Urteil des EuGH vom 18.11.1999

EuGH: kommission, treu und glauben, ablauf des verfahrens, ratio legis, strafverfahren, tourismus, zugang, disziplinarverfahren, verteidigungsrechte, satzung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
18. November 1999
„Rechtsmittel — Abweisung der Anfechtungsklage gegen die Entfernung aus dem Dienst —
Disziplinarverfahren bei gleichzeitiger Strafverfolgung (Artikel 88 Absatz 5 des Beamtenstatuts)“
In der Rechtssache C-191/98 P
Georges Tzoanos,
Athen (Griechenland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt E. Boigelot, Brüssel, Zustellungsanschrift:
Kanzlei des Rechtsanwalts L. Schiltz, 2, rue du Fort Rheinsheim, Luxemburg,
Rechtsmittelführer,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Vierte Kammer) vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-74/96 (Tzoanos/Kommission, Slg. ÖD 1998, I-A-129
und II-343) wegen Aufhebung dieses Urteils,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigten, im Beistand der Rechtsanwälte D. Waelbroeck und O. Speltdoorn, Brüssel,
Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer D. A. O. Edward (Berichterstatter) in Wahrnehmung
der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter P. Jann und M. Wathelet,
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. März 1999,
folgendes
Urteil
1.
Der Rechtsmittelführer hat mit Rechtsmittelschrift, die am 19. Mai 1998 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und den entsprechenden
Bestimmungen der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil
des Gerichts erster Instanz vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-74/96 (Tzoanos/Kommission, Slg.
ÖD 1998, I-A-129 und II-343; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht seine
Klage gegen die Entscheidung der Kommission vom 22. Juni 1995, mit der er ohne Verlust seiner
Ruhegehaltsansprüche aus dem Dienst entfernt wurde, sowie gegen die Entscheidung vom 19.
Februar 1996 über die ausdrückliche Zurückweisung seiner gegen die Entscheidung vom 22. Juni
1995 eingelegten Beschwerde vom 21. September 1995 abgewiesen hat.
2.
Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, daß es sich bei dem Rechtsmittelführer um einen
ehemaligen Beamten der Kommission der Besoldungsgruppe A 3 handelt, der seit dem 1. Juli 1989
Leiter des Referats 3 „Tourismus“ der Direktion A „Förderung des Unternehmens und Verbesserung
seines Umfelds“ der Generaldirektion „Unternehmenspolitik, Handel, Tourismus, Sozialwirtschaft“ (GD
XXIII) (im folgenden: Referat XXIII.A.3) war (Randnr. 1 des angefochtenen Urteils).
3.
Gegen Ende des Jahres 1993 deckte die Generaldirektion „Finanzkontrolle“ (GD XX) Probleme bei
der Führung des Referats XXIII.A.3 auf. Anfang 1994
wurde ein im Juli 1993 in Griechenland erschienener Presseartikel, in dem es um den
Rechtsmittelführer ging, dessen Vorgesetzten zur Kenntnis gebracht (Randnr. 2 des angefochtenen
Urteils).
4.
Nach Durchführung einer Untersuchung der Tätigkeit des Rechtsmittelführers innerhalb des
Referats XXIII.A.3 befaßte die Anstellungsbehörde am 22. Dezember 1994 den Disziplinarrat mit fünf
gegenüber dem Rechtsmittelführer erhobenen Vorwürfen, nämlich:
— „nicht genehmigte Nebentätigkeiten ausgeübt zu haben und auszuüben“;
— „gegen seine Pflicht zur Zurückhaltung verstoßen zu haben, indem er, ohne seine Vorgesetzten
darüber informiert zu haben, seinen Wohnsitz an der gleichen Adresse gehabt hat, an der eine
externe Firma ihren Sitz hatte, die sich regelmäßig an von der Kommission subventionierten oder zu
subventionierenden Vorhaben beteiligt, und indem er öffentlich Kritik an einer nationalen Einrichtung
auf dem Gebiet des Tourismus geäußert hat“;
— „auf dem Gebiet seiner beruflichen Tätigkeit bei der Kommission für Rechnung externer Personen
oder Einrichtungen Dienstleistungen erbracht zu haben, die seine Unabhängigkeit bei der Ausübung
seines Amtes als Referatsleiter bei der Kommission gefährden konnten“;
— „entgegen den Interessen der Kommission für externe Personen oder Einrichtungen Schriftstücke
vorbereitet zu haben, die später entweder für die Kommission oder für externe Partner für von der
Gemeinschaft subventionierte Vorhaben bestimmt waren“;
— „während der Ausübung seines Amtes als Leiter des Referats .Tourismus' administrative
Unregelmäßigkeiten und Fehler bei der Haushalts- und Rechnungsführung begangen zu haben“
(Randnrn. 3 und 10 des angefochtenen Urteils).
5.
Am 5. April 1995 leitete die Anstellungsbehörde dem Disziplinarrat einen zusätzlichen Bericht zu
(Randnr. 15 des angefochtenen Urteils).
6.
Am 23. Mai 1995 gab der Disziplinarrat eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in dem er
der Anstellungsbehörde empfahl, gegen den Kläger die Disziplinarstrafe des Artikels 86 Absatz 2
Buchstabe f des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut), also
Entfernung aus dem Dienst ohne Verlust der Ruhegehaltsansprüche, zu verhängen. Diese
Stellungnahme wurde dem Rechtsmittelführer am 1. Juni 1995 bekanntgegeben (Randnr. 16 des
angefochtenen Urteils).
7.
Am 12. Juni 1995 wurde der Rechtsmittelführer gemäß Artikel 7 Absatz 3 des Anhangs IX des Statuts
angehört (Randnr. 17 des angefochtenen Urteils).
8.
Am 22. Juni 1995 beschloß die Einstellungsbehörde, die fünf Vorwürfe, mit denen sie den
Disziplinarrat befaßt hatte (siehe Randnr. 4 dieses Urteils), aufrechtzuerhalten, da sie ebenso wie der
Disziplinarrat der Ansicht war, daß die dem Rechtsmittelführer zur Last gelegten Handlungen aufgrund
unanfechtbarer Beweise feststünden und von ihm weitgehend eingeräumt worden seien, und gegen
ihn die Disziplinarstrafe des Artikels 86 Absatz 2 Buchstabe f des Statuts, d. h. die Entfernung aus
dem Dienst ohne Verlust der Ruhegehaltsansprüche, zu verhängen (im folgenden: angefochtene
Entscheidung). Diese Entscheidung wurde dem Rechtsmittelführer am 23. Juni 1995 bekanntgegeben.
Sie trat am 1. August 1995 in Kraft (Randnr. 18 des angefochtenen Urteils).
9.
Mit Note vom 21. September 1995, die am 25. September 1995 in das Register des
Generalsekretariats der Kommission eingetragen wurde, legte der Rechtsmittelführer gemäß Artikel
90 Absatz 2 des Statuts eine Beschwerde ein, die mit Entscheidung vom 19. Februar 1996
ausdrücklich zurückgewiesen wurde (Randnr. 19 des angefochtenen Urteils).
10.
Daraufhin hat der Rechtsmittelführer mit Klageschrift, die am 17. Mai 1996 bei der Kanzlei des
Gerichts eingegangen ist, Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie der
Entscheidung über die ausdrückliche Zurückweisung der am 21. September 1995 gegen die
Entscheidung vom 22. Juni 1995 eingelegten Beschwerde erhoben.
Das angefochtene Urteil
11.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage nach Prüfung des Vorbringens des
Rechtsmittelführers in vollem Umfang abgewiesen.
12.
Für eine ausführlichere Darstellung des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts wird auf das
angefochtene Urteil verwiesen.
13.
Das Rechtsmittel ist auf die Verletzung des Gemeinschaftsrechts gestützt, insbesondere auf
— einen Verstoß gegen Artikel 33 der EG-Satzung des Gerichtshofes, wonach Urteile begründet sein
müssen; diese Vorschrift gilt für das Gericht nach Artikel 46 dieser Satzung. Der Rechtsmittelführer
macht geltend, die Verpflichtung zur Begründung der Urteile bedeute insbesondere, daß die
angeführten Gründe rechtlich zulässig sein müßten, also ausreichend, schlüssig, nicht mit rechtlichen
oder tatsächlichen Fehlern behaftet und nicht widersprüchlich;
— einen Verstoß gegen das Statut, insbesondere gegen die Artikel 12, 13, 14, 17, 21 Absätze 1 und
2, 25, 87 Absatz 2, 88 Absatz 5 sowie gegen Anhang IX des Statuts, insbesondere gegen die Artikel 1,
2, 3, 7 Absatz 2 und 11 dieses Anhangs;
— einen Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, und zwar insbesondere
die Grundsätze der Wahrung der Verteidigungsrechte, des Rechts auf eine kontradiktorische
Verhandlung und einen unparteiischen Richter (und des Artikels 6 der Europäischen Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten), der Rechtssicherheit, von Treu und Glauben, des
Vertrauensschutzes, der Fürsorgepflicht sowie gegen den Grundsatz, daß jede Verwaltungsmaßnahme
auf rechtlich zulässigen, also schlüssigen und nicht mit rechtlichen und/oder tatsächlichen Fehlern
behafteten Gründen beruhen müsse.
14.
Das Vorbringen des Rechtsmittelführers läßt sich in drei Teilen zusammenfassen, die jeweils
folgende Punkte betreffen:
— die Anwendung des Artikels 88 Absatz 5 des Statuts,
— die Anwendung des Statuts, insbesondere des Artikels 21, in bezug auf die Verpflichtungen des
Rechtsmittelführers im Finanzbereich,
— die Beachtung der Verteidigungsrechte, insbesondere in bezug auf den Zugang zu
Schriftstücken.
15.
An erster Stelle ist das Vorbringen des Rechtsmittelführers zur Anwendung des Artikels 88 Absatz 5
des Statuts zu prüfen, wonach das Gericht diese Vorschrift nicht richtig angewendet haben soll. In
diesem Zusammenhang ist zunächst nachzuprüfen, ob dieser Artikel im vorliegenden Fall Anwendung
findet.
16.
In Artikel 88 Absätze 1 und 5 des Statuts heißt es:
„Wird einem Beamten von der Anstellungsbehörde eine schwere Verfehlung zur Last gelegt, ... so
kann er sofort durch die Anstellungsbehörde seines Dienstes vorläufig enthoben werden.
...
Ist jedoch gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet worden,
so wird seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des Gerichtes rechtskräftig
geworden ist.“
17.
Was die Anwendung dieser Vorschrift angeht, hat das Gericht in den Randnummern 33 und 34 des
angefochtenen Urteils zunächst deren Zielsetzung untersucht. In Randnummer 35 hat es dann
festgestellt, daß sich aus der Systematik dieses Artikels ergebe, daß es Sache des betreffenden
Beamten sei, der Anstellungsbehörde die Angaben zu liefern, anhand deren beurteilt werden könne,
ob die ihm im Rahmen des Disziplinarverfahrens zur Last gelegten Handlungen gleichzeitig Gegenstand
eines gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens seien. Um dieser Verpflichtung zu genügen, müsse der
betreffende Beamte grundsätzlich dartun, daß gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei,
während gegen ihn bereits ein Disziplinarverfahren anhängig gewesen sei. Nur wenn ein solches
Strafverfahren eingeleitet worden sei, lasse sich nämlich der Sachverhalt, auf den es sich beziehe,
bestimmen und mit den Handlungen vergleichen, wegen deren das Disziplinarverfahren eingeleitet
worden sei, um so eine etwaige Identität festzustellen.
18.
In bezug auf die Lage des Rechtsmittelführers hat das Gericht in den Randnummern 36 und 37 des
angefochtenen Urteils festgestellt, daß sich aus den ihm zur Verfügung gestellten Akten ergebe, daß
zu dem Zeitpunkt, zu dem die angefochtene Entscheidung erlassen worden sei, kein Strafverfahren
gegen den Rechtsmittelführer eingeleitet gewesen sei.
19.
In Randnummer 38 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dann angenommen, daß dem Kläger,
da gegen ihn zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen durchgeführt worden seien, die zu einer
Strafverfolgung hätten führen können, entsprechend der Ratio legis des Artikels 88 Absatz 5 des
Statuts zu gestatten sei, konkret darzutun, daß eine seine Rechtsstellung im Rahmen des
Disziplinarverfahrens endgültig regelnde Entscheidung seine Position bei einer etwaigen späteren
Strafverfolgung, zu der die Ermittlungen hätten führen können, habe beeinträchtigen können.
20.
Das Gericht hat in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils festgestellt, daß sich aus den Akten
ergebe, daß der Rechtsmittelführer die Handlungen, die als „derselbe Sachverhalt“ bezeichnet
werden könnten, und wegen der gegen ihn gleichzeitig ein Disziplinarverfahren, das zum Erlaß der
angefochtenen Entscheidung geführt habe, und ein Strafverfahren durchgeführt worden seien, nicht
genau bezeichnet habe. In Randnummer 208 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem
Ergebnis gelangt, daß der Rechtsmittelführer das Vorliegen eines solchen Sachverhalts auch nicht im
Verfahren vor dem Gericht dargetan habe.
21.
Aus dem angefochtenen Urteil geht somit hervor, daß das Gericht entschieden hat, daß Artikel 88
Absatz 5 des Statuts aus zwei Gründen nicht anwendbar sei. Erstens sei zu dem Zeitpunkt, zu dem die
angefochtene Entscheidung erlassen worden sei, gegen den Rechtsmittelführer kein Strafverfahren
eingeleitet gewesen. Zweitens habe dieser, soweit er auf ein laufendes Verfahren verwiesen habe,
weder im Rahmen des Disziplinarverfahrens, das zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geführt
habe, noch im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht einen Sachverhalt
bezeichnet, der gleichzeitig Gegenstand eines Disziplinarverfahrens und einer Strafverfolgung
gewesen sei.
22.
Mit der Feststellung, daß es Sache des Rechtsmittelführers sei, der Anstellungsbehörde und dem
Gericht die Angaben zu liefern, die für die Feststellungen erforderlich sind, daß gegen ihn gleichzeitig
ein Disziplinarverfahren und ein Strafverfahren anhängig gewesen seien, die auf denselben
Sachverhalt gestützt gewesen seien, hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen.
23.
Die Feststellung des Gerichts, daß der Rechtsmittelführer die in diesem Zusammenhang
erforderlichen Angaben nicht geliefert habe, ist eine Tatsachenfeststellung, die in die alleinige
Zuständigkeit des Gerichts fällt und im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens angegriffen werden
kann (siehe in diesem Sinne Urteile vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache C-283/90 P,
Vidrányi/Kommission, Slg. 1991, I-4339, Randnr. 12, und vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92
P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 10).
24.
Da die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 88 Absatz 5 des Statuts im vorliegenden
Fall somit nicht erfüllt sind, braucht das sonstige diesbezügliche Vorbringen des Rechtsmittelführers
nicht geprüft zu werden.
25.
An zweiter Stelle ist das Vorbringen zum Verstoß gegen das Statut, insbesondere gegen Artikel 21,
zu prüfen.
26.
Der Rechtsmittelführer macht erstens geltend, da er nicht Anweisungsbefugter für die Zahlungen
gewesen sei, könne ihm keine irgendwie geartete Verantwortung für die haushaltsmäßige und
finanzielle Begleitung eines Vorhabens zugeschrieben werden. Zweitens trägt er vor, das
angefochtene Urteil enthalte eine offensichtlich rechtswidrige Feststellung. Nach Artikel 21 Absatz 1
des Statuts könne er gegebenenfalls nur für die genaue Durchführung seiner Aufgabe verantwortlich
gemacht werden, die in keiner Weise in der Kontrolle und der finanziellen Begleitung von Projekten
bestehe. Die Verantwortung für die Mängel bei der Bewirtschaftung der Mittel des Referats
„Tourismus“ treffe den Generaldirektor und nicht ihn selbst.
27.
Was das erste Argument angeht, ergibt sich eindeutig aus den Randnummern 202 und 203 des
angefochtenen Urteils, daß das Gericht angenommen hat, daß der Rechtsmittelführer, auch wenn er
formal nicht Anweisungsbefugter für die Zahlungen gewesen sei, dennoch verpflichtet gewesen sei,
als Leiter des Referats XXIII.A.3 vorab zu prüfen, ob die von den Empfängern der auf Entscheidung der
GD XXIII gewährten Subventionen vorgelegten Zahlungsanträge begründet gewesen seien.
28.
Wie der Generalanwalt in Nummer 60 seiner Schlußanträge festgestellt hat, hat das Gericht, als es
somit zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die geltend gemachten
Versäumnisse — unabhängig von der Eigenschaft als Anweisungsbefugter — in den
Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers fielen, eine Tatsachenfeststellung getroffen, die im
Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht überprüft werden kann.
29.
Das Vorbringen des Rechtsmittelführers, daß ihm, da er nicht Anweisungsbefugter für die
Zahlungen gewesen sei, keine irgendwie geartete Verantwortung zugeschrieben werden könne, ist
daher zurückzuweisen.
30.
Ebenfalls zurückzuweisen ist das zweite Argument des Rechtsmittelführers in bezug auf die
Anwendung des Artikels 21 des Statuts. Das Gericht hat dadurch, daß es den genauen Umfang der
dem Rechtsmittelführer übertragenen Aufgaben geprüft und die Verantwortung des
Rechtsmittelführers in bezug auf diese Aufgaben umrissen hat, die Erfordernisse dieser Vorschrift in
vollem Umfang beachtet.
31.
Schließlich ist an letzter Stelle das Vorbringen des Rechtsmittelführers zur Beachtung der
Verteidigungsrechte zu prüfen. Der Rechtsmittelführer ist der Auffassung, das Urteil müsse
aufgehoben werden, da in ihm der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der Waffengleichheit
und der Begründungsverpflichtung unrichtig angewendet worden sei.
32.
Aus Randnummer 329 des angefochtenen Urteils geht hervor, daß das Gericht daraus, daß der
Rechtsmittelführer in der mündlichen Verhandlung nicht auf die Äußerungen der Kommission reagiert
habe, daß er während des Disziplinarverfahrens Zugang zu den Akten gehabt habe, über die der
Disziplinarrat für seine Stellungnahme und die Anfechtungsbehörde für die angefochtene
Entscheidung verfügt hätten, gefolgert hat, daß der in der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz
der Waffengleichheit gewahrt worden sei. Das Gericht hat im übrigen unterstrichen, daß der
Rechtsmittelführer von allen tatsächlichen Elementen, auf die sich die Entscheidung gestützt habe,
rechtzeitig Kenntnis erhalten habe, um sein Vorbringen darauf abstellen zu können. Darüber hinaus
hat das Gericht ausgeführt, auch wenn dem Rechtsmittelführer das Recht zuzuerkennen gewesen sei,
Einsicht in andere als die Dokumente zu nehmen, die ihm im Laufe des Disziplinarverfahrens
übermittelt worden seien, so habe die Ausübung dieses Rechts jedoch nichts an den getroffenen
Feststellungen ändern können und sei somit nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der
Verteidigungsrechte des Rechtsmittelführers darzutun.
33.
Der Rechtsmittelführer macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, daß er Zugang
zu den Akten gehabt habe, über die der Disziplinarrat für seine Stellungnahme und die
Anstellungsbehörde für die angefochtene Entscheidung verfügt hätten. Er beanstandet auch die
Feststellung des Gerichts, daß er von allen tatsächlichen Elementen, auf die sich die Entscheidung
gestützt habe, rechtzeitig Kenntnis erhalten habe, um sein Vorbringen darauf abstellen zu können.
34.
Dazu ist festzustellen, daß ein Beamter nach dem allgemeinen Grundsatz der Wahrung der
Verteidigungsrechte Gelegenheit haben muß, zu jedem Schriftstück Stellung zu nehmen, das das
Gemeinschaftsorgan gegen ihn verwenden will (siehe u. a. Urteil Vidrányi/Kommission, Randnr. 20).
Soweit eine solche Gelegenheit einem Beamten nicht geboten worden ist, dürfen die ihm nicht zur
Kenntnis gebrachten Schriftstücke nicht als Beweismittel berücksichtigt werden. Dieser Ausschluß
bestimmter von der Kommission verwendeter Schriftstücke wäre jedoch nur insoweit von Bedeutung,
als der von der Kommission erhobene Vorwurf nur durch diese Schriftstücke bewiesen werden könnte
(Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn.
24 bis 30).
35.
Gemäß dieser Rechtsprechung hat das Gericht geprüft, ob die Nichtbekanntgabe der
angefochtenen Schriftstücke zum Nachteil des Rechtsmittelführers Einfluß auf den Ablauf des
Verfahrens und den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hätte haben können. Das Gericht ist zu
dem Ergebnis gelangt, daß die Ausübung des Rechts, Zugang zu anderen Schriftstücken als den im
Laufe des Disziplinarverfahrens vorgelegten zu erhalten, sich auf die getroffenen Feststellungen nicht
hätte auswirken können, da diese sich mit Gewißheit aus den Erklärungen der Beteiligten und aus
den Schriftstücken ergeben hätten, zu denen der Rechtsmittelführer im Disziplinarverfahren Zugang
gehabt habe. Darüber hinaus hat das Gericht in Randnummer 329 des angefochtenen Urteils
unterstrichen, daß die Schriftstücke, zu denen der Rechtsmittelführer keinen Zugang gehabt habe,
nicht zu dem Nachweis geeignet gewesen seien, daß er für die haushaltsmäßige und finanzielle
Begleitung der subventionierten Vorhaben im Sektor Tourismus nicht verantwortlich gewesen sei und
daß seine Befugnisse ohne sein Wissen von seinen Vorgesetzten mißbräuchlich eingesetzt worden
seien. Das Gericht hat außerdem angenommen, daß keines der von der Kommission auf die
schriftlichen Fragen des Gerichts hin vorgelegten Schriftstücke es dem Kläger ermöglicht hätte, zu
bestreiten, daß er bei der haushaltsmäßigen und finanziellen Begleitung der betroffenen Vorhaben
tatsächlich tätig geworden sei.
36.
Die diesbezüglichen Feststellungen des Gerichts gehören zur tatsächlichen Würdigung, die im
Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht angegriffen werden kann. Da die Vorgehensweise des
Gerichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes entspricht, ist das Vorbringen des Klägers zu diesem
Punkt zurückzuweisen.
37.
Es ist daher das Vorbringen des Rechtsmittelführers zu den Randnummern 266, 277 und 298 des
angefochtenen Urteils zu prüfen. Er trägt vor, es ergebe sich aus den Akten, daß die
Anstellungsbehörde für die Vorhaben IFTO und IERAD sowie für das Vorhaben BDG keinen genau
formulierten Vorwurf erhoben habe und daß das Gericht der Ansicht gewesen sei, es könne diese
Vorwürfe ihm gegenüber selbst formulieren. Das Gericht habe daher seine Verpflichtung zur Wahrung
seiner Unparteilichkeit verletzt.
38.
Vor dem Gericht hat der Rechtsmittelführer geltend gemacht, die gegen ihn im Rahmen dieser
Vorhaben erhobenen Vorwürfe seien in der angefochtenen Entscheidung nicht aufgeführt, so daß
diese einen Begründungsmangel aufweise, der ihre Aufhebung rechtfertige. Das Gericht hat dieses
Vorbringen zurückgewiesen.
39.
Im vorliegenden Fall geht die Rüge des Rechtsmittelführers dahin, daß das Gericht in den Berichten
der GD XX nach Angaben gesucht habe, um dem Begründungsmangel der angefochtenen
Entscheidung abzuhelfen. Daher ist der Gedankengang zu prüfen, den das Gericht sich zu eigen
gemacht hat, um das Vorbringen des Rechtsmittelführers zurückzuweisen.
40.
Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, daß das Gericht angesichts der vom Rechtsmittelführer
vorgebrachten Anschuldigungen die angefochtene Entscheidung mit dem Ziel untersucht hat, die
einzelnen Vorwürfe zu prüfen, die gegen diesen in den betreffenden Begründungserwägungen der
angefochtenen Entscheidung erhoben worden waren.
41.
Was die Vorhaben IFTO und IERAD sowie das Vorhaben BDG angeht, die in den Randnummern 265,
277 bzw. 297 des angefochtenen Urteils angesprochen werden, hat das Gericht zunächst Bezug auf
die angefochtene Entscheidung genommen. Mangels zusätzlicher Angaben in dieser Entscheidung hat
das Gericht beschlossen, daß es den Einzelbericht der GD XX prüfen müsse, auf den die angefochtene
Entscheidung verweist.
42.
Was die Vorhaben IFTO und BDG angeht (siehe Randnrn. 266 bzw. 298 des angefochtenen Urteils),
hat das Gericht für diese Vorhaben jeweils zwei Betrachtungsweisen festgestellt, die gerade den
Rechtsmittelführer betreffen.
43.
Was das Vorhaben IERAD betrifft, hat das Gericht angenommen, daß sich aus dem Einzelbericht
ergebe, daß die in dem der griechischen Beteiligung an dem Vorhaben gewidmeten Kapitel
festgestellten Unregelmäßigkeiten gerade dem Rechtsmittelführer zuzuschreiben seien, selbst wenn
dieser nicht ausdrücklich genannt worden sei. Das Gericht hat dann festgestellt, daß unter
Berücksichtigung der näheren Angaben in diesem Bericht, des Inhalts der Entscheidung über die
ausdrückliche Zurückweisung der Beschwerde und der Reaktionen, die der Rechtsmittelführer in
seinen Schriftsätzen zum Ausdruck gebracht habe, vier spezifische Vorwürfe ihm gegenüber umrissen
werden könnten.
44.
In Randnummer 280 des angefochtenen Urteils hat das Gericht darüber hinaus ausgeführt, daß in
der 27. Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung das Vorhaben IERAD genannt und
dabei auf den Einzelbericht der GD XX zu diesem Vorhaben verwiesen werde, der dem
Rechtsmittelführer zur Kenntnis gebracht worden sei. Außerdem hat das Gericht auf die 28.
Begründungserwägung dieser Entscheidung Bezug genommen und festgestellt, daß in dieser
allgemein formulierten Begründungserwägung die bei den verschiedenen in der
vorangehenden Begründungserwägung genannten Vorhaben festgestellten Unregelmäßigkeiten klar
zum Ausdruck gebracht würden. Ferner hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission die einzelnen
das Vorhaben IERAD betreffenden Vorwürfe in ihrer Entscheidung über die ausdrückliche
Zurückweisung der Beschwerde genau bezeichnet habe.
45.
Es steht daher fest, daß das Gericht sich entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers darauf
beschränkt hat, die einzelnen diesem gegenüber erhobenen Vorwürfe zu prüfen, und nicht seine
eigene Begründung an die Stelle der Begründung der Kommission gesetzt hat, da alle gegenüber dem
Rechtsmittelführer aufrechterhaltenen Vorwürfe in den Berichten enthalten sind, auf die die
angefochtene Entscheidung ausdrücklich verweist.
46.
Das diesbezügliche Vorbringen des Rechtsmittelführers ist daher nicht begründet.
47.
Nach alledem ist das Rechtsmittel somit zurückzuweisen.
Kosten
48.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren
anzuwenden ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die
Kommission beantragt hat, den Rechtsmittelführer zur Tragung der Kosten zu verurteilen und dieser
mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Der Rechtsmittelführer trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Edward
Jann
Wathelet
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. November 1999.
Der Kanzler
Der Präsident der Ersten Kammer
R. Grass
L. Sevón
Verfahrenssprache: Französisch.