die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen dieser Patienten durch diese
Einrichtung mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundene
Umsätze im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
15 Vorab ist festzustellen, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der
Sechsten Richtlinie umschrieben sind, nach der Rechtsprechung eng auszulegen sind, da sie
Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein
Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (Urteile vom 20. Juni 2002 in der
Rechtssache C‑287/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I‑5811, Randnr. 43, und vom 26. Mai 2005
in der Rechtssache C‑498/03, Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I‑4427, Randnr. 29).
Diese Steuerbefreiungen sind autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat
zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (Urteile
vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C‑349/96, CPP, Slg. 1999, I‑973, Randnr. 15, und vom 8. März
2001 in der Rechtssache C‑240/99, Skandia, Slg. 2001, I‑1951, Randnr. 23).
16 Außerdem sollen durch Artikel 13 Teil A der Sechsten Richtlinie bestimmte dem Gemeinwohl dienende
Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden jedoch nicht alle
dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in
ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1998 in
der Rechtssache C-149/97, Institute of the Motor Industry, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 18, und vom 20.
November 2003 in der Rechtssache C‑8/01, Taksatorringen, Slg. 2003, I‑13711, Randnr. 60).
17 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, enthält Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der
Sechsten Richtlinie keine Definition des Begriffes der mit der Krankenhausbehandlung und der
ärztlichen Heilbehandlung „eng verbundenen“ Umsätze (Urteil vom 11. Januar 2001 in der Rechtssache
C‑76/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I‑249, Randnr. 22). Gleichwohl ergibt sich schon aus dem
Wortlaut dieser Bestimmung, dass sie sich nicht auf Leistungen bezieht, die in keinem Zusammenhang
mit einer etwaigen Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung der Leistungsempfänger
stehen (Urteil Dornier, Randnr. 33).
18 Daher fallen Leistungen nur dann unter den in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten
Richtlinie enthaltenen Begriff der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung
„eng
verbundenen
Umsätze“,
wenn
sie
tatsächlich
als
Nebenleistungen
zu
einer
Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung ihrer Empfänger, die die Hauptleistung
darstellt, erbracht werden (Urteil Dornier, Randnr. 35).
19 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung
angesehen werden kann, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die
Hauptdienstleistung des Erbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. in
diesem Sinne u. a. Urteile vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C‑308/96 und C‑94/97, Madgett
und Baldwin, Slg. 1998, I‑6229, Randnr. 24, und Dornier, Randnr. 34).
20 Ygeia macht insoweit geltend, die Erbringung von Beherbergungs‑ und Verpflegungsleistungen
gegenüber den Begleitpersonen, durch die die Krankenhauspatienten seelische Unterstützung sowie
Hilfe erhielten, wenn sie aufgrund ihres Zustands nicht mehr zu den Verrichtungen des täglichen
Lebens in der Lage seien, ermögliche den Patienten eine bessere Genesung und verringere
gleichzeitig die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals. Durch die Zurverfügungstellung von Telefonen
und die Vermietung von Fernsehgeräten an die Krankenhauspatienten könnten diese mit der
Außenwelt in Kontakt bleiben, was sie in eine seelische Verfassung versetze, die eine schnellere
Genesung ermögliche, und somit die Gesamtkosten der Krankenhausbehandlung verringere. Das
relevante Kriterium für die Frage, ob diese Leistungen unter den Begriff der mit der
Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung „eng verbundenen Umsätze“ fielen, sei
somit der Wille des Patienten, der die genannten Leistungen erbeten habe, weil er sie für erforderlich
für seine Genesung halte.
21 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.
22 Um festzustellen, ob Leistungen, wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Mittel
darstellen, um die von Ygeia erbrachten Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen
unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, ist, wie sämtliche Regierungen der
Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften ausgeführt haben, zu berücksichtigen, zu welchem Zweck diese Leistungen
durchgeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 24).
23 Durch die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung der
mit der Krankenhausbehandlung und mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze soll
nämlich gewährleistet werden, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch die höheren
Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder die eng mit ihnen
verbundenen Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen wären (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr.
23).
24 Die ärztliche Heilbehandlung und die Krankenhausbehandlung im Sinne dieser Vorschrift müssen nach
der Rechtsprechung zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen dienen (Urteil Dornier, Randnr. 48).
25 Angesichts des Zweckes, der mit der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie
vorgesehenen Befreiung verfolgt wird, können demnach nur Dienstleistungen, die naturgemäß im
Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im
Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen
Ziele unentbehrlich sind, „eng verbundene Umsätze“ im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Nur solche
Leistungen können sich nämlich auf die Kosten der medizinischen Behandlungen auswirken, die dem
Einzelnen durch die in Rede stehende Steuerbefreiung zugänglich gemacht werden.
26 Diese Feststellung wird, wie die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, zu Recht geltend
machen, durch Artikel 13 Teil A Absatz 2 Buchstabe b erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie
bestätigt, wonach die Mitgliedstaaten u. a. die in Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels bezeichneten
Dienstleistungen von der Steuerbefreiung ausschließen müssen, wenn sie zur Ausübung der
Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind. Wie der Generalanwalt in
den Nummern 30 bis 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind in dieser für die Mitgliedstaaten
zwingenden Vorschrift nämlich die Bedingungen aufgeführt, die bei der Auslegung der verschiedenen
darin vorgesehenen Befreiungsfälle zu berücksichtigen sind, die, wie der in Artikel 13 Teil A Absatz 1
Buchstabe b der Sechsten Richtlinie vorgesehene Fall, Leistungen oder Lieferungen betreffen, die mit
einer dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeit „eng verbunden“ sind oder mit dieser in „engem
Zusammenhang“ stehen.
27 In den Randnummern 48 und 49 des Urteils Kommission/Deutschland hat der Gerichtshof außerdem
hinsichtlich der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe i der Sechsten Richtlinie vorgesehenen
Befreiung in Bezug auf mit dem Hochschulunterricht „eng verbundene“ Dienstleistungen bereits
entschieden, dass die entgeltliche Durchführung von Forschungsvorhaben, auch wenn sie als für den
Hochschulunterricht sehr nützlich angesehen werden kann, zur Erreichung des mit diesem
angestrebten Zweckes, der insbesondere darin besteht, die Studenten im Hinblick auf die Ausübung
einer beruflichen Tätigkeit auszubilden, nicht unerlässlich ist und daher nicht unter diese Befreiung
fällt.
28 Angesichts des Zweckes der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie
vorgesehenen Befreiung und unter Berücksichtigung des Wortlauts von Absatz 2 Buchstabe b dieses
Artikels gelten diese Feststellungen, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nummer 35 seiner
Schlussanträge ausgeführt hat, auch für die Auslegung des Begriffes der mit der
Krankenhausbehandlung und der medizinischen Behandlung „eng verbundenen Umsätze“ im Sinne der
erstgenannten Vorschrift.
29 Daher kann für Dienstleistungen, die wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden den
Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten verbessern sollen, in der Regel nicht die in
Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung gewährt
werden. Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Leistungen zur Erreichung der therapeutischen
Ziele unerlässlich sind, die mit den Krankenhausbehandlungen und den ärztlichen Heilbehandlungen
verfolgt werden, in deren Rahmen sie erbracht werden.
30 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände der bei ihm
anhängigen Rechtsstreitigkeiten und gegebenenfalls des Inhalts der für die betroffenen Patienten
erstellten ärztlichen Verschreibungen zu bestimmen, ob die erbrachten Leistungen unerlässlich sind
oder nicht.
31 Diese Feststellungen werden nicht in Frage gestellt durch das Vorbringen von Ygeia, dass der in
Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie genannte Begriff der mit der
Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung „eng verbundenen Umsätze“ angesichts
des Zweckes der Befreiung keine besonders enge Auslegung verlange (Urteil Kommission/Frankreich,
Randnr. 23). Wie sich nämlich bereits aus Randnummer 25 des vorliegenden Urteils ergibt, führt die
Belastung von Leistungen, die keine Nebenleistungen sind, mit der Mehrwertsteuer nicht zu einer
Erhöhung der Kosten der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung, deren
Zugänglichkeit für die Einzelnen diese Vorschrift gewährleisten soll, da diese Leistungen zur
Erreichung der mit diesen Behandlungen verfolgten therapeutischen Ziele nicht unerlässlich sind (vgl.
in diesem Sinne Urteil vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑307/01, D’Ambrumenil und
Dispute Resolution Services, Slg. 2003, I‑13989, Randnr. 59).
32 Im Übrigen entspricht die Belastung derartiger Leistungen mit der Mehrwertsteuer, wie der
Generalanwalt in Nummer 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dem Grundsatz der steuerlichen
Neutralität, der es insbesondere verbietet, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb
stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (Urteil vom
23. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑109/02, Kommission/Deutschland, Slg. 2003, I‑12691, Randnr.
20).
33 Entgegen der Ansicht von Ygeia und wie die deutsche Regierung zu Recht vorträgt, steht nämlich eine
medizinische Einrichtung, wenn sie Leistungen wie die in Rede stehenden erbringt, im Wettbewerb mit
Steuerpflichtigen, die ebenfalls derartige Leistungen erbringen, wie Anbietern von Telefon‑ und
Fernsehdiensten in Bezug auf die den Krankenhauspatienten angebotenen entsprechenden
Leistungen sowie Hotels und Restaurants in Bezug auf die Beherbergungsleistungen für die Begleiter
dieser Patienten.
34 Daher sind auch Leistungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nach Artikel 13 Teil
A Absatz 2 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie von der in Artikel 13 Teil A
Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiung auszuschließen, wenn sie im
Wesentlichen dazu bestimmt sind, ihrem Erbringer zusätzliche Einnahmen zu verschaffen; ob dies der
Fall ist, ist vom vorlegenden Gericht anhand der konkreten Umstände der bei ihm anhängigen
Rechtsstreitigkeiten zu prüfen.
35 Auf die vorgelegte Frage ist somit zu antworten, dass die Zurverfügungstellung eines Telefons und die
Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten durch unter Artikel 13 Teil A Absatz 1
Buchstabe b der Sechsten Richtlinie fallende Personen sowie die Unterbringung und Verpflegung von
Begleitpersonen dieser Patienten durch diese Personen in der Regel keine mit der
Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze im Sinne
dieser Vorschrift darstellen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Leistungen zur Erreichung der
mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele
unerlässlich sind und nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sind, ihrem Erbringer zusätzliche
Einnahmen durch die Erzielung von Umsätzen zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit
Umsätzen der Mehrwertsteuer unterliegender gewerblicher Unternehmen getätigt werden.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände der bei ihm
anhängigen Rechtsstreitigkeiten und gegebenenfalls des Inhalts der für die betroffenen Patienten
erstellten ärztlichen Verschreibungen zu bestimmen, ob die erbrachten Leistungen diese
Voraussetzungen erfüllen.
Kosten
36 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses
Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind
nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Zurverfügungstellung eines Telefons und die Vermietung von Fernsehgeräten an
Krankenhauspatienten durch unter Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage fallende
Personen sowie die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen dieser
Patienten durch diese Personen stellen in der
Regel
keine
mit
der
Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen
Umsätze im Sinne dieser Vorschrift dar. Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese
Leistungen zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen
Heilbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind und nicht im
Wesentlichen dazu bestimmt sind, ihrem Erbringer zusätzliche Einnahmen durch die
Erzielung von Umsätzen zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit
Umsätzen der Mehrwertsteuer unterliegender gewerblicher Unternehmen getätigt
werden.
2. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller konkreten
Umstände der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten und gegebenenfalls des
Inhalts der für die betroffenen Patienten erstellten ärztlichen Verschreibungen zu
bestimmen, ob die erbrachten Leistungen diese Voraussetzungen erfüllen.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Griechisch.