Urteil des EuGH vom 11.11.2004

EuGH: juristische person, vergütung, vertrag auf unbestimmte dauer, staat, beendigung, arbeitsbedingungen, berufliche eingliederung, dienstalter, unternehmen, regierung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
11. November 200
„Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergang auf den Staat – Möglichkeit für den
Staat, die Vorschriften des öffentlichen Rechts anzuwenden – Kürzung der Vergütung“
In der Rechtssache C-425/02
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour administrative
(Luxemburg) mit Entscheidung vom 21. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November
2002, in dem Verfahren
Johanna Maria Delahaye, verheiratete Boor
gegen
Ministre de la Fonction publique et de la Réforme administrative
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie des Richters C. Gulmann und der
Richterin N. Colneric (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: M. Múgica Arzamendi, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Frau Johanna Maria Delahaye, verheiratete Boor, vertreten durch R. Assa und N. Prüm-Carré, avocats,
der luxemburgischen Regierung, vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten im Beistand von
A. Rukavina, avocat,
der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia und D. Del Gaizo als Bevollmächtigte im Beistand
von A. Gingolo, avvocato dello Stato,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und M. A. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und D. Martin als
Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juni 2004,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des
Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung
von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl.
L 61, S. 26).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Delahaye, verheiratete Boor, und dem
Ministre de la Fonction publique et de la Réforme administrative wegen der Weigerung des Ministers, die
Vergütung aus dem Arbeitsvertrag, der ursprünglich zwischen Frau Delahaye und der Foprogest ASBL
(Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht) (im Folgenden: Foprogest), einer juristischen Person des
Privatrechts, geschlossen worden war, aufrechtzuerhalten, nachdem das Unternehmen von Foprogest auf
den luxemburgischen Staat übergegangen war.
Rechtlicher Rahmen
3
Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 lautet:
„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen
Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.“
4
Artikel 2 der Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
b) Erwerber ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne des
Artikels 1 Absatz 1 als Inhaber in das Unternehmen, den Betrieb oder Betriebsteil eintritt.
…“
5
Artikel 3 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des
Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf
den Erwerber über.
(2) Nach dem Übergang im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag
vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum
Inkrafttreten oder bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie
sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, sofern
dieser nicht weniger als ein Jahr beträgt.“
6
Artikel 4 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils stellt als solcher für den Veräußerer
oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht etwaigen Kündigungen aus
wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der
Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.
(2) Kommt es zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, weil der Übergang im
Sinne des Artikels 1 Absatz 1 eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil des
Arbeitnehmers zur Folge hat, so ist davon auszugehen, dass die Beendigung des Arbeitsvertrags oder
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgt ist.“
7
Die Richtlinie 77/187 ist durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88)
geändert worden, deren Umsetzungsfrist nach ihrem Artikel 2 am 17. Juli 2001 ablief.
8
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen,
Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16) hat die Richtlinie 77/187 unter
Berücksichtigung der durch die Richtlinie 98/50 vorgenommenen Änderungen kodifiziert.
9
Artikel 36 des Gesetzes vom 24. Mai 1989 über den Arbeitsvertrag (Mémorial A 1989, S. 611, im Folgenden:
Gesetz vom 24. Mai 1989) bestimmt:
„(1) Tritt in der Situation des Arbeitgebers insbesondere durch Erbfall, Veräußerung, Verschmelzung,
Vermögensumwandlung oder Vergesellschaftung eine Änderung ein, so bleiben alle am Tag der Änderung
laufenden Arbeitsverträge zwischen dem neuen Arbeitgeber und den Beschäftigten des Unternehmens
bestehen.
(2) Der Übergang des Unternehmens insbesondere durch vertragliche Übertragung oder durch
Verschmelzung stellt als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar.
Kommt es zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags, weil der Übergang eine wesentliche Änderung der
Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge hat, so ist davon auszugehen, dass die
Beendigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber erfolgt ist.
…“
10
Artikel 37 des Gesetzes sieht vor:
„Jede Änderung zu Ungunsten des Arbeitnehmers in Bezug auf eine wesentliche Bestimmung des
Arbeitsvertrags muss, soll sie nicht nichtig sein, den Arbeitnehmern unter Beachtung der Formen und
Fristen im Sinne der Artikel 19 und 20 angezeigt werden und das Datum angeben, an dem sie wirksam wird.
In diesem Fall kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach den Gründen für die Änderung fragen, und der
Arbeitgeber ist gehalten, diese Gründe unter Beachtung der in Artikel 22 vorgesehenen Formen und Fristen
anzugeben.
Die Beendigung des Arbeitsvertrags, die sich aus der Weigerung des Arbeitnehmers ergibt, die ihm
angezeigte Änderung zu akzeptieren, stellt eine Kündigung durch den Arbeitgeber dar, gegen die der in
Artikel 28 genannte Rechtsbehelf gegeben ist.“
11
Die Modalitäten und Beträge der Vergütung der Bediensteten des luxemburgischen Staates werden durch
großherzogliche Verordnung festgelegt.
Ausgangsrechtsstreit
12
Frau Delahaye, verheiratete Boor, war bei Foprogest beschäftigt. Ihre Vergütung war nicht in einem
Kollektivvertrag geregelt.
13
Der Zweck von Foprogest bestand u. a. in der Förderung und Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen,
durch die die soziale und berufliche Situation von Arbeitsuchenden und Arbeitslosen verbessert werden
sollte, um ihre berufliche Eingliederung oder Wiedereingliederung zu ermöglichen. Die Mittel dieser
Vereinigung stammten im Wesentlichen aus Zuschüssen, Spenden und Vermächtnissen.
14
Die Tätigkeit von Foprogest wurde auf den luxemburgischen Staat, und zwar auf den Ministre de l’Éducation
nationale, de la Formation professionnelle et des Sports, übertragen. Die damit übernommene Tätigkeit wird
nunmehr in Form eines öffentlichen Verwaltungsdienstes ausgeübt.
15
Mit Wirkung vom 1. Januar 2000 wurde Frau Delahaye als Angestellte des luxemburgischen Staates
eingestellt. Auch andere zuvor bei Foprogest beschäftigte Arbeitnehmer wurden vom Staat übernommen.
Dieser Vorgang führte zum Abschluss neuer Arbeitsverträge zwischen dem Staat und den betroffenen
Arbeitnehmern. Unter diesen Umständen schloss Frau Delahaye am 22. Dezember 1999 mit dem
betreffenden Minister einen Vertrag auf unbestimmte Dauer.
16
Nach der großherzoglichen Verordnung über die Vergütung der staatlichen Angestellten bezog Frau
Delahaye seither eine geringere Vergütung, als sie nach dem ursprünglich mit Foprogest geschlossenen
Vertrag erhalten hatte.
17
Sie hat in der mündlichen Verhandlung, ohne dass ihr die luxemburgische Regierung widersprochen hätte,
vorgetragen, dass sie vom luxemburgischen Staat ohne Berücksichtigung ihres Dienstalters in die letzte
Gehaltsstufe der untersten Tarifklasse der Vergütungstabelle eingestuft worden sei, was dazu geführt habe,
dass sie 37 % ihres Monatsgehalts eingebüßt habe.
18
Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten im Wesentlichen darüber, ob der Staat gehalten ist, nach der
fraglichen Übertragung alle Rechte des Personals, die sich aus dem Arbeitsvertrag zwischen den
Arbeitnehmern und dem Veräußerer ergeben, und insbesondere auch den Vergütungsanspruch
aufrechtzuerhalten.
Vorlagefrage
19
Das vorlegende Gericht bemerkt, dass die Parteien übereinstimmend einen Unternehmensübergang im
Sinne von Artikel 36 des Gesetzes vom 24. Mai 1989 für gegeben hielten, eine Beurteilung, die von ihm
geteilt werde.
20
Das Gericht weist das Argument des Beklagten des Ausgangsverfahrens ausdrücklich zurück, wonach in
Zweifel gezogen werden könne, dass man es mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu tun habe, da es sich um
eine Tätigkeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit handele, die zur Ausübung hoheitlicher Gewalt gehören
könne. Insoweit verweist das Gericht auf die Urteile des Gerichtshofes vom 19. Mai 1992 in der Rechtssache
C‑29/91 (Redmond Stichting, Slg. 1992, I‑3189, zur Hilfe für Drogenabhängige), vom 10. Dezember 1998 in
den Rechtssachen C‑173/96 und C‑247/96 (Hidalgo u. a., Slg. 1998, I‑8237, zur häuslichen Hilfe) und vom 26.
September 2000 in der Rechtssache C‑175/99 (Mayeur, Slg. 2000, I‑7755).
21
Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung stellt das Gericht fest, dass im Ausgangsverfahren ein
Unternehmensübergang im Sinne der Gemeinschaftsregelung stattgefunden habe.
22
Nach Ansicht des Gerichts ist in Anbetracht des in der Berufungsinstanz noch verbleibenden
Streitgegenstands zunächst die Frage zu prüfen, ob nach Artikel 36 des Gesetzes vom 24. Mai 1989, der im
Licht der Gemeinschaftsbestimmungen und insbesondere der in die Richtlinie 2001/23 aufgenommenen
Richtlinien 77/187 und 98/50 anzuwenden sei, der Übergang der Rechte und Pflichten des Personals bei
einem Unternehmensübergang auf den öffentlichen Sektor nur, wie es im angefochtenen Urteil heiße,
„innerhalb der Grenzen seiner Vereinbarkeit mit den Vorschriften des öffentlichen Rechts“ erfolgen könne.
Es handele sich mit anderen Worten darum, ob der Staat als Erwerber die Bestimmungen des zuvor
geschlossenen Arbeitsvertrags durch die für seine Bediensteten geltenden Vergütungsregelungen ersetzen
könne.
23
Das vorlegende Gericht weist zum einen darauf hin, dass nach der Gemeinschaftsregelung grundsätzlich bei
einem Unternehmensübergang die Rechte und Pflichten des Veräußerers – hier von Foprogest – aufgrund
dieses Übergangs auf den Erwerber – hier auf den luxemburgischen Staat – übergingen. Außerdem
bestimme Artikel 36 des Gesetzes vom 24. Mai 1989, dass in diesem Fall alle laufenden Arbeitsverträge
zwischen dem neuen Arbeitgeber und den Arbeitnehmern des Unternehmens bestehen blieben.
24
Zum anderen erinnert das Gericht daran, dass nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187, der wörtlich in
Artikel 36 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Gesetzes vom 24. Mai 1989 übernommen worden sei, dann, wenn es
zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags komme, weil der Übergang eine wesentliche Änderung der
Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers zur Folge habe, davon auszugehen sei, dass die
Beendigung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber erfolgt sei.
25
Nach Auffassung des Gerichts lässt Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie, auch wenn er im Kontext einer
Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe, doch notwendigerweise auf die Möglichkeit einer Änderung der
Situation der Arbeitnehmer aufgrund des Übergangs schließen.
26
Daher sei noch zu klären, ob der luxemburgische Staat als Erwerber den anlässlich des Übergangs
übernommenen Arbeitnehmern unter dem Zwang seiner innerstaatlichen Regelung und des öffentlichen
Rechts eine Umgestaltung ihrer Gehaltssituation auferlegen könne, die gegebenenfalls auf Initiative des
Arbeitnehmers zur Einleitung eines Verfahrens zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter den
Bedingungen des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187 führen könne, oder ob vielmehr der Grundsatz des
Fortbestands des Vertrages den Staat verpflichte, ungeachtet seiner eigenen Regelung die Vergütung aus
dem ursprünglichen Vertrag beizubehalten.
27
Unter diesen Umständen hat die Cour administrative beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem
Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Kann angesichts der Bestimmungen der oben genannten Richtlinien 77/187/EWG, 98/50/EG und 2001/23/EG
im Fall eines Unternehmensübergangs von einer Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, einer
juristischen Person des Privatrechts, auf den Staat diesem als Erwerber erlaubt werden, die Übernahme der
Rechte und Pflichten des Veräußerers nur insoweit stattfinden zu lassen, als diese mit seinen eigenen
öffentlich-rechtlichen Vorschriften insbesondere auch auf dem Gebiet der Vergütung, auf dem die
Modalitäten und Beträge durch großherzogliche Verordnung festgelegt werden, vereinbar sind, wobei sich im
Übrigen aus dem Status eines öffentlichen Angestellten für die betreffenden Bediensteten gesetzliche
Vorteile u. a. in Bezug auf die Laufbahnentwicklung und die Stabilität des Arbeitsplatzes ergeben und die
betreffenden Bediensteten im Fall einer Meinungsverschiedenheit über die „wesentlichen Änderungen“ des
Arbeitsverhältnisses im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinien das Recht behalten, die Beendigung
dieses Arbeitsverhältnisses nach den in dieser Bestimmung festgelegten Modalitäten zu verlangen?
Zur Vorlagefrage
28
Aus den vom Generalanwalt in Nummer 27 seiner Schlussanträge dargelegten Gründen sind die Richtlinien
98/50 und 2001/23 nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar. Folglich kommt es nur auf die Auslegung
der Richtlinie 77/187 an.
29
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die letztgenannte Richtlinie es
ausschließt, dass im Fall des Unternehmensübergangs von einer juristischen Person des Privatrechts auf
den Staat dieser als neuer Arbeitgeber eine Kürzung der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer vornimmt,
um den geltenden nationalen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten nachzukommen.
30
Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Übertragung einer
wirtschaftlichen Tätigkeit von einer juristischen Person des Privatrechts auf eine juristische Person des
öffentlichen Rechts grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187 fällt. Nur die strukturelle
Neuordnung der öffentlichen Verwaltung oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer
öffentlichen Verwaltung auf eine andere ist davon ausgenommen (Urteile vom 15. Oktober 1996 in der
Rechtssache C-298/94, Henke, Slg. 1996, I-4989, Randnr. 14, und Mayeur, Randnrn. 29 bis 34).
31
Nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem
Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Unternehmensübergangs auf den Erwerber über.
32
Da die Richtlinie 77/187 nur auf eine teilweise Harmonisierung des fraglichen Gebietes abzielt (vgl. u. a.
Urteile vom 10. Februar 1988 in der Rechtssache 324/86, Tellerup/Daddy’s Dance Hall, Slg. 1988, 739,
Randnr. 16, und vom 6. November 2003 in der Rechtssache C-4/01, Martin u. a., Slg. 2003, I‑0000, Randnr.
41), steht sie im Fall der Übertragung einer Tätigkeit auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts
nicht der Anwendung des nationalen Rechts entgegen, das die Beendigung der privatrechtlichen
Arbeitsverträge vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Mayeur, Randnr. 56). Eine solche Beendigung ist jedoch
nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187 als eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum
Nachteil des Arbeitnehmers anzusehen, die sich unmittelbar aus dem Übergang ergibt, so dass davon
auszugehen ist, dass in einem solchen Fall die Beendigung dieser Arbeitsverträge durch den Arbeitgeber
erfolgt ist (vgl. Urteil Mayeur, Randnr. 56).
33
Das Gleiche gilt dann, wenn die Anwendung der nationalen Vorschriften, die die Situation der staatlichen
Angestellten regeln, wie im Ausgangsverfahren, eine Kürzung der Vergütung der von dem Übergang
betroffenen Arbeitnehmer mit sich bringt. Eine solche Kürzung ist, wenn sie wesentlich ist, als wesentliche
Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil der fraglichen Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 4 Absatz 2
der Richtlinie anzusehen.
34
Außerdem sind die zuständigen Behörden, die das nationale Recht der öffentlichen Angestellten
anzuwenden und auszulegen haben, verpflichtet, dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung der
Richtlinie 77/187 zu tun. Es verstieße gegen den Geist dieser Richtlinie, wenn der vom Veräußerer
übernommene Angestellte in der Weise behandelt würde, dass seinem Dienstalter nicht Rechnung getragen
wird, soweit die nationalen Vorschriften, die die Situation der staatlichen Angestellten regeln, das
Dienstalter des staatlichen Angestellten bei der Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen.
35
Folglich ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 77/187 dahin auszulegen ist, dass sie es
grundsätzlich nicht ausschließt, dass im Fall des Unternehmensübergangs von einer juristischen Person des
Privatrechts auf den Staat dieser als neuer Arbeitgeber eine Kürzung der Vergütung der betroffenen
Arbeitnehmer vornimmt, um den geltenden nationalen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten
nachzukommen. Die zuständigen Behörden, die diese Vorschriften anzuwenden und auszulegen haben, sind
jedoch verpflichtet, dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie zu tun, indem sie
insbesondere dem Dienstalter des Arbeitnehmers Rechnung tragen, soweit die nationalen Vorschriften, die
die Situation der staatlichen Angestellten regeln, das Dienstalter des staatlichen Angestellten bei der
Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen. Falls diese Berechnung zu einer wesentlichen Kürzung der
Vergütung des Betroffenen führt, stellt eine solche Kürzung eine wesentliche Änderung der
Arbeitsbedingungen zum Nachteil der von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer dar, so dass nach
Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187 davon auszugehen ist, dass die Beendigung ihres Arbeitsvertrags aus
diesem Grund durch den Arbeitgeber erfolgt ist.
Kosten
36
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden
Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen
anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer
beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass sie
es grundsätzlich nicht ausschließt, dass im Fall des Unternehmensübergangs von einer
juristischen Person des Privatrechts auf den Staat dieser als neuer Arbeitgeber eine Kürzung
der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer vornimmt, um den geltenden nationalen
Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten nachzukommen. Die zuständigen
Behörden, die diese Vorschriften anzuwenden und auszulegen haben, sind jedoch verpflichtet,
dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie zu tun, indem sie
insbesondere dem Dienstalter des Arbeitnehmers Rechnung tragen, soweit die nationalen
Vorschriften, die die Situation der staatlichen Angestellten regeln, das Dienstalter des
staatlichen Angestellten bei der Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen. Falls diese
Berechnung zu einer wesentlichen Kürzung der Vergütung des Betroffenen führt, stellt eine
solche Kürzung eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zum Nachteil der von dem
Übergang betroffenen Arbeitnehmer dar, so dass nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 77/187
davon auszugehen ist, dass die Beendigung ihres Arbeitsvertrags aus diesem Grund durch den
Arbeitgeber erfolgt ist.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Französisch.