Urteil des EuGH vom 20.03.2003

EuGH: kommission, mitgliedstaat, dänemark, regierung, erlass, öffentliche gesundheit, vertrag von amsterdam, wein, klagegrund, ausschuss

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES
20. März 2003
„Rechtsangleichung - Richtlinie 95/2/EG - Verwendung von Sulfiten, Nitriten und Nitraten als
Lebensmittelzusatzstoffe - Gesundheitsschutz - Strengere nationale Bestimmungen - Voraussetzungen für
die Anwendung von Artikel 95 Absatz 4 EG - Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens“
In der Rechtssache C-3/00
Königreich Dänemark
Kläger,
unterstützt durch
Republik Island
und durch
Königreich Norwegen
Streithelfer,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/830/EG der Kommission vom 26. Oktober 1999 über vom
Königreich Dänemark notifizierte nationale Rechtsvorschriften für die Verwendung von Sulfiten, Nitriten und
Nitraten in Lebensmitteln (ABl. L 329, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, M.
Wathelet und R. Schintgen, der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, P. Jann und V. Skouris,
der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues
(Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 25. September 2001,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Mai 2002
folgendes
Urteil
1.
Das Königreich Dänemark hat mit Klageschrift, die am 6. Januar 2000 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 1 EG die Nichtigerklärung der Entscheidung
1999/830/EG der Kommission vom 26. Oktober 1999 über vom Königreich Dänemark notifizierte
nationale Rechtsvorschriften für die Verwendung von Sulfiten, Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln
(ABl. L 329, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung) beantragt.
2.
Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 4. Oktober 2000 sind die Republik Island
und das Königreich Norwegen als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs
Dänemark zugelassen worden.
Rechtlicher Rahmen
3.
Durch den am 1. Mai 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam wurde Artikel 100a EG-
Vertrag in wesentlichen Punkten geändert und in Artikel 95 EG umnummeriert. Artikel 95 Absätze 4 bis
7 EG sieht Folgendes vor:
„(4) Hält es ein Mitgliedstaat, wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme
erlassen hat, für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige
Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den
Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre
Beibehaltung der Kommission mit.
(5) Unbeschadet des Absatzes 4 teilt ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer
Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue
wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder
der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem
Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genommenen
Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mit.
(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach den Mitteilungen nach den Absätzen 4
und 5, die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie
geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des
Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarktes
behindern.
Trifft die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keine Entscheidung, so gelten die in den Absätzen 4
und 5 genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.
Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine
Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in
diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs
Monaten verlängert wird.
(7) Wird es einem Mitgliedstaat nach Absatz 6 gestattet, von der Harmonisierungsmaßnahme
abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, so prüft die Kommission
unverzüglich, ob sie eine Anpassung dieser Maßnahme vorschlägt.“
4.
In der auf der Grundlage von Artikel 100a EG-Vertrag erlassenen Richtlinie 89/107/EWG des Rates
vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (ABl. 1989, L 40, S. 27, im Folgenden:
Rahmenrichtlinie), werden die Lebensmittelzusatzstoffe definiert, die Grundvoraussetzungen für ihre
Verwendung in Lebensmitteln festgelegt und der Rahmen für die anschließende Aufstellung einer
Positivliste von Zusatzstoffen geschaffen. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie enthält diese
Positivliste die Zusatzstoffe, die unter Ausschluss aller anderen verwendet werden dürfen, die
Lebensmittel, denen diese Zusatzstoffe hinzugefügt werden dürfen, und die Bedingungen dafür.
5.
Nach Artikel 2 Absatz 3 der Rahmenrichtlinie werden Lebensmittelzusatzstoffe auf der Grundlage der
in Anhang II der Richtlinie beschriebenen allgemeinen Kriterien in die Positivliste aufgenommen.
6.
Der mit „Allgemeine Kriterien für die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen“ überschriebene
Anhang II der Rahmenrichtlinie sieht in den Nummern 1, 3 und 6 Folgendes vor:
„1. Lebensmittelzusatzstoffe dürfen nur dann genehmigt werden,
- wenn eine hinreichende technische Notwendigkeit nachgewiesen werden kann und wenn das
angestrebte Ziel nicht mit anderen, wirtschaftlich und technisch brauchbaren Methoden erreicht
werden kann;
- wenn sie bei der vorgeschlagenen Dosis für den Verbraucher gesundheitlich unbedenklich sind,
soweit die verfügbaren wissenschaftlichen Daten ein Urteil hierüber erlauben;
- wenn der Verbraucher durch ihre Verwendung nicht irregeführt wird.
...
3. Um die etwaigen gesundheitsschädlichen Wirkungen eines Lebensmittelzusatzstoffes oder seiner
Folgeerzeugnisse zu ermitteln, muss dieser geeigneten toxikologischen Untersuchungen und einer
geeigneten toxikologischen Beurteilung unterzogen werden. In dieser Bewertung müssten auch
beispielsweise die in Verbindung mit ihrer Verwendung auftretenden kumulativen, synergistischen
oder verstärkenden Auswirkungen sowie das Phänomen der Unverträglichkeit des menschlichen
Organismus auf körperfremde Stoffe berücksichtigt werden.
...
6. Genehmigungen von Lebensmittelzusatzstoffen müssen
...
b) auf die geringste Dosis begrenzt werden, die notwendig ist, um den gewünschten Effekt zu
erzielen;
c) alle Bewertungen auf der Grundlage des täglichen Konsums oder ähnliche Bewertungen
berücksichtigen, die für Lebensmittelzusatzstoffe und deren wahrscheinlichen täglichen Verbrauch
unter Inanspruchnahme aller Bezugsquellen durchgeführt werden. ...“
7.
Nach Artikel 6 der Rahmenrichtlinie werden Bestimmungen, die Auswirkungen auf die
Volksgesundheit haben können, nach Anhörung des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses (im
Folgenden: Ausschuss) verabschiedet.
8.
In Anwendung der Rahmenrichtlinie wurde der Inhalt der Positivliste in drei Richtlinien geregelt, der
Richtlinie 94/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1994 über
Süßungsmittel, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (ABl. L 237, S. 3), der Richtlinie
94/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1994 über Farbstoffe, die in
Lebensmitteln verwendet werden dürfen (ABl. L 237, S. 13), und der Richtlinie 95/2/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 1995 über andere Lebensmittelzusatzstoffe
als Farbstoffe und Süßungsmittel (ABl. L 61, S. 1).
9.
Die auf der Grundlage von Artikel 100a EG-Vertrag erlassene Richtlinie 95/2 betrifft die
Bedingungen für die Verwendung anderer Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel.
Die dänische Delegation stimmte gegen den Erlass dieser Richtlinie und führte dazu in einer Erklärung
zur Abstimmung vom 15. Dezember 1994 aus, die Richtlinie gewährleiste u. a. im Hinblick auf die
Verwendung von Nitriten, Nitraten und Sulfiten als Lebensmittelzusatzstoffe nicht in ausreichendem
Umfang die hygienischen Voraussetzungen, denen die dänische Delegation entscheidende
Bedeutung zumesse.
10.
Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 95/2 lautet:
„Nur Zusatzstoffe, die die Auflagen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses erfüllen, dürfen
in Lebensmitteln verwendet werden.“
11.
Nach Artikel 2 der Richtlinie 95/2 sind die Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden
dürfen, in den Anhängen I, III, IV und V der Richtlinie aufgeführt. Insbesondere dürfen nach Artikel 2
Absatz 4 die in Anhang III aufgeführten Zusatzstoffe nur in den dort genannten Lebensmitteln und
unter den dort festgelegten Bedingungen verwendet werden.
12.
Anhang III Teil B der Richtlinie 95/2 enthält in der nachstehenden Tabelle die Bedingungen für die
Verwendung von Schwefeldioxid (E 220) und der Sulfite Natriumsulfit (E 221), Natriumhydrogensulfit (E
222), Natriummetabisulfit (E 223), Kaliummetabisulfit (E 224), Calciumsulfit (E 226),
Calciumhydrogensulfit (E 227) und Kaliumhydrogensulfit (E 228). Die Höchstmengen werden dort als
SO
2
in mg/kg oder mg/l ausgedrückt und beziehen sich auf die Gesamtmenge an SO
2
, die sich aus
dem SO
2
-Gehalt aller Komponenten ergibt.
Lebensmittel
Höchstmenge (mg/kg bzw.
mg/l)
als SO
2
angegeben
mit einem Gemüse- und/oder Getreideanteil von
450
mindestens 4 %
450
und
450
Getrocknete und gesalzene Dorschfische (Gadidae)
200
Krebstiere und Kopffüßler
- frisch, gefroren und tiefgefroren
Krebstiere der Familien penaeidae solenceridae, aristeidae
- weniger als 80 Einheiten
- zwischen 80 und 120 Einheiten
- mehr als 120 Einheiten
- gekocht
150
(1)
150
(1)
200
(1)
300
(1)
50
(1)
Hartkekse
50
Stärke (außer Stärke für Entwöhnungsnahrung, Folgenahrung und
Säuglingsanfangsnahrung)
50
Sago
30
Graupen
30
Trockenkartoffeln, granuliert
400
Knabbererzeugnisse auf Getreide- und Kartoffelbasis
50
Geschälte Kartoffeln
50
Verarbeitete (einschließlich gefrorene und tiefgefrorene) Kartoffeln
100
Kartoffelteig
100
Weiße Gemüsesorten, getrocknet
400
Weiße Gemüsesorten, verarbeitet (einschließlich gefrorene und
tiefgefrorene weiße Gemüsesorten)
50
Getrockneter Ingwer
150
Getrocknete Tomaten
200
Meerrettichpulpe
800
Pulpe von Speisezwiebeln, Knoblauch und Schalotten
300
Gemüse und Obst in Essig, Öl oder Lake (ausgenommen Oliven und
gelbe Paprika in Lake)
100
Gelbe Paprika in Lake
500
Verarbeitete Pilze (einschließlich gefrorene Pilze)
50
Trockenpilze
100
Trockenfrüchte
- Aprikosen, Pfirsiche, Trauben, Pflaumen und Feigen
- Bananen
- Äpfel und Birnen
- Andere (einschließlich Nüsse mit Schale)
2 000
1 000
600
500
Getrocknete Kokosnüsse
50
Obst, Gemüse, Angelikawurzel und Zitrusschalen, kandiert,
kristallisiert oder glasiert
100
Konfitüren, Gelees und Marmeladen gemäß Richtlinie 79/693/EWG
(ausgenommen Konfitüre extra und Gelee extra) und ähnliche
Früchteaufstriche, einschließlich brennwertverminderte Erzeugnisse
50
, und aus geschwefelten Früchten
100
Pastetenfüllungen auf Früchtebasis
100
Würzmittel auf Zitrussaftbasis
200
Traubensaftkonzentrat zur Selbstherstellung von Wein
2 000
100
Obstgeliersaft, flüssiges Pektin, zur Abgabe an den Endverbraucher
800
Weiße Herzkirschen, rehydrierte Trockenfrüchte und Litschis, in
Gläsern
100
Zitronenscheiben, in Gläsern
250
Zuckerarten gemäß Richtlinie 73/437/EWG, ausgenommen
Glukosesirup, auch getrocknet
15
Glukosesirup, auch getrocknet
20
Speisesirup und Melasse
70
Andere Zuckerarten
40
Überzüge (Sirup für Pfannkuchen, aromatisierter Sirup für
Milchmischgetränke und Speiseeis; ähnliche Erzeugnisse)
40
Orangen-, Grapefruit-, Apfel- und Ananassaft für die Abgabe aus
Großbehältern in der Gastronomie und in Einrichtungen zur
Gemeinschaftsverpflegung
50
Limonen- und Zitronensaft
350
Konzentrate auf der Basis von Fruchtsäften mit mindestens 2,5 %
Gerste ()
350
Andere Konzentrate auf der Basis von Fruchtsäften oder
zerkleinerten Früchten;
250
Nichtalkoholische aromatisierte Getränke, die Fruchtsaft enthalten
20 (nur als Gehalt aus dem
Konzentrat zulässig)
Nichtalkoholische aromatisierte Getränke mit mindestens 235 g/l
Glukosesirup
50
Traubensaft, unvergoren, zur sakramentalen Verwendung
70
Süßwaren auf Glukosesirupbasis
50 (nur als Gehalt aus dem
Glukosesirup zulässig)
Bier, einschließlich alkoholarmes und alkoholfreies Bier
20
Bier mit Nachgärung im Fass
50
Wein
Gemäß Verordnungen (EWG)
Nrn. 822/87, 4252/88,
2332/92 und 1873/84 des
Rates und
Durchführungs-verordnungen
...
Alkoholfreier Wein
200
260
Apfelwein, Birnen- und Obstwein, Obstschaumwein (einschließlich
alkoholfreie Erzeugnisse)
200
Met
200
Gärungsessig
170
Senf, außer Dijon-Senf
250
Dijon-Senf
500
Gelatine
50
Fleisch-, Fisch- und Krebstieranaloge auf pflanzlicher Proteinbasis
200
(1)
In den essbaren Teilen.
13.
Anhang III Teil C der Richtlinie 95/2 enthält in einer Tabelle die Bedingungen für die Verwendung von
Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln. Diese Tabelle hat folgenden Inhalt.
Kaliumnitrit (E 249) und Natriumnitrit (E 250):
Lebensmittel
Zugesetzte
Menge
(Richtwert)
(mg/kg)
Rest-
menge
(mg/kg)
Nichthitzebehandelte gepökelte und getrocknete Fleischerzeugnisse
150
(2)
50
(3)
Andere gepökelte Fleischerzeugnisse
Fleischerzeugnisse in Dosen
150
(2)
100
(3)
Gepökelter Speck
175
(3)
(2)
Ausgedrückt als NaNO
2
.
(3)
Restmenge zum Zeitpunkt der Abgabe an den Endverbraucher, ausgedrückt als NaNO
2
.
Natriumnitrat (E 251) und Kaliumnitrat (E 252):
Lebensmittel
Zugesetzte Menge (Richtwert)
(mg/kg)
Restmenge
(mg/kg)
Gepökelte Fleischerzeugnisse
Fleischerzeugnisse in Dosen
300
250
(4)
Hartkäse, Schnittkäse und halbfester Schnittkäse
Käseanaloge auf Milchbasis
50
(4)
Eingelegte Heringe und Sprotten
200
(5)
(4)
Ausgedrückt als NaNO
2
.
(5)
Restmenge einschließlich des aus Nitrat entstandenen Nitrits, ausgedrückt als NaNO
2
.
14.
Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 95/2 lautet:
„Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser
Richtlinie spätestens am 25. September 1996 nachzukommen; danach sind
- spätestens am 25. September 1996 der Handel mit und die Verwendung von Erzeugnissen, die
dieser Richtlinie entsprechen, zugelassen;
- spätestens am 25. März 1997 der Handel mit und die Verwendung von Erzeugnissen, die dieser
Richtlinie nicht entsprechen, untersagt; jedoch können vor diesem Termin in Verkehr gebrachte oder
gekennzeichnete Erzeugnisse, die nicht dieser Richtlinie entsprechen, bis zum Abbau der Vorräte
vermarktet werden.“
15.
Die erste umfassende Regelung für Lebensmittelzusatzstoffe wurde vom Königreich Dänemark im
Jahr 1973 erlassen. Diese Regelung enthielt u. a. eine Positivliste zulässiger Zusatzstoffe. Nur die in
dieser Liste aufgeführten Zusatzstoffe durften verwendet werden, und ihre Verwendung war nur unter
den in der Liste genannten Bedingungen gestattet.
16.
Die dänische Positivliste wurde anhand von Bewertungen im Hygienebereich und technischen
Notwendigkeiten unter Berücksichtigung des Erlasses von Gemeinschaftsvorschriften über
Zusatzstoffe kontinuierlich fortgeschrieben.
17.
Mit Ausnahme der Bestimmungen für Sulfite, Nitrite und Nitrate wurde die Richtlinie 95/2 durch die
Verordnung Nr. 1055 des Gesundheitsministeriums vom 18. Dezember 1995 über
Lebensmittelzusatzstoffe (Lovtidende 1995 A, S. 5571), später geändert durch die Verordnungen Nr.
834 des Gesundheitsministeriums vom 23. September 1996 (Lovtidende 1996 A, S. 5089) und Nr. 942
des Ernährungsministeriums vom 11. Dezember 1997 (Lovtidende 1997 A, S. 5614) (im Folgenden:
Ministerialverordnung Nr. 1055/95), in dänisches Recht umgesetzt.
18.
Die Anhänge der Ministerialverordnung Nr. 1055/95 enthalten in Tabellenform die Bedingungen für
die Verwendung von Sulfiten in Lebensmitteln mit Ausnahme von Wein (die Gemeinschaftsvorschriften
über Wein sind in Dänemark anwendbar). Sie haben folgenden Inhalt:
Lebensmittel
Zugesetzte
Höchstmenge
(mg/kg bzw. mg/l)
als SO
2
angegeben
Knoblauchpulpe
300
Meerrettichpulpe
600
Aprikosen
1 000
(6)
Kartoffeln, granuliert
100
Konfitüre, Orangengelee und Maronenkrem (gemäß Richtlinie
79/693/EWG)
50
(6)
Andere Konfitüren
50
(6)
Süßwaren auf Glukosesirupbasis
50
(6)
Hartkekse
150
Tiefwasserhummer, frisch
30
Krebstiere, gefroren
30
Krebstiere, gekocht
30
Zuckerprodukte (gemäß Richtlinie 73/437/EWG)
15
(6)
Glukosesirup
20
(6)
Essig mit einem Säuregehalt von bis zu 8 %
100
Limonensaft
100
Zitronensaft
350
Aromatisierte Getränke aus Fruchtsaftkonzentrat
20
(6)
Bier
20
Apfel- und Birnenwein
50
Fruchtwein
300
(6)
Restmenge.
19.
Die Anhänge der Ministerialverordnung Nr. 1055/95 enthalten ferner die Bedingungen für die
Verwendung von Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln. Sie haben folgenden Inhalt.
Kaliumnitrit (E 249) und Natriumnitrit (E 250):
Lebensmittel
Zugesetzte
Menge
(7)
(mg/kg)
Nichthitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus ganzen Fleischstücken, einschließlich
Scheiben des Erzeugnisses
60
Wiltshire-Speck und Scheiben, einschließlich gesalzener Schinken
150
Hitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus ganzen Fleischstücken, einschließlich
Scheiben des Erzeugnisses
60
(gerollte Fleischwurst)
100
Hitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus ganzen Fleischstücken, einschließlich
Scheiben des Erzeugnisses, vollständig oder teilweise konserviert
150
Nichthitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus Hackfleisch
60
Fermentierte dänische Salami
100
Nichthitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus Hackfleisch, vollständig oder teilweise
konserviert
150
Hitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus Hackfleisch
60
Fleischklöße und Leberpastete
Hitzebehandelte Fleischerzeugnisse aus Hackfleisch, vollständig oder teilweise
konserviert
150
(7)
Berechnet in NaNO
2
.
Natriumnitrat (E 251) und Kaliumnitrat (E 252):
Lebensmittel
Zugesetzte Menge
(8)
(mg/kg)
Wiltshire-Speck und Scheiben, einschließlich gesalzener Schinken
300
(8)
Berechnet in NaNO
3
.
20.
Mit Schreiben vom 15. Juli 1996, das durch Schreiben vom 20. Mai 1997 ergänzt wurde, teilte die
dänische Regierung der Kommission gemäß Artikel 100a Absatz 4 EG-Vertrag ihre nationalen
Bestimmungen für die Verwendung von Sulfiten, Nitriten und Nitraten (im Folgenden: streitige
Bestimmungen) im Hinblick auf deren Beibehaltung in Abweichung von den Bestimmungen der
Richtlinie 95/2 mit.
21.
Nach informellen Kontakten zu den Dienststellen der Kommission übersandte ihnen die dänische
Regierung am 14. Juli 1998 ergänzende Informationen. Die Kommission übermittelte sodann die
Notifizierungsunterlagen den übrigen Mitgliedstaaten zur Stellungnahme. Sieben Mitgliedstaaten
gaben Stellungnahmen ab; mehrere von ihnen äußerten Vorbehalte gegen den Antrag der dänischen
Regierung.
22.
Am 26. Oktober 1999 erließ die Kommission auf der Grundlage von Artikel 95 Absatz 6 EG die
angefochtene Entscheidung. Darin stellte sie fest, dass die streitigen Bestimmungen „dem
Gesundheitsschutz dienen sollen, jedoch weiter gehen, als es zur Erreichung dieses Zieles
erforderlich ist“ (Punkt 44 der Entscheidung), und beschloss deshalb, ihnen nicht zuzustimmen.
23.
Die angefochtene Entscheidung wurde der dänischen Regierung am 28. Oktober 1999 mitgeteilt.
24.
Im Anschluss daran hob die dänische Regierung die streitigen Bestimmungen mit der
Ministerialverordnung Nr. 822 vom 5. November 1999 (Lovtidende 1999 A, S. 5713) auf.
Wissenschaftliche Daten
25.
Aus den Akten der vorliegenden Rechtssache geht hervor, dass der Zusatz von Sulfiten zu
Lebensmitteln konservierende Wirkung hat. Sulfite werden insbesondere bei Wein, Konfitüre,
Hartkeksen und Trockenfrüchten verwendet. Sie hemmen die Entstehung von Bakterien, die
Lebensmittel verderben, von Schimmel und von Hefe.
26.
Werden Sulfite in großen Mengen aufgenommen, so können sie jedoch gesundheitsschädlich sein,
weil sie insbesondere den Verdauungstrakt schädigen können. Zudem können sie schwere
allergische Reaktionen bei Asthmatikern hervorrufen und schlimmstenfalls zum Tod führen. Diese
Reaktionen können selbst dann auftreten, wenn der Allergiker nur ganz geringe Mengen von Sulfiten
zu sich nimmt.
27.
Der Ausschuss untersuchte die Toxikologie der Sulfite im Jahr 1981 (Berichte des Ausschusses, 11.
Folge, S. 47, im Folgenden: Stellungnahme von 1981). Nachfolgend gab er am 25. Februar 1994 eine
Stellungnahme zu Sulfiten als Lebensmittelzusatzstoffe ab (Berichte des Ausschusses, 35. Folge, S.
23, im Folgenden: Stellungnahme von 1994). In dieser Stellungnahme legte er eine akzeptable
tägliche Aufnahmemenge (im Folgenden: ADI) von 0-0,7 mg Schwefeldioxid pro kg Körpergewicht fest.
Ferner empfahl er im Hinblick auf das Auftreten schwerer allergischer Reaktionen, den Einsatz von
Sulfiten so weit wie möglich zu beschränken und ihr Vorhandensein in Lebensmitteln auf dem Etikett
anzugeben.
28.
Nach den Informationen, über die der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Rechtssache
verfügt, sind Nitrite und Nitrate Lebensmittelzusatzstoffe mit konservierender Wirkung, die für den
menschlichen Organismus in verschiedener Weise gefährlich sein können.
29.
Der Zusatz von Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln unterstützt die konservierende Wirkung des
Räucherns, Pökelns oder Kochens, z. B. bei Fleischerzeugnissen. Diese Stoffe hemmen die Entstehung
von Bakterien, die die genannten Lebensmittel verderben können, sowie von krankheitserregenden
Bakterien wie , das Botulismus verursacht. In den Fleischerzeugnissen wandeln
sich Nitrite jedoch durch eine Reaktion zwischen ihnen und bestimmten natürlichen Bestandteilen des
Fleisches in Nitrosamine um, die als krebserregend bekannt sind.
30.
Der Ausschuss untersuchte in seinen Stellungnahmen vom 19. Oktober 1990 (Berichte des
Ausschusses, 26. Folge, S. 21, im Folgenden: Stellungnahme von 1990) und vom 22. September 1995
(Berichte des Ausschusses, 38. Folge, S. 1, im Folgenden: Stellungnahme von 1995) die technischen
Notwendigkeiten und Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit dem Zusatz von Nitriten und
Nitraten. In der ersten Stellungnahme kam er u. a. zu folgendem Ergebnis:
„Es wäre klug, die Mengen an vorgebildeten Nitroso-Verbindungen in der Nahrung weitestgehend zu
vermindern. Daher empfiehlt der Ausschuss, die Belastung mit vorgebildeten Nitrosaminen durch
angemessene technologische Verfahren zu minimieren, wie durch die Verminderung von Nitraten und
Nitriten als Lebensmittelzusatzstoffe auf ein Mindestmaß, um die nötige Konservierungswirkung zu
erzielen und die mikrobiologische Unbedenklichkeit zu gewährleisten. Bei diesen Mengen an Nitrat und
Nitrit sollte es sich um die kleinstmöglichen Mengen handeln, gemäß den Informationen, die dem
Ausschuss im Rahmen dieser Stellungnahme erteilt wurden“ (Berichte des Ausschusses, 26. Folge, S.
30).
31.
In seiner Stellungnahme von 1995 weist der Ausschuss darauf hin, dass Nitrosamine krebserregend
seien, und stellt fest, dass es unmöglich sei, einen Schwellenwert zu bestimmen, unterhalb dessen sie
keine Krebsgefahr aufwiesen. Er wiederholt die Schlussfolgerung in seiner Stellungnahme von 1990,
wonach die Exposition gegenüber Nitrosaminen durch die Nahrungsaufnahme auf ein Mindestmaß
gesenkt werden müsse (Berichte des Ausschusses, 38. Folge, S. 22, Abschnitte 2.2 und 2.3).
Die Klage
32.
Zur Stützung seiner Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beruft sich das
Königreich Dänemark auf fünf Gruppen von Klagegründen, mit denen es erstens eine Verletzung
wesentlicher Formvorschriften, zweitens die Nichtbeachtung der Voraussetzungen für die Anwendung
von Artikel 95 Absatz 4 EG, drittens rechtliche und tatsächliche Fehler speziell bei der Ablehnung der
streitigen Bestimmungen für die Verwendung von Sulfiten, viertens rechtliche und tatsächliche Fehler
speziell bei der Ablehnung der streitigen Bestimmungen für die Verwendung von Nitriten und Nitraten
und fünftens die Unterlassung einer Entscheidung und eine unzureichende Begründung rügt.
Vorbringen der Parteien
33.
Mit seinem ersten Klagegrund macht das Königreich Dänemark, unterstützt von der Republik Island,
geltend, mit der angefochtenen Entscheidung seien insofern wesentliche Formvorschriften verletzt
worden, als die Kommission vor ihrem Erlass den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht
beachtet habe. Die Entscheidung beruhe auf unzutreffenden Annahmen - u. a. der, dass die
Bestimmungen der Richtlinie 95/2 in Einklang mit den aktualisierten Stellungnahmen des Ausschusses
stünden -, die hätten klargestellt werden können, wenn die Kommission der dänischen Regierung dazu
die Möglichkeit gegeben hätte.
34.
Mit seinem zweiten Klagegrund macht das Königreich Dänemark, unterstützt von der Republik
Island, geltend, mit der angefochtenen Entscheidung seien insofern wesentliche Formvorschriften
verletzt worden, als die Kommission der dänischen Regierung nicht die Möglichkeit gegeben habe,
Kenntnis von den Stellungnahmen der übrigen Mitgliedstaaten zu erlangen und sich zu ihnen zu
äußern. Die Kommission habe die Notifizierungsunterlagen aus eigener Initiative den Mitgliedstaaten
zur Stellungnahme übermittelt, ohne dass im EG-Vertrag vorgesehen sei, dass sie deren
Stellungnahme vor dem Erlass einer Entscheidung gemäß Artikel 95 Absatz 6 EG einholen müsse.
Mehrere Einwände, die in der angefochtenen Entscheidung gegen die streitigen Bestimmungen
erhoben würden, stimmten mit diesen Stellungnahmen überein, so dass davon auszugehen sei, dass
sie diese Entscheidung beeinflusst hätten. Die Stellungnahmen enthielten falsche Standpunkte, die in
der Entscheidung übernommen würden und die die dänische Regierung hätte richtig stellen können,
wenn sie konsultiert worden wäre.
35.
Die Kommission antwortet auf den ersten und den zweiten Klagegrund, der Grundsatz des
kontradiktorischen Verfahrens gelte nicht für einen Antrag gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG. Bei dem in
dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren handele es sich in Wirklichkeit um eine Stufe eines
Rechtsetzungsverfahrens, d. h., es ziele auf den Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung ab.
Werde gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG die Beibehaltung abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen
gestattet, so laufe dies auf die Änderung einer Richtlinie oder den Erlass einer Übergangsregelung im
Rahmen einer Richtlinie hinaus.
36.
Hilfsweise macht die Kommission geltend, im vorliegenden Fall sei der Grundsatz des
kontradiktorischen Verfahrens beachtet worden. Die dänische Regierung habe nämlich tatsächlich die
Möglichkeit gehabt, ihren Standpunkt mitzuteilen. Zum einen habe sie im Rahmen des
Rechtsetzungsverfahrens vor dem Erlass der Richtlinie 95/2 Gelegenheit gehabt, sich zu dem in dieser
Richtlinie vorgesehenen Schutzniveau zu äußern. Zum anderen habe sie in ihrem Antrag gemäß Artikel
95 Absatz 4 EG dargelegt, welche Gesichtspunkte ihres Erachtens den Rückgriff auf diese Bestimmung
rechtfertigten. Wenn die dänische Regierung vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung durch
die Kommission angehört worden wäre, hätte sie somit eine dritte Gelegenheit erhalten, ihren
Standpunkt vorzutragen. Überdies habe nach der Mitteilung der streitigen Bestimmungen gemäß
Artikel 95 Absatz 4 EG, aber vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung, am 19. November 1997
ein Treffen der Kommission und der dänischen Behörden zur Erörterung der Angelegenheit
stattgefunden. Der dänischen Regierung habe es freigestanden, bei diesem Treffen andere Fragen im
Zusammenhang mit der genannten Mitteilung anzusprechen.
37.
Höchst hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof von einem Verstoß gegen den Grundsatz des
kontradiktorischen Verfahrens ausgehen sollte, trägt die Kommission vor, dieser Verstoß habe sich im
vorliegenden Fall nicht auf den Ausgang des Verfahrens ausgewirkt. Nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes könne eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur dann zu einer
Nichtigerklärung führen, wenn davon auszugehen sei, dass das Verfahren ohne diesen Fehler zu
einem anderen Ergebnis hätte führen können. Die Kommission habe die dänische Regierung aber u.
a. mit Schreiben des Kommissionsmitglieds Bangemann vom 16. März 1999 darüber informiert, dass
sie von anderen Mitgliedstaaten Stellungnahmen angefordert und erhalten habe, ohne dass die
dänische Regierung je verlangt hätte, die von den anderen Mitgliedstaaten erhaltenen Informationen
kommentieren zu dürfen. Erst in ihrer Klageschrift habe sie diesen Wunsch geäußert. Im Übrigen habe
die dänische Regierung am 22. Oktober 1999 Schreiben an zwei Mitglieder der Kommission gerichtet,
in denen sie zu einer Reihe technischer Details im Entwurf der angefochtenen Entscheidung Stellung
genommen habe. Folglich habe sie diesen Entwurf vor seiner Verabschiedung gekannt und vor dem
Erlass der angefochtenen Entscheidung Bemerkungen dazu abgegeben.
Würdigung durch den Gerichtshof
38.
Zunächst ist die Natur des in Artikel 95 Absätze 4 und 6 EG vorgesehenen Verfahrens zu prüfen.
39.
Die Kommission weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine von ihr im Rahmen dieses Verfahrens
getroffene Entscheidung, mit der sie die Beibehaltung einer von einer Gemeinschaftshandlung mit
allgemeiner Geltung abweichenden einzelstaatlichen Bestimmung billige, zur Änderung des
Anwendungsbereichs dieser Handlung mit Wirkung erga omnes führe. Gleichwohl kann das Verfahren,
das zu einer solchen Entscheidung führt, nicht als Teil des Rechtsetzungsverfahrens zum Erlass der
Handlung mit allgemeiner Geltung angesehen werden.
40.
Das in Artikel 95 Absätze 4 und 6 EG geregelte Verfahren zur Billigung abweichender
einzelstaatlicher Bestimmungen unterscheidet sich nämlich von dem Verfahren, das zum Erlass der
Harmonisierungsmaßnahme führt, von der abgewichen wird. Nach Artikel 95 Absatz 1 EG wird diese
Maßnahme gemäß dem in Artikel 251 EG geregelten Verfahren der Mitentscheidung vom Rat und vom
Europäischen Parlament auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Wirtschafts- und
Sozialausschusses erlassen. Dagegen beginnt das Billigungsverfahren gemäß dem Wortlaut von
Artikel 95 Absatz 4 EG nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme durch das rechtsetzende
Organ. Es dient zur Beurteilung der besonderen Bedürfnisse eines Mitgliedstaats, wobei die
Kommission nach Artikel 95 Absatz 7 EG zu prüfen hat, ob sie dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine
Anpassung der Harmonisierungsmaßnahme vorschlägt, wenn sie davon abweichende einzelstaatliche
Bestimmungen gebilligt hat.
41.
Dem auf die rechtsetzende Natur des Verfahrens gestützten Vorbringen der Kommission kann
daher nicht gefolgt werden.
42.
Es gibt allerdings keine Bestimmung, die die Anwendung des Grundsatzes des kontradiktorischen
Verfahrens auf das in Artikel 95 Absätze 4 und 6 EG geregelte Verfahren zur Entscheidung über die
Billigung einzelstaatlicher Bestimmungen vorsieht, die von einer auf Gemeinschaftsebene getroffenen
Harmonisierungsmaßnahme abweichen.
43.
Desgleichen schreibt keine Bestimmung der Kommission vor, im Rahmen dieses Verfahrens die
Stellungnahmen der übrigen Mitgliedstaaten einzuholen, wie sie es im vorliegenden Fall getan hat.
44.
Daher ist zu prüfen, ob der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens auch ohne spezielle
Regelung insbesondere dann Anwendung findet, wenn solche Stellungnahmen eingeholt wurden.
45.
Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat,
verpflichtet die öffentliche Gewalt, die von einer Entscheidung betroffenen Personen vor deren Erlass
anzuhören (Urteil vom 10. Juli 2001 in der Rechtssache C-315/99 P, Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg.
2001, I-5281, Randnr. 28).
46.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gilt der Grundsatz der Wahrung der
Verteidigungsrechte, mit dem der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens eng verbunden ist,
nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Mitgliedstaaten. In Bezug auf Letztere ist dieser
Grundsatz im Rahmen von Verfahren anerkannt worden, die ein Gemeinschaftsorgan gegen den
betroffenen Mitgliedstaat z. B. im Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen oder der Überwachung des
Verhaltens der Mitgliedstaaten gegenüber öffentlichen Unternehmen eingeleitet hat (vgl. z. B. Urteile
vom 12. Februar 1992 in den Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg.
1992, I-565, Randnr. 44, und vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-288/96,
Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-8237, Randnr. 99).
47.
Das in Artikel 95 Absätze 4 und 6 EG vorgesehene Verfahren wird jedoch nicht von einem
Gemeinschaftsorgan initiiert, sondern von einem Mitgliedstaat, da die Entscheidung des
Gemeinschaftsorgans nur als Reaktion auf dessen Initiative getroffen wird.
48.
Dieses Verfahren wird auf Antrag eines Mitgliedstaats eingeleitet, der auf die Billigung
einzelstaatlicher Bestimmungen abzielt, die von einer auf Gemeinschaftsebene getroffenen
Harmonisierungsmaßnahme abweichen. Bei seinem Antrag steht es dem Mitgliedstaat frei, sich zu der
von ihm beantragten Entscheidung zu äußern; dies geht ausdrücklich aus Artikel 95 Absatz 4 EG
hervor, wonach er die Gründe für die Beibehaltung der fraglichen einzelstaatlichen Bestimmungen
anzugeben hat. Die Kommission muss ihrerseits in der Lage sein, innerhalb der ihr gesetzten Fristen
die erforderlichen Auskünfte zu erhalten, ohne den beantragenden Mitgliedstaat erneut anhören zu
müssen.
49.
Dieses Ergebnis wird zum einen durch Artikel 95 Absatz 6 Unterabsatz 2 EG bestätigt, wonach die
abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt gelten, wenn die Kommission innerhalb
eines bestimmten Zeitraums keine Entscheidung trifft. Zum anderen kann nach Unterabsatz 3 dieses
Absatzes der genannte Zeitraum nicht verlängert werden, wenn Gefahr für die menschliche
Gesundheit besteht. Daraus folgt, dass die Verfasser des Vertrages sowohl im Interesse des
beantragenden Mitgliedstaats als auch im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des
Binnenmarkts für einen raschen Abschluss des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens sorgen
wollten. Dieses Ziel wäre nur schwer mit dem Erfordernis eines längeren Informations- und
Meinungsaustauschs vereinbar.
50.
Folglich gilt der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht für das in Artikel 95 Absätze 4
und 6 EG vorgesehene Verfahren. Somit sind die ersten beiden Klagegründe des Königreichs
Dänemark als unbegründet zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
51.
Mit dem zweiten Teil seines dritten Klagegrundes macht das Königreich Dänemark, unterstützt von
der Republik Island, sowohl in Bezug auf Sulfite als auch in Bezug auf Nitrite und Nitrate geltend, in der
angefochtenen Entscheidung werde nicht in vollem Umfang anerkannt, dass Artikel 95 Absatz 4 EG
den Mitgliedstaaten die Beibehaltung einzelstaatlicher Bestimmungen ermögliche, die von den
Harmonisierungsmaßnahmen des Gemeinschaftsgesetzgebers abwichen. Artikel 95 Absätze 4 und 6
EG solle den Mitgliedstaaten, die dies für erforderlich hielten, die Möglichkeit geben, auf der
Grundlage einer anderen als der vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Bewertung
abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten. In der angefochtenen Entscheidung,
insbesondere in Punkt 42, werde dagegen davon ausgegangen, dass die Mitgliedstaaten nach der
Prüfung der relevanten Gesichtspunkte und dem Erlass eines Rechtsakts durch den
Gemeinschaftsgesetzgeber diese Prüfung nicht mehr in Frage stellen könnten. Insoweit beruhe die
angefochtene Entscheidung auf einem Rechtsfehler.
52.
Überdies werde in den Punkten 28 und 43 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen,
dass die Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf Sulfite, Nitrite und Nitrate immer noch Gegenstand
einer Überprüfung gemäß den Artikeln 4 der Rahmenrichtlinie und 7 der Richtlinie 95/2 sein könnten.
Die Existenz einer Schutzklausel sei aber für die von der Kommission gemäß Artikel 95 Absätze 4 und 6
EG vorzunehmende Beurteilung unerheblich. Die Kommission habe das Vorliegen einer Schutzklausel
zu Unrecht in die Begründung für ihre Weigerung einbezogen, die streitigen Bestimmungen zu billigen.
Auch insoweit sei die angefochtene Entscheidung mit einem Rechtsfehler behaftet.
53.
Mit seinem sechsten Klagegrund macht das Königreich Dänemark, unterstützt von der Republik
Island und dem Königreich Norwegen, geltend, in der angefochtenen Entscheidung sei die Billigung
der streitigen Bestimmungen insbesondere mit der Begründung versagt worden, die dänische
Regierung habe nicht nachgewiesen, dass die Verwendung von Sulfiten für die dänische Bevölkerung
ein besonderes Gesundheitsproblem darstelle (Punkt 32 der Entscheidung) oder dass sich die
dänische Bevölkerung bezüglich der Gefahren, die sich aus der Verwendung von Nitriten und Nitraten
ergeben könnten, in einer besonderen Lage befinde (Punkt 43 der Entscheidung). Dass in dem
betreffenden Mitgliedstaat eine besondere, den Rückgriff auf Artikel 95 Absatz 4 EG rechtfertigende
Lage bestehe, gehöre jedoch nicht zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift. Darin sei von
„wichtige[n] Erfordernisse[n] im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt
oder den Umweltschutz“ die Rede, nicht aber vom Bestehen einer besonderen Lage im
beantragenden Staat. Dieses Kriterium sei im Fall einer Entscheidung gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG
über die Einführung neuer, auf neue Erkenntnisse gestützter einzelstaatlicher Bestimmungen
relevant. Die angefochtene Entscheidung verstoße somit gegen Artikel 95 Absatz 4 EG.
54.
Die Kommission trägt vor, die Auslegung von Artikel 95 EG müsse sich vor allem darauf stützen,
dass nach Absatz 1 dieser Vorschrift Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über den Binnenmarkt getroffen werden könnten. Auf Artikel 95 Absatz 1 EG
beruhende Rechtsakte der Gemeinschaft könnten eine vollständige Harmonisierung des von ihnen
erfassten Bereichs darstellen. In einem solchen Fall gebe Artikel 95 Absatz 4 EG einem Mitgliedstaat
die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen abweichende einzelstaatliche Bestimmungen
beizubehalten. Damit werde eine eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz der einheitlichen
Anwendung des Gemeinschaftsrechts und des einheitlichen Marktes geschaffen. Zudem habe der
betreffende Mitgliedstaat nachzuweisen, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen, die er anwenden
wolle, ein höheres Schutzniveau als die gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen aufwiesen,
von denen sie abwichen.
55.
Ein Mitgliedstaat könne abweichende einzelstaatliche Bestimmungen nach Artikel 95 Absatz 4 EG
beibehalten, wenn eine besondere Lage in diesem Staat ihre Beibehaltung rechtfertige oder wenn
das Gemeinschaftsrecht insofern lückenhaft sei, als es kein „hohe[s] Schutzniveau“ im Sinne von
Artikel 95 Absatz 3 EG gewährleiste. Dagegen könne ein Mitgliedstaat seine eigene Bewertung der
Gefahr nicht an die Stelle der Bewertung des Gemeinschaftsgesetzgebers setzen. Dass ein
Mitgliedstaat die Gefahr anders bewerte als der Gemeinschaftsgesetzgeber, stelle keine
„Rechtfertigung“ für die Beibehaltung abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen gemäß Artikel 95
Absatz 4 EG dar. Die Mitgliedstaaten, die sich auf diese Vorschrift beriefen, müssten das Vorliegen
neuer wissenschaftlicher Gesichtspunkte oder von Gesichtspunkten nachweisen, die hätten
berücksichtigt werden müssen und die zeigten, dass die Gemeinschaftsvorschriften keinen
hinreichenden Schutz böten. Diese Auslegung werde durch Artikel 95 Absatz 7 EG bestätigt, wonach
die Kommission, wenn einem Mitgliedstaat gestattet werde, von einer Harmonisierungsmaßnahme
abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, unverzüglich prüfe, ob sie eine
Anpassung dieser Maßnahme vorschlage.
Würdigung durch den Gerichtshof
56.
Der EG-Vertrag dient zur schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarkts, der einen Raum ohne
Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital
gewährleistet ist. Zu diesem Zweck sah der EG-Vertrag den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vor. Im Rahmen der Fortentwicklung des Primärrechts
wurde durch die Einheitliche Europäische Akte eine neue Vorschrift, der Artikel 100a, in den EG-
Vertrag eingefügt.
57.
Artikel 95 EG, der nach dem Vertrag von Amsterdam Artikel 100a EG-Vertrag ersetzt und ändert,
unterscheidet danach, ob die mitgeteilten Bestimmungen einzelstaatliche Bestimmungen sind, die
schon vor der Harmonisierung bestanden, oder einzelstaatliche Bestimmungen, die der betreffende
Mitgliedstaat einführen möchte. Im ersten, in Artikel 95 Absatz 4 EG geregelten Fall muss die
Beibehaltung bestehender einzelstaatlicher Bestimmungen durch wichtige Erfordernisse im Sinne des
Artikels 30 EG oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt
sein. Im zweiten, in Artikel 95 Absatz 5 EG geregelten Fall muss die Einführung neuer einzelstaatlicher
Bestimmungen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schutz der Umwelt oder der
Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat beruhen, das sich nach
dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt.
58.
Die beiden in Artikel 95 EG vorgesehenen Fälle unterscheiden sich darin, dass im ersten Fall die
einzelstaatlichen Bestimmungen schon vor der Harmonisierungsmaßnahme bestanden. Sie waren dem
Gemeinschaftsgesetzgeber somit bekannt, aber dieser konnte oder wollte sich bei der
Harmonisierung nicht von ihnen leiten lassen. Es wurde daher als hinnehmbar angesehen, dass der
Mitgliedstaat die Fortgeltung seiner eigenen Vorschriften beantragen kann. Dabei verlangt der EG-
Vertrag, dass solche Vorschriften durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 EG oder in
Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind. Dagegen kann im
zweiten Fall der Erlass neuer einzelstaatlicher Rechtsvorschriften die Harmonisierung stärker
gefährden. Die Gemeinschaftsorgane konnten die einzelstaatliche Regelung naturgemäß bei der
Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme nicht berücksichtigen. In diesem Fall können die in
Artikel 30 EG genannten Erfordernisse nicht herangezogen werden; zulässig sind allein Gründe des
Schutzes der Umwelt oder der Arbeitsumwelt, wobei Voraussetzung ist, dass der Mitgliedstaat neue
wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegt und dass das Erfordernis der Einführung neuer
einzelstaatlicher Bestimmungen auf einem spezifischen Problem für diesen Mitgliedstaat beruht, das
sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt.
59.
Folglich geht weder aus dem Wortlaut von Artikel 95 Absatz 4 EG noch aus der Systematik des
gesamten Artikels hervor, dass vom beantragenden Mitgliedstaat der Nachweis verlangt werden kann,
dass die Beibehaltung der von ihm der Kommission mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen
aufgrund eines spezifischen Problems dieses Staates gerechtfertigt ist.
60.
Besteht dagegen in dem beantragenden Mitgliedstaat tatsächlich ein spezifisches Problem, so
kann dieser Umstand von ganz erheblicher Relevanz für die Entscheidung der Kommission über die
Billigung oder Ablehnung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen sein. Es ist ein
Gesichtspunkt, den die Kommission gegebenenfalls beim Erlass ihrer Entscheidung zu berücksichtigen
hat.
61.
Aus der allgemeinen Systematik der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission
das mögliche Vorliegen einer besonderen Lage im Königreich Dänemark nur als relevanten
Gesichtspunkt bei ihren Erwägungen zu der zu treffenden Entscheidung geprüft hat. In der
angefochtenen Entscheidung wird das Bestehen einer solchen Lage nicht als Voraussetzung für die
Billigung bestehender abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen behandelt. Folglich ist der auf
eine falsche Auslegung von Artikel 95 Absatz 4 EG durch die Kommission gestützte Klagegrund, soweit
er das Erfordernis des Bestehens einer besonderen Lage nach diesem Artikel betrifft, unbegründet.
62.
Entsprechende Erwägungen gelten für das Erfordernis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Diese Voraussetzung wird in Artikel 95 Absatz 5 EG für die Einführung neuer abweichender
einzelstaatlicher Bestimmungen aufgestellt, ist aber nicht in Artikel 95 Absatz 4 EG für die
Beibehaltung bestehender abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen vorgesehen. Sie gehört
nicht zu den Voraussetzungen für die Beibehaltung solcher Bestimmungen.
63.
Zudem kann sich der beantragende Mitgliedstaat zur Rechtfertigung der Beibehaltung solcher
abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen darauf berufen, dass er die Gefahr für die öffentliche
Gesundheit anders bewerte, als es der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Harmonisierungsmaßnahme
getan habe. Angesichts der Unsicherheit, die untrennbar mit der Bewertung der Gefahren verbunden
ist, die sich für die öffentliche Gesundheit insbesondere aus der Verwendung von
Lebensmittelzusatzstoffen ergeben, können abweichende Bewertungen dieser Gefahren
legitimerweise vorgenommen werden, ohne dass sie unbedingt auf andere oder neue
wissenschaftliche Daten gestützt werden müssen.
64.
Ein Mitgliedstaat kann einen Antrag auf Beibehaltung seiner bestehenden einzelstaatlichen
Bestimmungen auf eine Bewertung der Gesundheitsgefahr stützen, die sich von der Bewertung des
Gemeinschaftsgesetzgebers beim Erlass der Harmonisierungsmaßnahme unterscheidet, von der diese
einzelstaatlichen Bestimmungen abweichen. Dabei hat der beantragende Mitgliedstaat nachzuweisen,
dass die genannten einzelstaatlichen Bestimmungen ein höheres Niveau des Schutzes der
öffentlichen Gesundheit als die gemeinschaftliche Harmonisierungsmaßnahme gewährleisten und
dass sie nicht über das zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen.
65.
Diese Auslegung von Artikel 95 Absatz 4 EG wird durch Artikel 95 Absatz 7 EG bestätigt, wonach die
Kommission, wenn einem Mitgliedstaat gestattet wird, abweichende einzelstaatliche Bestimmungen
beizubehalten, unverzüglich prüft, ob sie eine Anpassung der Harmonisierungsmaßnahme vorschlägt.
Eine solche Anpassung könnte nämlich angebracht sein, wenn die von der Kommission gebilligten
einzelstaatlichen Bestimmungen im Anschluss an eine abweichende Bewertung der Gefahr für die
öffentliche Gesundheit ein höheres Schutzniveau als die Harmonisierungsmaßnahme gewährleisten.
66.
Im Licht der in den Randnummern 62 bis 64 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Auslegung
von Artikel 95 Absatz 4 EG sind die konkreten Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung über
die Verwendung der fraglichen Zusätze - Sulfite einerseits sowie Nitrite und Nitrate andererseits - zu
prüfen.
67.
Vor dieser Prüfung ist zum Abschluss der Erwägungen zu den auf die Verletzung der
Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 95 Absatz 4 EG gestützten Klagegründen auf das
Argument des Königreichs Dänemark einzugehen, die angefochtene Entscheidung sei mit einem
Rechtsfehler behaftet, weil in den Punkten 28 und 43 dieser Entscheidung auf die Möglichkeit
hingewiesen werde, die Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf Sulfite, Nitrite und Nitrate künftig
gemäß den Artikeln 4 der Rahmenrichtlinie und 7 der Richtlinie 95/2 zu ändern.
68.
Die Entscheidung darüber, ob die Beibehaltung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen
gebilligt wird, ist unter Berücksichtigung der Umstände zum Zeitpunkt des Erlasses dieser
Entscheidung zu treffen. Folglich kann eine mögliche Änderung der Harmonisierungsmaßnahme nicht
als Grundlage für die fragliche Entscheidung dienen.
69.
Aus der gesamten Systematik der angefochtenen Entscheidung ergibt sich aber, dass der Hinweis
in den Punkten 28 und 43 der Entscheidung für den Standpunkt der Kommission nicht
ausschlaggebend war. Dieser Hinweis ist als entbehrlich anzusehen. Seine fehlende Relevanz ist
daher für sich genommen kein Grund für die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung. Das
dahin gehende Vorbringen des Königreichs Dänemark ist deshalb zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
70.
Zu prüfen sind die Klagegründe des Königreichs Dänemark in Bezug auf die Verwendung von
Sulfiten. Es handelt sich um den ersten Teil des dritten Klagegrundes, den fünften Klagegrund und
den ersten Teil des siebten Klagegrundes.
71.
Mit dem ersten Teil des dritten Klagegrundes weist das Königreich Dänemark, unterstützt von der
Republik Island, darauf hin, dass nach Punkt 20 der angefochtenen Entscheidung die Ausführungen
der dänischen Regierung zur technischen Notwendigkeit der Verwendung von Sulfiten weder in
Zusammenhang mit dem Ziel des Gesundheitsschutzes im Sinne von Artikel 30 EG stünden noch den
anderen in Artikel 95 Absatz 4 EG genannten Zielen dienten und somit nicht schlüssig seien. Es sei
jedoch unmöglich, die Beurteilung der Auswirkungen eines bestimmten Stoffes auf die Gesundheit von
der Beurteilung der seine Verwendung rechtfertigenden technischen Notwendigkeit zu trennen. Die
technische Notwendigkeit stelle folglich ein für die Beurteilung der mit der menschlichen Gesundheit
verbundenen Erwägungen im Sinne des Artikels 30 EG und damit des Artikels 95 Absatz 4 EG
relevantes Kriterium dar. Insoweit beruhe die angefochtene Entscheidung auf einem Rechtsfehler. So
habe die Kommission nicht zu den von der dänischen Regierung in Bezug auf die technische
Notwendigkeit vorgebrachten Argumenten Stellung genommen. Dies gehe klar aus Punkt 21 der
angefochtenen Entscheidung hervor, an dessen Ende es heiße, das die technische Notwendigkeit
betreffende Argument könne „nicht als Argument für den Schutz der Gesundheit angeführt werden,
da die dänischen Behörden nachweisen müssen, dass das Vorhandensein von Sulfiten tatsächlich ein
Gesundheitsrisiko darstellt“.
72.
Die Kommission räumt ein, dass es ohne eine die Verwendung eines Zusatzstoffs rechtfertigende
technische Notwendigkeit keinen Grund gebe, die mit der Zulassung dieses Stoffes verbundene
potenzielle Gesundheitsgefahr einzugehen. Im vorliegenden Fall habe sie jedoch alle Argumente der
dänischen Regierung zur technischen Notwendigkeit der Verwendung von Sulfiten genau geprüft.
Folglich beruhe die angefochtene Entscheidung nicht auf einem Rechtsfehler, auch wenn der Wortlaut
von Punkt 20 ihrer Gründe zu Missverständnissen führen könne.
73.
Mit seinem fünften Klagegrund macht das Königreich Dänemark, unterstützt von der Republik Island,
geltend, soweit in der angefochtenen Entscheidung die streitigen Bestimmungen für die Verwendung
von Sulfiten abgelehnt würden, beruhe sie auf einem Rechtsfehler und insbesondere auf einer
falschen Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
74.
Zunächst behaupte die Kommission in Punkt 27 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht, dass
die dänische Regierung die Wahl von nur 16 der 61 Kategorien von Lebensmitteln in Anhang III Teil B
der Richtlinie 95/2, bei denen die Verwendung von Sulfiten zulässig sei, nicht begründet habe. Artikel
95 Absatz 4 EG gestatte ausschließlich die Beibehaltung der geltenden einzelstaatlichen
Bestimmungen, so dass sich die dänische Regierung auf die Übernahme der zum Zeitpunkt des
Erlasses der Richtlinie 95/2 bestehenden dänischen Positivliste beschränkt habe, ohne eine andere
Auswahl vorzunehmen.
75.
Ferner mache die Kommission in Punkt 26 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht geltend,
dass die dänische Regierung, statt von den Bestimmungen der Richtlinie 95/2 abzuweichen, an der
Verschärfung der Bedingungen für die Verwendung von Sulfiten in Wein hätte arbeiten müssen. Es
treffe zwar zu, dass zwei Gläser Wein etwa 40 mg Sulfite enthielten, während nach der vom Ausschuss
festgelegten ADI ein Erwachsener 45 mg bis 50 mg Sulfite pro Tag zu sich nehmen dürfe. Die
Gemeinschaftsverordnungen über Wein beruhten jedoch auf Artikel 37 EG, der im Gegensatz zu Artikel
95 EG nicht die Beibehaltung abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen gestatte. Die Tatsache,
dass die ADI für Sulfite beim Genuss einer geringen Menge Wein überschritten werden könnte, könne
die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, die Hinzufügung von Sulfiten zu anderen Produkten zu
verhindern, um die Gefahr einer Überschreitung der ADI generell zu verringern.
76.
Schließlich beruhe die angefochtene Entscheidung auf einer falschen Anwendung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit, da die streitigen dänischen Bestimmungen für die Verwendung von Sulfiten
entgegen der Behauptung der Kommission nicht unverhältnismäßig seien. Diese Bestimmungen
folgten lediglich den Empfehlungen des Ausschusses, insbesondere seiner Stellungnahme von 1994,
in der es u. a. heiße, dass gelegentliche schwere asthmatische Reaktionen sogar bei vergleichsweise
geringem Grad der Sulfitexposition auftreten könnten.
77.
Die Kommission hält dem entgegen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/2 u. a. die
Verwendung von Sulfiten als Zusatzstoffe in Lebensmitteln beträfen. Ihre Verwendung sei aufgrund
technischer Notwendigkeit gerechtfertigt. Eine allgemeine Senkung der Menge an Sulfiten, die in
Lebensmitteln verwendet werden dürften, sei im Hinblick auf die technische Funktion dieser
Zusatzstoffe nicht vertretbar. Dagegen müssten die von der dänischen Regierung aufgeworfenen
Probleme in Bezug auf eine Überschreitung der ADI durch den Zusatz von Sulfiten in Wein im
Wesentlichen im Rahmen der Regelung für Wein gelöst werden.
78.
Zur Gefahr allergischer Reaktionen auf Sulfite trägt die Kommission vor, die durch die Verwendung
von Zusatzstoffen ausgelösten Allergien beträfen Einzelfälle. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe
sich in Kenntnis dieser Gefahr dafür entschieden, das Problem der Allergien durch die Information der
Verbraucher zu lösen. Überdies enthielten die Stellungnahme von 1981, auf deren Grundlage die
Richtlinie 95/2 erlassen worden sei, und die Stellungnahme von 1994 nichts, das gegen die in dieser
Richtlinie festgelegten Höchstmengen spreche. Der Ausschuss habe auch nicht erklärt, dass die
Etikettierung eine unzureichende Maßnahme darstelle.
79.
Mit dem ersten Teil seines siebten Klagegrundes macht das Königreich Dänemark geltend, wie sich
aus Punkt 23 der angefochtenen Entscheidung ergebe, beruhe sie auf der Stellungnahme von 1994,
in der eine ADI für Sulfite festgelegt werde. In Wirklichkeit sei die gemeinsame Position des Rates zum
Richtlinienentwurf im Jahr 1993 vor der Bekanntgabe der Stellungnahme von 1994 festgelegt worden.
Die Richtlinie 95/2 sei am 20. Februar 1995 ohne jede Änderung ihres ursprünglichen Wortlauts
ergangen. Sie beruhe somit auf der früheren, 1981 bekannt gegebenen Bewertung von Sulfiten durch
den Ausschuss, die keine Festlegung einer ADI enthalte.
80.
Überdies ließen die Erwägungen zur Etikettierung in den Punkten 30 und 31 der angefochtenen
Entscheidung die Stellungnahme von 1994 außer Acht, nach der die Verwendung von Sulfiten so weit
wie möglich eingeschränkt werden müsse, um der Gefahr schwerer allergischer Reaktionen Rechnung
zu tragen. Nach dieser Stellungnahme reiche eine Etikettierung im Fall von Sulfiten nicht aus.
81.
Die Kommission entgegnet, aus Punkt 23 der angefochtenen Entscheidung ergebe sich nicht, dass
die Richtlinie 95/2 auf der Stellungnahme von 1994 beruhe; diese Stellungnahme werde dort nur zur
Information erwähnt. Im Übrigen verweist sie auf ihr Vorbringen zum dritten, vierten und fünften
Klagegrund.
Würdigung durch den Gerichtshof
82.
Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes, der die technische Notwendigkeit der Verwendung von
Sulfiten betrifft, ist festzustellen, dass die technische Notwendigkeit eng mit der Bewertung des für
den Schutz der öffentlichen Gesundheit Erforderlichen zusammenhängt. Ohne eine die Verwendung
eines Zusatzstoffs rechtfertigende technische Notwendigkeit gibt es nämlich keinen Grund, die mit
der Zulassung dieses Stoffes verbundene potenzielle Gesundheitsgefahr einzugehen. Die Behauptung
in Punkt 20 der angefochtenen Entscheidung, dass die Ausführungen der dänischen Regierung zur
technischen Notwendigkeit der Verwendung von Sulfiten nicht in Zusammenhang mit dem Ziel des
Gesundheitsschutzes stünden, ist eindeutig falsch.
83.
Trotz dieser falschen Behauptung geht aus den Punkten 21, 24 und 27 und aus Fußnote 20 der
angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission das Vorbringen der dänischen Regierung
zur technischen Notwendigkeit der Verwendung von Sulfiten in Lebensmitteln tatsächlich inhaltlich
geprüft hat. Die angefochtene Entscheidung beruht daher insoweit nicht auf einem Rechtsfehler.
84.
An diesem Ergebnis ändert es auch nichts, dass es in Punkt 21 der angefochtenen Entscheidung
heißt, die nationalen Behörden müssten nachweisen, dass das Vorhandensein von Sulfiten
tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstelle. Ein Mitgliedstaat, der sich auf Artikel 95 Absatz 4 EG
beruft, hat nämlich nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift
erfüllt sind. Die Angabe in Punkt 21 enthält keinen Rechtsfehler.
85.
Nach dem Vorstehenden ist der die technische Notwendigkeit betreffende erste Teil des dritten
Klagegrundes unbegründet.
86.
Zur ersten im Rahmen des fünften Klagegrundes erhobenen, die Begründung für die Wahl der
dänischen Regierung betreffenden Rüge ist festzustellen, dass der grundlegende Unterschied
zwischen den streitigen Bestimmungen und der Richtlinie 95/2 in der Zahl der Kategorien von
Lebensmitteln besteht, bei denen die Verwendung von Sulfiten zulässig ist. Nach den streitigen
Bestimmungen ist die Verwendung von Sulfiten nur bei 16 der 61 in dieser Richtlinie aufgeführten
Kategorien gestattet. Nach allen dem Gerichtshof vorliegenden Beweismitteln hat die dänische
Regierung ihre Entscheidung, bei den 45 anderen Kategorien von Lebensmitteln jede Verwendung von
Sulfiten zu verbieten, nicht begründet.
87.
Insoweit kann dem Vorbringen des Königreichs Dänemark nicht gefolgt werden, aus Artikel 95
Absatz 4 EG ergebe sich, dass ein Mitgliedstaat lediglich die Beibehaltung der zum Zeitpunkt des
Erlasses der Richtlinie 95/2 bestehenden innerstaatlichen Positivliste beantragen könne, ohne eine
andere Auswahl der Lebensmittel vornehmen zu können. Die Tatsache, dass diese Vorschrift nur die
Beibehaltung der geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen zulässt, hat nicht zur Folge, dass ein
Mitgliedstaat diese Rechtsvorschriften bei der Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinie nicht teilweise
ändern und im Übrigen beibehalten kann. Indem Artikel 95 EG vorsieht, dass die Beibehaltung
bestimmter geltender einzelstaatlicher Bestimmungen gestattet werden kann, setzt er zwangsläufig
die Möglichkeit ihrer Koexistenz neben anderen, mit der Harmonisierungsrichtlinie in Einklang
stehenden einzelstaatlichen Bestimmungen voraus.
88.
Zur zweiten im Rahmen des fünften Klagegrundes erhobenen, die Verwendung von Sulfiten in Wein
betreffenden Rüge ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Rechtssache die Verwendung von
Zusatzstoffen in Lebensmitteln und nicht in Wein und insoweit den Anwendungsbereich der Richtlinie
95/2 und nicht der Regelung für Wein betrifft. Wenn Wein erhebliche Mengen von Sulfiten enthält, die
eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen können, so ist es wichtig, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahr
trifft.
89.
Das Vorhandensein hoher Mengen von Sulfiten in Wein kann dagegen im Rahmen des in Artikel 95
Absatz 4 EG vorgesehenen Verfahrens kein allgemeines Verbot der Verwendung von Sulfiten als
Zusatzstoffe in Lebensmitteln rechtfertigen. Soweit der klagende Mitgliedstaat beantragt, die
Beibehaltung der hinsichtlich bestimmter Lebensmittel von der Richtlinie 95/2 abweichenden
einzelstaatlichen Bestimmungen zu gestatten, hat er die betreffenden einzelstaatlichen
Bestimmungen in Bezug auf diese Lebensmittel und nicht in Bezug auf andere Produkte zu
rechtfertigen.
90.
Unter diesen Umständen kann die den Sulfitgehalt von Wein betreffende Rüge keinen Grund für die
Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung darstellen und ist zurückzuweisen.
91.
Was die dritte im Rahmen des fünften Klagegrundes erhobene Rüge anbelangt, die die Anwendung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrifft, so ist es unzutreffend, die Stellungnahme von 1994
dahin auszulegen, dass sie die Etikettierung im Fall von Sulfiten beanstandet. Verbunden mit der
Empfehlung, die Verwendung von Sulfiten einzuschränken, kommt diese Stellungnahme vielmehr zu
dem Schluss, dass Sulfite für die große Mehrheit der Menschen keine Gesundheitsgefährdung
darstellten und dass im Hinblick auf möglicherweise allergische Menschen eine Etikettierung
angebracht sei. In Punkt iii der Empfehlungen in der genannten Stellungnahme heißt es:
„Empfindliche Personen sollten das Vorhandensein zugesetzter Sulfite in Lebensmitteln und
nichtalkoholischen Getränken der Zutatenliste auf dem Etikett entnehmen können ...“
92.
Zum einen werden aber in der Richtlinie 95/2 Höchstmengen für die Verwendung von Sulfiten als
Zusatzstoffe festgelegt, und zum anderen sieht die Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18.
Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und
Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl.
1979, L 33, S. 1) die Unterrichtung von Personen vor, die eine Allergie gegen bestimmte Zutaten von
Lebensmitteln haben; dies entspricht dem in der Stellungnahme von 1994 zum Ausdruck kommenden
zweifachen Anliegen, die Verwendung von Sulfiten einzuschränken und die Öffentlichkeit durch die
Etikettierung auf ihr Vorhandensein hinzuweisen.
93.
Daraus folgt in Bezug auf Sulfite, dass die gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen im Licht
der Stellungnahme von 1994 ausreichend erscheinen und dass die angefochtene Entscheidung
insoweit keinen tatsächlichen Fehler oder Beurteilungsfehler enthält. Folglich ist die auf die falsche
Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die Kommission gestützte Rüge
unbegründet.
94.
Zu dem einen tatsächlichen Fehler betreffenden ersten Teil des siebten Klagegrundes ist
festzustellen, dass es in Punkt 23 der angefochtenen Entscheidung entgegen der Behauptung des
Königreichs Dänemark keineswegs heißt, dass die Richtlinie 95/2 auf der Stellungnahme von 1994
beruhe. Vielmehr ist klar, dass die Stellungnahme von 1994 in der angefochtenen Entscheidung
erwähnt wird, weil sich die dänische Regierung zur Stützung ihres Antrags auf sie berufen hatte. In
den auf Punkt 23 folgenden Punkten der angefochtenen Entscheidung nimmt die Kommission nämlich
eine eingehende Prüfung bestimmter auf der genannten Stellungnahme beruhender Argumente der
dänischen Regierung vor.
95.
Insoweit ist der einen tatsächlichen Fehler betreffende erste Teil des siebten Klagegrundes als
unbegründet zurückzuweisen.
96.
Im Übrigen greift dieser Teil des siebten Klagegrundes, der die Gefahr allergischer Reaktionen auf
Sulfite betrifft, im Wesentlichen die dritte Rüge des fünften Klagegrundes auf. Ebenso wie diese ist er
daher aus den in den Randnummern 91 bis 93 des vorliegenden Urteils genannten Gründen
zurückzuweisen.
97.
Nach dem Vorstehenden sind alle Klagegründe, die speziell die Ablehnung der streitigen
Bestimmungen für die Verwendung von Sulfiten betreffen, als unbegründet zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
98.
Zu prüfen sind die Klagegründe des Königreichs Dänemark in Bezug auf die Verwendung von
Nitriten und Nitraten. Es handelt sich um den ersten und, hilfsweise, um den zweiten Teil des vierten
Klagegrundes sowie um den zweiten Teil des siebten Klagegrundes.
99.
Mit dem ersten Teil des vierten Klagegrundes macht das Königreich Dänemark geltend, die
angefochtene Entscheidung beruhe auf einer falschen Anwendung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, soweit darin die streitigen Bestimmungen für die Verwendung von Nitriten und
Nitraten abgelehnt würden.
100.
Insoweit weist das Königreich Dänemark, unterstützt von der Republik Island und vom Königreich
Norwegen, darauf hin, dass die streitigen Bestimmungen nach Punkt 44 der angefochtenen
Entscheidung „dem Gesundheitsschutz dienen sollen, jedoch weiter gehen, als es zur Erreichung
dieses Zieles erforderlich ist“. In Bezug auf Nitrite und Nitrate beruhe diese Schlussfolgerung
insbesondere auf den Punkten 35, 37 und 38 der angefochtenen Entscheidung, in denen u. a. die
unbewiesene Behauptung aufgestellt werde, dass die in der Verordnung Nr. 834 des dänischen
Gesundheitsministeriums vom 23. September 1996 festgelegten Nitrit- und Nitratmengen nicht
garantierten, dass die Erzeugnisse im letzten Stadium der Lebensmittelkette noch genügend
Zusatzstoffe enthielten, um deren technische Funktion zu erfüllen, d. h., um die mikrobiologische
Sicherheit der Erzeugnisse zu gewährleisten.
101.
Im Rahmen von Artikel 95 Absatz 6 EG müsse die Kommission die ihr gemeldeten einzelstaatlichen
Bestimmungen billigen, wenn sie in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel des
Gesundheitsschutzes stünden. Dieses Ergebnis folge auch aus Anhang II Nrn. 1 bis 3 und 6 der
Rahmenrichtlinie, der allgemeine Kriterien für die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen aufstelle.
Die Stellungnahmen von 1990 und 1995, in denen ein Zusammenhang zwischen der Menge den
Lebensmitteln zugesetzter Nitrite und der Entstehung krebserregender Nitrosamine festgestellt
werde, belegten, dass es unmöglich sei, eine Menge von zugesetztem Nitrit oder Nitrat festzulegen,
unterhalb deren es nicht zur Entstehung eines Tumors komme. Diese Stellungnahmen kämen daher
zu dem Ergebnis, dass die Menge des den Lebensmitteln zugesetzten Nitrits auf das zur Erzielung des
notwendigen Konservierungseffekts erforderliche Mindestmaß verringert werden sollte. Angesichts
des wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhangs zwischen dem Zusatz von Nitriten oder Nitraten
und der Entstehung von Nitrosaminen stünden die streitigen Bestimmungen für die Verwendung von
Nitriten und Nitraten, mit denen Höchstmengen festgelegt würden, die den zur Erzielung des bei den
fraglichen Fleischprodukten nötigen Konservierungseffekts und zur Gewährleistung der
mikrobiologischen Sicherheit unbedingt erforderlichen technischen Notwendigkeiten entsprächen, in
angemessenem Verhältnis zu dem mit ihnen verfolgten Ziel des Schutzes der menschlichen
Gesundheit. Die Bestimmungen stünden auch in Einklang mit dem in der Rechtsprechung des
Gerichtshofes anerkannten Vorsorgegrundsatz.
102.
Mit der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung, dass die streitigen
Bestimmungen einen unnötig weitgehenden Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellten, habe die
Kommission daher die Erfordernisse des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit falsch ausgelegt. Der
dadurch begangene Rechtsfehler müsse zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung
führen.
103.
Die Kommission trägt vor, das Schutzniveau in der Richtlinie 95/2 entspreche der Stellungnahme
von 1990. Die Stellungnahme von 1995 bestätige im Wesentlichen die Schlussfolgerungen in der
Stellungnahme von 1990. Wenn es wie im vorliegenden Fall Harmonisierungsmaßnahmen gebe, sei die
Verhältnismäßigkeit einzelstaatlicher Bestimmungen, die ein Mitgliedstaat beibehalten wolle, anhand
des vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegten Schutzniveaus zu beurteilen. Eine Beurteilung des
Schutzniveaus anhand der Gesichtspunkte, über die auch der Rat beim Erlass der Richtlinie 95/2
verfügt habe, könne grundsätzlich nicht zu einem anderen Ergebnis als dem führen, zu dem der
Gemeinschaftsgesetzgeber gekommen sei, sofern nicht nachgewiesen werde, dass der Schutz durch
die genannte Richtlinie offensichtlich unzureichend sei. Einen solchen Nachweis habe die dänische
Regierung in ihrem Antrag gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG nicht erbracht. Überdies könne sich ein
Mitgliedstaat nicht einseitig auf den Vorsorgegrundsatz berufen, um die Beibehaltung abweichender
einzelstaatlicher Bestimmungen zu rechtfertigen. In einem Bereich, in dem die Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten harmonisiert worden seien, sei es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, den
Vorsorgegrundsatz anzuwenden.
104.
Mit dem zweiten Teil des vierten Klagegrundes macht das Königreich Dänemark hilfsweise geltend,
soweit in der angefochtenen Entscheidung die streitigen Bestimmungen für die Verwendung von
Nitriten und Nitraten abgelehnt würden, beruhe sie auf einem offensichtlichen Missbrauch des
Ermessens der Kommission bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
105.
Hierzu trägt das Königreich Dänemark, unterstützt vom Königreich Norwegen, vor, die Kommission
habe ihr Ermessen jedenfalls dadurch überschritten, dass sie sich ohne jeden wissenschaftlichen
Beweis auf die Feststellung beschränkt habe, dass die in den streitigen Bestimmungen festgelegten
Höchstmengen für die Verwendung von Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln den Erfordernissen des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zuwiderliefen. Die streitigen Bestimmungen für die Verwendung
von Nitriten und Nitraten entsprächen den Empfehlungen des Ausschusses in seinen Stellungnahmen
von 1990 und 1995.
106.
Die Kommission entgegnet, die Richtlinie 95/2 entspreche den Empfehlungen des Ausschusses. In
den Schlussfolgerungen seiner Stellungnahme von 1990 empfehle der Ausschuss keine Höchstmenge
für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Er empfehle dort lediglich, „die Belastung mit vorgebildeten
Nitrosaminen durch angemessene technologische Verfahren zu minimieren, wie durch die
Verminderung von Nitraten und Nitriten als Lebensmittelzusatzstoffe auf ein Mindestmaß, um die
nötige Konservierungswirkung zu erzielen und die mikrobiologische Unbedenklichkeit zu
gewährleisten“. Die streitigen Bestimmungen stellten aber nicht sicher, dass die Erzeugnisse im
letzten Stadium der Lebensmittelkette noch eine ausreichende Menge von Zusatzstoffen enthielten,
um deren technische Funktionen zu erfüllen, d. h., um die mikrobiologische Sicherheit der Erzeugnisse
zu gewährleisten.
107.
Mit dem zweiten Teil des siebten Klagegrundes macht das Königreich Dänemark geltend, soweit sich
die Beurteilung der Kommission auf die streitigen Bestimmungen für die Verwendung von Nitriten und
Nitraten erstrecke, sei sie mit tatsächlichen Fehlern behaftet. Entgegen der Behauptung in den
Punkten 37 und 38 der angefochtenen Entscheidung gewährleisteten die genannten Bestimmungen
in hinreichendem Maß die mikrobiologische Sicherheit und stünden voll und ganz in Einklang mit der
Stellungnahme von 1990. Entgegen den Ausführungen in den Punkten 35, 37, 41 und 42 der
angefochtenen Entscheidung seien sie nicht inkohärent im Hinblick auf das angegebene Ziel des
Gesundheitsschutzes, denn es würden für alle erfassten Arten von Fleischprodukten zulässige Nitrit-
und Nitratdosen festgelegt, die erheblich geringer seien als die in der Richtlinie 95/2 vorgesehenen
Mengen. In den streitigen Bestimmungen werde nämlich eine Höchstmenge für die Hinzufügung von
Nitriten festgelegt, während die Richtlinie 95/2 eine Obergrenze für die Restmenge enthalte.
108.
Die Kommission antwortet darauf, indem sie auf ihr Vorbringen zum dritten, vierten und fünften
Klagegrund verweist.
Würdigung durch den Gerichtshof
109.
Zu dem auf tatsächliche Fehler gestützten zweiten Teil des siebten Klagegrundes ist festzustellen,
dass in der Stellungnahme von 1995 zu Nitriten und Nitraten die Bestimmungen der Richtlinie 95/2 für
diese Zusatzstoffe ausdrücklich geprüft wurden. In dieser Stellungnahme weist der Ausschuss darauf
hin, dass die nach der genannten Richtlinie zulässige Restmenge von Nitriten „wesentlich höher ist,
als aus den Höchstmengen zugesetzter Nitrate und Nitrite zu erwarten gewesen wäre, bezüglich deren
der Ausschuss bei seiner früheren Untersuchung darüber informiert worden [war], dass sie aus
technischen Gründen gerechtfertigt wären“.
110.
Zu dieser sehr kritischen Würdigung der in der Richtlinie 95/2 festgelegten Höchstmengen steht es
nicht im Widerspruch, dass der Ausschuss in derselben Stellungnahme die Empfehlungen aus seiner
Stellungnahme von 1990 wiederholt. Diese Empfehlungen bestätigen vielmehr das Erfordernis, die
den Lebensmitteln zugesetzten Mengen von Nitraten und Nitriten auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
So heißt es in Abschnitt 2.3 der Stellungnahme von 1995:
„Daher wiederholt der Ausschuss seine frühere Auffassung, dass eine Exposition gegenüber
vorgebildeten Nitrosaminen in Lebensmitteln durch geeignete technische Praktiken auf ein
Mindestmaß gesenkt werden sollte, indem z. B. die Mengen von Lebensmitteln zugesetztem Nitrat und
Nitrit auf das Mindestmaß reduziert wird, das erforderlich ist, um den notwendigen
Konservierungseffekt zu erzielen und eine mikrobiologische Sicherheit zu gewährleisten.“
111.
In der angefochtenen Entscheidung wurde die Stellungnahme von 1995 nicht hinreichend
berücksichtigt. Insoweit bleibt unerwähnt, dass die in der Richtlinie 95/2 festgelegten Höchstmengen
an Nitriten durch diese Stellungnahme in Frage gestellt wurden.
112.
Wie bereits ausgeführt, konnte in der Stellungnahme von 1990 aufgrund ihres Datums kein Urteil
zur Richtlinie 95/2 abgegeben werden, die erst 1992 vorgeschlagen und 1995 erlassen wurde.
Dagegen hatte der Ausschuss bei der Abgabe seiner Stellungnahme von 1995 u. a. speziell den
Auftrag, die Verwendungssicherheit von Nitraten und Nitriten als Lebensmittelzusatzstoffe unter den in
der Richtlinie 95/2 festgelegten Bedingungen zu prüfen. In Erfüllung dieses Auftrags kritisierte er diese
Richtlinie hinsichtlich der Bedingungen für die Verwendung von Nitriten. Dass dabei in der
Stellungnahme von 1995 die Stellungnahme von 1990 bestätigt wurde, deutet darauf hin, dass die in
der Richtlinie 95/2 zugelassenen Nitritmengen auch im Licht der Stellungnahme von 1990 zu
beanstanden sind.
113.
Die Feststellungen des Ausschusses zu diesem Punkt sind für die Beurteilung der Frage von
Bedeutung, ob die streitigen Bestimmungen gerechtfertigt sind.
114.
Da die Kommission die Stellungnahme von 1995 bei der Beurteilung der Rechtfertigung der
streitigen Bestimmungen für die Verwendung von Nitriten und Nitraten nicht angemessen
berücksichtigt hat, ist ihre Entscheidung mit einem Fehler behaftet, der zu deren Rechtswidrigkeit
führen kann.
115.
Folglich ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit die genannten
Bestimmungen darin abgelehnt werden.
116.
Unter diesen Umständen braucht der vierte Klagegrund nicht geprüft zu werden.
117.
Schließlich macht das Königreich Dänemark mit seinem achten Klagegrund geltend, die Kommission
habe sich nicht zu der Frage geäußert, ob die streitigen Bestimmungen ein Mittel zur willkürlichen
Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
darstellten und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behinderten. Nach Artikel 95 Absatz 6 EG
hätte die Kommission jedoch darüber befinden müssen und hätte ihre Entscheidung nicht allein
darauf stützen dürfen, dass die streitigen Bestimmungen nicht durch den Schutz der öffentlichen
Gesundheit gerechtfertigt seien. Die unzureichende Stellungnahme sei ein Verstoß gegen Artikel 95
Absatz 6 EG und damit ein Grund für die Nichtigerklärung gemäß Artikel 230 EG.
118.
Ein Antrag gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG ist jedoch sowohl anhand der Voraussetzungen dieses
Absatzes als auch der des Absatzes 6 von Artikel 95 zu beurteilen. Liegt nur eine dieser
Voraussetzungen nicht vor, so ist der Antrag abzulehnen, ohne dass die anderen geprüft werden
müssen. Da die Kommission den Antrag im vorliegenden Fall auf der Grundlage der in Artikel 95 Absatz
4 EG enthaltenen Voraussetzung des wichtigen Erfordernisses des Schutzes der öffentlichen
Gesundheit abgelehnt hat, brauchte sie seine Vereinbarkeit mit den drei anderen, in Artikel 95 Absatz
6 EG genannten Voraussetzungen nicht zu prüfen.
119.
Folglich ist der vorliegende Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
120.
Mit seinem neunten, gegenüber dem vorstehenden Klagegrund hilfsweise geltend gemachten
Klagegrund begehrt das Königreich Dänemark die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung
wegen unzureichender Begründung.
121.
Insoweit trägt das Königreich Dänemark vor, falls die Kommission die in Artikel 95 Absatz 6 EG
aufgeführten Gesichtspunkte beim Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich berücksichtigt
haben sollte, hätte dies ausdrücklich aus der Entscheidung hervorgehen müssen. In diesem Fall sei
sie unzureichend begründet.
122.
Die Kommission entgegnet, die angefochtene Entscheidung entspreche in vollem Umfang der
Begründungspflicht in Artikel 253 EG nach deren Auslegung durch den Gerichtshof. Sie enthalte in
den Punkten 20 bis 34 in Bezug auf Sulfite und in den Punkten 37 und 38 sowie 41 bis 44 in Bezug auf
Nitrite und Nitrate eine eingehende Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die
den Standpunkt der Kommission rechtfertigten.
123.
Zur Beurteilung des vorliegenden Klagegrundes ist zunächst die Hypothese zu prüfen, von der er
ausgeht, d. h. die Hypothese, dass die angefochtene Entscheidung in Wirklichkeit auf einem oder
mehreren der drei in Artikel 95 Absatz 6 EG genannten Gesichtspunkte beruhe.
124.
Im Rahmen der Prüfung, ob die streitigen Bestimmungen im Hinblick auf das wichtige Erfordernis
des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind, enthält die angefochtene Entscheidung
insbesondere in den Punkten 37, 41 und 42 einige Ausführungen dazu, dass die streitigen
Bestimmungen die Verwendung von Nitriten und Nitraten bei traditionellen dänischen Erzeugnissen
wie Wiltshire-Speck, gerollter Fleischwurst (Rullepølse) oder fermentierter dänischer Salami unter
ähnlichen Bedingungen wie in der Richtlinie 95/2 zuließen, und insoweit ist in Punkt 37 ausdrücklich
von einer unterschiedlichen Behandlung die Rede.
125.
Die Kommission geht jedoch nicht auf die Frage ein, ob die streitigen Bestimmungen im Sinne von
Artikel 95 Absatz 6 EG ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung
des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und das Funktionieren des Binnenmarkts
behindern. Es ist wichtig, insoweit darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung dieser Frage Sache der
Kommission ist und dass der Gerichtshof im Rahmen einer Nichtigkeitsklage wie der vorliegenden die
Beurteilung der Kommission nicht durch seine eigene ersetzen kann.
126.
Wie die Punkte 45, 46 und 47 der angefochtenen Entscheidung belegen, hat die Kommission die
Voraussetzungen des Fehlens willkürlicher Diskriminierung, des Fehlens verschleierter
Beschränkungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und des Fehlens von Behinderungen des
Funktionierens des Binnenmarkts im vorliegenden Fall nicht geprüft. In ihrer Klagebeantwortung hat
die Kommission bestätigt, dass sie den Antrag der dänischen Regierung in der angefochtenen
Entscheidung allein mit der Begründung abgelehnt hat, dass er nicht hinreichend durch wichtige
Erfordernisse im Sinne des Artikels 95 Absatz 4 EG gerechtfertigt sei. Zudem ist festzustellen, dass
diese Ablehnung in den Punkten 19 bis 44 der angefochtenen Entscheidung mit dem wichtigen
Erfordernis des Schutzes der öffentlichen Gesundheit begründet wird.
127.
Diese Erwägungen zeigen, dass die angefochtene Entscheidung nicht auf einer oder mehreren der
in Artikel 95 Absatz 6 EG genannten Voraussetzungen beruht. Folglich ist die dem vorliegenden
Klagegrund zugrunde liegende Hypothese nicht erwiesen. Daher ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Kosten
128.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die
Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils
obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall beide Parteien mit ihrem Vorbringen teilweise
unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.
129.
Nach Artikel 69 § 4 Absatz 2 der Verfahrensordnung tragen die Republik Island und das Königreich
Norwegen, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung 1999/830/EG der Kommission vom 26. Oktober 1999 über vom
Königreich Dänemark notifizierte nationale Rechtsvorschriften für die Verwendung von
Sulfiten, Nitriten und Nitraten in Lebensmitteln wird für nichtig erklärt, soweit die
genannten nationalen Rechtsvorschriften für die Verwendung von Nitriten und Nitraten in
Lebensmitteln abgelehnt werden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
4. Die Republik Island und das Königreich Norwegen tragen ihre eigenen Kosten.
Rodríguez Iglesias
Puissochet
Wathelet
Schintgen Gulmann Edward
La Pergola
Jann
Skouris
Macken
Colneric
von Bahr
Cunha Rodrigues
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. März 2003.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
Verfahrenssprache: Dänisch.