Urteil des EuGH vom 09.01.2003

EuGH: kommission, verordnung, regierung, republik, verlängerung der frist, alkohol, klagegrund, kontradiktorisches verfahren, ausfuhr, ausschreibung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
9. Januar 200
„EAGFL - Rechnungsabschluss - Haushaltsjahre 1995 bis 1998 - Ausfuhrerstattungen - Olivenöl - Verkauf von
Alkohol aus Interventionsbeständen“
In der Rechtssache C-177/00
Italienische Republik
avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigte im Beistand von A. Dal Ferro, avvocato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2000/216/EG der Kommission vom 1. März 2000 über
den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zu Lasten des Europäischen Ausrichtungs- und
Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben von der
gemeinschaftlichen Finanzierung (ABl. L 67, S. 37), soweit mit ihr finanzielle Berichtigungen bei bestimmten
vom klagenden Mitgliedstaat gemeldeten Ausgaben vorgenommen wurden,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter D. A. O. Edward, A. La Pergola, P.
Jann (Berichterstatter) und S. von Bahr,
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2002,
folgendes
Urteil
1.
Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 11. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung
2000/216/EG der Kommission vom 1. März 2000 über den Ausschluss bestimmter von den
Mitgliedstaaten zu Lasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
(EAGFL), Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben von der gemeinschaftlichen Finanzierung (ABl. L 67,
S. 37, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erhoben, soweit mit ihr finanzielle Berichtigungen
bei bestimmten vom klagenden Mitgliedstaat gemeldeten Ausgaben vorgenommen wurden.
2.
Der Antrag auf teilweise Nichtigerklärung betrifft folgende, im Zusammenfassenden Bericht der
Kommission vom 27. Oktober 1999 über die Kontrollergebnisse für den Rechnungsabschluss des
EAGFL, Abteilung Garantie, in Bezug auf Ausfuhrerstattungen, Obst und Gemüse, Tierprämien,
Agrarumweltmaßnahmen, Prüfung der Rechnungsführung, landwirtschaftliche Kulturpflanzen, Flachs
und Hanf (Dokument VI/10529/99) (im Folgenden: Zusammenfassender Bericht) dargestellte und
begründete Berichtigungen:
- eine negative Berichtigung in Höhe von 61 665 065 968 ITL bei den als Ausfuhrerstattungen
gemeldeten Ausgaben (Abschnitt 2.8.1 des Zusammenfassenden Berichts);
- eine negative Berichtigung in Höhe von 2 957 721 060 ITL bei den als Ausfuhrerstattungen für
Olivenöl gemeldeten Ausgaben (Abschnitt 2.8.2 des Zusammenfassenden Berichts);
- eine negative Berichtigung in Höhe von 7 760 156 831 ITL, die dem Betrag einer Sicherheit
entspricht, die im Rahmen des Verkaufs von Alkohol aus Interventionsbeständen hätte eingezogen
werden müssen (Abschnitt 7.2 des Zusammenfassenden Berichts).
Die negative Berichtigung in Höhe von 61 665 065 968 ITL bei den Ausfuhrerstattungen
3.
Die Italienische Republik wendet sich mit ihrer Klage erstens gegen eine negative Berichtigung in
Höhe von 61 665 065 968 ITL, die die Kommission vorgenommen hat, weil die Kontrollen der
Ausfuhrerstattungen durch die nationalen Behörden mangelhaft gewesen sein sollen.
4.
Die Verordnung (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom 21. April 1970 über die Finanzierung der
gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 94, S. 13) bestimmt in ihren Artikeln 2 und 3, dass die Europäische
Gemeinschaft die Erstattungen bei der Ausfuhr in dritte Länder und die Interventionen zur Regulierung
der Agrarmärkte, die nach Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der
Agrarmärkte vorgenommen werden, durch die Abteilung „Garantie“ des EAGFL finanziert.
5.
Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen
treffen, um sich zu vergewissern, dass die durch den EAGFL finanzierten Maßnahmen tatsächlich und
ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen
und um die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder
einzuziehen.
6.
Nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung trägt die Gemeinschaft die finanziellen Folgen der
Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, wenn keine vollständige Wiedereinziehung erfolgt; dies gilt
nicht für Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse, die den Verwaltungen oder Einrichtungen der
Mitgliedstaaten anzulasten sind.
7.
Nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 729/70 stellen die Mitgliedstaaten der Kommission alle
für das Funktionieren des EAGFL erforderlichen Auskünfte zur Verfügung und treffen alle Maßnahmen,
die geeignet sind, etwaige Kontrollen - einschließlich Prüfungen an Ort und Stelle - zu erleichtern,
deren Durchführung die Kommission im Rahmen der Abwicklung der gemeinschaftlichen Finanzierung
als zweckmäßig erachtet.
8.
Nach Absatz 2 dieses Artikels können die von der Kommission mit Prüfungen an Ort und Stelle
beauftragten Bediensteten die Bücher und alle sonstigen Unterlagen einsehen, die sich auf die vom
EAGFL finanzierten Ausgaben beziehen. Auf Ersuchen der Kommission und im Einvernehmen mit dem
betreffenden Mitgliedstaat führen die zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats Prüfungen oder
Nachforschungen in Bezug auf die Maßnahmen im Sinne der Verordnung Nr. 729/70 durch.
Bedienstete der Kommission können sich an diesen Prüfungen oder Nachforschungen beteiligen.
9.
Die Verordnung (EWG) Nr. 4045/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die von den
Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems
des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, sind,
und zur Aufhebung der Richtlinie 77/435/EWG (ABl. L 388, S. 18) betrifft gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1
die Prüfung der tatsächlichen und ordnungsgemäßen Durchführung der Maßnahmen, die Bestandteil
des Finanzierungssystems des EAGFL, Abteilung Garantie, sind, anhand der Geschäftsunterlagen der
Begünstigten. Nach Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung nehmen die Mitgliedstaaten die Prüfungen
der Geschäftsunterlagen der Begünstigten entsprechend der Art der zu prüfenden Maßnahmen vor.
Die Modalitäten dieser Prüfungen werden in den Absätzen 2 ff. dieses Artikels geregelt.
10.
Bezüglich der finanziellen Konsequenzen mangelnder Kontrollen durch die Mitgliedstaaten legte die
Kommission im Dokument VI/216/93 vom 3. Juni 1993, dem „Belle-Bericht“, Kriterien fest. Diese
Kriterien sehen drei Kategorien pauschaler Berichtigungen vor:
- 2 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf weniger wichtige Teile des Kontrollsystems oder auf
die Durchführung von Kontrollen bezieht, die für die Gewährleistung der Regelmäßigkeit der Ausgaben
nicht wesentlich sind, so dass der Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines Schadens zum Nachteil
des EAGFL gering war.
- 5 % der Ausgaben, wenn sich der Mangel auf wichtige Elemente des Kontrollsystems oder auf die
Durchführung von Kontrollen bezieht, die wichtig sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu
gewährleisten, so dass der Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des
EAGFL groß war.
- 10 % der Ausgaben, wenn der Mangel das gesamte Kontrollsystem oder wesentliche Einzelheiten
dieses Systems betrifft oder sich auf die Durchführung von Kontrollen bezieht, die von wesentlicher
Bedeutung sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so dass der Schluss zulässig
ist, dass die Gefahr eines sehr hohen Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand.
11.
In Bezug auf die abschließenden Entscheidungen der Kommission sieht Artikel 8 der Verordnung
(EG) Nr. 1663/95 der Kommission vom 7. Juli 1995 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung
Nr. 729/70 bezüglich des Rechnungsabschlussverfahrens des EAGFL, Abteilung Garantie (ABl. L 158, S.
6), Folgendes vor:
„(1) Kommt die Kommission aufgrund von Nachforschungen zu dem Schluss, dass bestimmte
Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, so teilt sie
dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Feststellungen mit und gibt die zu treffenden
Korrekturmaßnahmen, die künftig die Beachtung der vorgenannten Vorschriften sicherstellen sollen,
sowie eine Schätzung der Beträge an, die möglicherweise gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) der
Verordnung (EWG) Nr. 729/70 ausgeschlossen werden. Diese Mitteilung muss auf die vorliegende
Verordnung Bezug nehmen. Der Mitgliedstaat antwortet innerhalb von zwei Monaten, und die
Kommission kann ihren Standpunkt dementsprechend ändern. In begründeten Fällen kann sie einer
Verlängerung der Frist zur Beantwortung zustimmen.
Nach Ablauf dieser Frist führt die Kommission bilaterale Gespräche; beide Parteien versuchen
einvernehmlich die zu ergreifenden Maßnahmen festzulegen. Anschließend teilt die Kommission dem
Mitgliedstaat förmlich ihre Schlussfolgerungen ... mit.
(2) Die Entscheidungen gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) der Verordnung (EWG) Nr. 729/70
sind nach Prüfung der von der Schlichtungsstelle ... erstellten Berichte zu treffen.“
12.
Durch die Verordnung (EWG) Nr. 386/90 des Rates vom 12. Februar 1990 über die Kontrolle bei der
Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet
werden (ABl. L 42, S. 6), wurde eine gemeinschaftliche Kontrollregelung für landwirtschaftliche
Erzeugnisse eingeführt, bei deren Ausfuhr Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden.
Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung lautet:
„Unbeschadet besonderer Vorschriften, nach denen eine weiter gehende Kontrolle erforderlich ist,
a) erfolgt die Warenkontrolle nach Artikel 2 Buchstabe a) durch häufige, unangemeldete
Stichproben;
b) müssen die Warenstichproben in jedem Fall eine repräsentative Auswahl von mindestens 5 v. H.
der Ausfuhranmeldungen umfassen, bei denen die Gewährung von Beträgen nach Artikel 1 Absatz 1
beantragt wurde.“
13.
Die Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 386/90 wurden mit der Verordnung (EWG) Nr.
2030/90 der Kommission vom 17. Juli 1990 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr.
386/90 über die Warenkontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen
oder andere Zahlungen geleistet werden (ABl. L 186, S. 6), erlassen, die mit Wirkung vom 1. Januar
1996 durch die Verordnung (EG) Nr. 2221/95 der Kommission vom 20. September 1995 zur
Durchführung der Verordnung Nr. 386/90 hinsichtlich der Warenkontrolle bei der Ausfuhr
landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die eine Erstattung gewährt wird (ABl. L 224, S. 13), ersetzt
wurde. Im Anhang der letztgenannten Verordnung werden die konkreten Methoden und die
praktischen Modalitäten der Vornahme der Kontrollen beschrieben.
14.
Wie sich aus den Akten ergibt, verstärkte die Kommission, um einer wachsenden Gefahr von
Betrügereien und Unregelmäßigkeiten zu Lasten des EAGFL-Haushalts im Rahmen der
Ausfuhrerstattungen zu begegnen, seit 1996 ihre Inspektionen in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der
von den Zollbehörden durchgeführten Kontrollen. Nach Angaben der Kommission konnten aufgrund
der insoweit in Italien durchgeführten Inspektionen systematische Fehler bei den Verfahren der
italienischen Zollbehörden festgestellt werden.
15.
Gestützt auf die Ergebnisse der Überprüfung von Unterlagen in den Jahren 1996 bis 1998 und auf
die Ergebnisse von Kontrollen an Ort und Stelle, insbesondere bei Inspektionen, die vom 15. bis 19.
April 1996 in den Zollstellen Treviso, Triest, Fernetti und Como und vom 2. bis 6. Dezember 1996 in
den Zollstellen Terni, Pisa, Livorno und Viareggio durchgeführt wurden, vertrat die Kommission die
Ansicht, dass die italienischen Behörden die Bestimmungen der Verordnungen Nr. 386/90 und Nr.
2221/95 über die Warenkontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht ausreichend
beachtet hätten. Nähere Angaben zu den Ergebnissen der Kontrollen sind in Abschnitt 2.8.1 des
Zusammenfassenden Berichts enthalten.
16.
Erstens beanstandete die Kommission die Unvollständigkeit der Warenkontrollen bei den
Direktausfuhrverfahren, d. h. den Verfahren, bei denen die Erzeugnisse unmittelbar an den Zollstellen
auf den Transportfahrzeugen kontrolliert werden. Die Kontrollen seien unzureichend gewesen, da sie
erst nach der Beladung der Lastwagen durchgeführt worden seien. Die Prüfer der Kommission hätten
in Treviso und Pisa in zwei Fällen beobachtet, dass die Kontrollen stattgefunden hätten, ohne dass
ernsthaft versucht worden sei, die gesamte Ladung zu überprüfen, sei es durch Abladen der Ware
oder durch Schaffung eines Ganges im Inneren der überprüften Container. Zudem sei die nach Artikel
3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 386/90 vorgeschriebene repräsentative Auswahl von 5 %
der Ausfuhranmeldungen bei mehreren Zollstellen nicht erreicht worden. Schließlich seien die
Protokolle der Warenkontrollen allgemein gehalten und ungenau gewesen.
17.
Zweitens bemängelten die Dienststellen der Kommission das Fehlen unangemeldeter Kontrollen bei
den verkürzten Verfahren, bei denen der Unternehmer die Ausfuhranmeldung zur Zollstelle bringt,
während die Waren auf dem Firmengelände verbleiben. In diesen Fällen stellte die Kommission fest,
dass die Modalitäten der Warenkontrollen einen Überraschungseffekt ausgeschlossen hätten. In
einigen Fällen, in denen die Zollstelle nicht über ein Fahrzeug verfügt habe, seien die Unternehmer
aufgefordert worden, die Zollbeamten selbst zum Ort der Kontrolle zu bringen. Die daraus
resultierende offensichtliche Gefahr einer Manipulation oder eines Austauschs der Waren sei noch
dadurch erhöht worden, dass die Unternehmer die Ausfuhranmeldungen, nachdem diese
angenommen worden seien, selbst bei der Erstattungsstelle eingereicht hätten.
18.
Die Kommission unterrichtete die italienischen Behörden mit Schreiben vom 23. Januar und 18.
September 1997 über ihre Feststellungen; diese antworteten darauf mit Schreiben vom 13. März und
10. November 1997. Mit Schreiben vom 23. November 1998 lud die Kommission die italienischen
Behörden zu einem bilateralen Treffen ein. Da dieses Treffen ergebnislos blieb, teilte die Kommission
ihre Schlussfolgerungen den italienischen Behörden mit Schreiben vom 9. Juli 1999 förmlich mit. Darin
schlug sie in Anwendung des Belle-Berichts, der eine pauschale Berichtigung um 5 % vorsieht, wenn
sich die Mängel auf wichtige Elemente des Kontrollsystems oder auf die Durchführung von Kontrollen
beziehen, die wichtig sind, um die Regelmäßigkeit der Ausgaben zu gewährleisten, so dass der
Schluss zulässig ist, dass die Gefahr eines Schadens zum Nachteil des EAGFL groß ist, eine
Berichtigung in Höhe von 5 % der Ausgaben für sämtliche Erzeugnisse vor, für die zwischen dem 1.
Oktober 1995 und dem 31. Dezember 1998 Ausfuhrerstattungen gewährt worden waren.
19.
Die am 6. August 1999 von den italienischen Behörden angerufene EAGFL-Schlichtungsstelle vertrat
in ihrem Abschlussbericht vom 11. Januar 2000 die Auffassung, dass die Argumentation der
Kommission trotz gewisser Unsicherheitsfaktoren gerechtfertigt erscheine.
20.
Die Kommission nahm daher in der angefochtenen Entscheidung die vorgeschlagene Berichtigung
in Höhe von 61 665 065 968 ITL vor.
Vorbringen der Parteien
21.
Mit ihrem ersten Klagegrund stellt die italienische Regierung die Rechtmäßigkeit der streitigen
Berichtigung mit der Begründung in Frage, dass die Kontrollen durch die Bediensteten der Kommission
gegen die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und der Wahrung der Verteidigungsrechte
verstoßen hätten. Die Kommission habe die italienische Regierung erst lange nach der Vornahme der
Kontrollen über deren Ergebnisse unterrichtet, ohne dass konkrete Vorwürfe gegen die italienischen
Zollbeamten erhoben worden wären und ohne dass diese Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt
hätten. Ferner sei kein gemeinsames Protokoll mit den Zollbeamten erstellt worden.
22.
Die Kommission weist diese Vorwürfe zurück. Sie trägt vor, die fraglichen Kontrollen seien alle in
Gegenwart der italienischen Beamten und ihrer eigenen Beamten durchgeführt worden, und die
italienischen Behörden seien stets vorab eingehend über die Inspektionen informiert worden. Es
entspreche auch ständiger Praxis, dass die Gemeinschaftsbeamten ein Abschlusstreffen mit den
nationalen Bediensteten durchführten, um Beanstandungen zu erörtern; solche Treffen hätten auch
bei den fraglichen Kontrollen stattgefunden, wie ein dem Gerichtshof von der Kommission vorgelegter
Bericht des italienischen Finanzministeriums zeige. In solchen Fällen würden immer Gespräche geführt,
bei denen die nationalen Beamten ihre Meinung äußern könnten. Überdies würden jedes Mal von
mindestens zwei Beamten der zuständigen Dienststellen der Kommission Protokolle verfasst, die dann
die Grundlage für die den nationalen Behörden übersandten Stellungnahmen darstellten. Alle diese
Schritte seien auch im vorliegenden Fall unternommen worden.
Würdigung durch den Gerichtshof
23.
Artikel 8 der Verordnung Nr. 1663/95 regelt die verschiedenen Schritte, die im Verfahren über den
Rechnungsabschluss des EAGFL unternommen werden müssen. Nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteil vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache C-61/95,
Griechenland/Kommission, Slg. 1998, I-207, Randnr. 39) handelt es sich bei dem durch diese
Verordnung geschaffenen Verfahren um ein besonderes kontradiktorisches Verfahren, in dem die
betroffenen Mitgliedstaaten alle für die Darstellung ihres Standpunkts erforderlichen Garantien
besitzen.
24.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Chronologie des Schriftwechsels (vgl. Randnrn. 15 bis 19
des vorliegenden Urteils), dass die Kommission die verschiedenen Schritte des in der Verordnung Nr.
1663/95 vorgesehenen Verfahrens genau eingehalten hat und dass die italienischen Behörden bei
jedem dieser Schritte die Möglichkeit hatten, ihren Standpunkt vorzubringen. Wie der Generalanwalt in
den Nummern 44 bis 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann zum einen der Zeitraum von
sieben Monaten zwischen den Kontrollen und der Übermittlung der Ergebnisse nicht als übermäßig
lang angesehen werden und wurden zum anderen von der Kommission konkrete Beanstandungen
erhoben. Die Erstellung eines Protokolls unter Mitwirkung aller Beteiligten ist in der einschlägigen
Regelung nicht vorgesehen.
25.
Folglich greift die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens
und den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte nicht durch, so dass der erste Klagegrund
der italienischen Regierung zurückzuweisen ist.
Vorbringen der Parteien
26.
Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die italienische Regierung geltend, ohne dies näher
auszuführen, dass die von der Kommission im Jahr 1996 inspizierten Zollstellen und Vorgänge weder in
quantitativer noch in qualitativer Hinsicht ausreichend repräsentativ gewesen seien. Aus den bei
einigen Zollstellen getroffenen Feststellungen könne nicht geschlossen werden, dass die von der
Kommission ermittelten Kontrollmodalitäten bei den etwa 80 000 Ausfuhrvorgängen, für die jedes Jahr
in Italien eine Erstattung beantragt werde, allgemein angewandt würden.
27.
Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Sie führt aus, ohne dass ihr die italienische
Regierung in diesem Punkt widersprochen hätte, dass die für Inspektionen an Ort und Stelle
ausgewählten Zollstellen Terni, Pisa, Livorno, Viareggio, Treviso, Triest, Fernetti und Como die
wichtigsten Zollstellen für die Zahlung von Ausfuhrerstattungen seien und 27 % aller im Jahr 1995 in
Italien registrierten Ausfuhranmeldungen bearbeitet hätten. Sie seien daher durchaus repräsentativ.
Die Prüfer der Kommission hätten insbesondere darauf geachtet, die Kontrollen auf die verschiedenen
von den italienischen Zollbeamten angewandten Abfertigungsverfahren zu verteilen. Kontrollen seien
zudem in den Räumlichkeiten von Unternehmen vorgenommen worden, für die ein vereinfachtes
Abfertigungsverfahren gelte, und auch bei diesen Kontrollen seien Mängel festgestellt worden.
Würdigung durch den Gerichtshof
28.
Die Angaben der Kommission zeigen, dass die von ihren Prüfern für die Inspektionen ausgewählten
Zollstellen für die allgemeine Situation repräsentativ waren. Da die italienische Regierung gegen diese
Angaben keine stichhaltigen Einwände erhoben hat, ist der Klagegrund der fehlenden
Repräsentativität der kontrollierten Zollstellen zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
29.
Mit ihrem dritten Klagegrund rügt die italienische Regierung die Feststellungen der Kommission,
wonach die Kontrollen der Zollstellen Terni, Pisa, Viareggio und Livorno weder „vollständig“ noch
„unangemeldet“ gewesen seien.
30.
Zu der den italienischen Zollbehörden von der Kommission vorgeworfenen Unvollständigkeit der
Kontrollen trägt die italienische Regierung vor, sie habe im Anschluss an die Inspektionen der
Kommission ihre eigenen Dienststellen aufgefordert, den streitigen Sachverhalt zu untersuchen. Die
betroffenen Zollbeamten hätten bei einer Besprechung im März 1999 bestritten, dass die fraglichen
Kontrollmaßnahmen in der von den Dienststellen der Kommission geschilderten Weise abgelaufen
seien. Da es kein Protokoll gebe, könnten die Behauptungen der Bediensteten der Kommission nur
als falsch oder zumindest als unzuverlässig angesehen werden.
31.
Was das Fehlen unangemeldeter Kontrollen angehe, so habe die Kommission diesen Begriff falsch
ausgelegt. Auch wenn die Kontrollen daran anknüpften, dass sich der Exporteur in die Zollstelle
begebe, bedeute dies nicht, dass den Kontrollen eine Warnung vorausgehe. In Wirklichkeit seien der
Ablauf der Kontrollen und die verschiedenen von den nationalen Behörden angewandten Methoden
nicht zu beanstanden.
32.
Im Übrigen seien die von der Kommission festgestellten Mängel nach einem Schreiben des
italienischen Finanzministeriums vom 13. März 1997 abgestellt worden, mit dem die italienischen
Zollstellen angemessene Weisungen erhalten hätten, um ein erneutes Auftreten solcher Mängel zu
verhindern.
33.
Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Die von den betroffenen italienischen Zollbeamten
gegebene Darstellung des Sachverhalts in Bezug auf die Vollständigkeit der Kontrollen sei falsch. Die
Gespräche, die nach Angaben der italienischen Regierung mit diesen Beamten geführt worden seien,
hätten offenbar erst 1999 stattgefunden, drei Jahre nach den 1996 vorgenommenen Inspektionen. Im
Übrigen sei zu berücksichtigen, dass den Zollbeamten der Gegenstand dieser Gespräche - eine
Untersuchung des gegen sie erhobenen Vorwurfs, Kontrollen von sehr mäßiger Qualität vorgenommen
zu haben - bekannt gewesen sei. Ihre Aussagen seien daher höchst fragwürdig.
34.
Zum Fehlen unangemeldeter Kontrollen trägt die Kommission vor, die italienische Regierung habe
den gegen die italienischen Zollbeamten erhobenen Vorwurf nicht bestritten, dass die betreffenden
Unternehmer stets gebeten worden seien, mit ihren eigenen Fahrzeugen zu den Zollstellen zu
kommen, um die Zollbeamten, die die Warenkontrolle durchführen sollten, dort abzuholen. Durch
diese Vorgehensweise seien die Unternehmer eindeutig vor den Kontrollen gewarnt worden, so dass
von unangemeldeten Kontrollen keine Rede sein könne. Der Gerichtshof habe bereits in seinem Urteil
vom 18. Mai 2000 in der Rechtssache C-242/97 (Belgien/Kommission, Slg. 2000, I-3421, Randnr. 41)
die Ansicht vertreten, dass es bei Fehlen eines Dienstwagens sehr schwierig sei, nachzuweisen, dass
die Warenkontrollen tatsächlich unangemeldet durchgeführt worden seien, wie es Artikel 3 der
Verordnung Nr. 386/90 verlange.
35.
Wie in Abschnitt 2.8.1 des Zusammenfassenden Berichts näher ausgeführt, habe die Prüfung der
von der Italienischen Republik für die Jahre 1997 und 1998 vorgelegten Kontrollberichte im Übrigen
ergeben, dass die gleichen Unregelmäßigkeiten und Nachlässigkeiten wie 1996 aufgetreten seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
36.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere dem Urteil Belgien/Kommission
(Randnrn. 33 und 34) und dem Urteil vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C-243/97
(Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I-5813, Randnr. 53), kann der betreffende Mitgliedstaat
hinsichtlich der Kontrollen der Dienststellen der Kommission für den Rechnungsabschluss des EAGFL
die Feststellungen der Kommission nur dadurch entkräften, dass er seine Behauptungen auf
Umstände stützt, mit denen das Vorhandensein eines zuverlässigen und funktionierenden
Kontrollsystems nachgewiesen wird. Gelingt ihm nicht der Nachweis, dass die Feststellungen der
Kommission unzutreffend sind, so können diese Feststellungen ernsthafte Zweifel begründen, ob ein
angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt
worden ist.
37.
Im vorliegenden Fall ist es der italienischen Regierung nicht gelungen, die Feststellungen der
Kommission zur Unzulänglichkeit der Kontrollen, die in Nummer 66 der Schlussanträge des
Generalanwalts im Einzelnen wiedergegeben werden, durch Beweise für das Vorhandensein einer
zuverlässigen und funktionierenden Kontrolle zu entkräften, die den Schluss zuließen, dass die
gerügten Unregelmäßigkeiten nicht aufgetreten sind. Die italienische Regierung hat im Übrigen die im
Zusammenfassenden Bericht enthaltenen Feststellungen der Kommission nicht substantiiert
bestritten, sondern sich auf die Behauptung beschränkt, aus den Zeugenaussagen der betroffenen
italienischen Zollbeamten ergebe sich, dass sie ihre Kontrollen generell in nicht zu beanstandender
Weise durchgeführt hätten.
38.
Diese Aussagen der betroffenen Zollbeamten, die zudem erst drei Jahre nach den Inspektionen
durch die Dienststellen der Kommission gemacht wurden, können die Stichhaltigkeit der von den
Bediensteten der Kommission an Ort und Stelle getroffenen und dann im Zusammenfassenden Bericht
wiedergegebenen Feststellungen nicht in Frage stellen.
39.
Was die Unregelmäßigkeiten anbelangt, die im Rahmen der Prüfung der von der Italienischen
Republik für die Jahre 1997 und 1998 vorgelegten Kontrollberichte festgestellt wurden, so hat die
italienische Regierung kein einziges konkretes Argument vorgetragen, das das Vorhandensein
zuverlässiger und funktionierender Kontrollen belegen und damit die Feststellungen der Kommission
entkräften würde.
40.
Folglich ist der dritte Klagegrund der italienischen Regierung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
41.
Der letzte, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund der italienischen Regierung geht dahin, dass
die von der Kommission vorgenommene Berichtigung überhöht sei.
42.
Zum einen hätten sich die Überprüfungen in den Zollstellen auf Verhaltensweisen bezogen, die in
einem Zeitraum von weniger als einem Jahr stattgefunden hätten, während sich die Berichtigung auf
vier aufeinander folgende Jahre, die Haushaltsjahre 1995 bis 1998, erstrecke.
43.
Zum anderen habe die Kommission die Berichtigung bei allen in diesen vier Haushaltsjahren
gewährten Ausfuhrerstattungen vorgenommen, während sich die Warenkontrollen nur auf eine
Stichprobe von 5 % der Transaktionen erstreckt hätten. Die Berichtigung hätte daher nur bei
höchstens 5 % der in diesen Haushaltsjahren gewährten Erstattungen erfolgen dürfen.
44.
Die Kommission trägt vor, die fragliche Berichtigung sei strikt in Einklang mit dem Belle-Bericht
erfolgt. Was die Haushaltsjahre anbelange, auf die sie angewandt worden sei, so ergebe sich, wie
bereits im Rahmen des dritten Klagegrundes ausgeführt, aus den Akten, dass die Unregelmäßigkeiten
bei den Kontrollen in den Jahren 1997 und 1998 fortbestanden hätten.
Würdigung durch den Gerichtshof
45.
In Bezug auf den ersten Teil des vierten Klagegrundes steht fest, dass die von der Kommission
gerügten Mängel für die Haushaltsjahre 1995 und 1996 bei den in Randnummer 15 des vorliegenden
Urteils erwähnten Kontrollen an Ort und Stelle festgestellt wurden. Für die Haushaltsjahre 1997 und
1998 ist die Kommission aufgrund einer Prüfung der von der Italienischen Republik für diese Jahre
vorgelegten Kontrollberichte zum gleichen Ergebnis gekommen. Da die italienische Regierung - wie
bereits in Randnummer 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt - nichts vorgetragen hat, das diese
Feststellungen entkräften könnte, hat die Kommission, als sie die Berichtigung auf vier aufeinander
folgende Jahre erstreckte, keinen Rechtsfehler begangen.
46.
Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes ist hervorzuheben, dass die Mitgliedstaaten zwar nach Artikel
3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 386/90 Kontrollen vornehmen müssen, die eine
repräsentative Auswahl von mindestens 5 % der Ausfuhranmeldungen umfassen; dies bedeutet
jedoch nicht, dass nur die 5 % der Anmeldungen, die kontrolliert wurden, den Anforderungen genügen
müssen. Es liegt in der Natur des Begriffes der Stichprobenkontrollen, dass diese die Richtigkeit aller
Anmeldungen und nicht nur der tatsächlich kontrollierten Anmeldungen gewährleisten sollen.
47.
Folglich hat die Kommission, nachdem sie Mängel bei den von den italienischen Behörden
durchgeführten Kontrollen feststellte, keinen Rechtsfehler begangen, als sie die fragliche
Berichtigung gemäß dem Belle-Bericht bei den Ausfuhrerstattungen für alle landwirtschaftlichen
Erzeugnisse vorgenommen hat, die Gegenstand von Ausfuhranmeldungen waren, und nicht nur bei
den Erstattungen für die Erzeugnisse, die Gegenstand der von diesen Behörden tatsächlich
kontrollierten 5 % der Anmeldungen waren.
48.
Da somit alle von der italienischen Regierung gegen die Berichtigung in Höhe von 61 665 065 968
ITL vorgebrachten Klagegründe unbegründet sind, ist die Klage der Italienischen Republik abzuweisen,
soweit sie sich auf diese Berichtigung bezieht.
Die negative Berichtigung in Höhe von 2 957 721 060 ITL bei den Ausfuhrerstattungen für
Olivenöl
49.
Die Italienische Republik wendet sich zweitens gegen eine Berichtigung in Höhe von 2 957 721 060
ITL, die von den italienischen Behörden im Jahr 1995 gezahlte Ausfuhrerstattungen für Olivenöl betrifft.
Nach Ansicht der Kommission bestand für die fragliche Ware - Olivenöl mit Ursprung in der
Gemeinschaft, das einem in den aktiven Veredelungsverkehr überführten Olivenöl aus Drittländern,
insbesondere aus Tunesien, beigemischt war - kein Anspruch auf Ausfuhrerstattungen, so dass die
Zahlungen der nationalen Behörden keine Rechtsgrundlage hatten (Abschnitt 2.8.2 des
Zusammenfassenden Berichts).
50.
Die Erstattungen für die Ausfuhr von Olivenöl aus gemeinschaftlicher Erzeugung wurden durch die
Verordnung Nr. 136/66/EWG des Rates vom 22. September 1966 über die Errichtung einer
gemeinsamen Marktorganisation für Fette (ABl. 1966, Nr. 172, S. 3025) geschaffen. Die
Durchführungsvorschriften zu dieser Verordnung sind in der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der
Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für
Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) enthalten.
51.
In Artikel 8 der Verordnung Nr. 3665/87 heißt es:
„(1) Eine Ausfuhrerstattung wird nur für Erzeugnisse gewährt, die den Bedingungen von Artikel 9
Absatz 2 des EWG-Vertrags entsprechen, selbst wenn die Verpackungen nicht diesen Bedingungen
entsprechen.
...
(2) Bei der Ausfuhr zusammengesetzter Erzeugnisse, für die eine Erstattung auf der Grundlage eines
Bestandteils oder mehrerer ihrer Bestandteile festzusetzen ist, wird die Erstattung für diese gewährt,
sofern der Bestandteil oder die Bestandteile, für welche die Erstattung beantragt wird, den
Bedingungen von Artikel 9 Absatz 2 des Vertrages entspricht bzw. entsprechen.
Die Erstattung wird auch gewährt, wenn sich der oder die Bestandteile, für welche die Erstattung
beantragt wird, in einer der in Artikel 9 Absatz 2 genannten Rechtslagen befunden haben und sich nur
wegen ihrer Beimischung zu anderen Erzeugnissen nicht mehr in dieser Lage befinden.
(3) Für die Anwendung von Absatz 2 werden als auf der Grundlage eines Bestandteils festgesetzte
Erstattungen die Erstattungen angesehen, die für folgende Erzeugnisse gelten:
- Erzeugnisse der Sektoren Getreide, Eier, Reis, Zucker, Milch und Milcherzeugnisse, ...
...“
52.
Artikel 9 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 23 Absatz 2 EG), auf den Artikel 8 der
Verordnung Nr. 3665/87 verweist, lautet:
„Kapitel 1 Abschnitt 1 und Kapitel 2 dieses Titels [über den freien Warenverkehr] gelten für die aus
den Mitgliedstaaten stammenden Waren sowie für diejenigen Waren aus dritten Ländern, die sich in
den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden.“
53.
Die italienische Regierung macht geltend, ohne Einwände gegen die Höhe der Berichtigung zu
erheben, dass die Kommission die Finanzierung der Ausfuhrerstattungen für Olivenölmengen mit
Ursprung in der Gemeinschaft, die einem in der Gemeinschaft in den aktiven Veredelungsverkehr
überführten Olivenöl aus Drittländern, insbesondere aus Tunesien, beigemischt worden seien, zu
Unrecht abgelehnt habe.
54.
Sie trägt vor, Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 finde auf diese Olivenölmengen mit
Ursprung in der Gemeinschaft Anwendung. Dass sie anderen Ölen beigemischt worden seien, sei
unerheblich. Insbesondere seien die für bestimmte Fälle zusammengesetzter Erzeugnisse geltenden
Absätze 2 und 3 von Artikel 8 der Verordnung Nr. 3665/87 nicht anwendbar, da die fragliche Ware
nicht den Charakter eines zusammengesetzten Erzeugnisses, sondern den Charakter eines
Fertigerzeugnisses habe. Olivenöl stelle ein Basiserzeugnis dar, das sowohl als Bestandteil als auch
als Fertigerzeugnis vorkommen könne, da die Mischung weder seine chemische Zusammensetzung
noch seine ernährungsphysiologischen Merkmale ändere. Im vorliegenden Fall hätten die fraglichen
Olivenölmengen mit Ursprung in der Gemeinschaft als Fertigerzeugnisse in den Genuss von
Ausfuhrerstattungen kommen müssen, obwohl sie Ölen aus Drittländern beigemischt worden seien.
55.
Die Kommission weist darauf hin, dass Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in Verbindung
mit Artikel 9 Absatz 2 EG-Vertrag jede Ausfuhrerstattung für Erzeugnisse aus Drittländern ausschließe,
die sich in der Gemeinschaft nicht im freien Verkehr befänden, sondern für die eine andere Regelung,
wie im vorliegenden Fall die Regelung über den aktiven Veredelungsverkehr, gelte. Das Erzeugnis, um
das es hier gehe, sei ein zusammengesetztes Erzeugnis, bei dem eine Erstattung nur dann in Betracht
komme, wenn die in Artikel 8 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 3665/87 genannten
Voraussetzungen erfüllt seien. Absatz 3 dieses Artikels enthalte eine abschließende Aufzählung der
zusammengesetzten Erzeugnisse, für die Ausfuhrerstattungen gewährt werden könnten; Olivenöl sei
nicht darunter.
56.
Artikel 8 der Verordnung Nr. 3665/87 sieht die Gewährung von Ausfuhrerstattungen vor, die nach
Absatz 1 für Fertigerzeugnisse und nach den Absätzen 2 und 3 ausnahmsweise für bestimmte
zusammengesetzte Erzeugnisse gezahlt werden. Olivenöl gehört unstreitig nicht zu den Erzeugnissen,
die unter die Ausnahmen in den Absätzen 2 und 3 fallen. Die Italienische Republik beruft sich auch
nicht auf diese Bestimmungen, sondern auf Absatz 1, denn sie macht geltend, das fragliche Erzeugnis
sei ein Fertigerzeugnis, das als solches ausgeführt worden sei.
57.
Aus dem Wortlaut von Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 und von Artikel 9 Absatz 2 EG-
Vertrag, auf den Artikel 8 der Verordnung verweist, ergibt sich jedoch, dass für Erzeugnisse nur dann
Ausfuhrerstattungen gewährt werden können, wenn sie aus den Mitgliedstaaten stammen oder,
sofern sie aus Drittländern stammen, sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden.
58.
Die aus Drittländern stammenden Öle, denen die fraglichen Olivenölmengen mit Ursprung in der
Gemeinschaft beigemischt worden waren, befanden sich unstreitig im aktiven Veredelungsverkehr im
Sinne der Artikel 114 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur
Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1). Wie aus Artikel 4 Nr. 16 dieser
Verordnung hervorgeht, ist die aktive Veredelung ein anderes Verfahren als die Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr. Die aus Drittländern stammenden Öle, die einen Teil des fraglichen
Erzeugnisses darstellten, entsprachen daher nicht den Anforderungen von Artikel 8 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 3665/87.
59.
Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87 hätte daher nur dann die Zahlung von
Ausfuhrerstattungen durch die italienischen Behörden gerechtfertigt, wenn das Olivenöl mit Ursprung
in der Gemeinschaft als eigenes Erzeugnis vor der Mischung mit Ölen aus Drittländern ausgeführt
worden wäre, was hier offensichtlich nicht der Fall war, oder wenn das aus der Mischung
hervorgegangene Erzeugnis selbst als ein aus der Gemeinschaft stammendes Erzeugnis angesehen
werden könnte, obwohl ein Teil der Öle, aus denen es besteht, diese Voraussetzung nicht erfüllt.
60.
Eine Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3665/87, nach der Ausfuhrerstattungen
auch bei zusammengesetzten Erzeugnissen zulässig wären, von denen nur bestimmte Bestandteile
den Anforderungen dieser Vorschrift genügen, ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil nach den
Absätzen 2 und 3 dieses Artikels in Ausnahmefällen die Möglichkeit besteht, Ausfuhrerstattungen für
zusammengesetzte Erzeugnisse zu gewähren, so dass diese Erzeugnisse nicht in den
Anwendungsbereich von Absatz 1 fallen.
61.
Folglich kamen für das fragliche Olivenöl weder Ausfuhrerstattungen nach Artikel 8 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 3665/87 noch nach Artikel 8 Absätze 2 und 3 dieser Verordnung in Betracht. Die
Kommission hat die streitige Berichtigung daher zu Recht vorgenommen, so dass die Klage der
Italienischen Republik, soweit sie sich auf diese Berichtigung bezieht, als unbegründet abzuweisen ist.
Die negative Berichtigung in Höhe von 7 760 156 831 ITL, die dem Betrag einer Sicherheit
entspricht, die im Rahmen des Verkaufs von Alkohol aus Interventionsbeständen hätte
eingezogen werden müssen
62.
Drittens wendet sich die Italienische Republik gegen eine negative Berichtigung in Höhe von 7 760
156 831 ITL, die von der Kommission vorgenommen wurde, um die Nichteinziehung einer im Rahmen
des Verkaufs von Alkohol aus Interventionsbeständen gestellten Sicherheit zu ahnden (Abschnitt 7.2
des Zusammenfassenden Berichts).
63.
Die Verordnung (EWG) Nr. 822/87 des Rates vom 16. März 1987 über die gemeinsame
Marktorganisation für Wein (ABl. L 84, S. 1) sieht in Artikel 37 Absatz 1 Folgendes vor:
„Der Absatz der ... Destillationserzeugnisse im Besitz der Interventionsstellen darf die Märkte für
Alkohol und alkoholische Getränke aus Gemeinschaftserzeugung nicht stören.
Zu diesem Zweck erfolgt ihr Absatz auf anderen Sektoren und insbesondere dem der Kraftstoffe
immer dann, wenn eine solche Störung einzutreten droht.“
64.
Der Absatz von Alkohol in anderen Sektoren als dem Weinsektor muss nach der Verordnung (EWG)
Nr. 1780/89 der Kommission vom 21. Juni 1989 mit Durchführungsbestimmungen für den Absatz von
Alkohol aus der Destillation nach den Artikeln 35, 36 und 39 der Verordnung Nr. 822/87 aus
Beständen der Interventionsstellen (ABl. L 178, S. 1) im Rahmen von Ausschreibungen erfolgen. Nach
Artikel 24 Absatz 2 dieser Verordnung muss der Zuschlagsempfänger innerhalb einer bestimmten Frist
den Nachweis einer Sicherheitsleistung für die ordnungsgemäße Durchführung erbringen, mit der die
tatsächliche Verwendung des Alkohols zu dem in der Ausschreibung genannten Zweck gewährleistet
wird.
65.
Artikel 33 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1780/89 lautet: „Die tatsächliche Verwendung des Alkohols zu
dem in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Zweck stellt eine Hauptpflicht im Sinne des
Artikels 20 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 dar, für die eine Sicherheit für die ordnungsgemäße
Durchführung gestellt wird.“
66.
In Bezug auf den Erwerb einer solchen Sicherheit sieht die Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 der
Kommission vom 22. Juli 1985 mit gemeinsamen Durchführungsbestimmungen zur Regelung der
Sicherheiten für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 205, S. 5) vor, dass eine Sicherheit durch
Bargeld (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) oder durch Stellung eines Bürgen gemäß Artikel 16 dieser
Verordnung (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) geleistet werden kann.
67.
In Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2220/85 heißt es:
„Eine schriftliche Bürgschaft muss mindestens folgende Angaben enthalten:
...
c) die verbindliche Zusage des Bürgen, gesamtschuldnerisch mit dem Beteiligten, der die
Verpflichtung zu erfüllen hat, beim Verfall der Sicherheit binnen 30 Tagen nach Aufforderung durch die
zuständige Stelle den geschuldeten Betrag bis zur Höhe der Sicherheit zu zahlen.“
68.
Schließlich bestimmt Artikel 29 der Verordnung Nr. 2220/85:
„Erhält die zuständige Stelle Kenntnis von Umständen, die den gänzlichen oder teilweisen Verfall der
Sicherheit zur Folge haben, so fordert sie den Beteiligten unter Einräumung einer Frist von höchstens
30 Tagen unverzüglich zur Zahlung des verfallenen Betrages auf.
Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb dieser Frist, so
...
b) fordert sie unverzüglich den Bürgen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) unter Einräumung einer
Frist von höchstens 30 Tagen nach Zahlungsaufforderung zur Zahlung auf;
...“
69.
Mit der Verordnung (EWG) Nr. 3390/90 vom 26. November 1990 zur Eröffnung eines Verkaufs von
Weinalkohol aus Beständen der Interventionsstellen durch Sonderausschreibung zur
innergemeinschaftlichen Verwendung im Kraftstoffsektor (ABl. L 327, S. 21) eröffnete die Kommission
die Ausschreibung Nr. 8/90 EG zum Verkauf von 1 600 000 hl Alkohol aus der Destillation nach den
Artikeln 35, 36 und 39 der Verordnung Nr. 822/87. Die Gesamtmenge bestand aus fünf Partien zu je
320 000 hl.
70.
Der Zuschlag wurde der Palma SpA mit Sitz in Neapel (im Folgenden: Palma) erteilt. Die
Ausschreibungsbedingungen sahen u. a. vor, dass eine Sicherheit für die ordnungsgemäße
Durchführung gestellt wird, die auf erste Anforderung auch bei Widerspruch des
Zuschlagsempfängers zahlbar und auf schriftliche Erklärung der Interventionsstelle freizugeben ist.
Die Sicherheit sollte freigegeben werden, wenn der Zuschlagsempfänger die tatsächliche Verwendung
des Alkohols zu dem vorgesehenen Zweck binnen eines Jahres nach Abnahme der jeweiligen Partie
nachgewiesen hat. Die Sicherheit wurde von Palma gemäß diesen Anforderungen über eine
italienische Bank als bürgende Einrichtung erbracht.
71.
Nachdem in der Folgezeit erhebliche Schwierigkeiten beim Absatz einer großen Menge Alkohol auf
dem Kraftstoffmarkt aufgetreten waren, hob die Kommission durch die Verordnung (EWG) Nr. 2710/93
vom 30. September 1993 zum Verkauf durch Ausschreibung von Weinalkohol aus Beständen der
Interventionsstellen zur Verwendung als Kraftstoff in der Gemeinschaft (ABl. L 245, S. 131) zum einen
die Ausschreibung Nr. 8/90 EG hinsichtlich der drei noch nicht übernommenen Partien Alkohol auf.
Zum anderen verlängerte sie die Frist für die Verwendung der zwei bereits übernommenen Partien bis
zum 1. Oktober 1995. Nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 2710/93 sollte die Sicherheit für die
ordnungsgemäße Durchführung hinsichtlich der bereits übernommenen Partien von der
Interventionsstelle freigegeben werden, wenn der gesamte Alkohol in der Gemeinschaft als Kraftstoff
verwendet worden war.
72.
Mit der Verordnung (EG) Nr. 416/96 der Kommission vom 7. März 1996 zur Änderung der Verordnung
Nr. 2710/93 (ABl. L 59, S. 5) wurde die Frist für die Verwendung der bereits übernommenen Partien
erneut verlängert, diesmal in gestaffelter Form. Zu diesem Zweck sah Artikel 3 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 2710/93 in der durch die Verordnung Nr. 416/96 geänderten Fassung Folgendes vor:
„Abweichend von Artikel 23 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 und vorbehaltlich höherer Gewalt, falls
die in Artikel 2 erwähnte Frist überschritten ist, wird die Sicherheit von 90 ECU je Hektoliter reinen
Alkohols für die ordnungsgemäße Durchführung einbehalten, und zwar in Höhe von
a) 15 % in jedem Falle [d. h. am 1. Oktober 1995, dem ursprünglichen vorgesehenen Zeitpunkt],
b) 50 % des nach Abzug der 15 % übrigen Betrags, wenn die in diesem Artikel vorgesehene
Verwendung nicht bis zum 30. Juni 1996 erfolgt.
Die Sicherheit wird vollständig einbehalten, wenn der 31. Dezember 1996 überschritten wird.“
73.
Aus den Akten geht hervor, dass Palma auch nach den Fristverlängerungen keinen Nachweis für
die Verwendung der beiden bereits übernommenen Partien Alkohol erbringen konnte und dass die
Dienststellen der Kommission die zuständige nationale Stelle, die Azienda di Stato per gli interventi nel
mercato agricolo (Staatliche Einrichtung für Agrarmarktinterventionen, im Folgenden: AIMA),
aufforderten, die verschiedenen Teilbeträge der Sicherheit zu den in der Verordnung Nr. 2710/93 in
der Fassung der Verordnung Nr. 416/96 vorgesehenen Fälligkeitsterminen einzuziehen.
74.
Aus den Akten geht ferner hervor, dass die AIMA trotz wiederholter Aufforderungen der Kommission
- bezüglich des ersten Teilbetrags der Sicherheit (15 %), der am 1. Oktober 1995 fällig war, erst am
23. April 1996 eine Zahlungsaufforderung an Palma richtete und die bürgende Einrichtung erst am
16. Januar 1997 anwies, den besicherten Betrag zu zahlen;
- bezüglich des zweiten Teilbetrags der Sicherheit (50 %), der am 30. Juni 1996 fällig war, Palma erst
am 3. Dezember 1996 zur Zahlung aufforderte und die bürgende Einrichtung erst am 16. Januar 1997
zur Zahlung anwies;
- bezüglich des Restbetrags (35 %), der am 31. Dezember 1996 fällig war, Palma erst am 29. Januar
1997 zur Zahlung aufforderte und die bürgende Einrichtung erst am 7. März 1997 zur Zahlung anwies.
75.
Trotz dieser Aufforderungen ist es der AIMA bislang nicht gelungen, die Zahlung der Sicherheit zu
erwirken. Nach Angaben der italienischen Regierung hat Palma zahlreiche hinhaltende Maßnahmen
ergriffen und schließlich eine noch anhängige Klage vor den italienischen Gerichten erhoben.
76.
Die Kommission hatte den italienischen Behörden mit Schreiben vom 15. April 1997 eine letzte Frist
zum Ausgleich der fraglichen Beträge gesetzt. Da dieses Schreiben unbeantwortet blieb, teilte sie mit
Schreiben vom 14. Juli 1997 förmlich mit, dass sie beabsichtige, einen Betrag in Höhe der nicht
eingezogenen Sicherheit von 7 760 156 831 ITL von den EAGFL-Vorauszahlungen für August 1997
abzuziehen.
77.
Nachfolgend leitete die Italienische Republik ein Schlichtungsverfahren ein. Am 26. Oktober 1999
wies die Schlichtungsstelle den Antrag mit der Begründung als unzulässig zurück, dass die betroffene
Regierung vom Angebot eines von der Schlichtungsstelle durchgeführten bilateralen Treffens keinen
Gebrauch gemacht habe. Die Kommission bestätigte daher in der angefochtenen Entscheidung die
Berichtigung in der vorgeschlagenen Höhe.
78.
Die italienische Regierung wendet sich weder gegen die Höhe der Berichtigung, noch bestreitet sie
die Einzelheiten des Ablaufs der streitigen Ausschreibung oder die Tatsache, dass der Pflicht zur
Einziehung der Sicherheit nicht genügt wurde. Sie macht jedoch geltend, die Verzögerung bei der
Einziehung sei ausschließlich auf das Verhalten von Palma zurückzuführen und nicht auf das Verhalten
der nationalen Behörden, die mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt hätten. Palma habe neben
anderen hinhaltenden Maßnahmen sogar versucht, unmittelbar mit der Kommission über die
Ausschreibungsbedingungen zu verhandeln. Die daraus resultierenden Verzögerungen könnten
jedenfalls nicht den italienischen Behörden zur Last gelegt werden.
79.
Die Kommission trägt dagegen vor, unabhängig von etwaigen hinhaltenden Maßnahmen von Palma
stehe fest, dass die AIMA ihrer eigenen Pflicht, die verschiedenen Teilbeträge der Sicherheit bei
Fälligkeit so schnell wie möglich einzuziehen, nicht nachgekommen sei. Aus dem zeitlichen Ablauf der
Geschehnisse ergebe sich, dass sowohl die Zahlungsaufforderungen an Palma als auch die
Zahlungsanweisungen an die bürgende Einrichtung in den drei Fällen viel zu lange nach Fälligkeit
ergangen seien. Die italienischen Behörden hätten dadurch gegen Artikel 29 der Verordnung Nr.
2220/85 verstoßen, der die „unverzügliche“ Einziehung der geschuldeten Beträge verlange; die
streitige Berichtigung sei deshalb gerechtfertigt.
80.
Artikel 29 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2220/85 verlangt unstreitig, dass die nationale Stelle, wenn
sie Kenntnis von Umständen erhält, die den Verfall einer in den Anwendungsbereich der Verordnung
fallenden Sicherheit zur Folge haben, den Beteiligten „unverzüglich“ zur Zahlung dieser Sicherheit
auffordert. Erfolgt die Zahlung nicht innerhalb einer Frist von höchstens dreißig Tagen nach der
Aufforderung, so muss die nationale Stelle nach Artikel 29 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung den
Bürgen „unverzüglich“ unter Einräumung einer Frist von ebenfalls höchstens dreißig Tagen zur
Zahlung auffordern. Im Übrigen muss der Bürge nach Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung
jeder Zahlungsaufforderung Folge leisten. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall nach den in
Randnummer 70 des vorliegenden Urteils dargestellten besonderen Ausschreibungsbedingungen die
Sicherheit auch bei Widerspruch des Zuschlagsempfängers zahlbar war.
81.
Die Vorgehensweise der AIMA bei der Einziehung der verschiedenen Teilbeträge der Sicherheit
entsprach nicht der gebotenen Sorgfalt. Wie sich aus dem in Randnummer 74 des vorliegenden
Urteils angesprochenen zeitlichen Ablauf der Geschehnisse in Bezug auf den ersten Teilbetrag der
Sicherheit ergibt, forderte sie Palma fast sieben Monate nach Fälligkeit zur Zahlung auf und wies die
bürgende Einrichtung erst nach fast neun weiteren Monaten zur Zahlung des besicherten Betrages
an. Beim zweiten Teilbetrag betrugen diese Fristen mehr als fünf und eineinhalb Monate. Die Zahlung
des Restbetrags verlangte die AIMA innerhalb einer etwas kürzeren Frist von etwa einem Monat nach
Fälligkeit, und die Zahlungsanweisung an die bürgende Einrichtung erging nach einem Monat und
einer Woche.
82.
In Bezug auf die ersten beiden Teilbeträge der Sicherheit liegt es angesichts der Bedeutung der
Fristen auf der Hand, dass die AIMA nicht „unverzüglich“ gehandelt hat. Hinsichtlich des Restbetrags
steht fest, dass die Aufforderung und die Anweisung schneller als in den ersten beiden Fällen
erfolgten. Im Kontext der Rechtssache, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Schuldner
seinen vorangegangenen Zahlungspflichten hartnäckig entzogen hatte, hätte die AIMA jedoch nicht
einen Monat bzw. einen Monat und eine Woche warten dürfen, bevor sie die Zahlung des fälligen
Restbetrags verlangte, so dass sie wiederum nicht „unverzüglich“ gehandelt hat.
83.
Somit ist festzustellen, dass die nationalen Stellen in allen Fällen ihrer Pflicht nicht nachgekommen
sind, die fraglichen Sicherheitsleistungen einzuziehen.
84.
Die angeblichen hinhaltenden Maßnahmen des Zuschlagsempfängers können sich nicht auf die
Haftung der nationalen Stellen in der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Situation auswirken, die
durch erhebliche Verzögerungen bei den von diesen Stellen an den Zuschlagsempfänger gerichteten
Zahlungsaufforderungen gekennzeichnet ist. Was den Bürgen anbelangt, so handelte es sich, wie in
Randnummer 70 des vorliegenden Urteils ausgeführt, um eine auf erste Anforderung auch bei
Widerspruch des Zuschlagsempfängers zahlbare und auf bloße Erklärung der Interventionsstelle
freizugebende Sicherheit. Es gibt daher keine Rechtfertigung dafür, dass die AIMA von der bürgenden
Einrichtung keine Zahlung erlangen konnte, unabhängig von etwaigen hinhaltenden Maßnahmen des
Zuschlagsempfängers.
85.
Aus alledem folgt, dass die Kommission berechtigt war, gegenüber der Italienischen Republik die
streitige Berichtigung vorzunehmen, und dass das auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der
Kommission gestützte Vorbringen unbegründet ist. Die Klage der Italienischen Republik ist daher
abzuweisen, soweit sie sich auf die Berichtigung in Höhe von 7 760 156 831 ITL bezieht.
86.
Da sich alle Klagegründe der italienischen Regierung als unbegründet erwiesen haben, ist die Klage
der Italienischen Republik in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
87.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat und die
Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Wathelet
Edward
La Pergola
Jann
von Bahr
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Januar 2003.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
M. Wathelet
Verfahrenssprache: Italienisch.