Urteil des EuGH vom 15.02.2005

EuGH: beherrschende stellung, kommission, verordnung, unternehmen, kontrolle, rechtsmittelgrund, analyse, einheit, maschine, wahrscheinlichkeit

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)
15. Februar 2005()
„Rechtsmittel – Wettbewerb – Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 – Entscheidung, mit der ein
Zusammenschluss des Konglomerattyps für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird –
Hebelwirkung – Umfang der gerichtlichen Nachprüfung – Zu berücksichtigende Faktoren –
Verhaltensbezogene Verpflichtungen“
In der Rechtssache C-12/03 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes, eingelegt am 8. Januar
2003 ,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
P. Hellström als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Tetra Laval BV
D. Waelbroeck und M. Johnsson, avocats, sowie Rechtsanwälte A. Weitbrecht und S. Völcker,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des
Präsidenten sowie der Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans und A. Rosas (Berichterstatter), der
Richter C. Gulmann, J.‑P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von
Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2004,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Mai 2004,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung
des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2002 in der
Rechtssache T‑5/02 (Tetra Laval/Kommission, Slg. 2002, II‑4381, im Folgenden: angefochtenes Urteil),
mit dem das Gericht die Entscheidung 2004/124/EG der Kommission vom 30. Oktober 2001 über die
Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen
(Sache COMP/M.2416 – Tetra Laval/Sidel) (ABl. 2004, L 43, S. 13, im Folgenden: streitige Entscheidung)
für nichtig erklärt hat.
Die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89
2 Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1, berichtigt im ABl. 1990, L 257, S. 13) in der
Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl. L 180, S. 1, im Folgenden:
Verordnung) bestimmt:
„(1) Zusammenschlüsse im Sinne dieser Verordnung sind nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen.
Bei dieser Prüfung berücksichtigt die Kommission
a) die Notwendigkeit, im Gemeinsamen Markt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu
entwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte und den
tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft
ansässige Unternehmen;
b) die Marktstellung sowie die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten
Unternehmen, die Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer, ihren Zugang zu den
Beschaffungs- und Absatzmärkten, rechtliche oder tatsächliche Marktzutrittsschranken, die
Entwicklung des Angebotes und der Nachfrage bei den jeweiligen Erzeugnissen und
Dienstleistungen, die Interessen der Zwischen- und Endverbraucher sowie die Entwicklung des
technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den
Wettbewerb nicht behindert.
(2) Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die
wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich
behindert wird, sind für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.
(3) Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die
wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich
behindert wird, sind für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.
…“
Die streitige Entscheidung
3 Aus der streitigen Entscheidung geht hervor, dass für Flüssignahrungsmittel vier Arten von
Verpackungen verwendet werden: Verpackungen aus Karton und aus Kunststoff (und zwar den
Materialien Polyethylenterephthalat, im Folgenden: PET, und Polyethylen hoher Dichte, im Folgenden:
HDPE), Metalldosen und Glasverpackungen.
4 Die streitige Entscheidung bezieht sich speziell auf die so genannten „empfindlichen“ Produkte. Dabei
handelt es sich um Milch und flüssige Milchprodukte, Fruchtsäfte und ‑nektare, Fruchtaromagetränke
ohne Kohlensäure (im Folgenden: Fruchtaromagetränke) sowie Tee- und Kaffeegetränke. Diese
Produkte müssen vor Licht – wie Milch – oder vor Sauerstoff – wie Fruchtsäfte und in geringerem Maß
Fruchtaromagetränke sowie Tee- und Kaffeegetränke – geschützt werden. Da PET ein sauerstoff- und
lichtdurchlässiges Harz ist, eignet es sich für solche Produkte weniger gut als Karton. Es gibt jedoch
technologische Forschungen in Bezug auf so genannte „Barrieretechniken“, die einen Schutz vor
Sauerstoff und Licht ermöglichen.
5 Auch die Verpackungstechnik ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Wahl der Verpackung. Bestimmte
säurehaltige Produkte wie Milch und Fruchtsäfte müssen nämlich keimfrei abgepackt werden, sofern
sie nicht gekühlt vertrieben werden. Nach den Angaben in den Akten kann die Keimfreiheit besser
gewahrt werden, wenn derartige Produkte in einem einzigen Arbeitsgang vom Hersteller des
betreffenden Flüssignahrungsmittels in Kartons verpackt werden. Dieses Unternehmen besitzt meist
eine integrierte Verpackungslinie. Es kauft den Karton in Rollen und schneidet ihn zu, bringt ihn in die
gewünschte Form, füllt ihn und verschließt die Verpackung.
6 Die Verpackung eines Flüssigprodukts in PET erfolgt dagegen meist in mehreren Arbeitsgängen, was
die Wahrung der Keimfreiheit erschwert. Zunächst muss ein Vorformling – eine Kunststoffröhre aus
Harz – hergestellt werden, dann wird die leere Flasche geformt, indem der Vorformling mittels einer so
genannten „Stretch-Blow-Moulding-Maschine“ (Streckblasmaschine, im Folgenden: SBM-Maschine) in
die gewünschte Form gebracht wird, und erst dann wird die Flasche befüllt und verschlossen. Diese
verschiedenen Arbeitsgänge können von verschiedenen Unternehmen durchgeführt werden. So gibt
es „Verarbeiter“, die leere Verpackungen herstellen und an die Getränkeproduzenten liefern. In der
Entwicklung befinden sich jedoch integrierte Produktionslinien sowie Produktionstechniken, die eine
keimfreie Verpackung erleichtern.
7 Mit der streitigen Entscheidung erklärte die Kommission den Erwerb der Sidel SA durch die Tetra Laval
BV (im Folgenden: angemeldeter Zusammenschluss) für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und
dem Funktionieren des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl.
1994, L 1, S. 3). Die Tetra Laval BV (im Folgenden: Tetra) ist eine Finanzgesellschaft des Tetra-
Konzerns, zu dem mit Tetra Pak auch das im Bereich der Kartonverpackungen weltweit führende
Unternehmen gehört, dem auf diesem Markt in Bezug auf keimfreie Verpackungen eine beherrschende
Stellung zugeschrieben wird, während die Sidel SA (im Folgenden: Sidel) ein bei der Herstellung und
Lieferung von SBM-Maschinen führendes und auch im Bereich der Barrieretechnik tätiges
Unternehmen ist. Die Entscheidung erging gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung.
8 In der streitigen Entscheidung kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Märkte für Karton- und
PET‑Verpackungssysteme zu getrennten, aber eng miteinander verbundenen und potenziell
zusammenwachsenden Märkten gehörten, die u. a. durch einen gemeinsamen und expandierenden
Kundenbestand gekennzeichnet seien. Insbesondere gebe es gesonderte Märkte für SBM-Maschinen
mit niedrigem und hohem Durchsatz, die wiederum in Märkte für empfindliche und nicht empfindliche
Produkte zu unterteilen seien. Diese Unterscheidung anhand der Endverwendung sei mit den
unterschiedlichen Spezifikationen der Maschinen zu erklären, deren Hersteller je nach
Verwendungszweck, der beim Kauf festgelegt werden könne, eine durch Arbitrage nicht zu
verhindernde Preisdiskriminierung vornehmen könnten.
9 Der angemeldete Zusammenschluss würde Tetra einen Anreiz geben, durch Ausübung einer
„Hebelwirkung“ ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für Ausrüstungen und Verbrauchsgüter für
Kartonverpackungen auszunutzen, um ihre Kunden auf diesem Markt, die bei der Verpackung
bestimmter empfindlicher Produkte zu PET übergingen, dazu zu bewegen, sich für die SBM-Maschinen
von Sidel zu entscheiden, dadurch die viel kleineren Konkurrenten zu verdrängen und die führende
Stellung von Sidel auf dem Markt der SBM-Maschinen für empfindliche Produkte in eine beherrschende
Stellung zu verwandeln. Dabei helfe Tetra ihre enge und kontinuierliche Beziehung zu ihren Kunden,
ihre Finanzkraft, ihr Know-how sowie ihr Ruf im Bereich keimfreier und ultrareiner Produkte, die Stärken,
die Technologie und der Ruf für Qualität, die Sidel derzeit kennzeichneten, sowie die vertikale
Integration, von der das aus dem angemeldeten Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen (im
Folgenden: neues Unternehmen) bei den drei Verpackungssystemen (Karton, PET und HDPE)
profitieren würde.
10 Die Kommission kam ferner zu dem Ergebnis, dass angesichts der geringen Konkurrenz auf den
Ausrüstungs- und Verbrauchsgütermärkten für Kartonverpackungen der Zusammenschluss von Tetra
mit dem wichtigsten Hersteller auf dem expandierenden und eng mit dem Kartonmarkt verbundenen
Markt für PET‑Ausrüstungen eine wichtige Quelle potenziellen Wettbewerbs beseitigen würde. Dies
würde die beherrschende Stellung von Tetra auf den Märkten für Kartonverpackungen verstärken und
den Anreiz von Tetra verringern, ihre Preise anzupassen und Neuerungen einzuführen, um der
Bedrohung ihrer Position durch PET zu begegnen.
11 Tetra sagte u. a. zu, Sidel zehn Jahre lang von ihr getrennt zu lassen, keine Angebote abzugeben, die
sich sowohl auf Kartonprodukte als auch auf die von Sidel hergestellten SBM-Maschinen erstrecken,
und den ihr aufgrund der Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem
Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (Sache IV/31.043 – Tetra Pak II) (ABl. 1992, L 72, S. 1)
obliegenden Verpflichtungen nachzukommen. Die Kommission hält diese Zusagen für unzureichend zur
Lösung
der
durch
den
angemeldeten
Zusammenschluss
entstehenden
strukturellen
Wettbewerbsprobleme und macht geltend, es sei nahezu unmöglich, ihre Einhaltung zu überprüfen. In
Artikel 1 der streitigen Entscheidung erklärte sie diesen Zusammenschluss deshalb für unvereinbar
mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum.
Das angefochtene Urteil
12 Mit Klageschrift, die am 15. Januar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Tetra Klage auf
Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Im angefochtenen Urteil vertrat das Gericht die Ansicht,
die Kommission habe bei ihren Schlussfolgerungen in Bezug auf die Hebelwirkung und die Stärkung der
beherrschenden Stellung von Tetra im Kartonsektor offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, und
erklärte die Entscheidung deshalb für nichtig.
13 Zum Vorbringen der Kommission, dass der angemeldete Zusammenschluss wettbewerbswidrige
Konglomeratwirkungen hätte und insbesondere das neue Unternehmen in die Lage versetzen und in
Versuchung bringen würde, unter Ausnutzung der Stellung, die es insgesamt im Kartonsektor
einnähme, eine Hebelwirkung auszuüben, um eine beherrschende Stellung auf dem Markt für SBM-
Maschinen zu erlangen, hat das Gericht festgestellt, dass sich nach den eigenen Angaben der
Kommission eine solche beherrschende Stellung nicht aus dem Zusammenschluss als solchem
ergeben würde, sondern aus dem voraussichtlichen Verhalten des neuen Unternehmens. Wenn die
Kommission der Auffassung sei, dass ein Zusammenschluss untersagt werden müsse, weil er in
absehbarer Zeit eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken werde, müsse sie
eindeutige Beweise für eine solche Schlussfolgerung liefern.
14 Das Gericht hat zudem festgestellt, dass die Kommission bei der Beurteilung der Absehbarkeit des
Verhaltens des neuen Unternehmens alle Umstände prüfen müsse, die dieses Verhalten bestimmen
könnten. Da bei einem beherrschenden Unternehmen wie Tetra die Ausübung einer vermuteten
Hebelwirkung den Missbrauch einer bereits bestehenden beherrschenden Stellung darstellen könne,
müsse die Kommission prüfen, wie wahrscheinlich ein wettbewerbswidriges Verhalten sei, und dabei
die Anreize für ein solches Verhalten berücksichtigen, aber auch Gesichtspunkte wie die
Wahrscheinlichkeit seiner Verfolgung und Ahndung, die diese Anreize verringern oder sogar beseitigen
könnten. Da die Kommission keine solche Prüfung vorgenommen habe, könne ihrem Vorbringen nicht
gefolgt werden. Folglich sei zu prüfen, ob die Kommission auch ohne solche Feststellungen die
Richtigkeit ihrer These habe nachweisen können.
15 Grundsätzlich habe das neue Unternehmen die Möglichkeit, eine Hebelwirkung auszuüben. Gleichwohl
sei festzustellen, dass die Kommission das zu erwartende Wachstum der PET‑Branche überschätzt
habe und dass sich die vom Gericht zu prüfenden Methoden zur Ausübung einer Hebelwirkung aus den
oben genannten Gründen auf jene beschränkten, die nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen.
Insgesamt gesehen habe die Kommission ihre Verpflichtung verletzt, nachzuweisen, dass die etwaige
Ausübung einer Hebelwirkung im Jahr 2005 zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden
Stellung auf den fraglichen Märkten geführt hätte. Speziell in Bezug auf die SBM-Maschinen sei
festzustellen, dass die streitige Entscheidung keine ausreichenden Beweise enthalte, um die
Festlegung gesonderter Märkte in Bezug auf SBM-Maschinen für empfindliche und nicht empfindliche
Produkte zu rechtfertigen.
16 Zur Behauptung der Kommission, dass die „beherrschende Stellung [von Tetra] im Bereich
Kartonverpackung“ durch die Ausschaltung einer Quelle von Belastungen für den Wettbewerb auf den
Nachbarmärkten verstärkt würde, weil der Wettbewerb von Sidel auf dem Markt für PET‑Verpackungen
wegfiele, sei festzustellen, dass diese Verstärkung von der Kommission nachgewiesen werden müsse
und sich nicht automatisch aus der Existenz einer beherrschenden Stellung ergebe. Die Kommission
habe insoweit ihrer Beweispflicht nicht genügt.
Das Rechtsmittel
17 Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf fünf Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt sie
einen Rechtsfehler in Bezug auf die Anforderungen an den von ihr zu erbringenden Beweis und den
Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht sie eine Verletzung der
Artikel 2 und 8 der Verordnung geltend, die darin bestehen soll, dass das Gericht ihr aufgegeben
habe, einerseits den Einfluss der Rechtswidrigkeit bestimmter Verhaltensweisen auf die Anreize des
neuen Unternehmens zur Ausnutzung einer Hebelwirkung zu prüfen, und andererseits als mögliche
Maßregel die Zusage zu prüfen, sich nicht missbräuchlich zu verhalten. Der dritte Rechtsmittelgrund
wird daraus abgeleitet, dass das Gericht durch die Heranziehung eines falschen Kriteriums für die
gerichtliche Kontrolle einen Rechtsfehler begangen habe und dass es Artikel 2 der Verordnung verletzt
habe, als es die Festlegung gesonderter Märkte für die SBM-Maschinen nach Maßgabe ihrer
Endverwendung nicht gebilligt habe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe
Artikel 2 verletzt, den Sachverhalt verfälscht und Argumente der Kommission unberücksichtigt
gelassen, als es sich der Einschätzung der Kommission, dass Tetra ihre beherrschende Stellung in der
Kartonbranche verstärken würde, nicht angeschlossen habe. Der fünfte Rechtsmittelgrund betrifft eine
Verletzung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung, die darin bestehen soll, dass das Gericht die
Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die Begründung einer beherrschenden Stellung auf
dem Markt für SBM-Maschinen zurückgewiesen habe.
18 Tetra hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung als Untersuchungsmaßnahme beantragt, die Vorlage der
französischen Sprachfassung der Rechtsmittelschrift anzuordnen. Der Gerichtshof hat diesen Antrag
mit Beschluss vom 24. Juli 2003 abgelehnt.
19 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wirft die Kommission dem Gericht vor, statt der von ihm
behaupteten Anwendung des Kriteriums des offensichtlichen Beurteilungsfehlers in Wirklichkeit ein
anderes Kriterium herangezogen zu haben, wonach die Vorlage von „eindeutigen Beweisen“
(„convincing evidence“) verlangt werde. Dadurch habe das Gericht Artikel 230 EG verletzt, da es den
Spielraum nicht beachtet habe, über den die Kommission bei der Beurteilung komplexer Sach- und
Rechtsfragen verfüge. Es habe auch Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung verletzt, da es von einer
Vermutung der Rechtmäßigkeit von Zusammenschlüssen mit Konglomeratwirkung ausgegangen sei.
Beispielsweise habe das Gericht bei der Überprüfung der von der Kommission getroffenen Vorhersage
einer erheblichen Zunahme der Verwendung von PET‑Verpackungen bei empfindlichen Produkten den
Sachverhalt verfälscht, die Zurückweisung ihrer Argumente nicht ausreichend begründet und
Erwägungen, Argumente und Beweise in der streitigen Entscheidung sowie in ihrer Klagebeantwortung
nicht berücksichtigt, ja nicht einmal erwähnt.
20 In Randnummer 119 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Kriterien für die gerichtliche
Überprüfung einer Entscheidung der Kommission über einen Zusammenschluss wie folgt
wiedergegeben:
„Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Grundregeln der Verordnung und insbesondere ihr Artikel
2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses Ermessen einräumen.
Daher muss die vom Gemeinschaftsrichter vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen – für
die Aufstellung der Regeln für Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens unter Berücksichtigung
des Beurteilungsspielraums erfolgen, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung
für Zusammenschlüsse sind, zugrunde liegt (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1998 in den
Rechtssachen C‑68/94 und C‑30/95, Frankreich u. a./Kommission, ‚Kali & Salz‘, Slg. 1998, I‑1375,
Randnrn. 223 und 224; Urteile des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T‑102/96,
Gencor/Kommission, Slg. 1999, II‑753, Randnrn. 164 und 165, und vom 6. Juni 2002 in der Rechtssache
T‑342/99, Airtours/Kommission, Slg. 2002, II‑2585, Randnr. 64).“
21 In Randnummer 120 des angefochtenen Urteils hat das Gericht Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung wie
folgt ausgelegt:
„Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Zusammenschlüsse, die
eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im
Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, für
unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären sind. Umgekehrt hat die Kommission einen ihr
gemeldeten Zusammenschluss, der in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, für vereinbar mit
dem Gemeinsamen Markt zu erklären, sofern die beiden Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht
erfüllt sind (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T‑2/93, Air France/Kommission,
Slg. 1994, II‑323, Randnr. 79; in diesem Sinne auch Urteile Gencor/Kommission, Randnr. 170, und
Airtours/Kommission, Randnrn. 58 und 82). Liegt keine Begründung oder Verstärkung einer
beherrschenden Stellung vor, so ist der Zusammenschluss somit zu genehmigen, ohne dass geprüft
zu werden braucht, wie er sich auf den wirksamen Wettbewerb auswirkt (Urteil Air France/Kommission,
Randnr. 79).“
22 Der erste Rechtsmittelgrund der Kommission betrifft zahlreiche Randnummern des angefochtenen
Urteils. Es erscheint angebracht, die Auszüge aus dem Urteil wiederzugeben, die die
Konglomeratsnatur des angemeldeten Zusammenschlusses betreffen, der in Randnummer 142 des
Urteils definiert wird als „Zusammenschluss von Unternehmen, die zuvor im Wesentlichen weder als
unmittelbare Konkurrenten noch als Lieferanten und Kunden in Wettbewerb miteinander standen“; er
führe nicht zu echten horizontalen Überschneidungen zwischen den Tätigkeiten seiner Parteien oder
zu vertikalen Beziehungen zwischen diesen Parteien im engeren Sinne, so dass nicht generell
unterstellt werden könne, dass er wettbewerbswidrige Auswirkungen habe.
23 In Randnummer 146 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Verordnung in Bezug auf ihre
Anwendung auf Konglomerate wie folgt ausgelegt:
„Die Verordnung trifft insbesondere in ihrem Artikel 2 Absätze 2 und 3 keine Unterscheidung zwischen
Zusammenschlüssen mit horizontalen und vertikalen Auswirkungen und Zusammenschlüssen mit
Konglomeratwirkung. Folglich kann ein Zusammenschluss unabhängig von seiner Form nur untersagt
werden, wenn die beiden in Artikel 2 Absatz 3 vorgesehenen Kriterien erfüllt sind (siehe oben, Randnr.
120). Somit ist ein Zusammenschluss mit Konglomeratwirkung wie jeder andere Zusammenschluss
(siehe oben, Randnr. 120) von der Kommission zu genehmigen, wenn nicht erwiesen ist, dass er eine
beherrschende Stellung im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben begründet
oder verstärkt und dass dadurch wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird.“
24 Zu den Auswirkungen eines Zusammenschlusses mit Konglomeratwirkung auf den Wettbewerb und
der insoweit vorgenommenen Analyse der Kommission hat das Gericht ausgeführt:
„148 Zunächst ist zu prüfen, ob ein Zusammenschluss, der eine Wettbewerbsstruktur schafft, die
nicht sofort zu einer beherrschenden Stellung der durch ihn entstehenden Einheit führt, auf der
Grundlage von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung untersagt werden kann, wenn er es dieser
Einheit aller Wahrscheinlichkeit nach ermöglicht, durch die Ausübung einer Hebelwirkung seitens
der erwerbenden Partei auf einem Markt, den sie bereits beherrscht, in relativ naher Zukunft
eine beherrschende Stellung auf einem anderen Markt zu erlangen, auf dem die erworbene
Partei derzeit eine führende Stellung einnimmt, und wenn der fragliche Erwerb erhebliche
wettbewerbswidrige Auswirkungen auf die betreffenden Märkte hat.
150 A priori ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, die auf verschiedenen Märkten tätig sind,
normalerweise nicht geeignet, sofort nach seiner Verwirklichung durch eine Kumulierung der
Marktanteile der Parteien des Zusammenschlusses zur Begründung oder Verstärkung einer
beherrschenden Stellung zu führen. Die maßgebenden Elemente der relativen Positionen der
Konkurrenten auf einem bestimmten Markt sind im Allgemeinen auf diesem Markt selbst zu
finden,
nämlich
insbesondere
die
Marktanteile
der
Konkurrenten
und
die
Wettbewerbsbedingungen auf diesem Markt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die
Wettbewerbsbedingungen auf einem Markt nie durch Faktoren außerhalb dieses Marktes
beeinflusst werden könnten.
151 Wenn es sich um benachbarte Märkte handelt und eine der Parteien eines
Zusammenschlusses bereits eine beherrschende Stellung auf einem dieser Märkte einnimmt,
kann es z. B. vorkommen, dass die durch den Zusammenschluss vereinten Mittel und
Kapazitäten sofort Bedingungen schaffen, die es der neuen Einheit ermöglichen, sich durch
Ausnutzung einer Hebelwirkung in relativ naher Zukunft eine beherrschende Stellung auf dem
anderen Markt zu verschaffen. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die fraglichen
Märkte zur Konvergenz neigen und wenn neben einer beherrschenden Stellung einer der
Parteien des Zusammenschlusses die andere oder eine der anderen Parteien des
Zusammenschlusses eine führende Stellung auf dem zweiten Markt einnimmt.
152 Bei jeder anderen Auslegung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung bestünde die Gefahr, dass
der Kommission die Möglichkeit genommen wird, eine Kontrolle über Zusammenschlüsse
auszuüben, die ausschließlich oder hauptsächlich eine Konglomeratwirkung haben.
153 Kommt die Kommission im Rahmen einer Untersuchung der voraussichtlichen Auswirkungen
eines Zusammenschlusses des Konglomerattyps zu dem Ergebnis, dass wegen der von ihr
festgestellten Konglomeratwirkungen aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft eine
beherrschende Stellung begründet oder verstärkt würde, durch die wirksamer Wettbewerb auf
dem betreffenden Markt erheblich behindert würde, so muss sie diesen Zusammenschluss
folglich untersagen (in diesem Sinne auch Urteile Kali & Salz, Randnr. 221, Gencor/Kommission,
Randnr. 162, und Airtours/Kommission, Randnr. 63).
154 Auch in diesem Kontext ist zu unterscheiden zwischen einer Situation, in der ein
Zusammenschluss mit Konglomeratwirkung die Wettbewerbsbedingungen auf dem zweiten Markt
sofort ändert und dort wegen einer auf dem ersten Markt bereits bestehenden beherrschenden
Stellung zur Begründung oder Verstärkung der beherrschenden Stellung führt, und einer
Situation, in der die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf dem
zweiten Markt nicht sofort aus dem Zusammenschluss resultiert, sondern erst nach gewisser
Zeit infolge des Verhaltens der durch den Zusammenschluss entstandenen Einheit auf dem
ersten Markt eintritt, auf dem sie bereits eine beherrschende Stellung einnimmt. Im
letztgenannten Fall beruht die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im
Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung nicht auf der aus dem Zusammenschluss
resultierenden Struktur selbst, sondern auf den fraglichen zukünftigen Verhaltensweisen.
155 Die Anforderungen an die Untersuchung eines Zusammenschlusses mit Konglomeratwirkung
durch die Kommission entsprechen denen, die in der Rechtsprechung in Bezug auf die
Begründung einer kollektiven beherrschenden Stellung aufgestellt wurden (Urteile Kali & Salz,
Randnr. 222, und Airtours/Kommission, Randnr. 63). So setzt die Untersuchung eines
Zusammenschlusses mit voraussichtlich wettbewerbswidriger Konglomeratwirkung durch die
Kommission eine besonders eingehende Prüfung der Umstände voraus, die sich als maßgebend
für die Beurteilung dieser Auswirkung auf den Wettbewerb auf dem Referenzmarkt erweisen. Wie
das Gericht bereits bestätigt hat, muss die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass ein
solcher Zusammenschluss untersagt werden muss, weil er in absehbarer Zeit eine
beherrschende Stellung begründen oder verstärken wird, eindeutige Beweise für eine solche
Schlussfolgerung liefern (Urteil Airtours/Kommission, Randnr. 63). Da die Auswirkungen eines
Zusammenschlusses des Konglomerattyps auf den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten
häufig als neutral oder sogar als positiv eingestuft werden – wie im vorliegenden Fall in der
wirtschaftswissenschaftlichen Lehre anerkannt wird, die in den den Schriftsätzen der Parteien
beigefügten Analysen zitiert wird –, bedarf es zum Nachweis der wettbewerbswidrigen
Konglomeratwirkungen eines solchen Zusammenschlusses einer genauen, durch eindeutige
Beweise untermauerten Prüfung der Umstände, aus denen sich diese Wirkungen ergeben sollen
(vgl. analog dazu Urteil Airtours/Kommission, Randnr. 63).“
Vorbringen der Parteien
25 Die Kommission trägt vor, sowohl die Art der vom Gericht vorgenommenen Kontrolle als auch die
Anforderungen an die von ihr verlangten Beweise wichen von den Grundsätzen ab, die der Gerichtshof
in seinem Urteil Kali & Salz aufgestellt habe. Insoweit seien folgende Randnummern dieses Urteils
einschlägig:
„220 Wie bereits ausgeführt worden ist, sind gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung
Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die
wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben
erheblich behindert würde, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.
221 In Bezug auf eine angebliche kollektive beherrschende Stellung muss die Kommission daher
anhand einer Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung des Referenzmarktes prüfen, ob
der Zusammenschluss, mit dem sie befasst ist, zu einer Situation führt, in der ein wirksamer
Wettbewerb auf dem relevanten Markt von den zusammengeschlossenen Unternehmen und
einem oder mehreren dritten Unternehmen, die insbesondere aufgrund der zwischen ihnen
bestehenden verbindenden Faktoren zusammen die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem
Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen
Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen, erheblich behindert
wird.
222 Ein solcher Vorgang erfordert eine aufmerksame Untersuchung insbesondere der Umstände,
die sich nach Lage des Einzelfalls als maßgebend für die Beurteilung der Auswirkungen des
Zusammenschlusses auf den Wettbewerb auf dem Referenzmarkt erweisen.
223 In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Grundregeln der
Verordnung, insbesondere Artikel 2, der Kommission ein bestimmtes Ermessen namentlich bei
Beurteilungen wirtschaftlicher Art einräumen.
224 Daher muss die Kontrolle der Ausübung einer solchen Befugnis, die bei der Beschreibung der
Regeln für Zusammenschlüsse wesentlich ist, durch den Gemeinschaftsrichter unter
Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen, der den Bestimmungen wirtschaftlicher
Art, die Teil der Regelung für Zusammenschlüsse sind, zugrunde liegt.“
26 Die Kommission schließt aus den im Urteil Kali & Salz genannten Grundsätzen und aus der vom
Gerichtshof in dieser Rechtssache vorgenommenen Kontrolle, dass sie den fraglichen Markt
aufmerksam untersuchen, alle relevanten Faktoren berücksichtigen und ihre Beurteilung auf
Beweismittel stützen müsse, die den tatsächlichen Sachverhalt widerspiegelten, nicht eindeutig
unerheblich seien und die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen untermauern könnten, und dass
sie zudem zu Schlussfolgerungen gelangen müsse, die auf kohärenten Erwägungen beruhten.
27 Sie vertritt hierzu zunächst die Ansicht, dass sich das Erfordernis „eindeutiger Beweise“ („convincing
evidence“) inhaltlich nach Art und Umfang sowohl von der im Urteil Kali & Salz aufgestellten
Verpflichtung unterscheide, „signifikante und überzeugende“ Beweise zu liefern, als auch von dem
Grundsatz, dass ihrer Beurteilung zu folgen sei, sofern nicht dargetan werde, dass diese offensichtlich
fehlerhaft sei. Die Beweisanforderungen seien unterschiedlich, denn anders als das Erfordernis
eindeutiger Beweise („convincing evidence“) schließe das Erfordernis signifikanter und überzeugender
Beweise nicht aus, dass eine andere Einrichtung zu einem abweichenden Ergebnis käme, wenn sie
über die Frage zu entscheiden hätte. Auch die Art der verlangten Beweise unterscheide sich insofern,
als sie die Gemeinschaftsgerichte zu einer anderen für die Entscheidung über die Rechtssache in ihrer
ganzen Komplexität zuständigen Einrichtung mache, die befugt sei, den Standpunkt der Kommission
durch ihren eigenen zu ersetzen. Das Gericht widerspreche sich, da es das Kriterium des
offensichtlichen Beurteilungsfehlers anführe, zugleich aber ein anderes Kriterium verwende.
28 Überdies sei ein Beurteilungsspielraum jeder Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung
inhärent. Es gehe nämlich darum, auf der Grundlage der aktuellen Marktlage, der zu beobachtenden
Tendenzen
sowie
anderer
geeigneter
Indikatoren
die
Wahrscheinlichkeit
bestimmter
Marktentwicklungen binnen absehbarer Zeit zu ermitteln. Wenn verlangt würde, dass sich die
Beurteilung der Kommission tatsächlich auf unstreitige oder quasi unbestreitbare Beweise,
unabhängig von deren Wert, stützen müsse, würde die Kommission ihrer Funktion beraubt, die
Beweismittel zu bewerten und – aus vertretbaren Gründen – bestimmten Quellen mehr Gewicht als
anderen beizumessen.
29 Schließlich hätte das vom Gericht in Bezug auf die Beweisführung herangezogene Kriterium zur Folge,
dass die Kommission verpflichtet wäre, den Zusammenschluss zu genehmigen, wenn die Beweise nicht
den Anforderungen genügten; dies würde de facto einer allgemeinen Vermutung der Rechtmäßigkeit
bestimmter Zusammenschlüsse gleichkommen oder zumindest ein für sie günstiges Präjudiz schaffen.
In Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung werde der Kommission die doppelte Verpflichtung
auferlegt, den Zusammenschluss zu untersagen, falls er eine beherrschende Stellung begründe oder
verstärke, oder – spiegelbildlich im umgekehrten Fall – ihn zu genehmigen, falls er keine solche
Stellung
begründe
oder
verstärke.
In
dieser
Verpflichtung
komme
der
Wille
des
Gemeinschaftsgesetzgebers
zum
Ausdruck,
die
privaten
Interessen
der
Parteien
des
Zusammenschlusses und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen
Wettbewerbs und am Verbraucherschutz gleichermaßen zu schützen. Diese spiegelbildliche doppelte
Verpflichtung erfordere die Heranziehung eines spiegelbildlichen Kriteriums hinsichtlich der an die
Kommission gestellten Beweisanforderungen, da sie in beiden Fällen die Richtigkeit ihrer Analyse
belegen müsse.
30 Zur Veranschaulichung der im angefochtenen Urteil durch das Gericht ausgeübten Kontrolle verweist
die Kommission u. a. auf die Beurteilung der zunehmenden Verwendung von PET‑Verpackungen für
empfindliche Produkte. Hierzu hat sich das Gericht wie folgt geäußert:
„210 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, ihre Erwägungen beruhten
nicht auf der Genauigkeit ihrer Schätzungen, sondern nur auf der Annahme, dass es ein
erhebliches künftiges Wachstum geben werde. Sie hat dort ferner eingeräumt, dass sie in
Anbetracht der verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich der kommerziellen Einsatzfähigkeit der
erforderlichen Barrieretechnik nicht mit Bestimmtheit von einem erheblichen Wachstum von PET
auf dem Markt für UHT‑Milch ausgehen könne und dass sich selbst die niedrige in der
[streitigen] Entscheidung genannte Wachstumsrate als überhöht erweisen könnte. Sie hat
jedoch die große Plausibilität ihrer Schätzungen des bis 2005 zu erwartenden erheblichen
Wachstums bei der Verwendung dieses Materials in den Segmenten Frischmilch, Saft,
Fruchtaromagetränke und insbesondere Tee-/Kaffeegetränke hervorgehoben.
211 Folglich kann bei UHT‑Milch und damit bei etwa der Hälfte des Marktes für flüssige
Milchprodukte nicht von einer wirklichen Zunahme der Verwendung von PET ausgegangen
werden.
212 Zum übrigen Markt für flüssige Milchprodukte ist festzustellen, dass die PCI‑Studie [mit dem
Titel ‚The Potential for PET in the Packaging of Liquid Dairy Products – 2001‘ (Das Potenzial von
PET bei der Verpackung flüssiger Milchprodukte – 2001)], die einzige unabhängige Studie, die
sich auf diesen Markt konzentriert, ein Wachstum prognostiziert, aufgrund dessen die
Verwendung von PET auf dem Markt für Frischmilch ohne Zusätze 9,2 % im Jahr 2005 erreichen
wird (PCI‑Studie, S. 64). Hinzu kommt, dass die Warrick-Studie [mit dem Titel ‚Warrick Research
Report Packaging Markets, Aseptic Packaging Markets World and Western Europe – 2000‘
(Warrick-Forschungsbericht über Verpackungsmärkte, Märkte für keimfreie Verpackung Welt und
Westeuropa – 2000)] für keimfreie Verpackungen zu dem Ergebnis kommt, dass es bei
Milchmischgetränken nur ein minimales Wachstum von 1 % und bei den übrigen Getränken auf
Milchbasis einen leichten Rückgang geben wird, während die Pictet-Studie [mit dem Titel
‚Analysts‘ Report, Pictet ´European Packaging Machinery, Move into PET´ – september 2000‘
(Analystenbericht, Pictet ‚Europäische Verpackungsmaschinen, Übergang zu PET‘ – September
2000)] keine speziellen Vorausschätzungen in Bezug auf flüssige Milchprodukte enthält. Aus
diesen Anhaltspunkten ist zu schließen, dass die Kommission entgegen ihrer Behauptung in der
Klagebeantwortung nicht dargetan hat, dass ihre Annahmen in Bezug auf flüssige Milchprodukte
auf einer vorsichtigen Analyse der unabhängigen Studien oder auf einer Reihe eindeutiger und
übereinstimmender, durch ihre Marktuntersuchung erlangter Beweise beruhen. Die von ihr
herangezogenen Wachstumsschätzungen (siehe oben, Randnr. 209) sind nämlich nicht sehr
überzeugend. Vielmehr beruht nach der PCI‑Studie allein die Schätzung eines Marktanteils von
PET bei den übrigen Getränken auf Milchbasis (Milchmischgetränke und Getränke auf Milch- oder
Joghurtbasis) von 25 % im Jahr 2005 auf einer relativ sicheren Grundlage (PCI‑Studie, S. 63 und
64). Wenn dieses Wachstum eintreten sollte, würde die betreffende Menge aber nur um 62 000
Tonnen im Jahr 2000 zunehmen und 92 800 Tonnen im Jahr 2005 erreichen; eine solche
Erhöhung ist im Vergleich zu den etwa 120 Millionen Tonnen Milch, die jährlich in der
Gemeinschaft produziert werden (PCI‑Studie, S. 9), nicht sehr bedeutsam. Generell wird in der
[streitigen] Entscheidung nicht angemessen erläutert, wie PET, insbesondere im wichtigen
Sektor der Verpackung von Frischmilch, bis 2005 HDPE als wichtigstes mit Karton
konkurrierendes Material ablösen könnte. Insoweit bestreitet die Kommission weder die von
[dem Beratungsunternehmen] Canadean für das Jahr 2000 angegebene Gesamtzahl für die
Verwendung von HDPE bei flüssigen Milchprodukten von 17,3 % (vgl. Tabelle 3, 66.
Begründungserwägung) noch die Schätzung, wonach diese Zahl bis 2005 auf 19,5 % steigen
könnte (vgl. Tabelle 5, 105. Begründungserwägung).
213 Bei Saft ist die Vorausschätzung der Kommission noch weniger überzeugend. Obwohl sie selbst
einräumt, dass das fragliche Wachstum hauptsächlich auf den Wechsel von Glas zu PET
zurückzuführen wäre, nimmt sie keine Analyse des Glasmarkts vor. Ohne eine solche Analyse
kann das Gericht die Richtigkeit der Vorausschätzungen der Kommission in Bezug auf Saft nicht
überprüfen. Eine solche Analyse wäre unerlässlich gewesen, um dem Gericht die Prüfung des
wahrscheinlichen Ausmaßes des Wechsels von Glas insbesondere zu Karton, PET und HDPE zu
ermöglichen. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Unterschiede hinsichtlich der
Wachstumsrate und der Analysezeiträume bei den einschlägigen Vorausschätzungen in den
Studien von Canadean und Warrick einerseits und von Pictet andererseits.
214 Folglich sind die von der Kommission in der [streitigen] Entscheidung vorgenommenen
Wachstumsschätzungen in Bezug auf flüssige Milchprodukte und Säfte rechtlich nicht
hinreichend dargetan. Ein gewisses Wachstum in diesen Bereichen ist zwar vor allem bei
Premium-Produkten wahrscheinlich, doch fehlen überzeugende Belege für den Umfang dieses
Wachstums.
215 Dagegen geht aus den unabhängigen Studien hervor, dass es bis 2005 aller
Wahrscheinlichkeit nach zu einer erheblichen Zunahme der Verwendung von PET bei der
Verpackung von Fruchtaromagetränken und Tee‑/Kaffeegetränken einschließlich isotonischer
Getränke kommen wird. Da das in der [streitigen] Entscheidung angenommene Wachstum von
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthaft in Frage gestellt worden ist und da
es auch gegenüber den Angaben in den genannten Studien nicht überhöht ist, hat die
Kommission insoweit keinen Fehler begangen.“
31 Die Kommission wirft dem Gericht im Wesentlichen vor, nicht dargetan zu haben, dass ihre
Schätzungen des Wachstums der Verwendung von PET erstens auf sachlichen Fehlern, zweitens auf
unbewiesenen tatsächlichen Feststellungen oder Schlussfolgerungen aus offensichtlich unerheblichen
Gesichtspunkten, drittens auf Unstimmigkeiten oder Argumentationsfehlern oder viertens auf der
Nichtberücksichtigung relevanter Erwägungen beruhten. Das Gericht habe ohne Begründung ihre
Beweiswürdigung zurückgewiesen, habe Tatsachen verfälscht, indem es z. B. in Randnummer 213 des
angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass sie keine Analyse des Glasmarkts vorgenommen habe,
und habe seine eigenen, denen der Kommission zuwiderlaufenden und offensichtlich falschen
Beurteilungen durchgesetzt, indem es z. B. in Randnummer 289 des Urteils entschieden habe, dass
„Frischmilch … kein Produkt [ist], bei dem die Vorteile von PET bei der Vermarktung besondere
Bedeutung haben“, oder indem es in den Randnummern 288 und 328 des Urteils die Ansicht vertreten
habe, dass die Kosten von PET höher seien als die von Karton.
32 Tetra trägt vor, der erste Rechtsmittelgrund der Kommission sei nur eine semantische Erörterung der
im angefochtenen Urteil verwendeten Begriffe und keine Erörterung der vom Gericht vorgenommenen
inhaltlichen Prüfung. Das Vorbringen der Kommission gehe fehl, da es keine kohärente Terminologie in
Bezug auf die Beweisanforderungen gebe.
33 Die vom Gerichtshof im Urteil Kali & Salz, auf das die Kommission hinsichtlich der Beweisregelung Bezug
nehme, verwendete Terminologie habe ihn nicht daran gehindert, in dieser Rechtssache sowohl den
von der Kommission zur Stützung ihrer Argumente angeführten Sachverhalt als auch die daraus von ihr
in der fraglichen Entscheidung gezogenen Schlussfolgerungen eingehend zu prüfen.
34 Das Gericht habe, als es die Begründung der streitigen Entscheidung zurückgewiesen habe, den
Beurteilungsspielraum der Kommission beachtet und den Bereich seiner gerichtlichen Kontrolle nicht
verlassen, sondern nur festgestellt, dass die Kommission die Existenz einer Hebelwirkung nicht
nachgewiesen habe.
35 Die Kommission lege Randnummer 153 des angefochtenen Urteils falsch aus, wenn sie aus ihr ableite,
dass asymmetrische Beweisanforderungen und de facto eine Vermutung der Rechtmäßigkeit von
Zusammenschlüssen aufgestellt worden seien. Das Gericht habe in dieser Randnummer nur die
Ausübungsmodalitäten der Verpflichtung zum Nachweis der Auswirkungen solcher Zusammenschlüsse
dargelegt.
36 Was das von der Kommission angeführte Beispiel für die Analyse der zunehmenden Verwendung von
PET zur Verpackung empfindlicher Produkte durch das Gericht betreffe, so zeige ein Vergleich zwischen
der Rechtsmittelschrift und dem angefochtenen Urteil, dass die Kommission dieses Urteil falsch oder
irreführend wiedergegeben und dabei bestimmte Zitate aus ihrem Zusammenhang gerissen habe.
Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes durch den Gerichtshof
37 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission, dass das Gericht im angefochtenen Urteil für
den Fall des Erlasses einer Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für unvereinbar mit dem
Gemeinsamen Markt erklärt werde, an sie Anforderungen in Bezug auf die Beweisführung und die
Beschaffenheit der zur Stützung ihrer Argumentation gelieferten Beweismittel gestellt habe, die mit
dem großen Ermessen, über das sie bei Beurteilungen wirtschaftlicher Art verfüge, nicht zu
vereinbaren seien. Sie wirft dem Gericht damit vor, Artikel 230 EG verletzt zu haben, indem es über das
ihm nach der Rechtsprechung zustehende Kontrollniveau hinausgegangen sei, und infolgedessen im
vorliegenden Fall Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung falsch angewandt zu haben, indem es eine
Vermutung der Rechtmäßigkeit bestimmter Zusammenschlüsse aufgestellt habe.
38 Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht in Randnummer 119 des angefochtenen Urteils die im Urteil
Kali & Salz aufgestellten Kriterien für die gerichtliche Kontrolle einer Entscheidung der Kommission über
Zusammenschlüsse zutreffend wiedergegeben hat. In den Randnummern 223 und 224 des
letztgenannten Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Grundregeln der Verordnung und
insbesondere ihr Artikel 2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses
Ermessen einräumen, so dass die vom Gemeinschaftsrichter vorzunehmende Kontrolle der Ausübung
eines solchen – für die Aufstellung der Regeln über Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens
unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen muss, der den Bestimmungen
wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung von Zusammenschlüssen sind, zugrunde liegt.
39 Auch wenn der Gerichtshof anerkennt, dass der Kommission in Wirtschaftsfragen ein
Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Gemeinschaftsrichter eine Kontrolle der
Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur
die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen,
sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung
einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu
stützen vermögen. Eine solche Kontrolle ist umso nötiger, wenn es sich um eine zur Prüfung eines
geplanten
Zusammenschlusses
mit
Konglomeratwirkung
erforderliche
Untersuchung
der
voraussichtlichen Entwicklung handelt.
40 Daher hat das Gericht in Randnummer 155 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme
insbesondere auf das Urteil Kali & Salz zutreffend ausgeführt, dass die Anforderungen an die
Untersuchung eines Zusammenschlusses mit Konglomeratwirkung durch die Kommission denen
entsprechen, die in der Rechtsprechung in Bezug auf die Begründung einer kollektiven
beherrschenden Stellung aufgestellt wurden, und dass sie eine eingehende Prüfung der Umstände
voraussetzen, die sich als maßgebend für die Beurteilung dieser Auswirkung auf den Wettbewerb auf
dem Referenzmarkt erweisen.
41 Mit dem ergänzenden Hinweis in Randnummer 155, dass es zum Nachweis der wettbewerbswidrigen
Konglomeratwirkungen eines Zusammenschlusses der angemeldeten Art einer genauen, durch
eindeutige Beweise („convincing evidence“) untermauerten Prüfung der Umstände bedarf, aus denen
sich diese Wirkungen ergeben sollen, hat es keineswegs eine Voraussetzung in Bezug auf die
Beweisanforderungen hinzugefügt, sondern lediglich an die Hauptfunktion des Beweises erinnert, die
darin besteht, von der Richtigkeit einer These oder, wie im vorliegenden Fall, einer Entscheidung im
Bereich der Zusammenschlüsse zu überzeugen.
42 Eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung, wie sie im Bereich der Kontrolle von
Zusammenschlüssen erforderlich ist, muss mit großem Bedacht durchgeführt werden, da es nicht
darum geht, vergangene Ereignisse, in Bezug auf die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die
ein Verständnis ihrer Ursachen ermöglichen, oder auch gegenwärtige Ereignisse zu prüfen, sondern
darum, Ereignisse vorherzusehen, die künftig mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit
eintreten werden, wenn keine Entscheidung ergeht, mit der der Zusammenschluss zu den geplanten
Bedingungen untersagt wird oder diese näher festgelegt werden.
43 Die Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung besteht somit in der Prüfung, inwieweit ein
Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden
Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen
wirksamen Wettbewerb ergeben würde. Eine solche Untersuchung erfordert es, sich die
verschiedenen Ursache-Wirkungs-Ketten vor Augen zu führen und von denjenigen mit der größten
Wahrscheinlichkeit auszugehen.
44 Die Untersuchung eines Zusammenschlusses des Konglomerattyps ist eine Untersuchung der
voraussichtlichen Entwicklung, bei der die Berücksichtigung eines künftigen Zeitraums einerseits und
der für eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs erforderlichen Hebelwirkung
andererseits bedeuten, dass die Ursache-Wirkungs-Ketten schlecht erkennbar, ungewiss und schwer
nachweisbar sind. In diesem Zusammenhang ist die Beschaffenheit der von der Kommission zum
Nachweis der Erforderlichkeit einer Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für unvereinbar mit
dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, vorgelegten Beweismittel besonders bedeutsam, da diese
Beweise die Beurteilungen der Kommission stützen sollen, wonach ohne den Erlass einer solchen
Entscheidung das Szenario der wirtschaftlichen Entwicklung, von dem sie ausgeht, plausibel wäre.
45 Aus diesen verschiedenen Gesichtspunkten ergibt sich, dass das Gericht keinen Rechtsfehler
begangen hat, als es auf die Kriterien der von ihm ausgeübten Kontrolle hingewiesen und erläutert
hat, welche Beschaffenheit die Beweismittel haben müssen, die die Kommission vorlegen muss, um die
Erfüllung der Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung zu belegen.
46 Hinsichtlich der konkreten Kontrolle durch das Gericht im vorliegenden Fall geht aus dem von der
Kommission angeführten Beispiel, das die zunehmende Verwendung von PET‑Verpackungen für
empfindliche Produkte betrifft, nicht hervor, dass das Gericht die Grenzen der Kontrolle einer
Entscheidung der Verwaltung durch den Gemeinschaftsrichter überschritten hätte. Entgegen dem
Vorbringen der Kommission ist Randnummer 211 des angefochtenen Urteils nur eine knappere
Umformulierung – in Form einer Feststellung des Gerichts – des in Randnummer 210 des Urteils
zusammengefassten Eingeständnisses der Kommission in der mündlichen Verhandlung, dass ihre in
der streitigen Entscheidung wiedergegebene Vorausschätzung der zunehmenden Verwendung von
PET für die Verpackung von UHT‑Milch übertrieben war. In Randnummer 212 des Urteils hat das Gericht
seine Auffassung, dass die von der Kommission vorgelegten Beweismittel nicht stichhaltig seien, damit
begründet, dass von den drei von ihr zitierten unabhängigen Studien nur die PCI‑Studie Angaben zur
Verwendung von PET für die Verpackung von Milch enthalte. Weiter hat es in Randnummer 212
dargelegt, wie wenig überzeugend die von der Kommission vorgelegten Beweise seien, indem es die
Unerheblichkeit des in der PCI‑Studie vorhergesagten Wachstums sowie die fehlende Übereinstimmung
zwischen der Vorausschätzung der Kommission hinsichtlich der Verwendung von PET und den
unbestrittenen Angaben zur Verwendung von HDPE in den übrigen Studien hervorgehoben hat. In
Randnummer 213 des angefochtenen Urteils beschränkt sich das Gericht darauf, auf die
Unvollständigkeit der Analyse der Kommission hinzuweisen, die eine Überprüfung der Richtigkeit ihrer
Vorausschätzungen im Hinblick auf die Unterschiede zwischen ihnen und den Vorausschätzungen in
den übrigen Studien unmöglich mache.
47 Als weitere Beispiele nennt die Kommission die Feststellung des Gerichts in Randnummer 289 des
Urteils, dass „Frischmilch … kein Produkt [ist], bei dem die Vorteile von PET bei der Vermarktung
besondere Bedeutung haben“, sowie die Schlussfolgerungen, zu denen das Gericht in den
Randnummern 288 und 328 des angefochtenen Urteils in Bezug auf das Verhältnis zwischen den
Kosten von PET und von Karton gelangt ist. Hierzu ist festzustellen, dass es sich um die Würdigung von
Tatsachen handelt, die nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels
unterliegt. Ohne dass sich der Gerichtshof zur Richtigkeit der dahin gehenden Schlussfolgerung des
Gerichts äußert, genügt daher die Feststellung, dass es seine Überzeugung auf verschiedene
Gesichtspunkte in der streitigen Entscheidung stützen konnte.
48 Aus diesen Beispielen folgt, dass das Gericht die ihm obliegende und in Randnummer 39 des
vorliegenden Urteils beschriebene Kontrolle vorgenommen hat. Es hat die Gründe angegeben und
erläutert, aus denen ihm die Schlussfolgerungen der Kommission insofern ungenau erschienen, als sie
auf unzureichende, unvollständige, wenig bedeutsame und widersprüchliche Gesichtspunkte gestützt
sind.
49 Damit hat sich das Gericht an die Kriterien der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter gehalten und
Artikel 230 EG beachtet.
50 Folglich geht aus den vorstehenden Untersuchungen nicht hervor, dass das Gericht Artikel 2 Absätze
2 und 3 der Verordnung verletzt hat.
51 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund unbegründet.
52 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Kommission dem Gericht vor, die Artikel 2 und 8 der
Verordnung dadurch verletzt zu haben, dass es ihr aufgegeben habe, den Einfluss der
Rechtswidrigkeit bestimmter Verhaltensweisen auf die Anreize des neuen Unternehmens zur
Ausnutzung einer Hebelwirkung zu berücksichtigen und als mögliche Maßregel die Verpflichtung zu
prüfen, sich nicht missbräuchlich zu verhalten.
53 Die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils befinden sich in dessen der Prüfung des
Klagegrundes des Fehlens voraussichtlicher Konglomeratwirkungen gewidmeten Abschnitt; darin geht
das Gericht speziell auf die Wahrscheinlichkeit einer Hebelwirkung ein. Nach dem Vorbringen der
Kommission könnte das neue Unternehmen von seiner beherrschenden Stellung auf dem Markt für
keimfreien Karton profitieren und hätte einen Anreiz, dies zu tun, um mittels einer Hebelwirkung seine
führende Stellung auf den Märkten für PET‑Anlagen, insbesondere bei den für empfindliche Produkte
verwendeten SBM-Maschinen mit geringer und mit hoher Kapazität, in eine beherrschende Stellung
umzuwandeln.
54 Die Formen der Ausübung einer Hebelwirkung werden in der 364. Begründungserwägung der
streitigen Entscheidung (wiedergegeben in Randnr. 49 des angefochtenen Urteils) wie folgt
beschrieben:
„Durch die auf mehrere Arten mögliche Ausnutzung [dieser] Stellung … [hätte] Tetra/Sidel … die
Möglichkeit, den Verkauf von Kartonverpackungsausrüstungen und Verbrauchsgütern mit PET-
Verpackungsausrüstungen und eventuell Vorformlingen (vor allem barriereverbesserte Vorformlinge)
zu koppeln. Das Unternehmen könnte außerdem Druck ausüben oder Anreize schaffen (z. B. durch
Preiskriege oder Treuerabatte), um zu erreichen, dass seine Kartonkunden PET-Ausrüstungsgüter und
eventuell auch Vorformlinge von Tetra/Sidel und nicht von Tetra/Sidels Wettbewerbern oder von
unabhängigen Flaschenherstellern beziehen.“
55 Als Reaktion auf die Einwände der Kommission schlug Tetra vor, verschiedene Zusagen zu machen.
Nach Ansicht der Kommission konnten damit jedoch die von ihr festgestellten Wettbewerbsprobleme
nicht wirksam beseitigt werden. Zu den verhaltensbezogenen Zusagen enthält die streitige
Entscheidung in der 429. bis 432. Begründungserwägung unter dem Titel „Trennung Sidels von Tetra
und Verpflichtungszusagen nach Artikel 82“ folgende Begründung:
„429 Die Absichtserklärung, Sidel von Tetra Pak trennen zu wollen, in Verbindung mit der
Bestätigung früherer Verpflichtungen nach Artikel 82 erfolgt vor allem angesichts der Bedenken,
die sich aus der Fähigkeit des fusionierten Unternehmens ergeben, seine beherrschende
Stellung im Bereich Kartonverpackung auf den PET‑Ausrüstungssektor auszudehnen. Diese und
die früheren Verpflichtungen nach Maßgabe von Artikel 82 sind jedoch reine verhaltensbezogene
Zusagen und als solche nicht zur dauerhaften Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs
geeignet,
da
sie
das
die
Bedenken
auslösende
Problem
der
durch
das
Zusammenschlussvorhaben bewirkten dauerhaften Änderung der Marktstruktur nicht beheben.
430 Die ‚Trennung‘ Sidels von Tetra Pak ändert nichts an der Tatsache, dass Sidels Vorstand, wie
in der Verpflichtungszusage selbst ausdrücklich angegeben, ‚dem Vorstand des Tetra Laval-
Konzerns direkt rechenschaftspflichtig ist‘. Es steht kaum zu erwarten, dass Sidel durch eine
solche Trennung davon abgehalten wird, die Geschäftsstrategie der Tetra Laval Gruppe zu
übernehmen. Überdies könnte Sidels rechtlicher Status geändert und Sidel wie Tetra Laval in
eine
Personengesellschaft
umgewandelt
werden,
wodurch
die
Kontrolle
der
Abschottungsmaßnahmen praktisch unmöglich würde.
431 Die Zusage, Verkäufe nicht zu ‚bündeln‘, und die Bestätigung der früheren
Verpflichtungszusagen nach Maßgabe von Artikel 82 stellen bloße Versprechen dar, nicht auf
eine bestimmte Art und Weise zu handeln, d. h. im Grunde nicht gegen das Gemeinschaftsrecht
zu verstoßen. Derartige Versprechen stehen im Widerspruch zu der erklärten Politik der
Kommission
in
Bezug
auf
Abhilfemaßnahmen
und
zum
eigentlichen
Zweck
der
Fusionskontrollverordnung und lassen sich nur schwer oder gar nicht wirksam überwachen.
432 Abgesehen davon, dass ihre Durchführung und Überwachung problematisch ist, sind diese
Verpflichtungszusagen nicht geeignet, die festgestellten Wettbewerbsprobleme wirksam zu
beseitigen.“
56 Mit ihrer Argumentation wendet sich die Kommission gegen die Randnummern 156 bis 162 des
angefochtenen Urteils, die sich unmittelbar an die ebenfalls von ihr kritisierten und vom Gerichtshof im
Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes geprüften Randnummern 148 bis 155 anschließen. In den
erstgenannten Randnummern hat sich das Gericht wie folgt geäußert:
„156 Im vorliegenden Fall würde die in der [streitigen] Entscheidung beschriebene, von den
Märkten für keimfreien Karton ausgehende Hebelwirkung – neben der Möglichkeit der durch den
Zusammenschluss entstehenden Einheit, verschiedene Praktiken wie die Verknüpfung des
Verkaufs von Anlagen und Verbrauchsprodukten für Kartonverpackungen mit dem Verkauf von
PET‑Verpackungsanlagen unter Einschluss von Zwangsverkäufen anzuwenden (345. und 365.
Begründungserwägung) – erstens darin bestehen, dass diese Einheit vermutlich Kampfpreise
festsetzen würde (‚predatory pricing‘, 364. Begründungserwägung, zitiert in Randnr. 49),
zweitens in einem Preiskrieg und drittens in der Gewährung von Treuerabatten. Durch diese
Praktiken würde die neue Einheit dafür sorgen, dass ihre Kunden auf den Kartonmärkten ihren
eventuellen Bedarf an PET‑Anlagen so weit wie möglich bei Sidel decken. Hierzu wird in der
[streitigen] Entscheidung festgestellt, dass die Klägerin über eine beherrschende Stellung auf
den Märkten für keimfreien Karton verfügt, d. h. auf den Märkten für Systeme zur Verpackung in
keimfreien Karton und für keimfreien Karton (231. Begründungserwägung, siehe oben, Randnr.
40); dies hat die Klägerin nicht bestritten.
157 Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Unternehmen, das über eine beherrschende Stellung
verfügt, sein Verhalten gegebenenfalls so einzurichten, dass ein wirksamer Wettbewerb auf dem
Markt nicht beeinträchtigt wird, und zwar unabhängig davon, ob die Kommission zu diesem
Zweck eine Entscheidung erlassen hat (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der
Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57; Urteile des Gerichts vom
10. Juli 1990 in der Rechtssache T‑51/89, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990, II‑309, Randnr. 23,
und vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T‑125/97 und T‑127/97, Coca-Cola/Kommission, Slg.
2000, II‑1733, Randnr. 80).
158 Zudem hat die Kommission in Beantwortung von Fragen des Gerichts in der mündlichen
Verhandlung nicht bestritten, dass die Ausübung einer Hebelwirkung durch die Klägerin mittels
der oben geschilderten Verhaltensweisen einen Missbrauch ihrer bereits bestehenden
beherrschenden Stellung auf den Märkten für keimfreien Karton darstellen könnte. Dies könnte
nach den von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung geäußerten Bedenken auch dann der
Fall sein, wenn sich die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit weigern würde, am
Einbau und gegebenenfalls am Umbau der SBM-Maschinen von Sidel mitzuwirken, Kundendienst
anzubieten und Garantie für die von den Verarbeitern verkauften Maschinen zu leisten. Dass ein
Verhalten einen eigenständigen Verstoß gegen Artikel 82 EG darstellen könnte, hindert die
Kommission ihres Erachtens jedoch nicht daran, dieses Verhalten im Rahmen einer Beurteilung
aller durch einen Zusammenschluss ermöglichten Formen der Ausübung einer Hebelwirkung zu
berücksichtigen.
159 Hierzu ist festzustellen, dass die Verordnung zwar ein Verbot von Zusammenschlüssen
vorsieht, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken und erhebliche
wettbewerbswidrige Auswirkungen haben; dies setzt jedoch nicht den Nachweis eines
missbräuchlichen und damit rechtswidrigen Verhaltens der durch den Zusammenschluss
entstehenden Einheit infolge dieses Zusammenschlusses voraus. Auch wenn somit nicht
unterstellt werden kann, dass die Parteien eines Zusammenschlusses des Konglomerattyps das
Gemeinschaftsrecht verletzen werden, kann eine solche Möglichkeit von der Kommission bei ihrer
Kontrolle von Zusammenschlüssen nicht ausgeschlossen werden. Stützt sich die Kommission bei
der Prüfung der Auswirkungen eines solchen Zusammenschlusses auf voraussichtliche
Verhaltensweisen, die für sich genommen Missbräuche einer vorhandenen beherrschenden
Stellung darstellen können, so hat sie daher zu klären, ob es trotz des Verbots dieser
Verhaltensweisen wahrscheinlich ist, dass sich die durch den Zusammenschluss entstehende
Einheit in derartiger Weise verhalten wird, oder ob die Rechtswidrigkeit des Verhaltens und/oder
die Gefahr seiner Entdeckung eine solche Strategie im Gegenteil wenig wahrscheinlich machen.
Dabei ist es zwar angebracht, den Anreizen für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen Rechnung
zu tragen, wie sie sich im vorliegenden Fall für die Klägerin aus den zu erwartenden
wirtschaftlichen
Vorteilen
auf
den
Märkten
für
PET‑Anlagen
ergeben
(359.
Begründungserwägung), doch hat die Kommission auch zu prüfen, in welchem Umfang diese
Anreize aufgrund der Rechtswidrigkeit der fraglichen Verhaltensweisen, der Wahrscheinlichkeit
ihrer Entdeckung, ihrer Verfolgung durch die zuständigen Behörden sowohl auf
Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene und möglicher finanzieller Sanktionen
verringert oder sogar beseitigt würden.
160 Da die Kommission eine solche Prüfung in der [streitigen] Entscheidung nicht vorgenommen
hat, kann ihren Schlussfolgerungen, soweit sie auf der Möglichkeit oder gar der
Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens der Klägerin auf den Märkten für keimfreien Karton
beruhen, nicht gefolgt werden.
161 Überdies ist auch der Umstand, dass die Klägerin im vorliegenden Fall Verpflichtungen in Bezug
auf ihr künftiges Verhalten angeboten hat, ein Gesichtspunkt, den die Kommission bei der
Beurteilung der Frage, ob sich die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit
wahrscheinlich in einer Weise verhalten würde, die zur Begründung einer beherrschenden
Stellung auf einem oder mehreren der relevanten Märkte für PET‑Anlagen führen könnte, hätte
berücksichtigen müssen. Aus der [streitigen] Entscheidung geht aber nicht hervor, dass die
Kommission die Auswirkungen dieser Verpflichtungen berücksichtigt hat, als sie prüfte, ob durch
die voraussichtliche Ausübung der Hebelwirkung künftig eine solche Stellung entstehen wird.
162 Nach dem Vorstehenden ist zu prüfen, ob die Kommission ihre Untersuchung der
voraussichtlichen Wahrscheinlichkeit einer von den Märkten für keimfreien Karton ausgehenden
Hebelwirkung sowie der Konsequenzen einer solchen durch die neue Einheit ausgeübten
Wirkung auf hinreichend eindeutige Beweise gestützt hat. Im Rahmen dieser Prüfung sind im
vorliegenden Fall nur Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die – zumindest wahrscheinlich –
nicht rechtswidrig wären. Da die erwartete beherrschende Stellung erst nach einiger Zeit – nach
Ansicht der Kommission bis 2005 – eintreten würde, muss die prospektive Analyse der
Kommission zudem – ungeachtet ihres Beurteilungsspielraums – besonders plausibel sein.“
57 Im Rahmen einer eingehenden Prüfung der Formen der Ausübung einer Hebelwirkung führte das
Gericht aus:
„217 Die in der 364. Begründungserwägung der [streitigen] Entscheidung (zitiert in Randnr. 49)
aufgezählten Formen der Ausübung einer Hebelwirkung beruhen auf der beherrschenden
Stellung der Klägerin auf den Märkten für keimfreien Karton. Unter Berücksichtigung
insbesondere der Verpflichtung der Klägerin, sich von ihrem Geschäftsbereich der Vorformlinge
zu trennen, würde die Hebelwirkung über zwei Gruppen von Maßnahmen ausgeübt, und zwar zum
einen durch Druck, der zu Bündelungs- oder Koppelungsgeschäften von Anlagen und
Verbrauchsgütern für Kartonverpackungen mit PET‑Verpackungsanlagen führt. Dieser Druck
könnte auf die Kunden der Klägerin ausgeübt werden, die weiterhin für einen Teil ihrer
Produktion Kartonverpackungen benötigen, und vor allem auf die Kunden, die für ihren Bedarf
bei Kartonverpackungen langfristige Verträge mit der Klägerin geschlossen haben (365.
Begründungserwägung, zitiert in Randnr. 50). Zum anderen könnten Anreizmaßnahmen wie
Kampfpreise, ein Preiskrieg und Treuerabatte ergriffen werden.
218 Bei der Anwendung von Druck, etwa durch Zwangsverkäufe, oder Anreizen wie Kampfpreisen
oder objektiv nicht gerechtfertigten Treuerabatten durch ein Unternehmen, das wie die Klägerin
auf den Märkten für keimfreien Karton eine beherrschende Stellung einnimmt, handelt es sich
jedoch normalerweise um einen Missbrauch dieser Stellung. Wie bereits ausgeführt, darf die
Kommission die mögliche Anwendung solcher Strategien nicht, wie sie es in der [streitigen]
Entscheidung getan hat, zur Rechtfertigung einer Entscheidung unterstellen, mit der ein ihr
gemäß der Verordnung gemeldeter Zusammenschluss untersagt wird (siehe oben, Randnrn.
154 bis 162). Folglich kann das Gericht nur solche Formen der Ausübung einer Hebelwirkung
berücksichtigen, die zumindest wahrscheinlich keinen Missbrauch einer beherrschenden
Stellung auf den Märkten für keimfreien Karton darstellen.
219 Zu berücksichtigen sind somit im Ergebnis die Strategien in Bezug auf Bündelungs- oder
Koppelungsgeschäfte, die als solche keine Zwangsverkäufe sind, auf Treuerabatte, die auf den
Kartonmärkten objektiv gerechtfertigt sind, oder auf das Angebot günstiger Preise für Karton-
oder PET‑Verpackungsanlagen, die keine Kampfpreise im Sinne der gefestigten Rechtsprechung
sind (Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C‑62/86, AKZO/Kommission,
Slg. 1991, I‑3359, insbesondere Randnrn. 102, 115, 156 und 157; Urteil Tetra Pak/Kommission
vom 14. November 1996 [Rechtssache C‑333/94 P, Slg. 1996, I‑5951], Randnrn. 41 bis 44, mit
dem das Urteil [des Gerichts] Tetra Pak/Kommission vom 6. Oktober 1994 [Rechtssache T‑83/91,
Slg. 1994, II‑755,] bestätigt wird, und Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in den
Rechtssachen C‑395/96 P und C‑396/96 P, Compagnie maritime belge transports
u. a./Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 16. März 2000, Slg. 2000, I‑1365, I‑1371,
insbesondere Nrn. 123 bis 130). In diesem Kontext ist zu prüfen, ob die Kommission der –
grundsätzlich für einen Zeitraum von zehn Jahren eingegangenen – Verpflichtung zur Trennung
von Sidel und den zur Klägerin gehörenden Gesellschaften Rechnung getragen hat, wonach es
keine ‚gemeinsamen Angebote der Kartonprodukte von Tetra Pak und der SBM-Maschinen von
Sidel‘ geben werde.
220 Wie sich aus der [streitigen] Entscheidung ergibt, hat die Klägerin die Kommission ferner
ersucht, ihre bestehenden Verpflichtungen gemäß Artikel 3 Nummer 3 der Entscheidung 92/163
… zu beachten, der Folgendes vorsieht:
‚Tetra Pak verpflichtet sich, keinen Verdrängungswettbewerb und keine Diskriminierung über
den Preis zu betreiben und den Kunden keine Rabatte oder günstigeren Zahlungsbedingungen
ohne objektive Gegenleistung einzuräumen. Im Kartongeschäft sind nur Mengenrabatte zulässig
ohne Addition der Bestellmengen für verschiedene Kartontypen.‘
221 Somit hat die Klägerin klar zu erkennen gegeben, dass sie die ihr nach Artikel 82 EG aufgrund
ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für keimfreien Karton auferlegten besonderen
Verpflichtungen in vollem Umfang einhalten will. Sie hat auch ihr Einverständnis mit allen
einschlägigen Verpflichtungen bekräftigt, die ihr nach der Feststellung eines Verstoßes gegen
Artikel 82 EG in der Entscheidung 92/163 auferlegt wurden. Zudem hat sie sich im Rahmen der
vorliegenden Rechtssache verpflichtet, kein gemeinsames Angebot für ihre Kartonprodukte und
die SBM-Maschinen von Sidel abzugeben.
222 Folglich würden die einzigen Bündelungs- oder Koppelungsgeschäfte, die die durch den
Zusammenschluss entstehende Einheit tatsächlich vornehmen könnte, darin bestehen, dass die
Klägerin ihren vorhandenen Kunden auf dem Kartonmarkt Angebote macht, die nicht bindend
oder zwingend sein und nur die Kartonverpackungsanlagen und/oder Kartonprodukte einerseits
und PET‑Verpackungsanlagen mit Ausnahme von SBM-Maschinen andererseits betreffen
könnten. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass ungeachtet der von der Kommission in der
[streitigen] Entscheidung (177. und 369. Begründungserwägung), in ihren Schriftsätzen und in
ihren mündlichen Ausführungen hervorgehobenen Bedeutung der Fähigkeit der durch den
Zusammenschluss entstehenden Einheit, fast die gesamte zur Errichtung einer integrierten
PET‑Produktionslinie erforderliche Ausrüstung anzubieten, aus den Verpflichtungen hervorgeht,
dass es ihr nicht möglich sein wird, einem Kunden ein gemeinsames Angebot für
Kartonverpackungsanlagen und eine integrierte PET‑Produktionslinie zu machen, zumindest
soweit Letztere eine SBM-Maschine von Sidel enthalten würde.
223 Im Übrigen kann der in der [streitigen] Entscheidung hinsichtlich der von Sidel in der
Vergangenheit praktizierten Ungleichbehandlung bei den Preisen gezogene Schluss, auch wenn
er nach den Schriftsätzen der Parteien und den mündlichen Ausführungen der Kommission zu
der ihm zugrunde liegenden ökonometrischen Analyse nicht mit einem offensichtlichen
Beurteilungsfehler behaftet ist, keinen hinreichend eindeutigen Beweis für die Fortsetzung eines
ähnlichen Verhaltens der durch den Zusammenschluss entstehenden Einheit darstellen.
Letztere wäre im Unterschied zu Sidel vor dem Zusammenschluss nicht nur an die
Verpflichtungen gebunden, sondern auch an die verschiedenen das Verhalten der Klägerin
einschränkenden Pflichten.
224 Im Ergebnis wären die Möglichkeiten der durch den Zusammenschluss entstehenden Einheit
zur Ausübung einer Hebelwirkung recht begrenzt. Bei der Prüfung der voraussichtlichen
Konsequenzen eines etwaigen derartigen Verhaltens ist dem Rechnung zu tragen.“
Vorbringen der Parteien
58 Die Kommission trägt erstens vor, die Vorgehensweise des Gerichts in Bezug auf die
Konglomeratwirkungen und das rechtswidrige Verhalten von Tetra stehe im Widerspruch zu Artikel 2
der Verordnung und zur Kontrolle von Zusammenschlüssen im Allgemeinen.
59 Zunächst laufe diese Vorgehensweise einer vernünftigen Auslegung von Artikel 2 zuwider. Wenn Artikel
82 EG zur Verhinderung von Missbräuchen ausgereicht hätte, wäre es nicht erforderlich gewesen, eine
Vorabkontrolle der Zusammenschlüsse vorzusehen. Unzutreffend sei insbesondere Randnummer 218
des angefochtenen Urteils, in der das Gericht entschieden habe, dass „die Kommission die mögliche
Anwendung solcher [missbräuchlicher] Strategien nicht … unterstellen“ dürfe; vielmehr sei die
Vermutung, dass es ein Unternehmen in beherrschender Stellung als vernünftig ansehen könne,
Konkurrenten auszuschließen und/oder Kunden auszunutzen und damit in bestimmten Fällen Artikel 82
EG zu verletzen, in der Verordnung verankert.
60 Die Vorgehensweise des Gerichts sei auch insofern falsch, als sie sich auf ungerechtfertigte und
gegen Artikel 2 der Verordnung verstoßende Unterscheidungen zwischen verschiedenen Arten von
Zusammenschlüssen stütze. Zu kritisieren sei insoweit Randnummer 154 des angefochtenen Urteils,
in der das Gericht die Ansicht vertrete, dass die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden
Stellung im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 nicht auf der aus dem Zusammenschluss resultierenden
Struktur selbst, sondern auf den zukünftigen Verhaltensweisen des neuen Unternehmens beruhe.
Dies stehe im Widerspruch zu den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 94 des Urteils
Gencor/Kommission, wonach ein Zusammenschluss unmittelbare Wirkung gehabt hätte, wenn „die
Entstehung von Bedingungen, die derartige [missbräuchliche] Verhaltensweisen nicht nur möglich
machen, sondern auch wirtschaftlich vernünftig erscheinen ließen, die unmittelbare und sofortige
Folge des Zusammenschlusses gewesen wäre, da dieser einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt
erheblich behindert und die Struktur der betreffenden Märkte dauerhaft verändert hätte“. Es sei
ungerechtfertigt, wenn man – wie das Gericht im angefochtenen Urteil – danach unterscheide, ob die
beherrschende Stellung auf dem zweiten Markt sofort oder mittelfristig begründet werde. Andernfalls
bestünde die Gefahr, dass vertikale Zusammenschlüsse oder Zusammenschlüsse mit
Konglomeratwirkung nicht unter die Verordnung fielen, da derartige Zusammenschlüsse dem neuen
Unternehmen die Möglichkeit gäben, seine beherrschende Stellung auf einem Markt zu nutzen – und zu
missbrauchen –, und ihm Anreize dazu böten, seine Konkurrenten auf einem zweiten Markt
auszuschließen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Zusammenschluss zu einer
unmittelbaren Änderung der Struktur und der Bedingungen des Wettbewerbs führe.
61 Schließlich gebe es unüberwindliche rechtliche und praktische Hindernisse für die Analyse der Frage,
welche Abschreckungskraft die Rechtswidrigkeit bestimmter missbräuchlicher Geschäftspraktiken
habe. Zu analysieren seien nicht die strukturellen Merkmale, sondern die Neigung eines
Unternehmens zur Gesetzestreue. Eine solche Analyse verletze den Gleichheitsgrundsatz und die
Unschuldsvermutung. Das Kriterium sei auch unbrauchbar, weil die Gefahr schwer quantifiziert werden
könne und von der Intensität der Wettbewerbspolitik in jedem Mitgliedstaat abhänge. Bei den vom
Gericht aufgestellten Beweisanforderungen sei es unmöglich, vertikale Zusammenschlüsse und
Zusammenschlüsse mit Konglomeratwirkung in Anwendung der Verordnung ordnungsgemäß zu
kontrollieren.
62 Zweitens habe das Gericht die Artikel 2 und 8 Absatz 2 der Verordnung verletzt, als es die Ansicht
vertreten habe, dass sie die verhaltensbezogenen Zusagen von Tetra hätte berücksichtigen müssen.
Dem in Randnummer 161 des angefochtenen Urteils zum Ausdruck gebrachten Standpunkt des
Gerichts sei der in den Randnummern 316 und 317 des Urteils Gencor/Kommission vertretene
Standpunkt entgegenzuhalten; dort habe das Gericht die Berücksichtigung verhaltensbezogener
Zusagen ausgeschlossen, wenn der Zusammenschluss geeignet sei, eine beherrschende Stellung zu
begründen oder zu verstärken. Auch wenn nicht strukturorientierte Zusagen in bestimmten Fällen
akzeptabel sein könnten, würden Zusagen, die sich auf ein bloßes Versprechen beschränkten, sich in
bestimmter Weise zu verhalten – wie die Zusage, eine durch einen geplanten Zusammenschluss
begründete oder verstärkte beherrschende Stellung nicht zu missbrauchen –, als solche nicht als
geeignet angesehen, die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt
herbeizuführen.
63 Das Gericht habe die streitige Entscheidung verfälscht, als es in Randnummer 161 des angefochtenen
Urteils entschieden habe, dass aus der Entscheidung nicht hervorgehe, dass die Kommission bei ihrer
Analyse die Auswirkungen der Verpflichtungen von Tetra berücksichtigt habe. Sie habe die
Verpflichtungen dieser Gesellschaft analysiert, aber abgelehnt (423. bis 451. Begründungserwägung
der streitigen Entscheidung). Das Gericht sei nicht zu der Behauptung berechtigt, dass die
Entscheidung mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei, weil sie zu dem Ergebnis
komme, dass der Zusammenschluss untersagt werden müsse, ohne zuvor die Argumente der
Kommission geprüft zu haben, wonach die Verpflichtungen nicht durchführbar seien und jedenfalls
nicht ausreichten, um die durch den angemeldeten Zusammenschluss aufgeworfenen
Wettbewerbsprobleme zu lösen.
64 Dagegen ist Tetra erstens der Ansicht, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen habe, als es
der Kommission aufgegeben habe, die Rechtswidrigkeit des missbräuchlichen Verhaltens zu
berücksichtigen. Das Gericht habe in Randnummer 159 des angefochtenen Urteils auf das Kriterium
des vernünftigen und vorhersehbaren Verhaltens eines Unternehmens abgestellt. Dieses Verhalten
müsse unter Berücksichtigung sowohl der Anreize für ein rechtswidriges Verhalten, aber auch der
Faktoren analysiert werden, die solche Anreize verringern oder sogar beseitigen könnten.
65 Die Vergleiche mit der Rechtssache Gencor/Kommission gingen fehl. In dieser Rechtssache sei die
kollektive beherrschende Stellung unmittelbar durch die horizontale Fusion begründet worden,
während in der vorliegenden Rechtssache die beherrschende Stellung erst nach gewisser Zeit erlangt
werden könne und ein vorheriges missbräuchliches Verhalten voraussetze.
66 Die Auslegung der Verordnung durch die Kommission beruhe auf der falschen Annahme, dass sie
Missbräuche verhindern solle. Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung habe sie zum Ziel, dass die
Begründung jeder beherrschenden Stellung untersagt werde, die als solche und ohne Missbrauch ein
erhebliches Wettbewerbshindernis schaffe.
67 Es sei nicht ersichtlich, weshalb es unüberwindliche rechtliche und praktische Hindernisse für die
Beurteilung der Auswirkungen der Rechtswidrigkeit bestimmter Verhaltensweisen geben sollte oder
inwiefern eine solche Beurteilung andere Schwierigkeiten aufweise als die Analyse der Anreize für ein
missbräuchliches Verhalten. Die Kommission halte sich ohne weiteres für fähig, die Wahrscheinlichkeit
der Aufdeckung einer Verletzung der Artikel 81 EG und 82 EG zu quantifizieren, und berücksichtige sie
bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen.
68 Was zweitens die Berücksichtigung der Zusagen von Tetra angehe, so ergebe sich aus Randnummer
161 des angefochtenen Urteils allenfalls, dass die Kommission die vorgeschlagenen Verpflichtungen
unter Würdigung des voraussichtlichen künftigen Verhaltens des neuen Unternehmens hätte
berücksichtigen müssen. Das Gericht selbst habe keine Bewertung der vorgeschlagenen
Verpflichtungen vorgenommen, und es habe der Kommission entgegen deren Behauptung an keiner
Stelle des Urteils vorgeschrieben, „verhaltensbezogene Zusagen zu berücksichtigen, die in bloßen
Versprechen bestanden, sich nicht missbräuchlich zu verhalten“.
69 Die Auslegung des Urteils Gencor/Kommission durch die Kommission sei unzutreffend. Entgegen dieser
Auslegung habe das Gericht dort in Randnummer 319 entschieden, dass die Einstufung der Zusagen
unerheblich sei und dass auch verhaltensbezogene Zusagen geeignet sein könnten, die Entstehung
oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern.
70 Schließlich habe die Kommission entgegen ihrem Vorbringen die Auswirkungen der von Tetra
vorgeschlagenen Zusagen nicht konkret beurteilt, sondern sich darauf beschränkt, grundsätzliche
Einwände gegen die Gleichstellung verhaltensbezogener Verpflichtungen mit wirksamen
Gegenmaßnahmen gegen die Begründung einer beherrschenden Stellung im Sinne der Verordnung zu
erheben.
Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes durch den Gerichtshof
71 Zunächst ist hervorzuheben, dass die Randnummern 148 bis 162 des angefochtenen Urteils, gegen
die sich die Kommission sowohl mit dem ersten als auch mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wendet,
eine Einheit bilden, in der das Gericht einige spezielle Aspekte, insbesondere zeitlicher Art, der
Konglomeratwirkungen beschreibt und daraus bestimmte allgemeine Regeln in Bezug auf den
Nachweis aufstellt, den die Kommission zu führen hat, wenn sie einen geplanten Zusammenschluss für
unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt hält.
72 In diesem Zusammenhang des Hinweises auf das Erfordernis „eindeutiger Beweise“ („convincing
evidence“) hat das Gericht die Verpflichtung zum Ausdruck gebracht, alle relevanten Daten zu prüfen.
73 Eine solche Prüfung ist im Licht der Zielsetzung der Verordnung vorzunehmen, die darin besteht, die
Begründung oder Verstärkung beherrschender Stellungen zu verhindern, durch die wirksamer
Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert
werden kann.
74 Da die in der 364. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannten Verhaltensweisen
darin als wesentlicher Schritt zur Ausübung einer Hebelwirkung angesehen werden, hat das Gericht zu
Recht die Ansicht vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Verhaltensweisen umfassend geprüft
werden müsse, d. h., wie in Randnummer 159 des angefochtenen Urteils ausgeführt, unter
Berücksichtigung sowohl der Anreize für solche Verhaltensweisen als auch der Faktoren –
einschließlich der etwaigen Rechtswidrigkeit der Verhaltensweisen –, die diese Anreize verringern oder
sogar beseitigen könnten.
75 Es würde jedoch dem mit der Verordnung verfolgten Präventionszweck zuwiderlaufen, wenn von der
Kommission – wie in Randnummer 159 letzter Satz des angefochtenen Urteils geschehen – verlangt
würde, bei jedem geplanten Zusammenschluss zu prüfen, in welchem Umfang die Anreize für
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen aufgrund der Rechtswidrigkeit der fraglichen Verhaltensweisen,
der Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung, ihrer Verfolgung durch die zuständigen Behörden sowohl auf
Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene und möglicher finanzieller Sanktionen verringert
oder sogar beseitigt würden.
76 Eine Analyse wie die vom Gericht verlangte würde nämlich eine umfassende und eingehende Prüfung
der Regelungen der verschiedenen möglicherweise anwendbaren Rechtsordnungen und der dort
praktizierten Verfolgungspolitik erfordern. Eine solche Analyse wäre im Übrigen nur dann von Nutzen,
wenn ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Tatsachen bestünde, die als Vorwurf in Betracht
gezogen werden, weil sie Teil eines wettbewerbswidrigen Verhaltens sind.
77 Folglich wäre im Stadium der Beurteilung des geplanten Zusammenschlusses eine Analyse, die darauf
abzielt, die wahrscheinliche Existenz einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 82 EG zu belegen und sich
zu vergewissern, dass sie in mehreren Rechtsordnungen mit einer Sanktion belegt wird, zu spekulativ
und würde es der Kommission nicht erlauben, ihre Beurteilung auf alle relevanten Tatsachen zu
stützen, um zu prüfen, ob sie die Schilderung eines Szenarios der wirtschaftlichen Entwicklung wie das
einer Hebelwirkung erhärten.
78 Somit hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es die Schlussfolgerungen der Kommission in
Bezug auf rechtswidrige Verhaltensweisen des neuen Unternehmens, die eine Hebelwirkung entfalten
könnten, allein mit der Begründung zurückwies, dass die Kommission die Wahrscheinlichkeit solcher
Verhaltensweisen nicht unter Berücksichtigung ihrer Rechtswidrigkeit und sodann der
Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung, ihrer Verfolgung durch die zuständigen Behörden sowohl auf
Gemeinschaftsebene als auch auf nationaler Ebene und möglicher finanzieller Sanktionen geprüft
habe. Da sich das angefochtene Urteil auch auf die Nichtberücksichtigung der von Tetra angebotenen
Zusagen stützt, ist die Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes jedoch fortzusetzen.
79 Zu dem Argument, dass das Gericht seine Vorgehensweise gegenüber dem Urteil Gencor/Kommission
geändert habe, ist festzustellen, dass das Gericht entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht von
seinem in Randnummer 94 des genannten Urteils erläuterten Standpunkt abgewichen ist, wonach ein
wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, da die Struktur der betreffenden Märkte dauerhaft
verändert würde, wenn als unmittelbare und sofortige Folge eines Zusammenschlusses Bedingungen
entstünden, die missbräuchliche Verhaltensweisen möglich machten und wirtschaftlich vernünftig
erscheinen ließen.
80 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in der Rechtssache, die zum Urteil Gencor/Kommission führte,
eine völlig andere Sachlage als die bestand, die Gegenstand der streitigen Entscheidung ist. Wie aus
Randnummer 91 dieses Urteils hervorgeht, hätte der Zusammenschluss im Ergebnis zur Entstehung
eines beherrschenden Duopols auf den Platin- und Rhodiummärkten geführt, wodurch der wirksame
Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindert worden wäre.
81 In dieser Rechtssache hätte der Zusammenschluss somit die Struktur der betreffenden Märkte
dauerhaft verändert und dadurch missbräuchliche Verhaltensweisen möglich gemacht und
wirtschaftlich vernünftig erscheinen lassen.
82 Im vorliegenden Fall hätte der angemeldete Zusammenschluss zwar die Struktur des Kartonmarkts
insofern leicht verändern können, als das neue Unternehmen die seit langem bestehende
beherrschende Stellung von Tetra auf diesem Markt – die im Übrigen Gegenstand einer Entscheidung
der Kommission nach Artikel 82 EG war – hätte verstärken können. Mit dem Verbot des
Zusammenschlusses wollte die Kommission jedoch nicht den wirksamen Wettbewerb auf dem
Kartonmarkt schützen, sondern den Wettbewerb auf dem Markt für PET‑Ausrüstungen und
insbesondere für SBM-Maschinen geringer und hoher Kapazität für empfindliche Produkte.
83 Auf die Struktur des letztgenannten Marktes hätte sich der angemeldete Zusammenschluss nicht
sofort und unmittelbar ausgewirkt, sondern dies hätte erst infolge der Hebelwirkung und insbesondere
von missbräuchlichen Verhaltensweisen des neuen Unternehmens auf dem Kartonmarkt geschehen
können.
84 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der in der Rechtssache, die zum Urteil
Gencor/Kommission führte, geprüfte Sachverhalt mit dem Sachverhalt, über den das Gericht im
angefochtenen Urteil entschieden hat, nicht hinreichend vergleichbar ist, um dem Gericht nützliche
Hinweise zu geben. Die Struktur des Marktes, auf dem die Kommission mit der streitigen Entscheidung
einen wirksamen Wettbewerb erhalten wollte, wurde in der Rechtssache, die zum Urteil
Gencor/Kommission führte, durch den Zusammenschluss unmittelbar verändert, während sie im
vorliegenden Fall nur durch die Ausübung der Hebelwirkung verändert werden konnte.
85 Zur Berücksichtigung der verhaltensbezogenen Zusagen von Tetra hat das Gericht in Randnummer
161 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt, dass der Umstand, dass sie im vorliegenden Fall
Zusagen in Bezug auf ihr künftiges Verhalten gemacht hat, ein Gesichtspunkt ist, den die Kommission
bei der Beurteilung der Frage, ob sich das neue Unternehmen wahrscheinlich in einer Weise verhalten
würde, die zur Begründung einer beherrschenden Stellung auf einem oder mehreren der relevanten
Märkte für PET‑Anlagen führen könnte, hätte berücksichtigen müssen.
86 Insoweit ist auf die Erwägungen des Gerichts in den Randnummern 318 und 319 des Urteils
Gencor/Kommission zu verweisen. Entgegen dem Vorbringen der Kommission geht aus diesem Urteil
nicht hervor, dass das Gericht die Berücksichtigung verhaltensbezogener Verpflichtungen
ausgeschlossen hätte. Es hat vielmehr in Randnummer 318 den Grundsatz aufgestellt, dass die von
den betroffenen Unternehmen angebotenen Verpflichtungen der Kommission die Feststellung
gestatten müssten, dass der fragliche Zusammenschluss eine beherrschende Stellung im Sinne des
Artikels 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung weder begründen noch verstärken würde. Sodann hat das
Gericht in Randnummer 319 aus diesem Grundsatz geschlossen, dass es nicht darauf ankomme, ob
die angebotene Verpflichtung als verhaltensbezogene oder als strukturorientierte Verpflichtung
qualifiziert werden könne, und dass sich nicht a priori ausschließen lasse, dass auf den ersten Blick
verhaltensbezogene Verpflichtungen wie die Nichtverwendung einer Marke für bestimmte Zeit oder die
Zurverfügungstellung eines Teils der Produktionskapazität des aufgrund des Zusammenschlusses
entstehenden Unternehmens an Konkurrenten oder allgemeiner der Zugang zu einer wesentlichen
Infrastruktur unter nicht diskriminierenden Bedingungen ebenfalls geeignet sein könnten, die
Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern.
87 In Bezug auf die Prüfung der Berücksichtigung verhaltensbezogener Verpflichtungen durch die
Kommission hat sich das Gericht in Randnummer 161 des angefochtenen Urteils mit der Feststellung
begnügt, dass aus der streitigen Entscheidung nicht hervorgehe, dass die Kommission die
Auswirkungen dieser Verpflichtungen berücksichtigt habe, als sie geprüft habe, ob durch die
voraussichtliche Ausübung der Hebelwirkung künftig eine solche Stellung entstehen werde.
88 Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass das Gericht die streitige Entscheidung verfälscht oder das
angefochtene Urteil in diesem Punkt unzureichend begründet hätte. Wie der 429. bis 432.
Begründungserwägung der streitigen Entscheidung, den einzigen Erwägungen zu den
verhaltensbezogenen Zusagen von Tetra, zu entnehmen ist, hat die Kommission es grundsätzlich
abgelehnt, solche Zusagen zu akzeptieren, wobei sie in der 429. Begründungserwägung ausgeführt
hat, dass die Zusagen „als solche nicht zur dauerhaften Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs
geeignet
[sind],
da
sie
das
die
Bedenken
auslösende
Problem
der
durch
das
Zusammenschlussvorhaben bewirkten dauerhaften Änderung der Marktstruktur nicht beheben“, und
in der 431. Begründungserwägung hinzugefügt hat, dass „[d]erartige Versprechen … im Widerspruch
zu der erklärten Politik der Kommission in Bezug auf Abhilfemaßnahmen und zum eigentlichen Zweck
der Fusionskontrollverordnung [stehen] und … sich nur schwer oder gar nicht wirksam überwachen
[lassen]“.
89 Aus der gesamten Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes ergibt sich, dass das Gericht zwar einen
Rechtsfehler begangen hat, als es die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf
Verhaltensweisen des neuen Unternehmens, die eine Hebelwirkung entfalten könnten, zurückwies,
dass es aber in Randnummer 161 des angefochtenen Urteils zutreffend entschieden hat, dass die
Kommission die von Tetra in Bezug auf das künftige Verhalten des neuen Unternehmens
eingegangenen Verpflichtungen hätte berücksichtigen müssen. Auch wenn dieser Rechtsmittelgrund
somit teilweise begründet ist, kann er nicht dazu führen, die Nichtigerklärung der streitigen
Entscheidung im angefochtenen Urteil in Frage zu stellen, da diese Nichtigerklärung u. a. auf der
Weigerung der Kommission beruht, die genannten Verpflichtungen zu berücksichtigen.
90 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass das Gericht durch die
Heranziehung eines falschen Kriteriums für die gerichtliche Kontrolle einen Rechtsfehler begangen
habe und dass es Artikel 2 der Verordnung verletzt habe, indem es in Randnummer 269 des
angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die streitige Entscheidung „keine hinreichenden
Anhaltspunkte [enthält], um die SBM-Maschinen nach ihrer Endverwendung in verschiedene Teilmärkte
zu untergliedern“, und dass „[d]ie einzigen Teilmärkte, zwischen denen zu trennen ist, … folglich die
Märkte für Maschinen mit geringer und mit hoher Kapazität [sind]“.
Vorbringen der Parteien
91 Die Kommission weist darauf hin, dass die Definition der Märkte für SBM-Maschinen ein Grundelement
der streitigen Entscheidung darstelle. Der Anteil des fraglichen Marktes, der auf eine gemeinsame
Kundschaft für PET und Karton entfalle, in Bezug auf die Tetra ihre beherrschende Stellung auf den
Kartonmärkten mittels einer Hebelwirkung ausnutzen könne, habe entscheidenden Einfluss auf die
Wahrscheinlichkeit einer Ausschaltung der Konkurrenten und einer Beherrschung dieses Marktes
durch das neue Unternehmen.
92 In der 176. bis 183. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung, ergänzt durch die 347. bis
358. und die 381. bis 383. Begründungserwägung, habe sie gesonderte Märkte für die SBM-Maschinen
definiert; dabei habe sie – gestützt sowohl auf angebots- als auch auf nachfragebezogene Faktoren –
darauf abgestellt, ob die Maschinen zur Verpackung empfindlicher oder nicht empfindlicher Produkte
verwendet würden. Dazu heiße es in der 178. Begründungserwägung:
„In jedem Fall kann eine bestimmte Gruppe von Abnehmern für das jeweilige Produkt einen engeren,
eigenen Produktmarkt bilden, wenn diese Gruppe der Preisdiskriminierung unterworfen werden
könnte. Dies ist für gewöhnlich dann der Fall, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: a) die Gruppe, zu der
ein bestimmter Kunde zu dem Zeitpunkt gehört, zu dem er die relevanten Produkte kauft, kann
eindeutig ausgemacht werden, und b) ein Handel unter den Abnehmern oder Arbitrage durch Dritte
sind nicht möglich.“
93 In Randnummer 259 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Argumentation der Kommission in
der streitigen Entscheidung wie folgt zusammengefasst, ohne dass die Kommission gegen diese
Zusammenfassung Einwände erhoben hätte:
„Die Kommission stellt in der [streitigen] Entscheidung zunächst fest, es sei ‚selbst bei einem
angeblich ´unspezifischen´ Gerät wie einer SBM-Maschine gerechtfertigt, den Anlagenmarkt anhand
der Endverbrauchssegmente zu analysieren‘; dies gelte ‚umso mehr, wenn vollständige
Verpackungssysteme miteinander verglichen werden, um zu klären, ob sie zum gleichen Produktmarkt
gehören können‘ (43. Begründungserwägung). Weiter führt sie aus, jedes zu verpackende
Flüssigprodukt habe ‚spezielle Eigenschaften, die für die Verwendbarkeit einer bestimmten
Verpackungsform maßgebend sind‘, bevor sie sich für die Einteilung nach Endverwendung als
Instrument zur Analyse der Märkte für die Verpackung von Flüssignahrungsmitteln entscheidet (44.
Begründungserwägung, zitiert in Randnr. 30). Sie unterscheidet deshalb zwischen den zu den
‚gemeinsamen Produktsegmenten‘ gehörenden empfindlichen Produkten und den übrigen Produkten,
wobei sie sich darauf stützt, dass Erstere zumindest in technischer Hinsicht sowohl in Karton als auch
in PET verpackt werden könnten, während die nicht empfindlichen Produkte wie Mineralwasser und
kohlensäurehaltige Getränke nicht in Karton verpackt werden könnten (58. Begründungserwägung).
Die Kommission räumt zwar ein, dass ‚die meisten SBM-Maschinen ´unspezifisch´ sind‘ (177.
Begründungserwägung), macht aber in der gleichen Begründungserwägung geltend, dass ‚eine
PET‑Verpackungslinie, von der die SBM-Maschine nur ein Bestandteil ist, im Allgemeinen auf die
konkreten vom Kunden abgefüllten Produkte zugeschnitten [ist]‘; dies soll insbesondere für
empfindliche Produkte gelten, wie bei der Beurteilung der Konsequenzen der Hebelwirkung wiederholt
wird (369. Begründungserwägung). Sie nennt als Beispiel die ‚auf kohlensäurehaltige Getränke
zugeschnittene‘ ‚SRS G Combi‘ von Sidel, die ‚kein Substitut für einen Getränkehersteller sein [kann],
der Säfte abfüllen möchte‘ (177. Begründungserwägung), da dafür eine keimfreie ‚Combi SRA‘-
Maschine erforderlich sei. Unter Bezugnahme auf ihre Bekanntmachung vom 9. Dezember 1997 über
die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372,
S. 5, Randnr. 43) stellt sie sodann fest, dass die beiden normalerweise erforderlichen
Voraussetzungen für das Vorliegen einer gesonderten Gruppe von Kunden und damit eines engeren
Produktmarkts im vorliegenden Fall erfüllt seien: Zum Zeitpunkt des Kaufes einer SBM-Maschine durch
einen Kunden sei genau feststellbar, welcher Gruppe der jeweilige Kunde angehöre, und Handel
zwischen Kunden oder Arbitrage durch Dritte in Bezug auf diese Maschinen sei nicht möglich (178.
Begründungserwägung).“
94 In den Randnummern 260 bis 269 des angefochtenen Urteils hat das Gericht Folgendes ausgeführt:
„260 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der in der [streitigen] Entscheidung auf die
empfindlichen Produkte der ‚gemeinsamen Produktsegmente‘ gelegte Schwerpunkt auf einem
objektiven Kriterium beruht, und zwar auf der Zugehörigkeit dieser Produkte zur Gruppe der in
Karton verpackten Produkte und dem Umstand, dass es zumindest technisch möglich ist, sie in
PET zu verpacken, und dass diese Möglichkeit angesichts des zu erwartenden Wachstums (siehe
oben, Randnrn. 201 bis 216) zumindest bei Fruchtaromagetränken und bei Tee-/Kaffeegetränken
bis 2005 wahrscheinlich zur relativ weit verbreiteten wirtschaftlichen Realität werden wird.
261 Die [streitige] Entscheidung enthält jedoch keine hinreichend eindeutigen Beweise für die
angeblichen besonderen Eigenschaften der zur Verpackung empfindlicher Produkte
verwendeten SBM-Maschinen. Zwar kann eine speziell zum Abfüllen kohlensäurehaltiger
Getränke konzipierte kombinierte Maschine nicht für Säfte verwendet werden. Dies ist jedoch
kein Beleg dafür, dass die SBM-Maschinen geringer und hoher Kapazität, auch wenn sie vor
ihrem Verkauf auf die Wünsche ihrer Käufer zugeschnitten werden, nicht – wie die Klägerin im
Wesentlichen geltend macht – unspezifische, d. h. zur Verpackung mehrerer Arten von Produkten
geeignete Maschinen bleiben.
262 Die von der Kommission insoweit behauptete Abhängigkeit der Verpackungsformen von den
jeweiligen Produkten belegt nicht, dass die SBM-Maschinen, von denen die Formen nur ein
Bestandteil sind, sich wesentlich voneinander unterscheiden, auch wenn die Klägerin nicht
bestreitet, dass die Zahl der Formen für die Kapazität der Maschine maßgebend ist. Aus der
Anmeldung geht hervor, dass eine Form im Durchschnitt nur etwa drei Jahre benutzt werden
kann, während die Lebensdauer einer SBM-Maschine fünfzehn Jahre beträgt (Punkt 304). Auch
wenn Sidel ihre eigenen Formen herstellt, werden in der [streitigen] Entscheidung die Angaben
zum Formenmarkt in der Anmeldung nicht in Abrede gestellt, wonach Sidel auf diesem Markt
nicht (als Lieferant von Formen an Dritte) tätig sei und zwischen den dort tätigen Unternehmen
ein sehr starker Wettbewerb herrsche, insbesondere durch SIG, die sich auf ihren Internetseiten
als Marktführer bezeichne (Nr. 309).
263 Zudem wird in der [streitigen] Entscheidung auch die Behauptung in der Anmeldung nicht in
Frage gestellt, wonach ein Kunde in einem großen Betrieb mehrere SBM-Maschinen einsetzen
könne, um durch ihre Kombination seine verschiedenen Produktionserfordernisse zu erfüllen. Die
[streitige] Entscheidung enthält keine Prüfung der Frage, ob die von einigen Kunden geforderte
Flexibilität bei den Formen für SBM-Maschinen mit den Erfordernissen bei solchen Nutzungen
zusammenhängt.
264 In ihrer Klagebeantwortung verweist die Kommission auf eine Reihe von Änderungen, die an
einer SBM-Maschine vorgenommen werden könnten, um ihre Leistung oder ihren Nutzen in einer
integrierten PET‑Produktionslinie zu erhöhen; dazu gehören der Einbau eines speziellen
Luftfiltersystems oder eine Behandlung mit ultraviolettem Licht, um die Gefahr einer
Verunreinigung vor ihrer Befüllung mit Vorformlingen zu verringern. In der mündlichen
Verhandlung hat die Kommission hinzugefügt, diese Änderungen zeigten, dass eine in einer
PET‑Abfüllkette verwendete SBM-Maschine ganz spezielle Eigenschaften habe, auf die in der
[streitigen] Entscheidung Bezug genommen werde (177. Begründungserwägung). Die Klägerin
wendet sich gegen die Vorgehensweise der Kommission, den SBM-Maschinen die besonderen
Merkmale anderer Bestandteile einer PET‑Produktionslinie zuzuschreiben, führt aber gleichwohl
aus, dass diese Änderungen nur 5 % der Kosten einer SBM-Maschine ausmachten.
265 Zunächst ist festzustellen, dass die [streitige] Entscheidung keinen Hinweis auf diese
Informationen enthält. Dort wird zwar zutreffend die Bedeutung der besonderen Anforderungen
der Kunden hervorgehoben, die insbesondere eine keimfreie PET‑Abfüllkette benötigen – im
Wesentlichen eine Garantie der Keimfreiheit –, doch kann dies die Annahme eines gesonderten
Teilmarkts für die in einer Abfüllkette der fraglichen empfindlichen Produkte verwendeten SBM-
Maschinen nicht rechtfertigen. Die bloße Tatsache, dass jede SBM-Maschine in einer
PET‑Produktionslinie installiert sein muss, um für ihren Käufer von Nutzen zu sein, rechtfertigt es
nicht, die besonderen Merkmale anderer Bestandteile dieser PET‑Produktionslinie und
insbesondere die Merkmale der keimfreien PET‑Abfüllung den SBM-Maschinen selbst
zuzurechnen.
266 Der unspezifische Charakter der SBM-Maschinen ist umso mehr anzuerkennen, als die
Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die Behauptung der Klägerin
zu widerlegen, dass die Kosten etwaiger Änderungen, um die Eignung einer SBM-Maschine für
die Nutzung mit Maschinen für die keimfreie und nicht keimfreie PET‑Abfüllung und
gegebenenfalls mit Maschinen für die keimfreie Abfüllung, die zwischen PET und HDPE wechseln
können, zu erhöhen, verglichen mit den Kosten einer ‚Standard-SBM-Maschine‘ relativ gering
sind, insbesondere wenn es sich um eine SBM-Maschine mit hoher Kapazität handelt.
267 Ferner ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die kombinierten Maschinen, deren Nutzung
für die keimfreie Abfüllung sehr beschränkt bleibt (siehe oben, Randnrn. 248 und 249), keinen
gesonderten Markt darstellen, wie sich auch aus der [streitigen] Entscheidung ergibt.
268 Was die Möglichkeiten anbelangt, zum Zeitpunkt des Kaufes einer SBM-Maschine durch einen
Kunden genau festzustellen, welcher Gruppe der jeweilige Kunde angehört, und die
Möglichkeiten eines solchen Kunden, zurzeit im [Europäischen Wirtschaftsraum] durch Arbitrage
zwischen den verfügbaren Anbietern einen besseren Preis zu erzielen, so steht außer Frage,
dass diese Möglichkeiten, ihr Vorliegen unterstellt, bei SBM-Maschinen für nicht empfindliche
Produkte ebenso bestehen würden wie bei den Maschinen für die Verpackung empfindlicher
Produkte. Die Möglichkeit der durch den Zusammenschluss entstehenden Einheit, festzustellen,
welcher Gruppe ein Kunde angehört, beruht darauf, dass viele Kunden auf den Kartonmärkten,
die zu PET wechseln, bislang zu den Kunden der Klägerin gehörten. Dieser mögliche Vorteil, der
sich aus der voraussichtlichen ‚Vorreiterschaft‘ der neuen Einheit ergibt, schließt jedoch nicht
aus, dass sich diese Kunden an andere Lieferanten von SBM-Maschinen wenden könnten, wenn
sie mit den von der neuen Einheit gebotenen Konditionen nicht mehr zufrieden sind.
269 Auf der Grundlage der in der [streitigen] Entscheidung gelieferten Nachweise hat die
Kommission somit einen Fehler begangen, als sie zum einen feststellte, dass ‚die meisten SBM-
Maschinen ´unspezifisch´ sind‘ (177. Begründungserwägung), und zum anderen eine
Unterscheidung nach deren Endverwendung traf. Die [streitige] Entscheidung enthält keine
hinreichenden Anhaltspunkte, um die SBM-Maschinen nach ihrer Endverwendung in
verschiedene Teilmärkte zu untergliedern. Die einzigen Teilmärkte, zwischen denen zu trennen
ist, sind folglich die Märkte für Maschinen mit geringer und mit hoher Kapazität.“
95 Die Kommission ist der Ansicht, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es in Randnummer
265 des angefochtenen Urteils verlangt habe, dass sie in der streitigen Entscheidung alle im Rahmen
ihrer Untersuchung gesammelten technischen Informationen aufführe. Die Frage, ob die Begründung
einer Entscheidung den Anforderungen von Artikel 253 EG genüge, sei nicht nur anhand ihres
Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontextes und insbesondere des Umfangs der vorherigen
Kenntnis des relevanten Sachverhalts und der zum Erlass der Entscheidung zur Verfügung stehenden
Zeit zu beurteilen.
96 Das Gericht habe zudem die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle verletzt, die streitige Entscheidung
verfälscht und die Beurteilung der Kommission – ohne die Zurückweisung ihrer Analyse auch nur zu
begründen – durch seine eigene ersetzt, indem es in Randnummer 265 die Ansicht vertreten habe,
dass das Erfordernis einer Garantie der Keimfreiheit die Annahme eines gesonderten Teilmarkts für die
in einer Abfüllkette der fraglichen empfindlichen Produkte verwendeten SBM-Maschinen nicht
rechtfertigen könne. Desgleichen habe es in Randnummer 266 des angefochtenen Urteils die
Beurteilung des Umfangs der Änderungen, die an den SBM-Maschinen vorzunehmen seien, um sie zur
keimfreien Verpackung verwenden zu können, durch die Kommission zurückgewiesen und sich dabei
allein auf die Kosten der erforderlichen Anpassung gestützt, ohne die übrigen von ihr berücksichtigten
Gesichtspunkte zu prüfen, insbesondere die Frage, ob die Lieferanten dieser Maschinen an
herkömmliche Kunden aus den Bereichen Wasser und alkoholfreie kohlensäurehaltige Getränke über
die nötigen Fachkenntnisse verfügten, um solche Änderungen vorzunehmen und die erforderlichen
Garantien zu bieten.
97 Die Kommission wendet sich außerdem gegen die Zurückweisung ihrer Argumentation, dass die
Ungleichbehandlung bei den Preisen einen Beweis für die Existenz gesonderter Teilmärkte darstellen
könne. In Randnummer 223 des angefochtenen Urteils habe das Gericht die Ansicht vertreten, dass
eine solche, angeblich von Sidel in der Vergangenheit praktizierte Ungleichbehandlung keinen
hinreichend eindeutigen Beweis für die Fortsetzung eines ähnlichen Verhaltens der durch den
Zusammenschluss entstehenden Einheit darstellen könne, da Letztere im Unterschied zu Sidel vor
dem Zusammenschluss nicht nur an die Verpflichtungen gebunden wäre, sondern auch an die
verschiedenen das Verhalten von Tetra einschränkenden Pflichten. Das Gericht habe insoweit aus drei
Gründen einen Rechtsfehler begangen. Erstens sei die Ungleichbehandlung bei den Preisen selbst der
Beweis dafür, dass es bei Angebot und Nachfrage unterschiedliche Bedingungen für den Verkauf
eines Produktes an verschiedene Kunden gebe, und damit der Beweis für die Existenz gesonderter
Märkte. Zweitens habe das Gericht ihr auferlegt, ein rechtswidriges Verhalten nicht zu
berücksichtigen, auch wenn es wirtschaftlich vernünftig sei. Drittens habe das Gericht, wie aus den
Randnummern 161 und 162 des angefochtenen Urteils hervorgehe, die beherrschende Stellung von
Tetra auf dem Kartonmarkt nicht berücksichtigt, sondern sei von der Feststellung ausgegangen, dass
das neue Unternehmen nicht über eine beherrschende Stellung auf dem PET‑Markt verfüge, so dass
eine Ungleichbehandlung bei den Preisen auf diesem Markt keinen Missbrauch einer beherrschenden
Stellung im Sinne von Artikel 82 EG darstellen könne.
98 Schließlich gehe die Feststellung des Gerichts fehl, dass die Kunden die Möglichkeit hätten, sich an
andere Lieferanten als Tetra zu wenden. Es habe das Vorbringen der Kommission zur fehlenden
Arbitragemöglichkeit für die Maschinen des gleichen Lieferanten (Kauf gebrauchter Maschinen und
Transfer einer Maschine innerhalb eines Unternehmens von einer Abteilung für nicht empfindliche
Produkte zu einer Abteilung für empfindliche Produkte) außer Acht gelassen.
99 Tetra macht allgemein geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären sei, da er die
Würdigung von Tatsachen betreffe.
100 In der 177. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung habe die Kommission selbst
anerkannt, dass die SBM-Maschinen „produktneutral“ seien, während eine PET‑Verpackungsanlage
auf die spezifischen vom Kunden abgefüllten Produkte zugeschnitten sei. Die Kommission berufe sich
vergeblich auf Gesichtspunkte, die in der Entscheidung nicht enthalten seien, denn nach der
Rechtsprechung müsse eine Entscheidung alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte
enthalten, auf die sich die Kommission stütze, um eine wirksame gerichtliche Kontrolle dieser
Entscheidung zu ermöglichen. Die streitige Entscheidung enthalte aber keine Bezugnahme auf das
Erfordernis, die SBM-Maschine als Bestandteil einer speziellen Abfüllkette anzusehen. Das Gericht sei
jedenfalls auf die von der Kommission im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vorgebrachten
Argumente eingegangen. So werde in Randnummer 266 des angefochtenen Urteils auf ein neues, von
der Kommission in ihrer Klagebeantwortung angeführtes Argument geantwortet.
101 Die Kommission reiße Randnummer 223 des angefochtenen Urteils aus ihrem Kontext. In dieser
Randnummer habe das Gericht nicht auf die Möglichkeit Bezug genommen, sich auf die
Ungleichbehandlung als Beweis für die Existenz gesonderter Märkte zu berufen, sondern lediglich
geprüft, ob das Verhalten von Sidel in der Vergangenheit einen hinreichend eindeutigen Beweis für die
Fortsetzung eines ähnlichen Verhaltens der durch den Zusammenschluss entstehenden Einheit
darstelle. Erst in den Randnummern 258 bis 269 des Urteils habe das Gericht die Definition des
Marktes geprüft.
Würdigung des dritten Rechtsmittelgrundes durch den Gerichtshof
102 Zunächst greift das Argument der Kommission nicht durch, dass das Gericht in Randnummer 265 des
angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die streitige Entscheidung keinen Hinweis auf eine
Reihe technischer Erläuterungen in Bezug auf die angeblichen ganz speziellen Eigenschaften der in
einer PET‑Abfüllkette verwendeten SBM-Maschinen enthalte und dass die Kommission diese
Erläuterungen erst in ihrer Klagebeantwortung und in der mündlichen Verhandlung gegeben habe. Wie
sich nämlich aus den Randnummern 266 und 267 dieses Urteils ergibt, hat das Gericht seine
Würdigung nicht allein darauf gestützt, dass die Entscheidung keine eindeutigen Beweise für die
angeblichen speziellen Eigenschaften der genannten Maschinen enthalte, sondern es hat die von der
Kommission in ihrer Klagebeantwortung und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente
berücksichtigt und ist auf sie eingegangen.
103 Als irrelevant zurückzuweisen ist auch das Argument, das Gericht habe eine Ungleichbehandlung bei
den Preisen nicht als Beweis für die Existenz gesonderter Teilmärkte anerkannt. Wie sich aus den
Randnummern 259, letzter Satz, und 268 des angefochtenen Urteils ergibt, hat sich das Gericht im
Rahmen der Bestimmung gesonderter Märkte nicht zum unmittelbaren Beweis einer
Ungleichbehandlung bei den Preisen geäußert, sondern seine Analyse auf die Voraussetzungen
konzentriert, unter denen der Beweis für eine mögliche Ungleichbehandlung bei den Preisen erbracht
werden kann; diese Voraussetzungen werden in der 178. Begründungserwägung der streitigen
Entscheidung dahin gehend definiert, dass genau feststellbar ist, welcher Gruppe der jeweilige Kunde
angehört, und dass ein Handel zwischen Kunden oder Arbitrage durch Dritte nicht möglich ist.
104 Die übrigen von der Kommission zur Stützung ihres dritten Rechtsmittelgrundes angeführten
Argumente, mit denen sie sich gegen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung des unspezifischen
Charakters der SBM-Maschinen, der Feststellbarkeit der Gruppe, der ein Kunde angehört, und der
fehlenden Möglichkeit eines Handels zwischen Kunden oder einer Arbitrage durch Dritte in Bezug auf
diese Maschinen wendet, sind für unzulässig zu erklären, da mit ihnen die Beweiswürdigung durch das
Gericht in Frage gestellt wird, die nicht der Kontrolle seitens des Gerichtshofes im Rahmen eines
Rechtsmittels unterliegt.
105 Aus diesen Erwägungen folgt, dass der dritte Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils unbegründet
ist.
106 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, das Gericht habe Artikel 2 der
Verordnung verletzt, den Sachverhalt verfälscht und einige ihrer Argumente unberücksichtigt
gelassen, als es sich ihrer Einschätzung, dass Tetra ihre beherrschende Stellung in der Kartonbranche
verstärken würde, nicht angeschlossen habe.
107 Die 390. bis 401. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung sollten belegen, dass die
beherrschende Stellung von Tetra in der Kartonbranche durch den angemeldeten Zusammenschluss
verstärkt werden könnte, weil auf dem Markt für die Verpackung empfindlicher Produkte der potenzielle
Wettbewerb durch Sidel, den größten Belieferer des PET‑Marktes, wegfiele. Da Tetra somit einem
weniger starken Wettbewerb ausgesetzt wäre, hätte sie keinen Anreiz, die Preise ihrer
Kartonverpackungen zu senken, und könnte von Neuerungen Abstand nehmen.
108 Wie das Gericht in den Randnummern 311 und 317 des angefochtenen Urteils ausführt, hat sich die
Kommission zur Stützung ihrer Argumentation, dass eine Schwächung des potenziellen Wettbewerbs
dazu führen könnte, dass sich Tetra auf den Märkten für keimfreien Karton weniger bedroht fühlt, und
dass dies als eine Verstärkung ihrer beherrschenden Stellung auf diesen Märkten im Sinne von Artikel
2 der Verordnung anzusehen wäre, auf das Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra
Pak/Kommission, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 14. November
1996, Tetra Pak/Kommission (im Folgenden: Urteile Tetra Pak II), berufen.
109 In Randnummer 312 des angefochtenen Urteils hat das Gericht entschieden:
„[Macht] die Kommission … zur Rechtfertigung des Verbots eines angemeldeten Zusammenschlusses
geltend …, dass potenzieller Wettbewerb – selbst ein im Wachstum begriffener Wettbewerb – beseitigt
oder erheblich verringert würde, [so muss sie] die Gesichtspunkte, aus denen sich die Verstärkung
einer beherrschenden Stellung ergeben soll, auf eindeutige Beweise stützen … Die bloße Tatsache,
dass das erwerbende Unternehmen bereits eine klar beherrschende Stellung auf dem betreffenden
Markt einnimmt, stellt zwar – wie in der [streitigen] Entscheidung ausgeführt wird – einen wichtigen
Gesichtspunkt dar, reicht aber als solche nicht aus, um den Schluss zu rechtfertigen, dass eine
Verringerung des potenziellen Wettbewerbs, dem dieses Unternehmen ausgesetzt ist, zu einer
Verstärkung seiner Stellung führt.“
110 In Randnummer 322 seines Urteils stellt das Gericht fest, dass der im Zusammenhang mit der
Anwendung von Artikel 82 EG in den Urteilen Tetra Pak II anerkannten Heranziehung der Theorie der
„verbindenden Elemente“ im Rahmen der Kontrolle von Zusammenschlüssen grundsätzlich nichts
entgegenstehe. In der Rechtssache, die zu diesen Urteilen geführt habe, sei es um ein Verhalten auf
einem bestimmten Markt gegangen, das einen Missbrauch der beherrschenden Stellung auf einem
eng verbundenen Markt begründet habe. Im vorliegenden Fall handele es sich um benachbarte
Märkte. In Randnummer 323 seines Urteils hat das Gericht jedoch die Ansicht vertreten, dass die
Bezugnahme auf diese Urteile nicht durchgreife, da es „hier nur um die Auswirkungen der Beseitigung
oder der erheblichen Verringerung eines potenziellen Wettbewerbs geht, der nach Ansicht der
Kommission beträchtlich ist und zunimmt“.
111 Insoweit hat das Gericht in Randnummer 323 ferner darauf hingewiesen, dass „die Kommission nach
Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung bei ihrer Beurteilung angemeldeter Zusammenschlüsse u. a. ‚die
Struktur aller betroffenen Märkte und den … potenziellen Wettbewerb durch … Unternehmen‘ zu
berücksichtigen hat“. Weiter hat es ausgeführt:
„Die Kommission hat somit keinen Fehler begangen, als sie die Bedeutung einer Verringerung des von
den Märkten für PET‑Anlagen ausgehenden potenziellen Wettbewerbs für die Kartonmärkte prüfte. Sie
hat jedoch darzutun, dass eine solche Verringerung, wenn sie besteht, die beherrschende Stellung
der Klägerin gegenüber ihren Konkurrenten auf den Märkten für keimfreien Karton verstärken würde.“
112 In Randnummer 324 des angefochtenen Urteils hat das Gericht darauf hingewiesen, dass nach seiner
eigenen Analyse das Wachstum bei der Verwendung von PET zur Verpackung empfindlicher Produkte
vermutlich wesentlich geringer sein werde als von der Kommission angenommen. Es sei daher auf der
Grundlage der in der streitigen Entscheidung genannten Gesichtspunkte nicht möglich, mit der zur
Rechtfertigung des Verbotes eines Zusammenschlusses erforderlichen Sicherheit festzustellen, ob die
Durchführung des geänderten Zusammenschlusses Tetra in eine Lage versetzen würde, in der sie von
ihren Konkurrenten auf den Märkten für keimfreien Karton unabhängiger wäre als in der
Vergangenheit.
113 In Randnummer 325 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die beiden tatsächlichen
Gesichtspunkte hinsichtlich des künftigen Verhaltens von Tetra geprüft, auf die sich die Kommission
zum Nachweis der angeblichen negativen Auswirkungen des angemeldeten Zusammenschlusses auf
die Märkte für keimfreien Karton stützt.
114 In den Randnummern 326 bis 328 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die von der Kommission
in Bezug auf den Preiswettbewerb vorgebrachten Gesichtspunkte geprüft und in Randnummer 328,
letzter Satz, entschieden, dass der in der streitigen Entscheidung gezogene Schluss, dass Tetra einem
geringeren Druck zur Senkung ihrer Kartonpreise ausgesetzt wäre, wenn sie Sidel erwerben könnte,
nicht auf überzeugenden Belegen beruhe.
115 In den Randnummern 329 bis 331 des angefochtenen Urteils hat das Gericht das Vorbringen der
Kommission geprüft, wonach der angemeldete Zusammenschluss den Anreiz von Tetra zu Innovationen
verringern würde. In Randnummer 332 des Urteils hat es die Ansicht vertreten, dass aus der streitigen
Entscheidung nicht in rechtlich hinreichender Weise hervorgehe, dass die durch den
Zusammenschluss entstehende Einheit weniger Anreize zu Innovationen im Kartonbereich hätte als
gegenwärtig Tetra.
116 In Randnummer 333 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu folgendem Ergebnis gekommen:
„Folglich belegen die in der [streitigen] Entscheidung enthaltenen Nachweise nicht in rechtlich
hinreichender Weise, dass sich der [angemeldete] Zusammenschluss durch den Wegfall von Sidel als
potenzieller Konkurrentin dergestalt auf die Stellung der Klägerin, insbesondere auf den Märkten für
keimfreien Karton, auswirken würde, dass die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung
erfüllt wären. Nach dem Vorstehenden ist nämlich nicht dargetan worden, dass die Stellung der durch
den Zusammenschluss entstehenden Einheit gegenüber ihren Konkurrenten auf den Kartonmärkten
gestärkt würde.“
Vorbringen der Parteien
117 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund, der aus mehreren Teilen besteht, wendet sich die Kommission
gegen die Randnummern 312 und 323 des angefochtenen Urteils. Sie vertritt zunächst die Ansicht,
dass die Art und Weise, in der das Gericht die Frage der Bedeutung des potenziellen Wettbewerbs
dargestellt habe, auf eine Verfälschung des Sachverhalts hinauslaufe. Der potenzielle Wettbewerb
habe nichts mit dem Wettbewerbsverhältnis zwischen dem als beherrschend angesehenen
Unternehmen und anderen Unternehmen auf dem fraglichen Markt zu tun. Die entscheidende Frage
laute, ob der strukturelle Wegfall einer wichtigen Quelle potenziellen Wettbewerbs das beherrschende
Unternehmen noch stärker von allen Zwängen, insbesondere gegenüber seinen Kunden und den
Verbrauchern, befreie.
118 Ferner reichten die beiden in Randnummer 312 des angefochtenen Urteils erwähnten Gesichtspunkte
– die Beseitigung oder erhebliche Verringerung potenziellen Wettbewerbs und die Tatsache, dass das
Unternehmen, zu dessen Gunsten der Zusammenschluss durchgeführt werde, bereits eine
beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt einnehme – aus, um die Feststellung der
Verstärkung einer solchen Stellung zu rechtfertigen.
119 Darüber hinaus habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es die Zurückweisung ihrer
Beurteilung des vermutlichen Wachstums bei der Verwendung von PET zur Verpackung empfindlicher
Produkte ausschließlich auf seine eigene Annahme gestützt habe, dass „dieses Wachstum …
wesentlich geringer sein [dürfte] als von der Kommission angenommen“.
120 Schließlich habe das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in den Randnummern
316 bis 328 des angefochtenen Urteils ihr Vorbringen zu den Auswirkungen des Wegfalls von Sidel auf
die Preise nicht berücksichtigt und in den Randnummern 329 bis 332 des Urteils ihre Schlussfolgerung
zurückgewiesen habe, wonach das neue Unternehmen weniger Anreize zu Innovationen im
Kartonbereich hätte als gegenwärtig Tetra.
121 Tetra ist der Ansicht, dass Randnummer 312 des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler enthalte.
Nach der Verordnung müsse ein Zusammenschluss untersagt werden, wenn er eine beherrschende
Stellung begründe oder verstärke. Da eine beherrschende Stellung definitionsgemäß die Stellung
eines beherrschenden Unternehmens auf einem bestimmten Markt, d. h. gegenüber seinen
Konkurrenten, betreffe, sei es unverständlich, dass die Kommission in der Lage zu sein glaube, die
beherrschende Stellung des beherrschenden Unternehmens von der Stellung seiner Konkurrenten auf
demselben Markt zu trennen.
122 Das Vorbringen der Kommission, dass die beiden in Randnummer 312 des angefochtenen Urteils
genannten Faktoren ausreichten, um die Feststellung der Verstärkung einer beherrschenden Stellung
zu rechtfertigen, laufe auf die Aufstellung eines Grundsatzes hinaus, wonach jede Verringerung des
potenziellen Wettbewerbs stets eine beherrschende Stellung verstärke. Nach Artikel 2 Absatz 3 der
Verordnung müsse aber nicht nur dargetan werden, dass eine beherrschende Stellung durch den
Zusammenschluss verstärkt werde, sondern auch, dass infolge dieser Verstärkung ein wirksamer
Wettbewerb erheblich behindert werde. Das Vorliegen keiner dieser beiden Voraussetzungen könne
unterstellt werden; dies gelte insbesondere in einer Rechtssache, in der wie im vorliegenden Fall der
betreffende potenzielle Wettbewerb von einem ersten Markt auf einen zweiten gesonderten, aber
benachbarten Markt ausgeübt werde.
123 Die Kommission habe jedenfalls in der streitigen Entscheidung verschiedene Faktoren geltend
gemacht und könne dem Gericht daher nicht vorwerfen, diese Faktoren im angefochtenen Urteil
analysiert zu haben. In Bezug auf das vermutliche Wachstum bei der Verwendung von PET verweist
Tetra auf ihre hierzu bereits gemachten Ausführungen.
124 Schließlich wende sich die Kommission mit ihrem Vorbringen, dass das Gericht ihren
Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Anreize von Tetra bei
Preisen und Innovationen nicht gefolgt sei, gegen die Würdigung von Tatsachen durch das Gericht, die
der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen sei.
Würdigung des vierten Rechtsmittelgrundes durch den Gerichtshof
125 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung berücksichtigt die Kommission bei der Prüfung der
Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt eine Reihe von
Gesichtspunkten wie die Struktur der betroffenen Märkte, den tatsächlichen oder potenziellen
Wettbewerb der Unternehmen, die Marktstellung sowie die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft
der
beteiligten
Unternehmen,
die
Wahlmöglichkeiten
der
Lieferanten
und
Abnehmer,
Marktzutrittsschranken und die Entwicklung von Angebot und Nachfrage.
126 Das Gericht hat daher zu Recht und ohne Verletzung von Artikel 2 der Verordnung in Randnummer 312
des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass die bloße Tatsache, dass das erwerbende
Unternehmen bereits eine klar beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt einnimmt, zwar –
wie in der streitigen Entscheidung ausgeführt wird – einen wichtigen Gesichtspunkt darstellt, aber als
solche nicht ausreicht, um den Schluss zu rechtfertigen, dass eine Verringerung des potenziellen
Wettbewerbs, dem dieses Unternehmen ausgesetzt ist, zu einer Verstärkung seiner Stellung führt.
127 Der potenzielle Wettbewerb durch einen Hersteller von Substitutionsprodukten auf einem Teil des
relevanten Marktes – im vorliegenden Fall der Wettbewerb durch Sidel in ihrer Eigenschaft als
Lieferantin von PET‑Verpackungen im Marktsegment für empfindliche Produkte gegenüber der
Verpackung in keimfreiem Karton – ist nämlich nur einer der Faktoren, die bei der Prüfung, ob ein
Zusammenschluss zur Verstärkung einer beherrschenden Stellung führen kann, zu berücksichtigen
sind. Insoweit lässt sich nicht ausschließen, dass eine Verringerung dieses potenziellen Wettbewerbs
durch andere Faktoren ausgeglichen wird, so dass die Wettbewerbsstellung des Unternehmens, das
bereits eine beherrschende Stellung einnahm, im Ergebnis unverändert bleibt.
128 Aus der Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien durch das Gericht in den Randnummern 313
bis 320 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass Tetra gegen die These, wonach die
beherrschende Stellung des neuen Unternehmens auf den Märkten für keimfreien Karton verstärkt
würde, u. a. einwendet, dass das Ausbleiben von Innovationen im Kartonbereich im Wesentlichen ihre
gegenwärtigen Konkurrenten auf den Kartonmärkten begünstigen würde. Das Gericht hat daher im
Rahmen der Erörterung und Würdigung des Vorbringens der Parteien zu diesem Punkt in Randnummer
323 seines Urteils zu Recht ausgeführt, dass die Kommission darzutun hat, dass eine Verringerung des
potenziellen Wettbewerbs, wenn sie besteht, die beherrschende Stellung von Tetra gegenüber ihren
Konkurrenten auf den Märkten für keimfreien Karton verstärken würde.
129 Dabei hat sich das Gericht auf die potenziellen Reaktionen auf den Kartonmärkten der auch auf dem
PET‑Markt tätigen Konkurrenten von Tetra gestützt, als es in Randnummer 327 des angefochtenen
Urteils das Vorbringen der Kommission zurückwies, dass sich Tetra nach dem Zusammenschluss
veranlasst sehen könnte, ihre Preise auf den Märkten für keimfreien Karton zu erhöhen, und in
Randnummer 330 des Urteils die Argumentation, dass das neue Unternehmen beschließen könnte,
die Innovationen zu verringern.
130 Der Teil des vierten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Kommission geltend macht, dass der potenzielle
Wettbewerb nichts mit dem Wettbewerbsverhältnis zwischen dem als beherrschend angesehenen
Unternehmen und anderen Unternehmen auf dem fraglichen Markt zu tun habe, kann daher nicht als
begründet angesehen werden.
131 Zur Beurteilung des vermutlichen Wachstums bei der Verwendung von PET zur Verpackung
empfindlicher Produkte ist darauf hinzuweisen, dass auf die dahin gehende Argumentation der
Kommission im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes in Randnummer 46 des vorliegenden Urteils
bei der Prüfung der Frage eingegangen wurde, ob das Gericht Artikel 230 EG dadurch verletzt hat,
dass es das Kriterium des offensichtlichen Beurteilungsfehlers nicht anwandte und den Spielraum
nicht beachtete, über den die Kommission bei der Beurteilung komplexer Sach- und Rechtsfragen
verfügt. Soweit sich die Kommission mit diesem Teil des Rechtsmittelgrundes gegen die insoweit
getroffenen Schlussfolgerungen des Gerichts wendet, wird die Beweiswürdigung durch das Gericht
gerügt, die nicht der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt.
132 Das Gleiche gilt für den Teil des Rechtsmittelgrundes, mit dem sich die Kommission gegen die
Randnummern 316 bis 328 und 329 bis 332 des angefochtenen Urteils wendet, in denen das Gericht
die von ihr vorgelegten Beweise zu den Auswirkungen des Wegfalls von Sidel auf die Preise und zu den
geringeren Anreizen des neuen Unternehmens für Innovationen im Kartonbereich gewürdigt hat.
133 Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils unbegründet.
134 Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund wirft die Kommission dem Gericht vor, Artikel 2 Absatz 3 der
Verordnung dadurch verletzt zu haben, dass es ihre Schlussfolgerungen in Bezug auf die Begründung
einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für SBM-Maschinen zurückgewiesen habe.
Vorbringen der Parteien
135 Die Kommission trägt vor, die Schlussfolgerung des Gerichts in Randnummer 307 des angefochtenen
Urteils, wonach „in der [streitigen] Entscheidung nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan
worden [ist], dass sich die durch den Zusammenschluss entstehende Einheit bis 2005 eine
beherrschende Stellung auf den Märkten für Maschinen mit geringer und mit hoher Kapazität
verschaffen könnte“, beruhe auf Rechtsfehlern, die im Rahmen der vorangegangenen
Rechtsmittelgründe beanstandet worden seien, und zwar auf der Einbeziehung der SBM-Maschinen für
nicht empfindliche Produkte und für Bier in den Markt der SBM-Maschinen für empfindliche Produkte
und auf der Tatsache, dass die Zusage von Tetra, den Verkauf der genannten Maschinen nicht mit
dem Verkauf von Kartonprodukten zu verknüpfen, als ausreichend angesehen worden sei. Zur
Vervollständigung ihrer Argumentation hält es die Kommission für erforderlich, die vom Gericht in Bezug
auf die Begründung einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für SBM-Maschinen begangenen
Fehler darzulegen.
136 Zu den SBM-Maschinen mit geringer Kapazität trägt die Kommission zunächst vor, das Gericht habe
bestimmte relevante Faktoren in der streitigen Entscheidung – wie die Verbesserung der Stellung von
Sidel bei den Marktanteilen (266. Begründungserwägung der Entscheidung) und die sofortige
Verstärkung ihrer Stellung aufgrund ihrer Spitzenposition bei den Marktanteilen in Verbindung mit der
Finanzkraft, dem Vertriebssystem, der Überlegenheit bei der keimfreien Verpackung, dem Vorteil der
Vorreiterschaft bei den Kunden im Bereich der Kartonverpackung und der bereits bestehenden
beherrschenden Stellung von Tetra in diesem Bereich (376. bis 387. Begründungserwägung der
Entscheidung) – nicht berücksichtigt.
137 Darüber hinaus habe sich das Gericht auf irrelevante Tatsachen gestützt. So sei die Bedeutung der
SBM-Maschinen mit geringer Kapazität für die Verpackung nicht empfindlicher Produkte kein relevanter
Faktor, wenn der von der Kommission vorgeschlagenen Definition des Marktes gefolgt werde. Ebenso
sei die Behauptung des Gerichts in Randnummer 279 des angefochtenen Urteils, dass „es sich bei
einem erheblichen Teil der zur Verpackung empfindlicher Produkte verwendeten SBM-Maschinen
höchstwahrscheinlich um Maschinen mit geringer Kapazität handeln wird“, irrelevant für die Frage, ob
sich Tetra auf ihre beherrschende Stellung im Bereich der Verpackungskartons stützen könne, um
eine beherrschende Stellung im Bereich der SBM-Maschinen mit geringer Kapazität zu erlangen.
138 Zu den Maschinen mit hoher Kapazität trägt die Kommission vor, das Gericht habe relevante Faktoren
außer Acht gelassen, so insbesondere in Randnummer 284 des angefochtenen Urteils die Zunahme
des Marktanteils von Sidel durch den angemeldeten Zusammenschluss. Außerdem habe das Gericht
zu Unrecht in Betracht gezogen, dass ein geringeres als das vorausgesagte Wachstum bei der
Verwendung von PET für empfindliche Produkte eintreten könnte und dass die Hersteller empfindlicher
Produkte auf HDPE statt auf PET zurückgreifen könnten, obwohl beides keine Rolle für die Frage spiele,
ob Tetra in ihren Beziehungen zu den Kunden, die sich für PET entschieden, den Vorteil der
Vorreiterschaft genießen würde.
139 Auch in Bezug auf die Kunden aus dem Bereich der Glasverpackung vernachlässige das Gericht bei
seinen Erwägungen bestimmte Faktoren und verfälsche den Sachverhalt. Zum einen berücksichtige es
nicht, dass ein Kunde, der diese Verpackungsform verwende, seine Produkte nur selten ausschließlich
in diesem Material verpacken werde. Zum anderen stelle das Gericht den Sachverhalt falsch dar, wenn
es behaupte, dass die Konkurrenten von Tetra/Sidel im Bereich der Glasverpackung den Vorteil der
Vorreiterschaft genössen, denn damit lasse es außer Acht, dass die Lieferanten von Anlagen für Glas
und Metall keine engen und dauerhaften Beziehungen zu den Getränkeherstellern unterhielten, weil
fast alle Glas- und Metallverpackungen von Verarbeitern hergestellt würden.
140 Zur Stellung der Konkurrenten führt die Kommission aus, das Gericht habe die streitige Entscheidung
verfälscht, als es in Randnummer 294 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass sie keine
angemessene Analyse des Wettbewerbs enthalte, dem sich Sidel auf dem Markt für Maschinen mit
hoher Kapazität stellen müsste, und den Wettbewerb seitens der drei Hauptkonkurrenten dieser
Gesellschaft unterschätze. Die Entscheidung enthalte insbesondere in der 232. bis 248., 293. bis
300., 303. bis 310. und 369. bis 387. Begründungserwägung eine eingehende Analyse der jeweiligen
Stellung des neuen Unternehmens und seiner Konkurrenten. Im Übrigen seien die tatsächlichen
Feststellungen des Gerichts unzutreffend, da es zum einen behaupte, dass der Konkurrent SIG über
einen Vorteil verfüge, da er auf dem nachgeordneten Markt der Vorformlinge tätig sei, während er
ihres Erachtens auf dem nachgeordneten Markt nicht als Lieferant von Vorformlingen tätig sei, der
seine Produkte Unternehmen anbiete, die auf PET‑Verpackungen zurückgriffen, und zum anderen,
dass diese Gesellschaft aufgrund ihrer Tätigkeiten im Glasbereich einen Vorteil als Vorreiter besitze,
obwohl sie Maschinen herstelle und auf dem nachgeordneten Markt der Glasflaschen nicht tätig sei.
141 Schließlich enthalte die allein auf den „auf dem Markt … herrschenden Wettbewerb“ gestützte
Feststellung des Gerichts in Randnummer 305 des angefochtenen Urteils, wonach „die Annahme, dass
die Verarbeiter von Sidel abhängig seien, … nicht überzeugend“ sei, keine klare und hinreichende
Begründung, die die von der Kommission in der 303. bis 310. Begründungserwägung der streitigen
Entscheidung insoweit vorgenommene umfangreiche Beurteilung entkräften könnte.
142 Tetra trägt vor, die verschiedenen offenbar nicht zusammenhängenden Einwände der Kommission in
ihrem fünften Rechtsmittelgrund müssten aus zwei Gründen für unzulässig erklärt werden. Zum einen
berufe sie sich auf Gesichtspunkte, die in der streitigen Entscheidung nicht erwähnt würden, und zum
anderen greife sie unmittelbar die Tatsachenwürdigung durch das Gericht an.
Würdigung des fünften Rechtsmittelgrundes durch die Kommission
143 Aus der Analyse der von der Kommission vorgebrachten Argumente ergibt sich, dass die meisten von
ihnen die Beweiswürdigung durch das Gericht betreffen, die nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof
im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt. Dies gilt für den Vorwurf der Kommission, das Gericht habe
bestimmte von ihr als relevant angesehene Gesichtspunkte nicht berücksichtigt oder andere von ihr
als irrelevant angesehene Gesichtspunkte berücksichtigt, sei es in Bezug auf die SBM-Maschinen mit
geringer oder hoher Kapazität oder in Bezug auf die Kunden aus dem Bereich der Glasverpackung.
144 Mit anderen zur Stützung ihres fünften Rechtsmittelgrundes vorgetragenen Argumenten wendet sich
die Kommission ausdrücklich gegen die Feststellung oder Würdigung von Tatsachen durch das Gericht.
Dies gilt insbesondere für das Vorbringen zu den Konkurrenten von Tetra/Sidel bei der Glasverpackung
oder die Analyse der Stellung des Konkurrenten SIG.
145 Zur angeblichen Verfälschung der streitigen Entscheidung in Randnummer 294 des angefochtenen
Urteils ist festzustellen, dass die Kommission keine konkrete Begründungserwägung dieser
Entscheidung angibt, deren Inhalt vom Gericht verfälscht worden sein soll, und dass dieses Argument
in Wirklichkeit die Würdigung von Tatsachen und Beweismitteln durch das Gericht betrifft.
146 In Bezug auf das Argument, die Schlussfolgerung in Randnummer 305 des angefochtenen Urteils, dass
die Abhängigkeit der Verarbeiter von Sidel nicht überzeugend nachgewiesen worden sei, sei
unzureichend begründet, genügt schließlich die Feststellung, dass das Gericht diese Beurteilung im
letzten Satz von Randnummer 305 kurz, aber ausreichend begründet hat.
147 Aus diesen Erwägungen folgt, dass der fünfte Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils
unbegründet ist.
148 Da keinem der von der Kommission zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgetragenen Gründe gefolgt
werden kann, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kosten
149 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das
Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Tetra die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese
mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Englisch.