Urteil des EuG vom 24.11.2016

Beschwerdekammer, Düngemittel, Geistiges Eigentum, Verwechslungsgefahr

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
24. November 2016(
*
)
„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Dolokorn – Ältere Unionswortmarke DOLOPUR – Relatives
Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“
In der Rechtssache T‑769/15
SeNaPro GmbH
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:
Paltentaler Splitt & Marmorwerke GmbH
betreffend eine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 23. Oktober 2015 (Sache R 2643/2014‑1) zu
einem Widerspruchsverfahren zwischen den Paltentaler Splitt & Marmorwerken und SeNaPro
erlässt
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter A. Dittrich und P. G. Xuereb,
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 29. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 6. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,
aufgrund der am 5. April 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,
aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen, nachdem die Bekanntgabe des Abschlusses des
schriftlichen Verfahrens erfolgt ist, einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, und aufgrund des gemäß Art. 106
Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 6. Juni 2013 meldete die Klägerin, die SeNaPro GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die
Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um die Wortmarke Dolokorn.
Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klasse 1 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale
Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Düngemittel;
Düngemittel für Böden; Anorganische Düngemittel; Düngemittel für den Boden; Düngemittel für landwirtschaftliche Zwecke; Dünger und Düngemittel;
Feste Düngemittel; Gartennährstoffe und Düngemittel; Gemischte Düngemittel; Düngekalk; Düngemittel für den Haushalt; Mineralische Düngemittel“.
Am 13. September 2013 erhob die Streithelferin, die Paltentaler Splitt & Marmorwerke GmbH, nach Art. 41 und Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der
Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke.
Der Widerspruch richtete sich gegen alle von der angemeldeten Marke erfassten Waren und stützte sich auf die ältere Unionswortmarke DOLOPUR,
die am 30. August 2011 für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 3, 5, 19 und 40 eingetragen worden war:
– Klasse 1: „Dolomit für gewerbliche Zwecke; Kalzium-Carbonat-Pulver; Kalzium-Carbonat-Granulat; Kalzium-Carbit; Kalzium-Salze; Carbonate; Magnesium-
Carbonat; Percarbonate; chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke;
Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; Gerbmittel; Klebstoffe
für gewerbliche Zwecke“;
– Klasse 3: „Reinigungsmittel“;
– Klasse 5: „Luftreinigungsmittel; Luftauffrischungsmittel“;
– Klasse 19: „Baumaterialien (nicht aus Metall); Asphalt, Pech und Bitumen“;
– Klasse 40: „Materialbearbeitung; Entgiftung von gefährlichen Materialien; Luftreinigung; Luftverbesserung (Desodorierung)“.
Mit Entscheidung vom 9. September 2014 bejahte die Widerspruchsabteilung das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr und gab dem Widerspruch
auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in vollem Umfang statt.
Am 15. Oktober 2014 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 60 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung
beim EUIPO Beschwerde ein.
Mit Entscheidung vom 23. Oktober 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Sie
wies insbesondere erstens darauf hin, dass die relevanten Waren identisch seien, da die von der angemeldeten Marke erfassten Waren besondere
Arten von Düngemitteln seien, die in der weiter gefassten Kategorie „Düngemittel“ enthalten seien, für die die ältere Marke ebenfalls eingetragen
sei. Zweitens definierte die Beschwerdekammer die maßgeblichen Verkehrskreise als Verbraucher von Düngemitteln, die im Allgemeinen auf die
Eignung und die konkrete Art der Ware, ihre Inhaltsstoffe sowie auf Umweltaspekte und den Preis achteten. Drittens ging die Beschwerdekammer
davon aus, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen ähnlich seien. Insoweit hob sie hervor, dass die ersten beiden der drei Silben, aus
denen sich die Zeichen zusammensetzten, übereinstimmten, so dass sie sich durch eine klangliche und bildliche Ähnlichkeit auszeichneten. Das
Vorbringen der Klägerin, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers werde nicht auf das Präfix „Dolo“ gelenkt, da dessen Verwendung im
Schmerzmittelbereich gängig sei, verwarf die Beschwerdekammer mit der Begründung, dass sich dieser Bereich von dem der Düngemittel
unterscheide. Im gleichen Zusammenhang lehnte die Beschwerdekammer auch eine Berücksichtigung der von der Klägerin zum Nachweis dafür, dass
die maßgeblichen Verkehrskreise das Präfix „Dolo“ als Verweis auf Dolomitgestein – einen Rohstoff u. a. für Mineraldünger – verstünden, angeführten
Gesichtspunkte ab. Dieser Umstand stelle keine allgemein bekannte Tatsache dar, bei der eine verspätete Geltendmachung unschädlich sei.
Außerdem könnten die Suffixe „korn“ und „pur“ vom deutschsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise als Bezugnahme auf die körnige
Struktur bzw. die Reinheit der Waren verstanden werden. Dies führe zur begrifflichen Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen,
soweit die maßgeblichen Verkehrskreise das Präfix „Dolo“ nicht auf Dolomitgestein bezögen. In Anbetracht der identischen Struktur der einander
gegenüberstehenden Marken – bestehend aus der Verwendung des Präfixes „Dolo“, gefolgt von einem für die Waren als beschreibend
wahrgenommenen Begriff – könne der deutschsprachige Teil der maßgeblichen Verkehrskreise, der der Zusammensetzung von Düngemitteln
besondere Bedeutung beimesse, somit annehmen, dass die unter den einander gegenüberstehenden Marken vertriebenen Waren von demselben
Unternehmen stammten. Diese Gefahr bestehe auch dann, wenn der deutschsprachige Teil der maßgeblichen Verkehrskreise das Präfix „Dolo“ auf
Dolomitgestein beziehen sollte. Dann werde er davon ausgehen, dass sich „Dolokorn“ auf einen körnigen Stoff aus Dolomitgestein beziehe und
„Dolopur“ auf einen ähnlichen Stoff von besonderer Reinheit. In Anbetracht der Identität der Waren und der Ähnlichkeit der einander
gegenüberstehenden Zeichen sei im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr festzustellen.
Anträge der Parteien
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
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Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
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Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin als einzigen Klagegrund einen „Verstoß gegen Art. 75 und Art. 76 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung
[Nr.] 207/2009“ geltend.
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Sie pflichtet insoweit der Beurteilung der Beschwerdekammer bei, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren
identisch seien. Sie trägt jedoch vor, die maßgeblichen Verkehrskreise widmeten dem Präfix „Dolo“ aufgrund seiner verbreiteten Verwendung im
pharmazeutischen Bereich und zunehmend auch in anderen Bereichen keine besondere Aufmerksamkeit, was seine Einstufung als dominierenden
Bestandteil der einander gegenüberstehenden Zeichen ausschließe. In Anbetracht der Zurückweisung dieses Vorbringens durch die
Widerspruchsabteilung habe es die Klägerin vor der Beschwerdekammer vertieft, indem sie ergänzt habe, dass das Präfix „Dolo“ als Abkürzung für
Dolomitgestein, den Rohstoff für die Waren der Klägerin und der Streithelferin, verwendet werde. Unter diesen Umständen mäßen die maßgeblichen
Verkehrskreise den Suffixen „korn“ und „pur“ besondere Bedeutung bei. Durch die Weigerung, die von der Klägerin angeführten
entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, habe die Beschwerdekammer die Pflicht zur Begründung ihrer Entscheidungen und zur
Ausübung des ihr durch Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 übertragenen Ermessens verletzt. Außerdem sei die hilfsweise Begründung, dass
eine Verwechslungsgefahr auch dann bestehe, wenn das Präfix „Dolo“ als Verweis auf Dolomitgestein verstanden werde, fehlerhaft, da ein solches
Verständnis dieses Begriffs mit der Annahme, dass die beiden Marken demselben Unternehmen gehörten, nicht vereinbar sei. Folglich seien die
einander gegenüberstehenden Marken nicht ähnlich, was jede Verwechslungsgefahr ausschließe.
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Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
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Ungeachtet der Überschrift des einzigen Klagegrundes ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin zu dessen Stützung, dass sie im Wesentlichen
rügt, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sei verletzt worden, weil zwischen den einander gegenüberstehenden Marken keine
Ähnlichkeit bestehe. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin ferner geltend, die Art. 75 und 76 der Verordnung Nr. 207/2009 seien durch die
Weigerung der Beschwerdekammer verletzt worden, bestimmte Beweise für die fehlende Ähnlichkeit zu berücksichtigen. Aus den fraglichen Beweisen
ergebe sich, dass das Präfix „Dolo“ für Düngemittel beschreibend sei, so dass sich die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise auf die
Suffixe „korn“ und „pur“ konzentrieren werde.
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Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der
Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die
beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere
Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung
gebracht wird.
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Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder
Dienstleistungen von demselben Unternehmen oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Weiter ist nach der
Rechtsprechung das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen sowie der fraglichen Waren
oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere
der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil
vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 33 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
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Außerdem ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen
nach Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre
kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es
entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wirken. Der
Durchschnittsverbraucher nimmt dabei eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom
12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner reicht es für die Ablehnung der
Eintragung einer Unionsmarke aus, dass ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in
einem Teil der Europäischen Union besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca
[VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
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Zum Vorbringen der Klägerin zur Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken ist darauf hinzuweisen, dass – wie die Beschwerdekammer in
Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung ausführt – eine klangliche und bildliche Ähnlichkeit dieser Marken besteht, da ihre ersten beiden Silben
übereinstimmen und da sie dieselbe Gesamtzahl von Silben enthalten.
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Ferner ergibt sich aus den Rn. 22 und 26 der angefochtenen Entscheidung, dass die Beschwerdekammer zum Verständnis des Präfixes „Dolo“ durch
die maßgeblichen Verkehrskreise im Wesentlichen zwei Hypothesen geprüft hat. Die erste geht von dem Grundsatz aus, dass diese Verkehrskreise
das Präfix nicht auf Dolomitgestein beziehen werden, und die zweite prüft die Wahrnehmung der Verkehrskreise bei Herstellung eines solchen Bezugs.
Die Beschwerdekammer kam aber zu Recht zu dem Ergebnis, dass eine Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen vorliegt und
somit bei jeder dieser beiden Hypothesen eine Verwechslungsgefahr besteht.
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Bei der ersten Hypothese könnte nämlich nicht auf eine begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen geschlossen werden,
wenn die maßgeblichen Verkehrskreise dem Präfix „Dolo“ keine besondere Bedeutung beimäßen und es eher als einen Phantasiebegriff verstünden.
Dieser Umstand würde jedoch aufgrund des phantasievollen und nicht beschreibenden Charakters des gemeinsamen Präfixes die Bedeutung der
klanglichen und bildlichen Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Marken verstärken. Gleiches gilt dann, wenn der Klägerin beizupflichten
wäre, dass die maßgeblichen Verkehrskreise an Schmerzmittel denken werden, die unter einer Marke mit diesem Präfix vertrieben werden. Da
zwischen Arzneimitteln und den von der angemeldeten Marke beanspruchten und von der älteren Marke erfassten Düngemitteln nämlich keine
Beziehung besteht, wird die Bedeutung des Präfixes „Dolo“ in den einander gegenüberstehenden Marken durch diesen Umstand nicht berührt.
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Ferner kann bei der zweiten Hypothese der Umstand, dass die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem Präfix „Dolo“ und dem
Rohstoff, den Dolomitgestein darstellt, herstellen könnten, zwar die Bedeutung dieses Präfixes in den einander gegenüberstehenden Marken
verringern, doch haben die Suffixe „korn“ und „pur“ – wie die Beschwerdekammer in Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung ausführt – ebenfalls
geringe Kennzeichnungskraft. Der deutschsprachige Teil der maßgeblichen Verkehrskreise könnte diese Suffixe nämlich – wie in Rn. 20 der
angefochtenen Entscheidung dargelegt wird – unschwer als Hinweis auf die körnige Struktur bzw. die Reinheit der unter den einander
gegenüberstehenden Marken vertriebenen Düngemittel verstehen. In einem solchen Fall würde das Präfix „Dolo“ die Aufmerksamkeit des
Verbrauchers in gleichem Maß auf sich ziehen wie die Suffixe „korn“ und „pur“, so dass die einander gegenüberstehenden Marken auch dann als
ähnlich einzustufen wären.
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Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer keinen Fehler begangen, als sie in den Rn. 24 bis 26 und 28 der angefochtenen Entscheidung
festgestellt hat, dass die maßgeblichen Verkehrskreise, die auf die Zusammensetzung der Düngemittel achten, in Anbetracht der von der Klägerin
nicht bestrittenen Identität der Waren und der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die die gleiche Struktur – bestehend aus der
Verwendung des Präfixes „Dolo“, gefolgt von einem für die Waren als beschreibend wahrgenommenen Begriff – aufweisen, annehmen könnten, dass
die unter diesen Marken vertriebenen Waren von demselben Unternehmen stammen, wobei die angemeldete Marke auf die körnige Struktur der Ware
und die ältere Marke auf ihre Reinheit hinweist.
23
Daher ist festzustellen, dass die Rüge der Klägerin, die Beschwerdekammer habe die Art. 75 und 76 der Verordnung Nr. 207/2009 verletzt, weil sie
die ihr unterbreiteten Gesichtspunkte zur Bedeutung des Präfixes „Dolo“ nicht berücksichtigt habe, ins Leere geht.
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Zur Möglichkeit der Beschwerdekammer, erstmals vor ihr vorgebrachte Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ist nämlich darauf hinzuweisen, dass eine
solche Berücksichtigung gerechtfertigt sein kann, wenn die verspätet vorgebrachten Gesichtspunkte zum einen auf den ersten Blick von wirklicher
Relevanz für das Ergebnis des bei ihr gestellten Antrags sein können und zum anderen das Verfahrensstadium, in dem das verspätete Vorbringen
erfolgt, und die Umstände, die es begleiten, dem nicht entgegenstehen (Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C‑29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 44).
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Insoweit trifft es in Anbetracht der in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien zwar zu, dass die Erwägung, wonach die Verbindung
zwischen dem Präfix „Dolo“ und Dolomitgestein keine allgemein bekannte Tatsache darstelle, nicht angemessen erscheint, um eine Berücksichtigung
des dahin gehenden, von der Klägerin erstmals der Beschwerdekammer unterbreiteten Vorbringens abzulehnen. Die Beschwerdekammer ist jedoch
bei ihrer Beurteilung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen von der Hypothese
ausgegangen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise das Präfix „Dolo“ als Bezugnahme auf Dolomitgestein verstehen werden (siehe oben, Rn. 21).
Diese Beurteilung, nach der eine Verwechslungsgefahr vorliegt, beruht erstens auf der Identität der von den einander gegenüberstehenden Marken
erfassten Waren (vgl. Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung) und zweitens auf der Ähnlichkeit dieser Marken (vgl. Rn. 20 bis 22 der angefochtenen
Entscheidung). Somit hat die Beschwerdekammer aus der identischen Struktur der einander gegenüberstehenden Marken – bestehend aus der
Verwendung des Präfixes „Dolo“, gefolgt von einem für die Waren als beschreibend wahrgenommenen Begriff – geschlossen, dass die Gefahr einer
Wahrnehmung der beiden Zeichen durch die maßgeblichen Verkehrskreise als von demselben Unternehmen stammende Varianten auch dann
besteht, wenn diese Verkehrskreise das fragliche Präfix als Bezugnahme auf Dolomitgestein verstehen sollten.
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Daher ist festzustellen, dass die ursprüngliche, in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung ausgesprochene Weigerung, die erstmals vor der
Beschwerdekammer vorgebrachten Argumente der Klägerin zur Bedeutung des Präfixes „Dolo“ zu prüfen, für die weitere Begründung der
angefochtenen Entscheidung
de facto folgenlos geblieben ist.
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Da die Beschwerdekammer in den Rn. 12, 16, 17, 20 bis 22, 24, 26 und 28 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, aus welchen Gründen
sie in Anbetracht der Identität der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren und der Ähnlichkeit dieser Marken das Vorliegen
einer Verwechslungsgefahr bejaht hat, ist die angefochtene Entscheidung auch insoweit rechtlich hinreichend begründet.
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Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen.
Kosten
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Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
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Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die SeNaPro GmbH trägt die Kosten.
Gratsias Dittrich Xuereb
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. November 2016.
Der Kanzler Der Präsident
E. Coulon
*
Verfahrenssprache: Deutsch.