Urteil des EuG vom 16.03.2016

Marke, Muster Und Modelle, Verordnung, Beschwerdekammer

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
16. März 2016(
„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke SCOPE – Absolute
Eintragungshindernisse – Beschreibender Charakter – Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1
Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung
Nr. 207/2009“
In der Rechtssache T‑90/15
Schoeller Corporation GmbH
Rechtsanwalt D. van Ackeren,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor
dem Gericht:
Sqope SA
M.‑C. Simon,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom
21. November 2014 (Sache R 2381/2013‑1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der
Sqope SA und der Schoeller Corporation GmbH
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des
Richters V. Kreuschitz,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 18. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 26. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung
des HABM,
aufgrund der am 19. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung
der Streithelferin,
aufgrund der Entscheidung vom 10. Juli 2015, die Einreichung einer Erwiderung nicht zu
gestatten,
aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien binnen der Frist von drei Wochen nach
aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien binnen der Frist von drei Wochen nach
der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer
mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher gemäß Art. 106 Abs. 3 der
Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu
entscheiden,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 21. Juni 2005 meldete die Maria Office LLC, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, der
Schoeller Corporation GmbH, beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster
und Modelle) (HABM) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993
über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die
Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke
[ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen SCOPE.
3
Die Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klasse 36 des Abkommens von Nizza über
die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken
vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Versicherungswesen;
Finanzwesen; Geldgeschäfte; Finanzdienstleistungen; Finanzanalysen; finanzielle Beratung;
Effektengeschäfte; Erteilung von Finanzauskünften; Vermittlung von Vermögensanlagen in
Fonds; Investmentgeschäfte; Kreditvermittlung; Versicherungsberatung; wobei keine der
vorgenannten Dienstleistungen wohltätige Spendenaktionen und die Organisation von
Spendensammlungen für wohltätige Zwecke umfassen soll“.
4
Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 50/2005 vom 12. Dezember 2005
veröffentlicht. Die Marke wurde am 22. Dezember 2006 eingetragen.
5
Am 12. Februar 2007 ging die oben in Rn. 2 genannte Marke auf die Schöller
Vermögensverwaltung GmbH über, die am 19. Januar 2011 in Schoeller Corporation GmbH (die
Klägerin) umbenannt wurde.
6
Am 22. Mai 2012 beantragte die Streithelferin, die Sqope SA, gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a
der Verordnung Nr. 207/2009, die in Rede stehende Marke für die oben in Rn. 3 genannten
Dienstleistungen für nichtig zu erklären.
7
Am 7. Oktober 2013 wies die Nichtigkeitsabteilung diesen Antrag zurück und erlegte der
Streithelferin die Verfahrenskosten auf. Sie stellte im Wesentlichen fest, dass die angefochtene
Marke für die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht beschreibend sei und nicht dargetan
worden sei, dass sie zum Zeitpunkt der Anmeldung, also im Juni 2005, nicht die erforderliche
Unterscheidungskraft gehabt habe.
8
Am 29. November 2013 legte die Streithelferin gegen die Entscheidung der
Nichtigkeitsabteilung Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.
9
Mit Entscheidung vom 21. November 2014 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab
die Erste Beschwerdekammer des HABM der Beschwerde statt. Sie führte im Wesentlichen aus,
dass die angefochtene Marke für die in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibend sei und
dass sie für diese Dienstleistungen auch keine Unterscheidungskraft habe. Die
Beschwerdekammer stellte insbesondere fest, dass der Begriff „scope“ in Finanz-, Investitions-
und Versicherungsbereichen häufig verwendet werde, um den Sinn, Inhalt und Charakter der
Dienstleistungen zu bestimmen, wie etwa in den Fachbegriffen bzw. in deren deutschen
Dienstleistungen zu bestimmen, wie etwa in den Fachbegriffen bzw. in deren deutschen
Entsprechungen „Versicherungsumfang“, „Investitionsumfang“, „finanzieller Umfang“,
„begehrenswertes Investitionsziel“ oder „erwünschte finanzielle Zielsetzung“. Sie stellte ferner
fest, dass der Begriff „scope“ ein übliches Wort sei, das in den relevanten Branchen verstanden
werde, und keine Elemente aufweise, die es den angesprochenen Verkehrskreisen über die
offenkundig werbemäßige Bedeutung hinaus erlauben könnten, den Ausdruck als
unterscheidungskräftige Marke für die bezeichneten Dienstleistungen leicht und unmittelbar im
Gedächtnis zu behalten.
Anträge der Parteien
10
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit sie sich auf die
Dienstleistungen „Finanzanalysen“ und „Erteilung von Finanzauskünften“ bezieht;
– dem HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
11
Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
12
Die Streithelferin beantragt,
– die Klage einschließlich des Hilfsantrags abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
13
Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen
Art. 7 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009, zweitens einen Verstoß
gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, drittens eine Verletzung des achten
Erwägungsgrundes der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Marken (ABl. L 299, S. 25) und viertens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht.
14
Vorab ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung einen Fehler bei der
Nummerierung der Randnummern enthält: Die auf Rn. 9 folgende Randnummer trägt die
Nummer 1 statt der Nummer 10. Die Nummerierung der folgenden Randnummern muss daher
entsprechend angepasst werden. Im Rahmen des vorliegenden Urteils wird das Gericht auf die
korrekte Nummerierung der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen.
15
Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten und den vierten Klagegrund zu
prüfen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009
16
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die angefochtene Marke nicht beschreibend
gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei. Das Wort „scope“ sei immer
unbestimmt und könne deshalb keine gewöhnliche Sachangabe im Sinne dieser Vorschrift sein.
Es sei kein für den Finanzsektor spezifisches Wort. Die Klägerin bringt insbesondere vor, dass
die Beschwerdekammer gegen die genannte Vorschrift verstoße, wenn sie den beschreibenden
Charakter einer Marke unter Hinzufügung weiterer Elemente bewerte, weil diese zusätzlichen
Elemente nicht Teil der Marke seien und deshalb bei der Prüfung nicht berücksichtigt werden
dürften. Das Wort „scope“ könne nur dann eine konkrete Bedeutung haben, wenn es in
Kombination mit anderen Begrifflichkeiten oder in einem bestimmten Kontext benutzt werde.
17
Die in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Bedeutungen des Wortes „scope“ seien
ohne jeden konkreten Bezug zu Dienstleistungen im Finanzbereich, für die die angefochtene
Marke Schutz beanspruche. Begriffe wie „Umfang“, „Reichweite“, „Fassungsvermögen“, „Ziel“
oder „Zielsetzung“ ließen sich in jedem beliebigen Waren- und Dienstleistungsbereich
verwenden.
18
Die oben in Rn. 16 dargelegten Erwägungen gelten nach Auffassung der Klägerin erst recht für
die Dienstleistungen, die nicht dem Vertrieb von Finanzprodukten dienten, sondern diese
lediglich bewerteten, d. h. „Finanzanalysen“ und „Erteilung von Finanzauskünften“.
19
Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und macht geltend, dass der Begriff
„scope“ auch in Alleinstellung als Merkmalsangabe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung Nr. 207/2009 geeignet sei. Es führt insbesondere aus, dass ein Zeichen nicht
isoliert zu prüfen sei, sondern in Bezug auf die relevanten Dienstleistungen und insoweit auch
mit Blick auf die einschlägigen Begriffe.
20
Ferner bringt das HABM vor, dass sämtliche von der angefochtenen Marke erfassten
Dienstleistungen unmittelbar zum Finanz-, Investitions- und Versicherungsbereich gehörten und
sich weitestgehend überschnitten. So sei die „Erteilung von Finanzauskünften“ nicht von der
„finanziellen Beratung“ zu trennen, und die „Finanzanalyse“ gehöre zum „Finanzwesen“ bzw.
den „Finanzdienstleistungen“.
21
Die Streithelferin macht geltend, dass das Vorbringen der Klägerin zu einem Verstoß gegen
Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ins Leere gehe. Beim Betrachten des
Begriffs „scope“ dränge sich die Bedeutung des Zeichens im Hinblick auf die von der
angefochtenen Marke umfassten Dienstleistungen unmittelbar auf: Es beschreibe den
gewünschten Umfang bzw. die Entfaltungsmöglichkeiten der verschiedenen Finanz-,
Versicherungs- und Investitionsdienstleistungen.
22
Der Begriff „scope“ sei ein üblicher, feststehender Begriff im Finanzbereich, wie u. a. der im
Verwaltungsverfahren vorgelegte Artikel zu „SRA Financial Services (Scope) Rules 2001“ zeige.
23
Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 wird die Gemeinschaftsmarke auf
Antrag beim HABM für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 dieser
Verordnung eingetragen worden ist.
24
Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind von der Eintragung Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr
zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der
geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der
Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen
können. Ferner finden gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die Vorschriften des
Abs. 1 dieses Artikels auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem
Teil der Europäischen Union vorliegen.
25
Nach der Rechtsprechung schließt Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 es aus,
dass die dort genannten Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem
einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Vorschrift verfolgt somit ein im
Allgemeininteresse liegendes Ziel, das darin besteht, dass solche Zeichen oder Angaben von
allen frei verwendet werden können (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P,
Slg, EU:C:2003:579, Rn. 31, vom 27. Februar 2002, Ellos/HABM [ELLOS], T‑219/00, Slg,
EU:T:2002:44, Rn. 27, und vom 7. Juli 2011, Cree/HABM [TRUEWHITE], T‑208/10,
EU:T:2002:44, Rn. 27, und vom 7. Juli 2011, Cree/HABM [TRUEWHITE], T‑208/10,
EU:T:2011:340, Rn. 12).
26
Außerdem werden Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der
Ware oder Dienstleistung dienen können, für die die Eintragung beantragt wird, gemäß Art. 7
Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 als ungeeignet angesehen, die wesentliche
Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder
Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke
gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, damit zu ermöglichen, bei einem späteren
Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen
gemacht hat (Urteile HABM/Wrigley, oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 30, und
TRUEWHITE, oben in Rn. 25 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 13).
27
Folglich fällt ein Zeichen nur dann unter das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot, wenn es
zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug
aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere
Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines
ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil TRUEWHITE, oben in Rn. 25 angeführt, EU:T:2011:340,
Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28
Ob ein Zeichen beschreibend ist, kann schließlich nur im Hinblick auf seine Wahrnehmung
durch die maßgeblichen Verkehrskreise und in Bezug auf die betroffenen Waren und
Dienstleistungen beurteilt werden (Urteile vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM
[EUROCOOL], T‑34/00, Slg, EU:T:2002:41, Rn. 38, und TRUEWHITE, oben in Rn. 25 angeführt,
EU:T:2011:340, Rn. 17).
29
Im vorliegenden Fall ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass
das Element „scope“, das die angefochtene Marke bildet, ein englisches Wort ist, das „Umfang,
Reichweite, Kompetenzbereich, Fassungsvermögen“, „Möglichkeit, Entfaltungsmöglichkeit,
Spielraum“ oder auch „Ziel, Zielsetzung“ bedeutet.
30
Die Beschwerdekammer hat in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die
angefochtene Marke aus einem englischen Wort bestehe und dass deshalb für die Beurteilung,
ob sie beschreibenden Charakter habe, das Verständnis des englischsprachigen Publikums in
der Union maßgebend sei. Ferner hat sie in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung
festgestellt, dass es sich bei den von der angefochtenen Marke umfassten Dienstleistungen um
Finanzdienstleistungen für das breite Publikum handele. Da diese Dienstleistungen wesentliche
finanzielle Konsequenzen für die Kunden haben könnten, sei der Grad der Aufmerksamkeit der
maßgeblichen Verkehrskreise bei der Wahl eher hoch. Diese Ausführungen der
Beschwerdekammer, die im Übrigen von der Klägerin nicht gerügt worden sind, enthalten
keinen Fehler und sind zu bestätigen.
31
Zum Verständnis des Zeichens, das die angefochtene Marke darstellt, hat die
Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass das Zeichen
„scope“ von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von „begehrenswertes
(Investitions-)Ziel“ oder „erwünschte (finanzielle) Zielsetzung“ verstanden würde. Es handele
sich um einen Begriff, der in Finanz-, Investitions- und Versicherungsbereichen häufig
verwendet werde, um den Sinn, Inhalt und Charakter der Dienstleistungen zu bestimmen, wie
etwa in den Fachbegriffen „Versicherungsumfang“, „Investitionsumfang“, „finanzieller Umfang“.
Die Beschwerdekammer zog hieraus in Rn. 28 der angefochtenen Entscheidung den Schluss,
dass das Wort „scope“ für die in Rede stehenden Dienstleistungen eine ausschließlich
beschreibende Angabe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sei.
32
Nach der Rechtsprechung fällt ein Wortzeichen jedoch nur dann unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. c
der Verordnung Nr. 207/2009, wenn es dazu dient, die wesentlichen Merkmale der fraglichen
Dienstleistungen konkret und nicht vage oder abstrakt zu bezeichnen (vgl. Urteil vom 2.
Dezember 2008, Ford Motor/HABM [FUN], T‑67/07, Slg, EU:T:2008:542, Rn. 32 und die dort
angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil ELLOS, oben in Rn. 25 angeführt,
EU:T:2002:44, Rn. 43 und 44).
EU:T:2002:44, Rn. 43 und 44).
33
Auch wenn der Begriff „scope“ einen möglicherweise anspielenden Charakter hat, ist er aber in
keiner seiner von der Beschwerdekammer festgestellten Bedeutungen (siehe oben, Rn. 29) für
irgendeines der Merkmale der von der angefochtenen Marke erfassten Dienstleistungen
beschreibend. Es handelt sich um einen vagen, allgemeinen und sachlichen Begriff. Der
Umstand, dass er, wie auch ein beliebiges anderes Substantiv, im Zusammenhang mit
finanziellen Dienstleistungen verwendet werden kann, beweist nicht, dass er beschreibend ist.
34
Das Zeichen SCOPE weist somit keinen hinreichend direkten und konkreten Bezug zu den in
Rede stehenden Dienstleistungen im Sinne der oben in Rn. 27 angeführten Rechtsprechung
auf, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere
Überlegung eine Beschreibung dieser Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen.
35
Außerdem nimmt die Beschwerdekammer für ihre Feststellung des beschreibenden Charakters
des Begriffs „scope“ für die in Rede stehenden Dienstleistungen auf Ausdrücke Bezug, in denen
diesem Begriff andere, nicht in der angefochtenen Marke enthaltene Begriffe hinzugefügt
werden (siehe oben, Rn. 31), wie die Klägerin zu Recht geltend gemacht hat. Zwar werden
solche Zusammenstellungen dadurch, dass sie der angefochtenen Marke die Bezeichnung der
in Rede stehenden Dienstleistungen beigesellen, wie beispielsweise in den Begriffen
„Versicherungsumfang“ oder „Investitionsziel“, zwangsläufig zu einer Beschreibung dieser
Dienstleistungen. Im vorliegenden Fall besteht aber die angefochtene Marke allein aus dem
Wort „scope“. Folglich ist die bloße Feststellung der Beschwerdekammer, das Wort „scope“ sei
in Verbindung mit anderen Wörtern beschreibend, nicht ausreichend, um daraus den Schluss zu
ziehen, dass das Zeichen SCOPE einen beschreibenden Charakter hat (vgl. in diesem Sinne
Urteil FUN, oben in Rn. 32 angeführt, EU:T:2008:542, Rn. 40).
36
Hieraus folgt, dass die angefochtene Marke entgegen den Feststellungen der
Beschwerdekammer nicht für Merkmale der in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibend
im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ist.
37
Schließlich kann die Streithelferin diese Schlussfolgerung auch nicht durch den Hinweis auf das
Dokument „SRA Financial Services (Scope) Rules 2001“ in Frage stellen, da die
Beschwerdekammer sich für ihre Feststellung des beschreibenden Charakters der
angefochtenen Marke nicht auf dieses Dokument gestützt hat. Jedenfalls geht aus Rn. 7 der
angefochtenen Entscheidung und aus den Akten hervor, dass der Inhalt dieses Dokuments
einen etwaigen gebräuchlichen Charakter der angefochtenen Marke im Finanzbereich nicht
belegt, da der Begriff „scope“ darin nur in Verbindung mit den Bestandteilen „SRA Financial
Services“ oder als objektives Substantiv ohne besonderen Bezug zu Finanzdienstleistungen
genannt wird.
38
Nach alledem greift der vorliegende Klagegrund durch.
Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009
39
Mit ihrem vierten Klagegrund wirft die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor,
die Unterscheidungskraft der angefochtenen Marke in der Weise bewertet zu haben, dass sie
deren semantischen Wert durch Hinzufügung markenfremder Bestandteile, nämlich der Wörter
„finanziell“ oder „begehrenswert“, erweitert habe. Warum eine Marke, die aus einem einzigen
kurzen und prägnanten Wort bestehe, nur eine offenkundig werbemäßige Bedeutung haben
und nicht leicht beim angesprochenen Verkehr im Gedächtnis bleiben solle, erschließe sich
nicht.
40
Das HABM ist der Auffassung, dass die Beschwerdekammer die Beurteilungskriterien für die
Unterscheidungskraft der angefochtenen Marke zutreffend angewandt habe. Es habe auf
dieselbe Bedeutung des Begriffs „scope“ wie bei der Prüfung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der
Verordnung Nr. 207/2009 abstellen und darauf basierend eine fehlende Unterscheidungskraft
feststellen können. Es bestehe zudem eine gewisse Überschneidung zwischen dem
Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und dem von
Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und dem von
Buchst. b dieses Absatzes, da beschreibende Zeichen, auf die Buchst. c abziele, auch keine
Unterscheidungskraft im Sinne von Buchst. b hätten. Darüber hinaus komme es auf die von der
Klägerin erstmals im Verfahren vor dem Gericht eingereichten Verwendungsbeispiele für den
Begriff „scope“ nicht an.
41
Die Streithelferin tritt dem Vorbringen der Klägerin ebenfalls entgegen und macht geltend, dass
die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft der angefochtenen Marke allein anhand des
Begriffs „scope“ beurteilt habe, der in den relevanten Branchen als feststehender Begriff
verwendet werde. Das Zeichen SCOPE sei daher kein Herkunftshinweis auf die besagten
Dienstleistungen.
42
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine
Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.
43
Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung
Nr. 207/2009 besagt, dass die Marke geeignet ist, die Waren, für die ihre Eintragung beantragt
wurde, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren
somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteile vom 20. Oktober
2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, Slg, EU:C:2011:680, Rn. 42 und die dort
angeführte Rechtsprechung, und vom 10. Oktober 2007, Bang & Olufsen/HABM [Form eines
Lautsprechers], T‑460/05, Slg, EU:T:2007:304, Rn. 27 und die dort angeführte
Rechtsprechung).
44
Nach ständiger Rechtsprechung werden die unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung
Nr. 207/2009 fallenden Marken als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke
zu erfüllen, nämlich die betriebliche Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung zu
identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder
Dienstleistung erwirbt, so zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon
abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (Urteile vom 20. Mai
2009, CFCMCEE/HABM [P@YWEB CARD und PAYWEB CARD], T‑405/07 und T‑406/07, Slg,
EU:T:2009:164, Rn. 33, und vom 21. Januar 2011, BSH/HABM [executive edition], T‑310/08,
EU:T:2011:16, Rn. 23). Das ist namentlich bei Zeichen der Fall, die bei der Vermarktung der
betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden (Urteile vom 3. Juli
2003, Best Buy Concepts/HABM [BEST BUY], T‑122/01, Slg, EU:T:2003:183, Rn. 20, und vom
30. Juni 2004, Norma Lebensmittelfilialbetrieb/HABM [Mehr für Ihr Geld], T‑281/02, Slg,
EU:T:2004:198, Rn. 24).
45
Die Unterscheidungskraft eines Zeichens ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder
Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf
seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile vom 21.
Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, Slg, EU:C:2010:29, Rn. 34, und vom 9. September 2010,
HABM/Borco-Marken-Import Matthiesen, C‑265/09 P, Slg, EU:C:2010:508, Rn. 32).
46
Im vorliegenden Fall stellte die Beschwerdekammer in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung
fest, dass der Begriff „scope“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen im Sinne von
„Versicherungsumfang“, „Investitionsumfang“, „finanzieller Umfang“, „begehrenswertes
Investitionsziel“ oder „erwünschte finanzielle Zielsetzung“ verstanden werde. Sie zog hieraus
den Schluss, dass es sich um ein übliches Wort handele, das in den relevanten Branchen
verstanden werde und das keine Elemente aufweise, die es den angesprochenen
Verkehrskreisen über die offenkundig werbemäßige Bedeutung des Begriffs hinaus erlauben
könnten, den Ausdruck als unterscheidungskräftige Marke für die fraglichen Dienstleistungen im
Gedächtnis zu behalten. Somit fehle der angefochtenen Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1
Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die Unterscheidungskraft.
47
Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zur Begründung ihrer Schlussfolgerung
der fehlenden Unterscheidungskraft der angefochtenen Marke erneut auf Ausdrücke Bezug
genommen hat, die zusätzliche Begriffe enthalten, die dem die angefochtene Marke bildenden
genommen hat, die zusätzliche Begriffe enthalten, die dem die angefochtene Marke bildenden
Zeichen hinzugefügt wurden (siehe oben, Rn. 35). Das etwaige Fehlen von
Unterscheidungskraft ist aber allein für das Zeichen festzustellen, das die angefochtene Marke
darstellt. Der Begriff „scope“ in Alleinstellung vermittelt keine anpreisende oder werbemäßige
Botschaft, die die maßgeblichen Verkehrskreise daran hindern könnte, ihn als Hinweis auf die
betriebliche Herkunft der fraglichen Dienstleistungen aufzufassen. Außerdem ist nicht dargetan
worden, dass es sich um ein bei der Vermarktung von Finanzdienstleistungen allgemein
verwendetes Zeichen handelt.
48
Folglich ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer nicht rechtlich hinreichend
nachgewiesen hat, dass die angefochtene Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hat.
49
Nach alledem ist auch der vierte Klagegrund begründet. Die angefochtene Entscheidung ist
daher aufzuheben, ohne dass es erforderlich wäre, den ersten und den dritten Klagegrund zu
prüfen und über den Hilfsantrag der Klägerin zu entscheiden.
Kosten
50
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen.
51
Da das HABM und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der
Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
52
Im Übrigen ist die Rüge, mit der die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Da sie
der Beschwerde der Streithelferin stattgegeben hat, hat die Beschwerdekammer in Rn. 38 der
angefochtenen Entscheidung der Klägerin in Anwendung von Art. 85 Abs. 1 der Verordnung Nr.
207/2009 nämlich zu Recht die im Nichtigkeits‑ und Beschwerdeverfahren entstandenen
Gebühren und Kosten auferlegt.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für
den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 21. November 2014 in
der Sache R 2381/2013‑1 wird aufgehoben.
2. Das HABM und die Sqope SA tragen ihre eigenen Kosten und die der Schoeller
Corporation GmbH entstandenen Kosten.
Prek
Labucka
Kreuschitz
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. März 2016.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.